Diese Homepage verwendet Cookies, um Inhalte und Anzeigen zu personalisieren, Funktionen für soziale Medien anbieten zu können und die Zugriffe auf die Website zu analysieren. Außerdem gebe ich Informationen zu Ihrer Nutzung meiner Website an meine Partner für soziale Medien, Werbung und Analysen weiter.

OK Details ansehen Datenschutzerklärung

Rechtsprechung

Aktenzeichen: 1 VAs 8/06 OLG Hamm

Leitsatz: Die Zurückstellung der Vollstreckung einer Freiheitsstrafe zum Zwecke einer Therapie kann nur zurückgestellt werden, wenn sich aus den Urteilsgründen ergibt oder sonst feststeht, dass die Tat, die Gegenstand des Urteils ist, nicht nur anlässlich, sondern aufgrund einer Betäubungsmittelabhängigkeit begangen wurde.

Senat: 1

Gegenstand: Justizverwaltungssache

Stichworte: Strafvollstreckung; Zurückstellung; Therapie; Betäubungsmittelabhängigkeit

Normen: BtMG 35

Beschluss:

Beschluss[Justizverwaltungssache
betreffend G.F.
wegen Rechtmäßigkeit von Maßnahmen der Justizbehörden, (hier: Zurückstellung der Strafvollstreckung gemäß § 35 BtMG).

Auf den Antrag des Betroffenen vom 16. Januar 2006 auf gerichtliche Entscheidung nach den §§ 23 ff. EGGVG gegen den Bescheid der Staatsanwaltschaft Duisburg vom 7. November 2005 in der Form des Beschwerdebescheides des Generalstaatsanwalts in Düsseldorf vom 30. Dezember 2005 hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 21. 03. 2006 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und die Richterin am Oberlandesgericht nach Anhörung des Generalstaatsanwalts in Hamm beschlossen:

Der Antrag wird auf Kosten des Betroffenen als unbegründet verworfen.

Der Geschäftswert wird auf 2.500,- € festgesetzt.

Gründe:
I.
Das Amtsgericht Oberhausen hat den Betroffenen am 11. Juli 2002 wegen versuchten Betruges und wegen Betruges in Tateinheit mit Urkundenfälschung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Monaten mit Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt. Nach den getroffenen Feststellungen hatte der Betroffene am 15. Januar 2002 versucht, mit einer von ihm gefundenen, auf den Namen W.T. lautenden ec-Karte der Spardabank, im Kaufhaus Kaufland in Oberhausen einen Laptop im Wert von 1.533,- € zu erwerben. Als er an der Kasse die ec-Karte vorlegte, wurde ihm von der Kassiererin mitgeteilt, dass ein Betrag in dieser Höhe nicht mit einer ec-Karte gezahlt werden könne. Der Betroffene entschied sich deshalb zum Erwerb eines DVD-Players im Wert von 198,- € sowie von zwei Schachteln Zigaretten und legte zur Bezahlung erneut die ec-Karte vor. Den zu diesem Zweck vorgelegten Lastschriftbeleg unterschrieb der Betroffene mit dem Namen des W.T..

Mit Beschluss vom 15.11.2004 hat die 7. Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Essen die Strafaussetzung widerrufen, weil der Betroffene innerhalb der Bewährungszeit erneut Straftaten begangen hatte und deswegen vom Amtsgericht Oberhausen am 2. Juli 2004 zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten und vom Amtsgericht Krefeld am 27. August 2004 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 2 Jahren und 6 Monaten verurteilt worden war.

Mit Beschluss des Amtsgerichts Oberhausen vom 30. März 2005 wurden schließlich die Strafen aus dem Urteil des Amtsgerichts Oberhausen vom 11. Juli 2002 und aus einer weiteren Verurteilung durch das Amtsgericht Kleve vom 5. Februar 2004 im Wege der nachträglichen Gesamtstrafenbildung auf eine neue Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten ohne Strafaussetzung zurückgeführt. Durch das einbezogene Urteil des Amtsgerichts Kleve war der Betroffene wegen ähnlicher Straftaten, nämlich Diebstahls in 3 Fällen sowie Computerbetruges in Tateinheit mit Urkundenfälschung in 3 weiteren Fällen verurteilt worden.

