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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 2 Ws 125/09 OLG Hamm

Leitsatz: Einer Auslieferung steht es nicht entgegen, dass im Urteilsstaat potentiell eine frühere Haftentlassung möglich sein könnte.

Senat: 2

Gegenstand: Beschwerde

Stichworte: Auslieferung, Hindernis, Vollstreckungshilfe, Haftentlassung, Zeitpunkt

Normen: IRG 55, IRG 77, StGB 49,

Beschluss:

Strafsache
(Vollstreckungshilfesache)
betreffend
den deutschen Staatsangehörigen

wegen Mordes u.a.,

(hier: Rechtshilfe durch Vollstreckung eines ausländischen Erkenntnisses).

Auf die sofortige Beschwerde des Verurteilten vom 19. bzw. 20. Februar 2009 gegen den Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Essen vom 19. November 2008 hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 19.05.2009 durch beschlossen:

Auf die sofortige Beschwerde des Verurteilten wird der Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Essen vom 19. November 2008 – StVK B 1151/08 – hinsichtlich der Ziffer 2. (Festsetzung einer lebenslangen Freiheitsstrafe als Gesamtfreiheitsstrafe mit der Möglichkeit der bedingten Entlassung frühestens nach 15 Jahren) aufgehoben.

Die Sache wird insoweit zur erneuten Behandlung und Entscheidung an die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Essen, die auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu entscheiden hat, zurückverwiesen.

Im Übrigen wird die sofortige Beschwerde als unbegründet verworfen.


Gründe:

I.

Der Beschwerdeführer, der deutscher Staatsangehöriger ist, verbüßt derzeit in der Justizvollzugsanstalt in Verviers/Belgien eine Freiheitsstrafe in Höhe von 20 Jahren aufgrund des rechtskräftigen Beschlusses des Schwurgerichts der Provinz Namur vom 11. Oktober 2006 wegen eines Tötungsdeliktes und der „Entwendung“ von 1000,– €. Er befindet sich seit seiner Festnahme am 02. Mai 2004 in Belgien ununterbrochen in Haft; in Belgien käme der 31. Dezember 2010 für seine bedingte Entlassung in Frage; das Strafende ist für den 27. April 2024 vorgesehen.

Auf Antrag der Staatsanwaltschaft Essen vom 29. Juli 2008 hat die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Essen durch den angefochtenen Beschluss vom 19. November 2008 zu Ziffer 1. die weitere Vollstreckung der durch den vorgenannten Beschluss des Schwurgerichts der Provinz Namur verhängten Freiheitsstrafe für in der Bundesrepublik Deutschland zulässig erklärt. Ziffer 2. des angefochtenen Beschlusses lautet:

„2.

Es wird eine lebenslange Freiheitsstrafe als Gesamtstrafe festgesetzt, mit der Möglichkeit einer bedingten Entlassung frühestens nach 15 Jahren.“

Unter Ziffer 3. hat die Strafvollstreckungskammer ferner bestimmt, dass der in Belgien vollstreckte Teil der Freiheitsstrafe (Strafhaft, Untersuchungshaft) auf die Freiheitsstrafe anzurechnen ist.

Der Beschwerdeführer hat mehrfach erklärt, mit seiner Überstellung in die Bundesrepublik Deutschland nicht einverstanden zu sein. Allerdings liegt gegen ihn eine bestandskräftige Ausweisungsverfügung der Oberen Ausländerbehörde vom 11. Juli 2007 (Nr. O.E./5462507) vor, die ihm verbietet, binnen zehn Jahren nach Belgien zurückzukehren.

Der angefochtene Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Essen ist dem Beschwerdeführer im Wege der Rechtshilfe am 17. Februar 2009 in der Justizvollzugsanstalt Verviers/Belgien mit Rechtsmittelbelehrung zugestellt worden.

