Aktenzeichen: 2 Ws 270/09 OLG Hamm |
Leitsatz: Bei kurzen Hauptverhandlungsterminen ist eine Festsetzung von Verteidigergebühren unterhalb der Mittelgebühr zulässig, auch wenn die Sache insgesamt umfangreich und schwierig gewesen ist. |
Senat: 2 |
Gegenstand: Beschwerde |
Stichworte: Terminsgebühr; Terminsdauer, Bemessung, kurzer Termin |
Normen: RVG 14 |
Beschluss: Strafsache gegen pp. wegen räuberischer Erpressung u.a., (hier: sofortige Beschwerde des ehemaligen Angeklagten gegen die abgelehnte Kostenfestsetzung §§ 464b Satz 3 StPO, 104 Abs. 3 Satz 1 ZPO, 11 Abs. 1 RPflG ). Auf die sofortige Beschwerde des ehemaligen Angeklagten vom 21. September 2009 gegen den Beschluss des Landgerichts Rechtspflegerin Bochum vom 09. September 2009 8 KLs 22 Js 1434/08 hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 03. 12. 2009 durch nach Anhörung des ehemaligen Angeklagten bzw. seines Verteidigers und des Leiters des Dezernats 10 der Verwaltungsabteilung des Oberlandesgerichts Hamm beschlossen: Die sofortige Beschwerde wird als unbegründet verworfen. Das Verfahren ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet. Gründe: I. Der frühere Angeklagte ist durch Urteil des Landgerichts Bochum vom 30. März 2009 vom Vorwurf der schweren und der versuchten schweren räuberischen Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung freigesprochen worden. Die Kosten des Verfahrens sowie die notwendigen Auslagen des Angeklagten wurden der Staatskasse auferlegt. Mit seinem Kostenfestsetzungsantrag vom 18. August 2009 hat der Verteidiger des ehemaligen Angeklagten die Festsetzung von notwendigen Auslagen des Angeklagten in Höhe von nach Abzug bereits erhaltener Pflichtverteidigergebühren 1 157,87 beantragt. Mit Beschluss vom 09. September 2009 hat die Rechtspflegerin des Landgerichts Bochum die dem früheren Angeklagten gemäß § 467 StPO aus der Staatskasse zu erstattenden notwendigen Auslagen auf 681,87 festgesetzt. Die Absetzung in Höhe von 476, hat sie damit begründet, dass die angemeldete Vorverfahrensgebühr (200, zzgl. 19 % Mehrwertsteuer) mangels Tätigkeit des Verteidigers im Vorverfahren nicht entstanden sei und im übrigen die beantragten Gebühren für die Termine am 24. Februar 2009, 09. März 2009 und 30. März 2009 unbillig seien. Für die Termine am 24. Februar 2009 und 09. März 2009 hätten nur jeweils 300, und für denjenigen am 30. März 2009 200, festgesetzt werden können. Gegen diesen ihm am 17. September 2009 zugestellten Beschluss wendet sich der Verteidiger mit seinem am 22. September 2009 bei dem Landgericht Bochum eingegangenen zulässigen Rechtsmittel vom 21. September 2009, soweit es die vorgenommene Kürzung der Terminsgebühren betrifft. Die Rechtspflegerin des Landgerichts Bochum half der sofortigen Beschwerde unter dem 24. September 2009 aus den Gründen des angefochtenen Beschlusses nicht ab. II. Das als sofortige Beschwerde auszulegende Rechtsmittel ist zulässig. In der Sache hat es keinen Erfolg. Der Leiter des Dezernats 10 der Verwaltungsabteilung des Oberlandesgerichts Hamm hat unter dem 20. Oktober 2009 angeregt, die Beschwerde zurückzuweisen und hierzu wie folgt Stellung genommen: Die Beschwerde richtet sich gegen den Beschluss des Landgerichts Bochum vom 09.09.2009 (KostBd. Bl. 21 f.) und ist gemäß §§ 464b S. 3 StPO, 104 Abs. 3 S. 1 ZPO, 11 Abs. 1 RPflG zulässig. Ob für die Einlegung des Rechtsmittels die Wochenfrist im Sinne von § 311 Abs. 2 S. 1 StPO gilt oder gemäß §§ 464b Satz 3 StPO, 569 Abs. 1 S. 1 ZPO eine Zweiwochenfrist besteht, kann in diesem Fall dahingestellt bleiben, da auch die einwöchige Einlegungsfrist offensichtlich eingehalten wurde (vgl. KostBd. Bl. 27, 28). Ich halte die Beschwerde zum Teil für begründet, wobei von einer ergänzenden Festsetzung m.E. abgesehen werden kann. Bereits an dieser Stelle ist dabei festzuhalten, dass mit Blick auf die Rechtsmittelschrift vom 21.09.2009 ausschließlich Uneinigkeit über die Bezifferung der Terminsgebühren für folgende Hauptverhandlungstermine herrscht: 2. HVT am 24.02.2009 (vgl. Verhandlungsprotokoll Bd. I Bl. 223 ff.) 4. HVT am 09.03.2009 (vgl. Verhandlungsprotokoll Bd. II Bl. 260 ff.) 7. HVT am 30.03.2009 (vgl. Verhandlungsprotokoll Bd. II Bl. 292 f.) Soweit darüber hinaus noch anderweitige Gebühren und Auslagen aus der Landeskasse erstattet wurden (vgl. KostBd. Bl, 2 f., 24), bestehen in Übereinstimmung mit dem Bezirksrevisor und der zuständigen Rechtspflegerin des Landgerichts Bochum auch meinerseits keine Einwände. Auch die in Höhe von insgesamt 3 061,63 ausgezahlte und auf den Erstattungsanspruch angerechnete Pflichtverteidigervergütung (vgl. KostBd. Bl. 10 f.) ist nicht zu beanstanden. Unter den aus der Landeskasse aufgrund des erfolgten Freispruchs zu erstattenden gesetzlichen Gebühren im Sinne der §§ 464a Abs. 2 Nr. 2 StPO, 91 Abs. 2 ZPO sind bei Rahmengebühren in Strafsachen die Gebühren zu verstehen, die der Rechtsanwalt nach Teil 4 der Anlage 1 zum RVG unter Beachtung der Bemessungskriterien des § 14 RVG berechnen kann. Mit Blick auf die hier streitigen Terminsgebühren sei dabei auf folgende Übersicht verwiesen: Gemäß § 14 Abs. 1 S. 4 RVG ist die Gebührenbestimmung des Rechtsanwalts für die erstattungspflichtige Staatskasse allerdings nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist. In der Regel werden Abweichungen von bis zu 20 % von der angemessenen Gebühr nicht als unbillig angesehen (vgl. Burhoff, RVG, Straf- und Bußgeldsachen, § 14 RdNr. 52, 49; Gerold/Schmidt-Madert, RVG, 17. Auflage, § 14 RdNr. 12; Riedel/ Sußbauer/Fraunholz, RVG-Kommentar, 9. Aufl., § 14 RdNr. 4, Anwaltskommentar, RVG, Gebauer/Schneider (Hrsg.), 2. Aufl., § 14 RdNr. 83). Auch wenn hier die Einschätzung der zuständigen Rechtspflegerin des Landgerichts Bochum dahingehend geteilt wird, dass für die Termine am 24.02.2009 und 09.03.2009 der Ansatz von Terminsgebühren knapp unterhalb der Wahlanwaltsmittelgebühr (hier 300 ) gerechtfertigt wäre, liegt eine solche ermessensfehlerhafte Abweichung hier nicht vor, sodass bereits aus diesem Grund die vom Beschwerdeführer beantragten Terminsgebühren nicht als unbillig zu werten sind. Zugunsten des Beschwerdeführers wären demnach antragsgemäß weitere 100,00 (2 × 50 ) zu berücksichtigen. Weiter hat eine gesonderte Beurteilung der für den Urteilsverkündungstermin am 30.03.2009 entstandenen Terminsgebühr zu erfolgen. Insoweit liegt m.E. ohne weiteres eine unbillige Gebührenbemessung durch den Beschwerdeführer vor. Gemäß § 14 Abs. 1 S. 1 RVG ist die Bedeutung der Angelegenheit für den Betroffenen zu berücksichtigen. In Übereinstimmung mit der Rechtspflegerin des Landgerichts Bochum ist diese hier als überdurchschnittlich zu bewerten, da durchaus eine Verurteilung zu einer mehrjährigen Jugendstrafe im Bereich des Möglichen lag. Auch eine Aussetzung zur Bewährung wäre im Falle einer antragsgemäßen Verurteilung im Sinne der Staatsanwaltschaft Bochum (vgl. Bd. II BI. 250 d.A.) nicht mehr möglich gewesen. Hinsichtlich der Vermögens- und Einkommensverhältnisse des Auftraggebers sowie des anwaltlichen Haftungsrisikos ergeben sich im vorliegenden Fall keine Anhaltspunkte, die die Angelegenheit als überdurchschnittlich erscheinen lassen. Als weitere zentrale Bemessungskriterien sind gemäß § 14 Abs. 1 S. 1 RVG der Umfang und die Schwierigkeit der Tätigkeit des Verteidigers zu berücksichtigen, wobei das wesentliche Kriterium bei der Terminsgebühr regelmäßig die Dauer des Termins ist (Burhoff, a.a.O., Nr. 4108 Rn 19 i.V.m. Nr. 4120 Rn 3; Riedel/ Sußbauer, RVG, 9. Auflage, VV Teil 4 Abschnitt 1, Rn 55). Mit lediglich 22 Minuten zu wertender Terminsdauer bleibt der Hauptverhandlungstermin vom 30.03.2009 deutlich hinter den übrigen Terminen zurück. Auch inhaltlich können dem Verhandlungsprotokoll neben der Urteilsverkündung keinerlei nennenswerte Vorgänge entnommen werden. Die Plädoyers waren schon im vorhergehenden Termin gehalten worden (Bd. II BI. 290). Bei derartig kurzen Terminen, die allenfalls informatorischer Natur sein können, kann der zur Verfügung stehende Gebührenrahmen nicht dahingehend ausgeschöpft