Mit Schreiben vom 4. Juli 2005 beantragte der Betroffene die Zurückstellung der Strafvollstreckung gemäß § 35 BtMG und führte dazu aus, seine Betäubungsmittelabhängigkeit ergebe sich bereits aus dem Urteil des Amtsgerichts Krefeld vom 27. August 2004. Das Urteil des Amtsgerichts Oberhausen vom 11. Juli 2002 enthalte dazu keine Feststellungen, weil er "als Abhängiger nicht bei der Verhandlung inhaftiert werden wollte".

Diesen Antrag hat die Staatsanwaltschaft Duisburg zunächst dem Amtsgericht Oberhausen als Gericht des ersten Rechtszuges zugeleitet, weil die Zustimmung dieses Gerichts für die Zurückstellung der Strafvollstreckung erforderlich ist (§ 35 Abs. 1 S. 1 BtMG). Das Amtsgericht hat seine Zustimmung jedoch nicht erteilt und zur Begründung ausgeführt, aus seinem Urteil vom 11. Juli 2002 ergebe sich nicht, dass die Betäubungsmittelabhängigkeit des Betroffenen für die ihm zur Last gelegten Straftaten ursächlich gewesen sei. Es sei vielmehr davon auszugehen, dass die Taten nur anlässlich seiner Betäubungsmittelabhängigkeit begangen worden seien. Der Bundeszentralregisterauszug des Betroffenen weise insgesamt 21 Eintragungen auf. Bemerkenswert sei dabei, dass der Betroffene auch schon vor dem Beginn seiner Betäubungsmittelabhängigkeit Vermögensstraftaten zur Finanzierung seines Lebensstandards begangen habe. Der Einweisungsentschließung der Justizvollzugsanstalt Hagen vom 2. Juni 2005 sei zu entnehmen, dass erst ab 1995 auch einsetzender Drogenkonsum ursächlich für strafrechtliche Auffälligkeiten gewesen sein dürfte. Der Betroffene habe deshalb Vermögensstraftaten nicht ausschließlich zur Finanzierung seines Eigenkonsums begangen, sondern auch, um durch die Erlöse seinen hohen Lebensstandard zu erhalten. Es seien schließlich auch keine Gründe dafür ersichtlich, warum der Betroffene in der Hauptverhandlung seine Drogenabhängigkeit verschwiegen habe, denn in der Drogenszene sei allgemein bekannt, dass die Zurückstellung der Strafvollstreckung nur dann in Betracht komme, wenn die Tat aufgrund einer Betäubungsmittelabhängigkeit begangen worden sei. Es sei deshalb naheliegend, dass sich der Betroffene in der Hauptverhandlung gerade auf diesen Umstand berufen hätte, wenn die Rauschmittelsucht tatsächlich die Ursache für seine Straftaten gewesen wäre.

Die Staatsanwaltschaft Duisburg hat daraufhin mit Entschließung vom 7. November die Zurückstellung der Strafvollstreckung abgelehnt, weil das Amtsgericht Oberhausen die dafür erforderliche Zustimmung nicht erteilt habe und es damit an einer gesetzlichen Voraussetzung für die Zurückstellung fehle. Mit Schreiben vom 23. November 2005 hat der Betroffene die Entscheidung der Staatsanwaltschaft mit der Beschwerde angefochten und dazu ausgeführt, die Verweigerung der Zustimmung durch das Amtsgericht Oberhausen sei ohne nachvollziehbare Begründung erfolgt und hätte deshalb von der Staatsanwaltschaft angefochten werden müssen. Aus "entsprechenden Urteilen" wie auch dem Attest der Klinik "Königshof" vom 13.10.2005 ergebe sich, dass bei ihm eine langjährige Abhängigkeit bestehe. Seine Drogenabhängigkeit habe er in der damaligen Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht Oberhausen letztlich deshalb nicht eingeräumt, um seine "Beziehung zu schützen". Inzwischen sei ihm aber klar geworden, dass er seine Ehe nur dann retten könne und eine Chance auf ein drogen- und straffreies Leben habe, wenn er eine stationäre Therapie erfolgreich absolviere.

