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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 2 Ss OWi 782/09 OLG Hamm

Leitsatz: Haben sowohl der Verteidiger als auch der Betroffene Rechtsmittel eingelegt, so führt die durch den zur Rücknahme des Rechtsmittels bevollmächtigten Verteidiger erklärte Rücknahme zur Zurücknahme des Rechtsmittels insgesamt.

Senat: 2

Gegenstand: Rechtsbeschwerde

Stichworte: Rechtsbeschwerde, Rücknahme, Vollamcht, Erteilung, Zeitpunkt., Wirksamkeit, Umfang

Normen: StPO 302

Beschluss:

Bußgeldsache
gegegn pp.
wegen Ordnungswidrigkeit.

Der 2. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Hamm hat am 27. Oktober 2009 durch die Richterin am Oberlandesgericht (als Einzelrichterin gemäß § 80 a Abs. 1 OWiG) nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:

Es wird festgestellt, dass der Antrag des Betroffenen auf Zulassung der Rechtsbeschwerde gegen das Urteil des Amtsgerichts Bochum vom
27. Februar 2009 wirksam zurückgenommen ist.

Gründe:
I
Das Amtsgericht Bochum hat gegen den Betroffenen durch Urteil vom 27. Februar 2009 wegen fahrlässigen Verstoßes gegen §§ 404 Abs. 2 Nr. 26 SGB III i.V.m. § 60 Abs. 1 Nr. 2 SGB I eine Geldbuße in Höhe von 185,00 EURO verhängt. Gegen das in seiner Anwesenheit verkündete Urteil hat der Betroffene mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 27. Februar 2009, eingegangen per Telefax beim Amtsgericht Bochum am selben Tag, Rechtsmittel eingelegt. Dem Schriftsatz war eine vom Betroffenen unterschriebene Vollmacht beigefügt, in der es im letzten Absatz u.a. heißt:
„Die Vollmacht gilt für alle Instanzen /…/. Sie umfasst insbesondere die Befugnis, Zustellungen zu bewirken und entgegenzunehmen, die Vollmacht ganz oder teil-weise auf andere zu übertragen (Untervollmacht), Rechtsmittel einzulegen, zurück-zunehmen oder auf sie zu verzichten /…/.
Mit Schreiben vom 28. Februar 2009, eingegangen bei dem Amtsgericht Bochum am 01. März 2009, hat der Betroffene „Beschwerde/Berufung“ gegen das Urteil des Amtsgerichts eingelegt. Mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 13. März 2009, ein-gegangen per Telefax beim Amtsgericht Bochum am selben Tag, wurde das mit An-waltsschreiben vom 27. Februar 2009 eingelegte Rechtsmittel zurückgenommen.
Mit Schreiben vom 26. Juli 2009, eingegangen beim Amtsgericht Bochum am 27. Juli 2009, hat der Betroffene um Eingangsbestätigung seines Rechtsmittels und ggfl. um Nichtzulassung der Berufung gebeten. In einem weiteren Schreiben vom 29. August 2009, eingegangen beim Amtsgericht Bochum am 01. September 2009, hat der Betroffene ausgeführt, seinem Verteidiger keine über die Akteneinsicht zur Vorbereitung der Berufung hinausgehende Vollmacht erteilt zu haben. Sein eingelegtes Rechtsmittel sei folglich nicht zurückgenommen.

II.
Es ist damit eine feststellende Klärung durch förmliche Entscheidung des Rechts-mittelgerichts angezeigt (vgl. BGH NStZ 2001, 104 m.w.Nachw.).
Entsprechend dem Antrag der Generalstaatsanwaltschaft hat der Senat festgestellt, dass der Antrag des Betroffenen auf Zulassung der Rechtsbeschwerde mit Schrift-satz seines Verteidigers vom 13. März 2009 wirksam zurückgenommen ist.
Die Generalstaatsanwaltschaft hat ihren Antrag wie folgt begründet:

„Soweit in dem Schriftsatz vom 27.02.2009 Rechtsmittel bzw. im Schreiben vom 28.02.2009 „Beschwerde/Berufung“ eingelegt wurde, ist dies unschädlich, da dies als Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde zu werten ist, §§ 80 Abs. 3, 79 Abs. 3 OWiG, § 300 StPO.

