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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 2 Ws 347/09 OLG Hamm

Leitsatz: Allein eine hohe Straferwartung kann die Fluchtgefahr noch nicht begründen.
Zur Außervollzugsetzung eines Haftbefehls.
Verdunkelungsgefahr lässt sich auch nicht allein aus der Eigenart des dem Beschuldigten vorgeworfenen Delikts ableiten.

Senat: 2

Gegenstand: Beschwerde

Stichworte: hohe Straferwartung,Fluchtgefahr, Außervollzugsetzung, Verdunkelungsgefahr

Normen: StPO 112, StPO 116

Beschluss:

Strafsache
In pp.
hat der 2. Strafsenat des OLG Hamm am 14.01.2010 beschlossen:
Die Beschwerde wird mit folgender Maßgabe verworfen:
Der Haftbefehl des Amtsgerichts Bochum vom 03. November 2009 (64 Gs 3731/09) wird unter folgenden Auflagen außer Vollzug gesetzt:
a)
Der Verfolgte hat Wohnung zu beziehen im Hause der Familie I unter der Anschrift G-Straße in S2 und jeden Wohnungswechsel unverzüglich der Staatsanwaltschaft in Bochum zu dem oben aufgeführten Aktenzeichen mitzuteilen.
b)
Der Verfolgte hat sich unverzüglich um die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit, vornehmlich beim C GmbH, L-Straße, M, zu bemühen.
c)
Der Verfolgte hat sich jeweils dienstags und freitags bei der für seinen Wohnsitz zuständigen Polizeidienststelle zu melden.
d)
Der Verfolgte darf bis auf weiteres das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland nicht verlassen.
Er hat seinen Reisepass sowie seinen Personalausweis zu den Akten bei der Staatsanwaltschaft Bochum zu reichen.
e)
Der Verfolgte hat eine Sicherheit in Höhe von 50.000,00 Euro (in Worten: fünfzigtausend Euro) durch Hinterlegung bei der Gerichtskasse des Amtsgerichts Bochum zu leisten.
f)
Der Verfolgte hat allen Vorladungen der Polizei, der Staatsanwaltschaft und des Gerichts Folge zu leisten.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden dem Beschuldigten auferlegt, jedoch wird die Gerichtsgebühr um die Hälfte ermäßigt. In diesem Umfang hat auch die Landeskasse die dem Beschuldigten entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Gründe:
Auf Antrag der Staatsanwaltschaft Bochum erließ das Amtsgericht – Ermittlungsrichter – Bochum unter dem 03. November 2009 (64 Gs 3731/09) einen Haftbefehl gegen den Beschuldigten wegen des dringenden Tatverdachtes, im Zeitraum ab Januar 2009 in S. und anderen Orten durch mindestens fünf selbständige Handlungen in der Absicht, sich und einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, das Vermögen eines anderen dadurch beschädigt zu haben, dass er durch Vorspiegelung falscher Tatsachen einen Irrtum erregte, wobei er den Betrug als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Betrugsstraftaten verbunden hatte, gewerbsmäßig begangen haben soll. Der Vorwurf geht dahin, dass die Mitglieder der Bande Fußballspieler aus hochrangigen europäischen Fußballligen dazu bestimmt haben sollen, das Ergebnis bestimmter Fußballspiele zu manipulieren und anschließend auf die derart manipulierten Fußballspiele (erfolgreich) Wetten platziert haben sollen. Wegen der Einzelheiten der dem Verfolgten vorgeworfenen Taten wird auf den Haftbefehl des Amtsgerichts Bochum vom 03. November 2009 (64 Gs 3731/09) sowie auf die Beschwerdeentscheidung des Landgerichts Bochum vom 10. Dezember 2009 (II-6 Qs-35 Js 40/09 – 23/09) Bezug genommen.
Das Amtsgericht Bochum hatte zum einen wegen der hohen Straferwartung sowie seiner Auslandskontakte den Haftgrund der Fluchtgefahr (§ 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO) und zum anderen den Haftgrund der Verdunkelungsgefahr (§ 112 Abs. 2 Nr. 3 StPO) angenommen.