Der Generalstaatsanwalt in Düsseldorf hat die Beschwerde mit Entschließung vom 30. Dezember 2005 im Wesentlichen unter Bezugnahme auf die Gründe der ablehnenden Stellungnahme des Amtsgerichts Oberhausen vom 26. Oktober 2005 zurückgewiesen.

Gegen diese Entscheidung richtet sich der in zulässiger Weise gestellte Antrag des Betroffenen auf gerichtliche Entscheidung gemäß §§ 23 ff. EGGVG. Darin weist der Betroffene ergänzend darauf hin, dass das Amtsgericht Krefeld bereits 1996 einen Kausalzusammenhang zwischen seiner wiederholten Straffälligkeit und seiner Betäubungsmittelabhängigkeit festgestellt habe. Sowohl im Jahre 2001 wie auch im Jahre 2004 sei er wegen seiner langjährigen Opiatabhängigkeit in der Klinik "Königshof" behandelt worden. Wenn aufgrund von Verurteilungen aber feststehe, dass er sowohl im Jahr 1996 wie auch in den Jahren 2003 und 2004 Straftaten aufgrund seiner Betäubungsmittelabhängigkeit begangen habe, so ergebe sich bereits aus diesem Umstand, dass dies bei den Straftaten, die zur Verurteilung durch das Amtsgericht Oberhausen am 11. Juli 2002 geführt haben, ebenso der Fall gewesen sein müsse. Seine Abhängigkeit habe er damals bewusst verschwiegen, um sich stabiler erscheinen zu lassen. In einer weiteren Strafverbüßung sehe er keine adäquate Hilfestellung, weil er eine intensive Therapie für erforderlich halte, um ein drogen- und straffreies Leben zu führen.

II.
Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist zulässig, denn die Verweigerung der Zurückstellung der Strafvollstreckung bei betäubungsmittelabhängigen Straftätern nach § 35 Abs. 1 BtMG durch die Strafvollstreckungsbehörde stellt einen Justizverwaltungsakt i.S.v. § 23 Abs. 1 EGGVG dar. Das gilt auch, wenn die Zurückstellung deshalb abgelehnt wird, weil das Gericht des ersten Rechtszuges die erforderliche Zustimmung nicht erteilt hat (Senatsbeschluss vom 23. Mai 1996 - 1 VAs 31 und 42/96 -). In diesem Fall können die ordentlichen Gerichte auch nicht aufgrund anderer Vorschriften, insbesondere derjenigen der Strafprozessordnung, angerufen werden (§ 23 Abs. 3 EGGVG).

In der Sache bleibt der Antrag jedoch erfolglos.

Die Staatsanwaltschaft Duisburg hat den Antrag des Betroffenen zu Recht abgelehnt, nachdem das Amtsgericht Oberhausen die Zustimmung verweigert hatte und es damit an einer gesetzlichen Voraussetzung für die Zurückstellung der Strafvollstreckung fehlte. Die mit zutreffenden Erwägungen begründete Verweigerung der Zustimmung durch das Amtsgericht Oberhausen ist auch nicht zu beanstanden.

Gemäß § 35 Abs. 1 BtMG kann die Vollstreckung einer Freiheitsstrafe von nicht mehr als zwei Jahren zum Zwecke einer Therapie zurückgestellt werden, wenn sich aus den Urteilsgründen ergibt oder sonst feststeht, dass die Tat, die Gegenstand des Urteils ist, nicht nur anlässlich, sondern aufgrund einer Betäubungsmittelabhängigkeit begangen wurde. Es muss deshalb ein unmittelbarer Kausalzusammenhang im Sinne einer „conditio sine qua non“ zwischen Tat und Abhängigkeit bestehen, denn die Sonderbehandlung eines drogenabhängigen Straftäters mit Therapie statt Strafe ist im Vergleich zum Regelstrafvollzug nur dann gerechtfertigt, wenn die Tat abhängigkeitsbedingt war und der Verurteilte sie ohne diese Abhängigkeit nicht begangen hätte. Eine solch enge Verknüpfung wäre etwa dann anzunehmen, wenn die Straftat unmittelbar oder mittelbar der Beschaffung von Betäubungsmitteln zur Befriedigung der eigenen Drogensucht dient. Die Vorschrift stellt deshalb keinen Freibrief für betäubungsmittelabhängige Straftäter dar, sondern soll lediglich bei suchtbedingten Taten eines Abhängigen ermöglichen, den Strafvollzug durch Therapie zu ersetzen.

