Aktenzeichen: 3 Ss OWi 319/09 OLG Hamm |
Leitsatz: Die Beschränkung des Einspruchs auf den Rechtsfolgenausspruch ist beim Vorwurf der Drogenfahrt nach § 24a Abs. 2 StVG nur wirksam, wenn sich dem Bußgelbescheid entnehmen lässt, dass bei der dem Betroffenen zur Last gelegten Fahrt eine Konzentration eines berauschenden Mittels vorgelegen hat, die eine Beeinträchtigung der Fahrsicherheit zumindest als möglich erscheinen lässt. |
Senat: 3 |
Gegenstand: Rechtsbeschwerde |
Stichworte: Einspruch, Beschränkung, Wirksamkeit, Drogenfahrt, Feststellungen |
Normen: OWiG 67; StPO 267, StVG 24a |
Beschluss: Bußgeldsache gegen pp. wegen Verkehrsordnungswidrigkeit Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen die als Urteil bezeichnete Ent-scheidung des Amtsgerichts Minden vom 16.02.2009 hat der 3. Senat für Bußgeld-sachen des Oberlandesgerichts Hamm am 11. Februar 2010 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht M.A., die Richterin am Oberlandesgericht und die Richterin am Landgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen: Die Sache wird dem Bußgeldsenat in der Besetzung mit drei Richtern übertragen. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht Minden zurückverwiesen. Gründe: I. Gegen den Betroffenen wurde durch Bußgeldbescheid des Kreises MindenLübbecke vom 28.04.2008 eine Geldbuße in Höhe von 250 Euro sowie ein einmonatiges Fahrverbot verhängt. In dem Bußgeldbescheid heißt es u. a.: ...Ihnen wird vorgeworfen, am 25.01.2008 um 14.00 Uhr in 32423 Minden, Königswall als Führer und Halter des PKW BMW XXXXX folgende Verkehrsordnungswidrigkeit(en) nach § 24 StVG * begangen zu haben: Sie führten ein Kraftfahrzeug unter Wirkung des berauschenden Mittels (Cannabis/Kokain). § 24a Abs. 2. 3, § 25 StVG; 242 BKat; § 4 Abs. 3 BKatV Bemerkungen/ Tatfolgen Beweismittel: Angaben Betroffener, Gutachten Zeugin/Zeuge, aufnehmende/r Beamtin/er Zeugen: A.+Z.: POK S.; Z.: PK'in R., beide PW M. " Hiergegen hatte der Betroffene durch seinen ehemaligen Verteidiger Einspruch eingelegt. Sein jetziger Verteidiger hat den Einspruch mit Schriftsatz vom 09.02.2009, der dem Amtsgericht in Anwesenheit des Betroffenen in dem bereits vor dem Verteidigerwechsel anberaumten Termin zur Hauptverhandlung am 09.02.2009 überreicht worden ist, auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt. Das Amtsgericht hat mit der angefochtenen Entscheidung gegen den Betroffenen wegen Führens eines Kraftfahrzeuges unter Wirkung berauschender Mittel (Cannabis/Kokain) eine Geldbuße in Höhe von 250 Euro sowie ein einmonatiges Fahrverbot unter Gewährung von Vollstreckungsaufschub gemäß § 25 Abs. 2 a StVG verhängt. Es ist von einer wirksamen Beschränkung des Einspruchs auf den Rechtsfolgenausspruch ausgegangen und hat zur Sache Folgendes festgestellt: Am 25. Januar 2008 gegen 14.00 Uhr befuhr der Betroffene mit dem PKW Marke BMW, amtliches Kennzeichen XXXXX, dessen Halter der Betroffene ist, unter Wirkung berauschender Mittel. Bei einer Verkehrskontrolle durch die Zeugen S. und R. wurde eine Blutentnahme angeordnet. Die daraufhin erfolgte toxikologische Diagnostik ergab einen positiven Befund auf Kokain-Metabolit, Amphetamine und Cannabinoide. Alle diese berauschenden Mittel sind geeignet, die Fahrtüchtigkeit nicht unerheblich zu beeinflussen. Die aktive Teilnahme am Straßenverkehr ist in allen Stadien des Kokainsrausches ausgeschlossen." Gegen diese Entscheidung richtet sich die ausdrücklich auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte Rechtsbeschwerde des Betroffenen, mit der eine Verletzung materiellen Rechts gerügt wird und mit der der Betroffene sich insbesondere gegen die Höhe der gegen ihn verhängten Geldbuße wendet. II. Die Sache war zur Fortbildung des Rechts dem Bußgeldsenat in der Besetzung mit drei Richtern zu übertragen (§ 80a Abs. 3 OWiG). Zu der Frage der Wirksamkeit einer Beschränkung des Einspruchs auf den Rechtsfolgenausspruch eines Bußgeldbescheides, wenn dem Betroffenen mit diesem gemäß § 24a Abs. 2 StVG das Führen eines Kraftfahrzeuges unter Wirkung eines in der Anlage zu dieser Vorschrift genannten berauschende Mittels im Straßenverkehr vorgeworfen wird, ist - soweit ersichtlich - bisher keine höchstrichterliche Entscheidung ergangen Bei dieser Entscheidung handelt es sich um eine solche der zuständigen Einzelrichterin. III. Die Rechtsbeschwerde hat in der Sache vorläufig Erfolg. Sie führt zu einer Aufhebung der angefochtenen Entscheidung insgesamt und zu einer Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht Minden. 