werden, dass eine Gebühr über der Mittelgebühr angesetzt wird. Vor diesem Hintergrund halte ich sogar eine Terminsgebühr in Höhe von 200 für zu hoch angesetzt. Nach hiesiger Einschätzung ist die Tätigkeit des Beschwerdeführers in diesem Termin bereits mit einer etwas über der Mindestgebühr liegenden Gebühr von 100 angemessen vergütet. Da sich die Abweichungen ausgleichen, ist die zu erstattende Vergütung im Ergebnis zutreffend festgesetzt. Diesen zutreffenden Ausführungen schließt sich der Senat an und macht sie zum Gegenstand seiner Entscheidung. Ergänzend weist der Senat auf folgendes hin: Der Senat ist in der Besetzung mit drei Berufsrichtern zur Entscheidung berufen, nicht gemäß § 464b Satz 3 StPO in Verbindung mit § 568 Satz 1 ZPO der Einzelrichter. Der gegenteiligen Meinung (vergleiche zum Beispiel: Beschluss des 3. Strafsenats des OLG Hamm vom 17. April 2007 3 Ws 97/07 , zitiert nach juris Rn. 11) schließt sich der Senat nicht an. Denn durch das Gesetz zur Reform des Zivilprozesses (Zivilprozessreformgesetz ZPO RG) vom 27. Juli 2001 (BGBl. I 1887), durch das die Einzelrichterzuständigkeit nach § 568 ZPO erstmalig eingeführt wurde, hat der Gesetzgeber nicht auch das strafprozessuale Kostenverfahren ändern wollen. Dies ergibt sich aus dem entsprechenden Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 24. November 2000, in dem zwar die notwendigen Folgeänderungen im Rechtsmittelrecht des familiengerichtlichen Verfahrens und des Verfahrens in Angelegenheiten der Freiwilligen Gerichtsbarkeit vorgesehen sind, nicht aber im Strafverfahren (BT-Dr. 14/4722, S. 69). Hätte der Gesetzgeber eine Änderung auch im Strafverfahren beabsichtigt, so hätte eine Änderung des GVG nahegelegen (OLG Düsseldorf, RPfleger 2004, 120 ff.; OLG Koblenz, NJW 2005, 917 mit weiteren Nachweisen). Nach der bisherigen Rechtsprechung des Senats, die der vom Bundesgerichtshof vertretenen Auffassung folgt (vergleiche dazu: BGH, NJW 2003, 763), finden die Vorschriften der Zivilprozessordnung auf das Beschwerdeverfahren gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss über die Verweisung in § 464b Satz 3 StPO nur insoweit Anwendung, als sie nicht in Widerspruch zu strafprozessualen Prinzipien stehen. Danach sind für das Beschwerdeverfahren die §§ 304 ff. StPO und nicht die entsprechenden Vorschriften der Zivilprozessordnung anzuwenden (vergleiche dazu: BGH, NJW 2003, 763; Senatsbeschlüsse vom 07. Mai 2009 in 2 Ws 71/09 und vom 01. Oktober 2007 in 2 Ws 252/07; OLG Hamm, Beschluss des 3. Strafsenats vom 05. Juni 2007 in 3 Ws 226/07). Demnach findet auch der § 568 Satz 1 ZPO, wonach der Einzelrichter entscheidet, keine Anwendung. Vor diesem Hintergrund galt für die Einlegung der sofortigen Beschwerde die Wochenfrist des § 311 Abs. 2 S. 1 StPO (Meyer-Goßner, StPO, 52. Aufl., § 464b Rn. 7 mit weiteren Nachweisen), die hier eingehalten wurde. Ferner bestand eine Abhilfemöglichkeit durch den Rechtspfleger ausschließlich nach § 311 Abs. 3 S. 2 StPO (Meyer-Goßner, StPO, 52. Aufl. § 464b Rn. 7), dessen Voraussetzungen nicht gegeben sind. Die Nichtabhilfeentscheidung der Rechtspflegerin vom 24. September 2009 war daher nach der vom Senat vertretenen Auffassung nicht veranlasst. Der Schriftsatz des Verteidigers vom 19. November 2009 lag dem Senat vor, gab jedoch zu einer abweichenden Bewertung keinen Anlass. Insbesondere ist entgegen den Ausführungen des Verteidigers hinsichtlich der Frage der Unbilligkeit einer vom Verteidiger getroffenen Gebührenbestimmung der Toleranzbereich nicht auf 30 % zu bemessen (vgl. Senatsbeschluss vom 01. März 2007 (2) 4 Ausl. A 34/05 (220/06); OLG Hamm, Beschlüsse vom 24. Januar 2008 4 Ws 528/07- und vom 17. April 2007 3 Ws 179/07). Bei Betrachtung der unterdurchschnittlichen Dauer und des Verlaufs des Hauptverhandlungstermins am 30. März 2009 ist die Verteidigertätigkeit mit einer Gebühr von 100, angemessen honoriert. III. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 56 Abs. 2 Satz 2 und 3 RVG. |
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