An diesem Kausalzusammenhang fehlt es hier. Ein solcher ergibt sich weder aus den Gründen der Entscheidungen, die dem Gesamtstrafenbeschluss vom 9. Februar 2005 zugrunde liegen, noch aus der Einlassung des Betroffenen im Ermittlungsverfahren (hier: seiner polizeilichen Vernehmung vom 15. Januar 2002), denn der Betroffene hat dort lediglich erklärt, dass er den DVD-Player und die Zigaretten für seinen eigenen Gebrauch benötige. Wenn der Betroffene nunmehr im Zurückstellungsverfahren erstmalig behauptet, die dem Gesamtstrafenbeschluss zugrunde liegenden Straftaten habe er aufgrund seiner Drogensucht begangen, diesen Umstand aber in den damaligen Strafverfahren bewusst verschwiegen, um seine Beziehung zu retten, so reicht die schlichte Behauptung eines solchen Kausalzusammenhangs nicht mehr aus, dieser muss vielmehr bewiesen werden (Körner, BtMG, 5. Aufl. § 35 Rn 56). Einen solchen Nachweis, der allein durch das Vorliegen einer Betäubungsmittelabhängigkeit nicht zu führen ist, hat der Betroffene aber nicht erbracht. Auch aus der Art der Straftaten ergibt sich ein solcher Sachzusammenhang nicht, denn bei Straftaten, die - wie hier die Betrugshandlungen des Betroffenen - auf Täuschung angelegt sind, liegt eine drogenbedingte Kausalität eher fern, auch wenn der Täter in dieser Zeitperiode drogenabhängig war (Körner, a.a.O. § 35 Rn 50). Schließlich hat der Betroffene aber selbst im vorliegenden gerichtlichen Verfahren nach §§ 23 ff. EGGVG keinen Sachverhalt vorgetragen, der - nachdem eine Betäubungsmittelabhängigkeit allein nicht ausreichend ist - einen Kausalzusammenhang zwischen den konkreten Taten und seiner Abhängigkeit belegt. Weitere Erkenntnisquellen, die auf den erforderlichen Kausalzusammenhang hindeuten könnten und deshalb von der Vollstreckungsbehörde hätten berücksichtigt werden müssen, sind nicht ersichtlich.

Deshalb kann es zwar als gesichert angesehen werden, dass der Betroffene seit vielen Jahren betäubungsmittelabhängig ist und wegen dieser Abhängigkeit auch mehrere Straftaten begangen hat. Gleichwohl folgt nicht bereits aus diesem Umstand, dass der Betroffene auch die hier verfahrensgegenständlichen Taten aufgrund seiner Sucht begangen hat. Eine Zurückstellung der Strafvollstreckung gemäß § 35 BtMG kann unter diesen Umständen nicht in Betracht kommen. Der Antrag des Betroffenen war daher als unbegründet zu verwerfen.

Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 30 EGGVG, 30, 130 KostO.



zur Startseite "Rechtsprechung"

zum Suchformular

Die Nutzung von Burhoff-Online ist kostenlos. Der Betrieb der Homepage verursacht aber für Wartungs-, Verbesserungsarbeiten und Speicherplatz laufende Kosten.

Wenn Sie daher Burhoff-Online freundlicherweise durch einen kleinen Obolus unterstützen wollen, haben Sie hier eine "Spendenmöglichkeit".