Durch privatschriftliches Schreiben vom 19. Februar 2009, eingegangen beim Landgericht Essen am 24. Februar 2009, sowie durch am selben Tage eingegangenes anwaltliches Schreiben vom 20. Februar 2009 hat der Beschwerdeführer dagegen „Einspruch“ beziehungsweise sofortige Beschwerde eingelegt. Zur Begründung wird im Wesentlichen angeführt, er habe – insbesondere seit seiner Scheidung im August 2008 – keine familiären Kontakte nach Deutschland. Vielmehr sei er in der belgischen Justizvollzugsanstalt sozialisiert, besuche zwei Französisch- und zwei Informatikkurse und arbeite als Hausarbeiter in dem anstaltseigenen Krankenhaus sowie der Anstaltskapelle. Nach seiner Entlassung beabsichtige er, sich im französischsprachigen Raum niederzulassen. Darüber hinaus wird angeführt, nach deutschem Recht komme eine bedingte Entlassung erst am 02. Mai 2019 in Frage, während dies nach belgischem Recht bereits zum 31. Dezember 2010 der Fall sei. Insbesondere unter Berücksichtigung des so genannten Meistbegünstigungsprinzips sei daher die weitere Vollstreckung der durch die belgische Entscheidung verhängten Freiheitsstrafe in Deutschland unzulässig. Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf die Beschwerdeschreiben vom 19 und 20. Februar 2009 Bezug genommen.

Die Generalstaatsanwaltschaft in Hamm hat unter dem 21. April 2009 Stellung genommen und beantragt, die sofortige Beschwerde als unbegründet zurückzuweisen.

II.

Die gemäß § 55 Abs. 2 Satz 1 IRG statthafte und gemäß §§ 77 Abs. 1 IRG, 306, 311 Abs. 2 StPO auch im Übrigen zulässige, insbesondere innerhalb der Wochenfrist des § 311 Abs. 2 StPO (zu dessen Anwendbarkeit vergleiche: Schomburg/Hackner, in: Schomburg/Lagodny/Gleß/Hackner, Internationale Rechtshilfe in Strafsachen, 4. Auflage, § 55 IRG Rn. 3) eingelegte sofortige Beschwerde des Verurteilten hat zumindest teilweise einen vorläufigen Erfolg.

Rechtsgrundlage für die Exequaturentscheidung ist das Übereinkommen über die Überstellung verurteilter Personen (Überstellungsübereinkommmen – ÜberstÜbk) vom 21. März 1983, das gemäß Art. 59 Abs. 2 Satz 1 GG durch entsprechendes Gesetz vom 26. September 1991 (BGBl. II, 1006) für die Bundesrepublik mit der Bekanntmachung vom 19. Dezember 1991 am 01. Februar 1992 (BGBl. II, 98) und für Belgien am 01. Dezember 1990 (vergleiche die Nachweise unter http://conventions.coe.int/Treaty/Commun/ChercheSig.asp?NT=112&CM=8&DF=&CL=GER) in Kraft getreten ist. Die Vorschriften des Überstellungsübereinkommens sind innerstaatliches Recht und haben gemäß § 1 Abs. 3 IRG Vorrang vor denen des IRG insoweit, als sie speziellere Regelungen enthalten. Das IRG ist subsidiär heranzuziehen. Diese Subsidiarität wird hinsichtlich des Verfahrens, das bei der Umwandlung der ausländischen Sanktion anzuwenden ist, aufgehoben. Insoweit verweist Art. 11 Abs. 1 Satz 1ÜberstÜbk ausdrücklich auf das Recht des Vollstreckungsstaates.

Die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Essen ist gemäß § 50 S. 1 IRG in Verbindung mit § 77 Abs. 2 IRG, § 78a Abs. 2 Nr. 3 GVG für die Entscheidung im Exequaturverfahren sachlich zuständig, und zwar gemäß § 78b Abs. 1 Nr. 2 GVG in Form der kleinen Strafvollstreckungskammer. Da der Verfolgte im Inland zuletzt unter der Anschrift Bismarckstraße 42, 45128 Essen, gemeldet war, ist sie gemäß § 51 Abs. 2 S. 1 IRG auch örtlich zuständig.