Aufgrund dessen wurde der Beschuldigte am 19. November 2009 vorläufig festgenommen und nach Verkündung und Aufrechterhaltung des Haftbefehls am selben Tage durch das Amtsgericht Bochum in Untersuchungshaft genommen, in der er sich seitdem ununterbrochen in der Justizvollzugsanstalt F befindet.
Mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 07. Dezember 2009 hat der Beschuldigte unter näheren Ausführungen beantragt, den Haftbefehl aufzuheben bzw. ihn hilfsweise gegen geeignete Auflagen außer Vollzug zu setzen. Mit Beschluss vom 10. Dezember 2009 hat die 6. große Strafkammer des Landgerichts Bochum die Beschwerde mit ausführlicher Begründung, auf die zwecks Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird, als unbegründet verworfen. Der hiergegen gerichteten weiteren Beschwerde vom 11. Dezember 2009 hat das Landgericht Bochum durch Beschluss vom 14. Dezember 2009 nicht abgeholfen. Mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 24. Dezember 2009 hat der Beschuldigte seine weitere Beschwerde begründet und beantragt, den Haftbefehl des Amtsgerichts Bochum vom 03. November 2009 aufzuheben, hilfsweise gegen Auflagen außer Vollzug zu setzen. Der Beschuldigte hat insbesondere nochmals zu seinen sozialen Bindungen in Deutschland umfassend vorgetragen, zuletzt mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 12. Januar 2009.
Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die weitere Beschwerde als unbegründet zu verwerfen.
II.
Die weitere Beschwerde ist gemäß § 304 StPO statthaft und zulässig und hat auch in der Sache in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg. Der Haftbefehl konnte unter den genannten Auflagen außer Vollzug gesetzt werden.
1.
Die Zuständigkeit des Amtsgerichts Bochum für den Erlass des Haftbefehls ergibt sich vorliegend aus § 162 Absatz 1 Satz 2 StPO.
Die örtliche Zuständigkeit für den Erlass eines Haftbefehls ergibt sich grundsätzlich aus § 125 StPO. Da vorliegend einer der Hauptverdächtigen – E – seinen Wohnsitz in I hatte, wäre zwar grundsätzlich das Amtsgericht Recklinghausen berufen gewesen. Erachtet hingegen die Staatsanwaltschaft die Vornahme einer richterlichen Untersuchungshandlung für erforderlich, so stellt sie ihre Anträge bei dem Amtsgericht, in dessen Bezirk sie ihren Sitz hat, § 162 Absatz 1 Satz 1 StPO. Hält sie daneben den Erlass eines Haft- oder Unterbringungsbefehls für erforderlich, so kann sie, unbeschadet der §§ 125, 126 a StPO, auch einen solchen Antrag bei dem in Satz 1 bezeichneten Gericht stellen, § 162 Absatz 1 Satz 2 StPO, mithin vorliegend beim Amtsgericht Bochum.
2.
Der Beschuldigte ist der ihm im Haftbefehl vom 03. November 2009 zur Last gelegten Taten aus den im Haftbefehl des Amtsgerichts Bochum und den im angefochtenen Beschluss des Landgerichts Bochum dargelegten Gründen, auf die insoweit Bezug genommen wird, dringend verdächtig. Der Senat teilt insoweit die Auffassung des Amtsgerichts und der Strafkammer. Die Prognose, dass eine Verurteilung wahrscheinlich ist, verlangt der dringende Tatverdacht hingegen nicht (vgl. BGH NStZ 1981, 94); es genügt die Möglichkeit der Verurteilung (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 52. Aufl., § 112 Rdnr. 5 m. w. Nachw.).
Hinsichtlich der Strafbarkeit von Sportwetten und zur Schadensfeststellung beim Sportwettenbetrug wird auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in dessen Urteil vom 15. Dezember 2006 – 5 StR 181/06 -, abgedruckt in NJW 2007, 782, verwiesen.
3.
