Aktenzeichen: 1 Vollz (Ws) 463/09 OLG Hamm |
Leitsatz: Ein Strafgefangener, der durch die Art und Weise des Vollzugs einer Freiheitsstrafe schwerwiegend im Schutzbereich seiner Grundrechte betroffen ist, darf grundsätzlich nicht darauf verwiesen werden, erst und nur im Wege der Verfassungsbeschwerde effektiven Grundrechtsschutz einzufordern, sofern das Prozessrecht eine weitere fachgerichtliche Instanz eröffnet. Dem Interesse des Betroffenen an einem effektiven Schutz seiner Persönlichkeitsrechte wird insoweit jedoch hinreichend entsprochen, wenn ihm dieser Schutz im Rahmen einer fachgerichtlichen Überprüfung gewährt wird. Dazu gehört auch ein bereits vorweg gestellter Antrag auf Prozesskostenhilfe. |
Senat: 1 |
Gegenstand: Beschwerde |
Stichworte: Überprüfung, Rechtmäßigkeit, Erledigung, Fachgericht, |
Normen: Art .19 GG |
Beschluss: In pp. hat der 1. Strafsenat des OLG Hamm am 25.08.2009 beschlossen: Die Rechtsbeschwerde wird zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zugelassen. Der angefochtene Beschluss wird mit Ausnahme der Festsetzung des Geschäftswertes aufgehoben. Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung wird als unzulässig verworfen. Die Kosten des Verfahrens werden dem Betroffenen auferlegt Gründe: I. Der wegen Diebstahls und Urkundenfälschung zu Freiheitsstrafen von 1 Jahr, 1 Jahr 6 Monaten, 3 Monaten, 1 Jahr 8 Monaten und 1 Jahr 3 Monaten verurteilte Betroffene befand sich in der Zeit vom 7. Oktober 2008 bis zum 4. Dezember 2008 zur Durchführung des Einweisungsverfahrens in der Justizvollzugsanstalt Hagen und war dort bis zum 14. November 2008 in einem Gemeinschaftshaftraum mit einer Grundfläche von 16,36 qm gemeinsam mit zwei bzw. mit drei weiteren Gefangenen untergebracht. Mit Schreiben vom 12. Januar 2009, eingegangen beim Landgericht Hagen am 14. Januar 2009, beantragte der Betroffene bei einer Zivilkammer des Landgerichts Hagen Prozesskostenhilfe für ein beabsichtigtes Klageverfahren gegen das Land Nordrhein-Westfalen. Darin begehrt der Betroffen Schadensersatz wegen Amtspflichtverletzung, weil er durch die gemeinschaftliche Unterbringung in der Justizvollzugsanstalt Hagen in seinem Recht auf Achtung der Menschenwürde verletzt worden sein will. Mit Schriftsatz seines Verfahrensbevollmächtigten vom 5. Februar 2009 stellte der Betroffene außerdem bei der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Hagen einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach den §§ 109 ff. StVollzG, mit dem er die Feststellung der Rechtswidrigkeit der gemeinschaftlichen Unterbringung während des Einweisungsverfahrens in der Justizvollzugsanstalt Hagen begehrt. Diesem Antrag hat die Strafvollstreckungskammer nach Einholung einer Stellungnahme des Leiters der Justizvollzugsanstalt Hagen mit Beschluss vom 16. Juni 2009 entsprochen und festgestellt, dass die gemeinschaftliche Unterbringung des Betroffenen während der Dauer seines Aufenthaltes in der Justizvollzugsanstalt Hagen rechtswidrig gewesen sei. Die Strafvollstreckungskammer ist der Auffassung, dass ein Feststellungsinteresse bestehe, weil durch die Art und Weise seiner Unterbringung in der Vollzugsanstalt Hagen das Recht des Antragstellers auf Achtung seiner Menschenwürde verletzt worden sei. Dieses Feststellungsinteresse sei auch nicht im Hinblick auf die vorherige Einreichung einer Zivilklage entfallen, weil dieses noch nicht rechtskräftig abgeschlossen sei. Im Übrigen sei auch zu berücksichtigen, dass die Feststellung der Rechtswidrigkeit durch die Strafvollstreckungskammer Auswirkungen haben könnte auf die Frage, inwieweit dem Betroffenen durch die Zahlung eines Schmerzensgeldes weitere Genugtuung zu verschaffen sei. Gegen diese Entscheidung richtet sich die Rechtsbeschwerde des Leiters der Vollzugsanstalt Hagen. Er ist mit näheren Ausführungen der Auffassung, die gemeinschaftliche Unterbringung des Betroffenen sei wegen des bei ihm zu erwartenden Drogenentzuges nicht rechtswidrig gewesen. Außerdem habe die Strafvollstreckungskammer zu Unrecht ein Feststellungsinteresse des Betroffenen bejaht. II. Der Senat hat die Rechtsbeschwerde zugelassen, da die Nachprüfung der angefochtenen Entscheidung zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung geboten ist. Das Rechtsmittel hat auch in der Sache Erfolg. Es führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung der Strafvollstreckungskammer und zur Verwerfung des Antrags auf gerichtliche Entscheidung. Dem Betroffenen fehlt das für den Feststellungsantrag gemäß § 115 Abs. 3 StVollzG erforderliche Rechtsschutzinteresse. Zwar hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass bei einer beengten Unterbringung mehrerer Gefangener in einem Haftraum eine Verletzung der Menschenwürde in Frage stehen könne und für die nachträgliche Feststellung der Rechtswidrigkeit einer solchen Maßnahme im Hinblick auf Art. 19 Abs. 4 GG ein Rechtsschutzinteresse zu bejahen sei. Ein Strafgefangener, der durch die Art und Weise des Vollzugs einer Freiheitsstrafe schwerwiegend im Schutzbereich seiner Grundrechte betroffen ist, dürfe nicht darauf verwiesen werden, erst und nur im Wege der Verfassungsbeschwerde effektiven Grundrechtsschutz einzufordern, sofern das Prozeßrecht eine weitere fachgerichtliche Instanz eröffne (Beschluss vom 13. März 2002 2 BvR 261/01; vgl. auch Beschluss vom 27. Februar 2002 2 BvR 527/99). Daraus folgt, dass dem Genugtuungsbedürfnis des Betroffenen und seinem Interesse an einem effektiven Schutz seiner Persönlichkeitsrechte jedenfalls dann hinreichend entsprochen wird, wenn ihm dieser Schutz im Rahmen einer fachgerichtlichen Überprüfung gewährt wird. Eine solche Instanz hatte der Betroffene aber bereits vor der Stellung des Antrags auf gerichtliche Entscheidung mit seinem an eine Zivilkammer des Landgerichts Hagen gerichteten Antrag auf Prozeßkostenhilfe angerufen. Einer zusätzlichen weiteren gerichtlichen Überprüfung desselben tatsächlichen Sachverhalts bedarf es dann aber nicht mehr, um dem Erfordernis eines effektiven Grundrechtsschutzes zu genügen. Der Feststellungsantrag erweist sich somit als unzulässig. Die Entscheidung der Strafvollstreckungskammer war deshalb aufzuheben und der Antrag auf gerichtliche Entscheidung als unzulässig zu verwerfen. III. Die Nebenentscheidung folgt aus § 121 Abs. 2 StVollzG. |
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