Zu Recht hat die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Essen in Ziffer 1. des angefochtenen Beschlusses die Vollstreckung der durch Urteil des Schwurgerichts in Namur vom 11. Oktober 2006 verhängten Freiheitsstrafe für zulässig erklärt.

Denn die Voraussetzungen für die Zulässigkeit der Vollstreckungshilfe gemäß Art. 2 Abs. 2 Satz 1, Art. 3 Abs. 1 lit. a bis c und e bis f ÜberstÜbk, §§ 48 S. 1, 49Abs. 1 und 3 sowie Abs. 5 IRG liegen vor. Dies wird von dem Beschwerdeführer auch nicht in Zweifel gezogen.

Soweit der Verurteilte seiner Überstellung nach Deutschland ausdrücklich nicht zugestimmt hat, wie Art. 3 Abs. 1 lit. d ÜberstÜbk (entsprechend § 49 abs. 2 IRG) grundsätzlich voraussetzt, steht dies der Zulässigkeit der Überstellung nicht entgegen. Nach Art. 3 Abs. 1 des Zusatzprotokolls vom 18. Dezember 1997 zum Übereinkommen über die Überstellung verurteilter Personen (ZP-ÜberstÜbk), das am 01. September 2005 für Belgien und am 01. August 2008 für Deutschland in Kraft getreten ist (vergleiche: Bekanntmachung über das Inkrafttreten des Zusatzprotokolls zum Übereinkommen über die Überstellung verurteilter Personen vom 28. November 2007, BGBl. II 2008, S. 45), ist die Überstellung verurteilter Personen auch ohne deren Zustimmung möglich, wenn eine sie betreffende aufenthaltsbeendende Entscheidung einer Verwaltungsbehörde des Urteilsstaates vorliegt. Dies ist vorliegend der Fall. Gegen ihn liegt eine bestandskräftige Ausweisungsverfügung der Oberen Ausländerbehörde vom 11. Juli 2007 (Nr. O.E./5462507) vor, die ihm verbietet, binnen zehn Jahren nach Belgien zurückzukehren.

Der angefochtene Beschluss hat gleichfalls Bestand, soweit die Strafvollstreckungskammer unter Ziffer 3. über die Anrechnung der in Belgien verbüßten Strafe entschieden hat. Diese Entscheidung ist in Art. 11 Abs. 1 lit. c ÜberstÜbk (entsprechend § 54 Abs. 4 IRG ) ausdrücklich vorgesehen und rechtlich nicht zu beanstanden. Der Beschwerdeführer wendet sich dagegen letztlich auch nicht.

Der angefochtene Beschluss war allerdings aufzuheben, soweit in Ziffer 2. die Umwandlung in eine lebenslange Freiheitsstrafe als Gesamtfreiheitsstrafe mit der Möglichkeit der bedingten Entlassung frühestens nach 15 Jahren erfolgt ist.

Zur Höhe der für vollstreckbar zu erklärenden Sanktion bestimmt Art. 10 Abs. 1 ÜberstÜbk (entsprechend § 54 Abs. 1 Satz 3 Halbsatz 1 IRG ), dass im Falle der Fortsetzung der Strafverbüßung der Vollstreckungsstaat an die Dauer der Sanktion gebunden ist, wie sie vom Urteilsstaat festgelegt worden ist. Diese Strafhöhe darf nach Art. 10 Abs. 2 S. 3 ÜberstÜbk (entsprechend § 54 Abs. 1 S. 3 Halbsatz 2 IRG ) jedoch das nach dem Recht des Vollstreckungsstaats vorgesehene Höchstmaß nicht überschreiten. Dies ist vorliegend der Fall. Die durch das belgische Erkenntnis verhängte zeitige Freiheitsstrafe in Höhe von 20 Jahren geht über das nach deutschem Recht gemäß § 38 Abs. 2 StGB geregelte Höchstmaß der zeitigen Freiheitsstrafe von 15 Jahren hinaus. Daraus folgt aber nicht, dass eine darüber liegende im Ausland verhängte Freiheitsstrafe in ihrer Gesamthöhe in Deutschland nicht für vollstreckbar erklärt werden könnte. Diese ist vielmehr dann für in Deutschland vollstreckbar zu erklären, wenn das deutsche Gesetz für die abgeurteilte Tat die Verhängung einer lebenslangen Freiheitsstrafe ( § 38 Abs. 1 StGB ) androht ( OLG Celle, Beschluss vom 18. Oktober 2007 – 1 Ws 367/07 –, zitiert nach juris Rn. 25; KG Berlin, NStZ 1995, 415, 416; Schomburg/Hackner, in: Schomburg/Lagodny/Gleß/Hackner, Internationale Rechtshilfe in Strafsachen, 4. Auflage, II C, Art. 10 ÜberstÜbk Rn. 2).