Es besteht auch grundsätzlich der Haftgrund der Fluchtgefahr gemäß § 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO. Dieser ist gegeben, wenn es bei Würdigung der Umstände des Falles wahrscheinlicher ist, dass sich ein Beschuldigter dem Strafverfahren entzieht, als dass er sich ihm zur Verfügung halten wird (Beschluss des erkennenden Senats vom 19. Juli 2004 in 2 Ws 185/04; Graf in: Karlsruher Kommentar, StPO, 6. Auflage, § 112 Rn. 16; Meyer-Goßner, StPO, 52. Auflage, § 112 Rn. 17 mit weiteren Nachweisen). Die in dem Strafverfahren zu erwartenden Rechtsfolgen sind dabei zu berücksichtigen (vgl. Beschluss des erkennenden Senats vom 19. Juli 2004 in 2 Ws 185/04). Zwar hat der Beschuldigte im Falle seiner Verurteilung mit einer nicht unerheblichen Strafe zu rechnen, was einen beträchtlichen Fluchtanreiz und damit die konkrete Gefahr begründet, dass er sich im Falle seiner Freilassung alsbald durch Flucht oder Untertauchen dem weiteren Verfahren entziehen wird. Allerdings kann nach ständiger Rechtsprechung des Senats allein die Straferwartung die Fluchtgefahr noch nicht begründen (Beschlüsse des erkennenden Senats vom 19. Juli 2004 in 2 Ws 185/04, vom 28. Januar 2000 in 2 Ws 27/2000 = NStZ-RR 2000, 188 mit weiteren Nachweisen). Vielmehr ist diese in der Regel nur Ausgangspunkt für die Erwägung, ob der in ihr liegende Anreiz zur Flucht unter Berücksichtigung aller sonstigen Umstände so erheblich ist, dass er die Annahme rechtfertigt, der Beschuldigte werde ihm nachgeben und wahrscheinlich flüchten. Entscheidend ist, ob bestimmte Tatsachen vorliegen, die den Schluss rechtfertigen, ein Beschuldigter werde dem in der hohen Straferwartung liegenden Fluchtanreiz nachgeben (Beschluss des erkennenden Senats vom 19. Juli 2004 in 2 Ws 185/04; so auch OLG Köln, StV 1995, 419). Je höher allerdings die Straferwartung ist, desto weniger Gewicht ist auf weitere Umstände zu legen (Meyer-Goßner, StPO, 52. Auflage, § 112 Rn. 24).
Die danach vorzunehmende Gesamtwürdigung ergibt, dass der Haftgrund der Fluchtgefahr gemäß § 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO zwar (weiterhin) zu bejahen ist.
Bei Würdigung aller Umstände, insbesondere der Lebensverhältnisse des Beschuldigten, ist der Fluchtanreiz nach Auffassung des Senats aber nicht so groß, als dass ihm nur durch den weiteren Vollzug der Untersuchungshaft und nicht durch mildere Mittel im Sinne des § 116 StPO in Form der von dem Senat im Tenor angeordneten Auflagen (§ 116 Abs. 1 S. 1 und S. 2 Nr. 1 StPO) begegnet werden könnte.
Der Beschuldigte verfügt nämlich über tragfähige soziale Bindungen in Deutschland. Er wurde in S. geboren und besitzt die deutsche Staatsbürgerschaft. Seinen Hauptwohnsitz und Lebensmittelpunkt – und nicht lediglich eine Meldeanschrift – hat er in Deutschland, auch wenn er über Kontakte ins Ausland, insbesondere nach L., verfügt. Seinen Lebensmittelpunkt hat er dort jedoch nicht, jedenfalls kann dergleichen nicht den Akten entnommen werden, auch wenn seine Mutter dort wohnhaft ist. Der Beschuldigte ist in Deutschland aufgewachsen und hat hier sowohl seine gesamte Schulzeit verbracht als auch eine Ausbildung zum Industriekaufmann in einem C Betrieb absolviert. Seit dem Jahre 1998 ist er als Profi-Basketballer tätig, zuletzt bei dem C Verein "Ca". Zwar ist er seit dem Jahre 2008 nicht mehr aktiver Basketballspieler dieses Vereins, jedoch war er bis zu seiner Verhaftung im November 2009 weiterhin für den Verein tätig. Er wohnte bis zu seiner Verhaftung im Haus der Familie I., bei der er aufgewachsen ist und die ihm familiären Rückhalt gibt. Mit dem Sohn der Familie (T I. – ebenfalls Basketballspieler, Spieler in der deutschen Basketball-Nationalmannschaft) verbinden ihn seit frühester Jugend enge freundschaftliche Beziehungen.