1. Die angefochtene Entscheidung ist bei zutreffender Auslegung trotz ihrer Bezeichnung als "Urteil" als Beschluss gemäß § 72 Abs. 2 OWiG aufzufassen. Wie sich aus der Entscheidung selbst ergibt, ist diese ausdrücklich im schriftlichen Verfahren" erlassen worden. Im schriftlichen Verfahren ist aber eine Entscheidung durch Urteil ausgeschlossen, eine Entscheidung kann nur im Beschlusswege ergehen. Urteile werden dagegen nach einer mündlichen Verhandlung erlassen und sind zu verkünden. Eine Entscheidung im schriftlichen Verfahren war auch durch das Amtsgericht tatsächlich beabsichtigt. Denn die öffentliche Sitzung des Amtsgerichts Minden vom 09.02.2009 endete ausweislich der Sitzungsniederschrift mit dem Beschluss, dass eine Entscheidung im schriftlichen Verfahren ergeht, nachdem der Verteidiger einen Schriftsatz vom 09.02.2009 überreicht hatte, mit dem der Einspruch auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt und beantragt wurde, die im Bußgeldbescheid verhängte Geldbuße zu halbieren. Bei dieser Sachlage handelte es sich bei der Entscheidung vom 16.02.2009 inhaltlich um einen Beschluss im Sinne des § 72 Abs. 2 StPO. Es hängt nämlich nicht von der Bezeichnung ab, ob eine Entscheidung als Urteil oder Beschluss anzusehen ist, maßgebend sind vielmehr der Inhalt der Entscheidung und die Gründe, auf denen sie beruht (vgl. BGH NJW 1974, 154; NJW 1963, 1747). Die Entscheidung bedurfte daher trotz ihrer Bezeichnung als Urteil keiner Verkündung, um existent zu werden. 2. Die Beschränkung der Rechtsbeschwerde auf den Rechtsfolgenausspruch ist nicht wirksam. Zwar kann nach allgemeiner Meinung, die der aller Senate für Bußgeldsachen des OLG Hamm entspricht, die Rechtsbeschwerde ebenso wie die Revision auf abtrennbare Teile beschränkt werden (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 19.08.2008 - 5 Ss OWi 493108 - Seitz in Göhler, OWiG, 15. Aufl., § 79 OWiG Rdnr. 32 m.w.N.). Insoweit gelten die im Strafverfahren für die Beschränkung der Berufung oder Revision auf das Strafmaß geltenden Grundsätze entsprechend (vgl. dazu Meyer-Goßner, StPO, 52. Aufl., § 318 StPO Rdnr, 16 ff.; m.w.N.; OLG Hamm, a.a.O.). Die Beschränkung der Rechtsbeschwerde ist nach diesen Vorschriften aber nur wirksam, wenn in der tatrichterlichen Entscheidung hinreichende Feststellungen für die vom Rechtsbeschwerdegericht zu treffende Entscheidung über die Rechtsfolgen getroffen werden (Seitz in Göhler, a. a. 0., § 79, Rdnr. 32 m.w.N.). Das ist hier aber nicht der Fall. Das Amtsgericht ist zu Unrecht von einer wirksamen Beschränkung des Einspruchs auf den Rechtsfolgenausspruch ausgegangen. Soweit es trotz der von ihm angenommenen Rechtskraft des Schuldspruchs des Bußgeldbescheides vom 28.04.2008 zusätzlich - ergänzende - eigene Feststellungen zur Sache getroffen hat, stellen auch diese Feststellungen weder für sich allein noch in Verbindung mit den Tatfeststellungen im Bußgeldbescheid eine ausreichende Grundlage für die Bußgeldzumessung dar. Die Wirksamkeit einer Beschränkung eines Rechtsmittels hat das Rechtsbeschwerdegericht von Amtswegen zu prüfen (Meyer-Goßner StPO, 52. Aufl., § 352, Rdnr. 4). a) Die Beschränkung des Einspruchs auf den Rechtsfolgenausspruch ist nicht wirksam erfolgt. Zwar ist eine Beschränkung des Einspruchs auf den Rechtsfolgenausspruch nach § 67 Abs. 2 OWiG grundsätzlich zulässig. Voraussetzung