Jedoch ist in diesen Fällen im Rahmen der Exequaturentscheidung nicht eine lebenslange Freiheitsstrafe zu bestimmen, wie dies vorliegend geschehen ist. Denn nach Art. 10 Abs. 2 S. 3 ÜberstÜbk darf die Dauer der im Urteilsstaat verhängten Sanktion durch die Anpassung im Rahmen des Exequaturverfahrens nicht verschärft werden. Durch die vorliegend zu Ziffer 2. des angefochtenen Beschlusses erfolgte Festsetzung einer lebenslangen Freiheitsstrafe als Gesamtfreiheitsstrafe mit der Möglichkeit der bedingten Entlassung früherstens nach 15 Jahren ist jedoch eine Verschärfung eingetreten. Denn aufgrund dessen ist es möglich, dass der Verurteilte sogar länger als die durch das belgische Erkenntnis ausgeurteilte zeitige Freiheitsstrafe in Höhe von 20 Jahren in Strafhaft verbringt, wenn die Voraussetzungen der §§ 57b, 57a Abs. 1, 57Abs. 1 Nr. 2 und 3 StGB nicht vorliegen.

Vielmehr ist in den Fällen, in denen die im Ausland verhängte zeitige Freiheitsstrafe das zeitige Höchstmaß des § 38 Abs. 2 StGB übersteigt, durch das Gericht des Vollstreckungsstaates zu prüfen, ob die im Ausland verhängte zeitige Freiheitsstrafe in voller Höhe, das heißt vorliegend in Höhe von 20 Jahren, für in Deutschland für vollstreckbar zu erklären ist. Dazu muss die im Ausland abgeurteilte Tat von dem inländischen Gericht im Rahmen der Exequaturentscheidung auf der Grundlage des ausländischen Erkenntnisses rechtlich nach deutschem Recht eingeordnet werden. Das Gericht des Vollstreckungsstaates ist dabei an die tatsächlichen Feststellungen des ausländischen Urteils gebunden, soweit sie sich ausdrücklich oder stillschweigend aus dem Urteil ergeben (Art. 11 Abs. 1a ÜberstÜbk) und sowohl die Feststellungen zur Tat und zu den Tatfolgen als auch solche zum Vorsatz, zur Absicht und zur Schuldfähigkeit umfassen. Für die Beurteilung, ob das deutsche Strafrecht für die konkret im ausländischen Erkenntnis festgestellte Tat eine lebenslange Freiheitsstrafe androht, ist die abstrakte Strafandrohung entscheidend. Dabei sind Strafrahmenverschiebungen des deutschen Rechts, wie zum Beispiel Qualifikations- oder Privilegierungstatbestände, Regelbeispiele und zwingende Milderungsgründe nach § 49 StGB zu berücksichtigen, soweit danach keine eigene Strafzumessungsentscheidung zu treffen ist ( OLG Celle, Beschluss vom 18. Oktober 2007 – 1 Ws 367/07 –, zitiert nach juris Rn. 26; OLG Saarbrücken, NStZ-RR 2004, 216, 217). Die Strafvollstreckungskammer muss also aufgrund der für die Beurteilung maßgeblichen, im ausländischen Erkenntnis festgestellten Tathandlungen und rechtlichen Wertungen den Tatbestand eines Deliktes als verwirklicht ansehen, der lebenslange