Der Beschuldigte hat zudem die Möglichkeit, ab sofort beim C GmbH in M eine – wenn auch zugegebenermaßen untergeordnete – Erwerbstätigkeit unter bescheidenen finanziellen Bedingungen auszuüben. Der Senat sieht diese Tätigkeit jedoch durchaus als Chance für den Beschuldigten, wieder im Basketballsport Fuß zu fassen.
Aufgrund der vorstehend geschilderten engen familiären und sozialen Eingebundenheit hält der Senat es für unwahrscheinlich, dass der Beschuldigte dieses Umfeld verlassen wird, um sich in der Fremde eine neue Existenz aufzubauen. Auch den Umstand, dass sein langjähriger Freund T I. sich um die Stellung der Sicherheitsleistung bemüht, wertet der Senat als weiteren gewichtigen Punkt, der geeignet ist, etwaigen Fluchtgedanken entgegenzuwirken und der insoweit eine soziale Kontrolle darstellt. Im Falle der Flucht des Beschuldigten würde der Verfall der Kaution die Familie I., insbesondere T I., schwer treffen und zu einem irreparablen Vertrauensmissbrauch führen (vgl. hierzu Senatsbeschluss vom 14. Juli 1997, StV 1997, 643 f.).
Der aus diesen Gründen erheblich gemilderten Fluchtgefahr vermag daher nach Auffassung des Senats entgegen der Ansicht des Amtsgerichts, der Strafkammer und der Generalstaatsanwaltschaft durch weniger einschneidende Maßnahmen als dem Vollzug der Untersuchungshaft begegnet zu werden.
Der Vollzug des Haftbefehls vom 03. November 2009 war daher nach § 116 Abs. 1 StPO gegen die vorliegend erteilten Anweisungen auszusetzen.
4.
Der vom Amtsgericht und von der Strafkammer bejahte Haftgrund der Verdunkelungsgefahr im Sinne des § 112 Abs. 2 Nr. 3 StPO ist nicht gegeben. Die Annahme dieses Haftgrundes setzt ein Verhalten des Beschuldigten voraus, das den dringenden Verdacht begründet, dass durch bestimmte Handlungen auf sachliche oder persönliche Beweismittel eingewirkt und dadurch die Ermittlung der Wahrheit erschwert werden wird (vgl. Meyer-Goßner, a.a.O., § 112 Rn. 26 ff. mit zahlreichen weiteren Nachweisen aus der Rechtsprechung). Dabei muss das Einwirken des Beschuldigten aktiv erfolgen (OLG Köln StV 1997, 37), das bloße Bestreiten oder das Verweigern einer Einlassung reicht nicht aus. Die "Verdunkelungsgefahr" muss aufgrund bestimmter Tatsachen begründet sein (Meyer-Goßner, a.a.O., § 112 Rn. 27 m.w.N.). Diese müssen jedoch nicht zur vollen Überzeugung des Gerichts feststehen, die bloße Möglichkeit verdunkelnder Handlungen genügt andererseits nicht (OLG Hamm StV 1985, 114; OLG Köln, a.a.O.). Die "bestimmten Tatsachen" können sich aus dem Verhalten, den Beziehungen und den Lebensumständen des Beschuldigten ergeben.
Derartige eine "Verdunkelungsgefahr" begründende Umstände liegen aber nicht vor. Es lässt sich der Akte nicht entnehmen, dass der Beschuldigte etwa auf Zeugen eingewirkt oder Beweismittel manipuliert hätte.
Die Verdunkelungsgefahr lässt sich auch nicht allein aus der Eigenart des dem Beschuldigten vorgeworfenen Delikts ableiten (so u.a. auch OLG Frankfurt NStZ 1997, 200 und StV 2000, 152[ jeweils für §§ 331 ff. StGB]; OLG Köln StV 1999, 37; OLG München StV 1995, 86; Kleinknecht/Meyer-Goßner, a.a.O., Rn. 30). Der Haftgrund der Verdunkelungsgefahr setzt dem Wortlaut der gesetzlichen Regelung nach bestimmte Tatsachen bzw. bestimmte Handlungen voraus, die den Verdacht der prozessordnungswidrigen Einwirkung auf Beweismittel begründen. Das Delikt, um das es bei dem Vorwurf gegen den Beschuldigten geht, ist aber keine "bestimmte Tatsache" in diesem Sinn, sondern nur der Vorwurf, der von den Ermittlungsbehörden gegen den Beschuldigten erhoben wird und der erst noch im Verfahren gegen den Beschuldigten erwiesen werden soll. Diese Tat ist noch nicht "bestimmt" i.S. des § 112 Abs. 2 Nr. 3 StPO und scheidet damit als alleiniger Anknüpfungspunkt für die Bejahung des Haftgrundes "Verdunkelungsgefahr" aus.