Der Antrag des Betroffenen auf Zulassung der Rechtsbeschwerde wurde wirksam mit Schriftsatz seines hierzu ermächtigten Verteidigers vom 13.03.2009 zurückgenommen, so dass das Urteil des Amtsgerichts Bochum vom 27.02.2009 rechtskräftig ist.

Da die Wirksamkeit der Rechtsmittelrücknahme von dem Betroffenen bestrit-ten wird, ist eine feststellende Klärung durch förmliche Entscheidung des Rechtsmittelgerichts angezeigt (zu vgl. BGH vom 12.07.2000, 3 StR 257/00 BeckRS 2000 30122049).

Der Verteidiger des Betroffenen war zur Zurücknahme des Antrags gem.
§§ 80 Abs. 3 S. 1, 79 Abs. 3 OWiG i.V.m. § 302 Abs. 2 StPO ermächtigt.
Es besteht in Rechtsprechung und Schrifttum Uneinigkeit darüber, ob die ausdrückliche Ermächtigung des § 302 Abs. 2 StPO auch schon im voraus, etwa im Rahmen des allgemeinen Vollmachtsformulares, erteilt werden kann, also zu einem Zeitpunkt, in dem der Inhalt der Entscheidung noch unbekannt und das Bedürfnis einer Anfechtung der Entscheidung noch unklar ist. Die Rechtsprechung hält eine derartige, im allgemeinen Vollmachtsformular im voraus erteilte Ermächtigung überwiegend für ausreichend (OLG Hamm, Beschluss v. 17.05.2005 – 1 Ss 62/05 - m.w.N.). Das überwiegende Schrifttum steht demgegenüber auf dem Standpunkt, dass eine wirksame Ermächtigung zur Rücknahme angesichts der Tragweite der Erklärung erst erteilt werden könne, wenn feststehe, um welche konkrete Entscheidung es sich handele und auf welches Rechtsmittel sich die Ermächtigung zur Rücknahme oder zum Verzicht beziehe (Meyer-Goßner, StPO, 52. Aufl., § 302 Rdnr. 32).
Dies kann hier jedoch dahinstehen, da der Verteidiger nach Urteilsverkündung 1. Instanz erst für das Rechtsmittelverfahren beauftragt wurde.
Das Urteil wurde am 27.02.2009 verkündet. Am selben Tage erfolgte die Be-auftragung des Verteidigers, dessen schriftliche, vom Betroffenen unterschriebene Vollmacht sich bei der Akte befindet (BI. 49 d.A.). Diese Vollmacht bezieht sich ausdrücklich auf die Befugnis des Verteidigers, Rechtsmittel einzulegen und zurückzunehmen. Soweit der Betroffene vorträgt, er habe seinen Verteidiger lediglich mit der Wahrnehmung der Akteneinsicht beauftragt, widerspricht dies dem eindeutigen Wortlaut der von dem Betroffenen am 27.02.2009 unterzeichneten schriftlichen Verteidigervollmacht.

Die vom Verteidiger erklärte Rücknahme des „Rechtsmittels vom 27.02.2009“ erfasst auch den Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde insgesamt.
Die Rechtsbeschwerde eines Beteiligten bzw. der Antrag auf Zulassung der-selben stellt immer nur ein einheitliches Rechtsmittel dar. Sind mehrere Ver-teidiger des Betroffenen vorhanden, so sind dieser und die Verteidiger, letz-tere im Rahmen der ihnen erteilten Ermächtigung, jeweils selbstständig verfügungsbefugt über das einheitliche Rechtsmittel. Erklärt einer von ihnen den Rechtsmittelverzicht oder die Rechtsmittelrücknahme in wirksamer Form, so zieht er damit nicht lediglich seinen Beitrag zu dem Rechtsmittelgeschehen zurück, sondern seine Verzichts- oder Rücknahmeerklärung bringt das gesamte Rechtsbeschwerdegebilde zu Fall (zu vgl. KK-Senge, OWiG, 3. Aufl.,
§ 79 Rdnr. 148 m.w.N.).“

Diese zutreffenden Ausführungen macht sich der Senat zu eigen und zum Gegen-stand seiner Entscheidung, so dass das Rechtsbeschwerdeverfahren durch die wirksame Rücknahme des Rechtsmittels abgeschlossen bzw. erledigt ist.


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