Freiheitsstrafe androht (zum Beispiel Raub mit Todesfolge – § 251 StGB –, Totschlag im besonders schweren Fall – § 212 Abs. 2 StGB – oder Mord – § 211 StGB –). Dabei ist aber gerade nicht zu prüfen, ob der Verurteilte nach deutschem Recht zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt worden wäre, da eine Anpassung des Strafmaßes nach deutschem Strafzumessungsrecht nicht in Betracht kommt ( OLG Köln, NStZ 2008, 641, 642; OLG Saarbrücken, NStZ-RR 2004, 216, 217; KG Berlin, Beschluss vom 27. Februar 2002 – 1 AR 134/02; 5 Ws 80/02 –, zitiert nach juris Tenor; KG Berlin, NStZ 1995, 415, 416). Denn die Umwandlung in eine Sanktion anderer Dauer darf keine Änderung des Urteils zur Folge haben, sondern lediglich dazu dienen, im Vollstreckungsstaat eine Vollstreckungsgrundlage zu schaffen (vergleiche: Erklärung der Bundesrepublik Deutschland bei der Hinterlegung der Ratifikationsurkunde, BGBl. II 19992, S. 99; Schomburg/Hackner, a.a.O., Art. 11 ÜberstÜbk Rn. 3; KG Berlin, NStZ 1995, 415, 416; OLG München, Beschluss vom 22. Juli 1994 – 1 Ws 490/94 –, zitiert nach juris Rn. 6). Dies folgt aus der grundsätzlichen Unterscheidung zwischen der Strafzumessung und der Strafvollstreckung, die dem Rechtshilferecht zu entnehmen ist. Während Art. 9 Abs. 3 ÜberstÜbk (vergleiche auch: § 57 IRG ) ausdrücklich bestimmt, dass die Strafvollstreckung in die Zuständigkeit des – übernehmenden – (Vollstreckungs-) Staates fällt, geht die Strafzumessungsentscheidung durch die Übernahme der Vollstreckung gerade nicht in dessen Zuständigkeit über (Vergleiche dazu: BVerfG, EuGRZ 2009, 46, 49).

Vor diesem Hintergrund ist im Rahmen der Exequaturentscheidung auch nicht über die Feststellung der besonderen Schwere der Schuld im Sinne des § 57a Abs. 1 S. 1 Nr. 2 StGB zu entscheiden ( OLG München, Beschluss vom 22. Juli 1994- 1 Ws 490/94 –, zitiert nach juris Rn. 6). Denn insoweit handelt es sich um einen „Bemessungsakt, durch den in Anknüpfung an die Strafzumessungsschuld im Sinne von § 46 Abs. 1 Satz 1 StGB über die Dauer der schuldangemessenen Vollstreckung entschieden wird“ (Günter Gribbohm, in: Leipziger Kommentar, StGB, 11. Auflage, § 57a Rn. 11 mit Verweis auf: BVerfG, NJW 1986, 2241 und weiteren Nachweisen). Zudem ist die nach § 57a Abs. 1 Nr. 2 StGB in Verbindung mit § 454 StPO zu treffende Entscheidung über die Gewichtung der Schuld eines wegen Mordes zu lebenslanger Freiheitsstrafe Verurteilten den Schwurgerichten ( BVerfGE, 86, 288, 320 ff. ) und für Altfälle den großen Strafvollstreckungskammern ( § 78b Abs. 1 Nr. 1 GVG ) zugewiesen und gerade nicht den für die Exequaturentscheidung zuständigen kleinen Strafvollstreckungskammern.