Hinzu kommen müssen für deren Annahme vielmehr noch weitere Umstände, aus denen auf die Gefahr der negativen, nämlich verdunkelnden Einflussnahme geschlossen werden kann (so insbesondere OLG Frankfurt, OLG Köln, jeweils a.a.O.; Kleinknecht/Meyer-Goßner, § 112 Rn. 30; siehe auch Münchhalffen StraFo 1999, 335; zustimmend zu OLG Köln Paeffgen NStZ 2000, 75, 77). Eine andere Auslegung würde bei den genannten Delikten nach Auffassung des Senats zu einer nicht hinnehmbaren "gesetzlichen Vermutung" führen. Der Erlass des Haftbefehls setzt dringenden Tatverdacht voraus. Geht man davon aus, dass bestimmte - auf Verschleierung und Manipulation angelegte - Delikte, wie z.B. Betrug und/oder Steuerhinterziehung allein wegen ihres Charakters die Verdunkelungsgefahr begründen, bedeutet das, dass bei diesen Delikten mit der Bejahung des dringenden Tatverdachts zugleich immer auch der Haftgrund der Verdunkelungsgefahr indiziert wäre. Eine solche Sicht widerspricht aber der gesetzlichen Regelung, nach der der Erlass eines Haftbefehls eben nicht nur vom Vorliegen des dringenden Tatverdachts abhängt, sondern als weitere Voraussetzung das Vorliegen eines Haftgrundes als eigenständige Voraussetzung geprüft und bejaht werden muss.
Die demgemäß auch vorzunehmende Prüfung aller Umstände des Einzelfalls (so auch OLG Frankfurt NStZ 1997, 200) führt vorliegend nicht zur Bejahung von "Verdunkelungsgefahr". Dabei übersieht der Senat nicht, dass der Beschuldigte sich insbesondere gegenüber dem Mitbeschuldigten N2 als "J" ausgegeben (vgl. hierzu u.a. TKÜ-Maßnahme "Q Handy 2", ltg. ##### vom 02.09.2009 sowie vom 30.09.2009; vgl. Ordner – D 2 – Bd. VI, Bel. 2358 und 2359) und in anderen Fällen den Mittelsmann C4 eingesetzt haben soll, um seine wahre Identität zu verschleiern. Hierbei handelt es sich jedoch nicht um das aktive Einwirken auf Beweismittel, sondern allenfalls um Handlungen, die – sollten sie sich als wahr herausstellen – seine Identifizierung erschweren sollten bzw. aus seiner Sicht möglicherweise zur erfolgreichen Durchsetzung der beabsichtigten Sportmanipulationen erforderlich waren. Diese Handlungen allein können nicht für die Begründung der Verdunkelungsgefahr herangezogen werden.
Den Umständen lässt sich darüber hinaus auch nicht entnehmen, dass die gesamte Lebensführung des Beschuldigten auf Verheimlichung, Täuschung und ggf. Drohung ausgerichtet wäre, was ggf. zur Annahme von Verdunkelungsgefahr führen könnte (siehe dazu OLG Köln StV 1999, 37 und OLG Frankfurt NStZ 1997, 200). Insoweit wird Bezug genommen auf die obigen Ausführungen zu Ziffer II. 3.).
Für eine konkrete Drohung des Beschuldigten gegenüber Zeugen geben die Akten keinen Anhaltspunkt. Damit sind aber keinerlei konkrete Anzeichen, erst recht aber keine "bestimmten Tatsachen" im Sinne des § 112 Abs. 2 StPO erkennbar, aus denen geschlossen werden könnte, der Beschuldigte würde im Fall seiner Freilassung auf Zeugen oder Beweismittel einwirken.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 und Abs. 4 StPO.




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