ist aber das der Bußgeld bescheid eine hinreichende Grundlage für die Bußgeldbemessung darstellt. Unwirksam ist die Beschränkung, wenn die Tat im Bußgeldbescheid nicht hinreichend konkretisiert wird (vgl. Seitz in Göhler, a.a.O.; § 67 Rdnr. 34e). Das ist hier der Fall. Nach § 24a Abs, 2 Satz 1 StVG begeht derjenige eine Ordnungswidrigkeit, der im Straßenverkehr ein Kraftfahrzeug unter der Wirkung eines in der Anlage zu dieser Vorschrift genannten berauschenden Mittels führt. Eine solche Wirkung liegt gemäß § 24 a Abs. 2 Satz 2 StVG vor, wenn eine dieser in der Anlage aufgeführten Substanzen im Blut nachgewiesen wird. Das ist für Cannbis das Abbauprodukt Tetrahydrocannabinol (THC). Nach dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 21.12.2004 (NJW 2005, 349) können mit Rücksicht auf die durch verbesserten Nachweismethoden erhöhte Nachweisdauer dieser Zeitraum und die Wirkungsdauer nicht mehr gleichgesetzt werden. Es reicht daher nicht mehr jeder Nachweis von THC im Blut für die Erfüllung des Tatbestandes des § 24 a Abs. 2 StVG aus. Erforderlich ist vielmehr der Nachweis der betreffenden Substanz in einer Konzentration, die eine Beeinträchtigung der Fahrsicherheit zumindest als möglich erscheinen lässt und damit die in § 24 a Abs. 2 S. 2 StVG aufgestellte gesetzliche Vermutung rechtfertigt. Das ist nach dem derzeitigen Stand der Wissenschaft jedenfalls dann der Fall, wenn zumindest der in der Empfehlung der Grenzwertkommission vorn 20.11.2002 (BA 2005, 160) empfohlene Nachweisgrenzwert erreicht ist, der für THC (Cannabis) derzeit bei 1 ng/ml liegt (vgl. OLG Hamm Beschluss vom 20.05.2008 5 Ss OWi 282/08 König in Hentsche, Straßenverkehrsrecht, 40.Aufl.. § 24a StVG Rdnr. 21a m.w.N.). Gleiches gilt auch für die anderen Rauschmittel, so dass § 24a Abs. 2 Satz 2 StVG auch in Bezug auf Kokain und dessen Abbauprodukt Benzoylecgonin (BZE) entsprechend verfassungskonform auszulegen ist (vgl. OLG Bamberg, Beschluss vom 01.12.2006 2 Ss OWi 1623/ 05 -; juris; OLG Hamm NZV 2007, 248; König a.a.O., jeweils m.w.N.), ebenso für Amphetamin (vgl. OLG München NJW 2006, 1606; OLG Zweibrücken NJW 2005, 2168). Die empfohlenen Grenzwerte der Grenzwertkommission betragen für Benzoylecgonin 75 ng/ml (vgl. OLG Hamm NZV 2007, 248; König a.a.O.; Eisenmenger NZV 2006, 24) und für Amphetamin 25 ng/ml (vgl. König a.a.O.) Der Bußgeldbescheid enthält keine Angaben dazu, in welchen konkreten Konzen-trationen Tetrahydrocannabinol sowie Benzoylecgonin - Amphetamine werden im Bußgeldbescheid überhaupt nicht erwähnt - im Blut des Betroffenen nachgewiesen worden sind. Aus dem Bußgeldbescheid lässt daher nicht entnehmen, ob überhaupt von einer beeinträchtigenden Wirkung der im Blut des Betroffenen nachgewiesenen Mengen berauschender Mittel auf dessen Fahrtüchtigkeit ausgegangen werden kann, wie es die Annahme der Erfüllung des Tatbestandes des § 24 a Abs. 2 StVG voraussetzt. Die somit unzureichende Sachverhaltsdarstellung im Bußgeldbescheid stellt keine genügende Grundlage für die Rechtsfolgenbemessung dar, mit der Folge, dass die Beschränkung des Einspruchs auf den Rechtsfolgenausspruch nicht wirksam war. Das Amtsgericht hätte vielmehr eigene Feststellungen zum äußeren und inneren Tatbestand des § 24a StVG treffen müssen. b) Zwar hat sich das Amtsgericht nicht nur auf den Bußgeldbescheid gestützt, sondern auch eigene ergänzende - Feststellungen zur Sache getroffen. Angaben zu den konkreten Mengen der im Blut des Betroffenen nachgewiesenen Substanzen Tetrahydrocannabinol und Benzoylecgonin ,enthalten aber auch die ergänzenden Feststellungen der amtsgerichtlichen Entscheidung nicht. Das Gleiche gilt, soweit in der angefochtenen Entscheidung erstmals auch von einem positiven Befund auf Anphetamine die Rede. Die angefochtene Entscheidung konnte daher keinen Bestand. Sie unterlag der Aufhebung und war an das Amtsgericht Minden zurückzuverweisen. |
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