Bei der Einordnung des im ausländischen Urteil bindend festgestellten Sachverhaltes reicht es allerdings nicht aus, dass das deutsche Strafrecht überhaupt für ein bestimmtes Delikt unter bestimmten Voraussetzungen die lebenslange Freiheitsstrafe androht. Vielmehr muss anhand des festgestellten Sachverhaltes – wobei der Tatort als im Inland gelegen angesehen wird ( OLG Saarbrücken, NStZ-RR 2004, 216, 217) – geprüft werden, ob die jeweiligen besonderen Voraussetzungen der lebenslangen Freiheitsstrafe nach deutschem Strafrecht verwirklicht sind, zum Beispiel Mordmerkmale im Sinne des § 211 StGB oder ein besonders schwerer Fall des Totschlags im Sinne des § 212 Abs. 2 StGB ( OLG Celle, Beschluss vom 18. Oktober 2007 – 1 Ws 367/07 –, zitiert nach juris Rn. 28). Dem steht auch nicht der Beschluss des OLG Saarbrücken vom 29. Januar 2004 (1 Ws 239/04, NStZ-RR 2004, 216 – 218) entgegen. Auch dort hat das OLG Saarbrücken den zu beurteilenden Fall im Ergebnis als besonders schweren Fall im Sinne des § 212 Abs. 2 StGB erachtet, da das ausländische Erkenntnis entsprechende Feststellungen enthielt (vergleiche insofern den missverständlichen Leitsatz zu 2. der Schriftleitung in NStZ-RR 2007, 216).

Lassen sich die besonderen Voraussetzungen des § 211 StGB oder des § 212 Abs. 2 StGB aufgrund des ausländischen Erkenntnisses nicht feststellen, kommt die Festsetzung der zeitigen Höchststrafe nach §§ 212 Abs. 1, 38Abs. 2 StGB in Höhe von 15 Jahren in Betracht (vergleiche dazu: OLG Celle, Beschluss vom 18. Oktober 2007 – 1 Ws 367/07 –, zitiert nach juris Rn. 29).

Dass die Strafvollstreckungskammer die Feststellungen des Urteils des Schwurgerichts Namur vom 11. Oktober 2006, welches nicht einmal in deutscher Übersetzung vorliegt, hinsichtlich der abgeurteilten Delikte, insbesondere bezüglich des Tötungsdelikts, einer entsprechenden Prüfung und Einordnung nach deutschem Recht unterzogen hat, ist nicht ersichtlich. Dazu verhalten sich die Gründe des angefochtenen Beschlusses nicht. Soweit die – Art. 10 Abs. 2 S. 3 ÜberstÜbk widersprechende – Festsetzung einer lebenslangen Freiheitsstrafe als Gesamtfreiheitsstrafe mit der Möglichkeit der bedingten Entlassung frühestens nach 15 Jahren dafür spricht, dass die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Essen eine entsprechende Einordnung hat, ist dies für den Senat nicht überprüfbar. Da eine deutsche Übersetzung des belgischen Urteils nicht vorliegt, war dem Senat eine eigene entsprechende Prüfung und Umwandlungsentscheidung verwehrt, zumal dem Beschwerdeführer in diesem Fall eine Instanz genommen worden wäre.

Vor diesem Hintergrund musste der angefochtene Beschluss zu Ziffer 2. aufgehoben und – unter Berücksichtigung der vorgenannten Grundsätze (vergleiche zudem zur Frage der Gesamtstrafenbildung im Rahmen der Exequaturentscheidung: OLG Celle, Beschluss vom 18. Oktober 2007 – 1 Ws 367/07 –, zitiert nach juris Rn. 32) – zur erneuten Behandlung und Entscheidung an die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Essen zurückverwiesen werden.

Unter Bezugnahme auf das Vorbringen des Beschwerdeführers im Rahmen der Beschwerdebegründung zu dem von den belgischen Behörden mitgeteilten frühesten Termin einer möglichen bedingten Entlassung (31. Dezember 2010) weist der Senat auf Folgendes hin:

Der Beschwerdeführer kann sich unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt auf diesen früheren Termin berufen.

Nach der Übernahme der Vollstreckung einer freiheitsentziehenden Maßnahme aus einem ausländischen Erkenntnis hat die deutsche Vollstreckungsbehörde deutsches Strafaussetzungsrecht anzuwenden. Dies folgt aus der Verweisung des Art. 9 Abs. 2 ÜberStÜbk auf das Recht des Vollstreckungsstaates, die auch die Vorschriften über die Voraussetzungen einer bedingten Entlassung umfasst ( OLG Düsseldorf, NStZ-RR 2006, 217 mit weiteren Nachweisen).

Nach § 57 Abs. 2 S. 1 IRG ist nach Bewilligung der Rechtshilfe die Aussetzung des Restes einer freiheitsentziehenden Sanktion zur Bewährung möglich, wofür die Vorschriften des StGB (§§ 57 ff. StGB) Anwendung finden ( § 57 Abs. 2 S. 2 IRG ), so dass der – spätere – Überprüfungszeitpunkt für eine bedingte Entlassung nach deutschem Recht maßgeblich ist.

Etwa anderes ergibt sich auch nicht aus dem sogenannten Meistbegünstigungsprinzip, auf das der Beschwerdeführer ausdrücklich Bezug genommen hat. Aus dem Zusammenspiel des § 54 Abs. 2 IRG und seines Abs. 6, wonach von der Vollstreckung abzusehen ist, wenn eine zuständige Stelle des ersuchenden Staates mitteilt, dass die Voraussetzungen für die Vollstreckung entfallen sind, soll der allgemeine Grundsatz gelten, dass für den Verurteilten stets das günstigere Strafaussetzungs- bzw. -beendigungsrecht anzuwenden sein soll (vergleiche die Nachweise bei OLG Düsseldorf, NStZ-RR 2006, 217). Diese Ansicht geht nach Auffassung des Senates aber zu weit. § 57 Abs. 6 IRG soll – unter Berücksichtigung des rechtshilfeähnlichen Charakters der Vollstreckungsübernahme – zwar gewährleisten, dass dem Urteilsstaat weiterhin das Recht verbleibt, für den Verurteilten günstige Maßnahmen zu treffen. Allerdings setzt er ausdrücklich – auch unter dem Gesichtspunkt der Rechtssicherheit – eine entsprechende Mitteilung der zuständigen Stelle des Urteilsstaates voraus. Vor diesem Hintergrund ist die zuständige Strafvollstreckungskammer des Vollstreckungsstaates gerade nicht per se zu einer – vergleichenden – Prüfung der Reststrafenaussetzung nach ausländischem Recht berufen (so auch: OLG Düsseldorf, NStZ-RR 2006, 217, 218 mit weiteren Nachweisen).

Eine formelle Mitteilung im Sinne des § 54 Abs. 6 IRG seitens der belgischen Behörden, dass der Beschwerdeführer verbindlich zum 31. Dezember 2010 bedingt zu entlassen sei, liegt indes nicht vor. Soweit im Rahmen des Ersuchens seitens der belgischen Behörden mitgeteilt worden ist, „in Belgien käme der 31.12.2010 für seine Entlassung in Frage“, ergibt sich bereits aus der Formulierung im Konjunktiv, dass es nicht um eine abschließende und verbindliche Entscheidung, sondern lediglich um eine Strafzeitberechnung des frühesten Zeitpunktes handelt, die Anordnung der bedingten Entlassung also noch vom Vorliegen weiterer zu prüfender Voraussetzungen abhängt.

Auch das übrige Vorbringen des Beschwerdeführers, weswegen auf die Beschwerdebegründung vom 23. März 2009 in Verbindung mit dem anwaltlichen Schreiben vom 04. November 2008 Bezug genommen wird, führt zu keiner anderen Entscheidung. Auf persönliche und soziale Bindungen zum Urteilsstaat kommt es nicht an.

III.

Die Strafvollsteckungskammer des Landgerichts Essen wird auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens ( § 77 Abs. 1 IRG in Verbindung mit § 473 StPO ) zu befinden haben. Dabei wird sie zu berücksichtigen haben, dass Ziffer 2. des angefochtenen Beschlusses den hauptsächlichen Gegenstand der Beschwerde ausmacht ( § 473 Abs. 4 StPO ).



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