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Rechtsprechung

Aktenzeichen: III 3 RBs 12/10 OLG Hamm

Leitsatz: 1.
Ein generelles Alkoholverbot für den Bereich einer der Öffentlichkeit allgemein und ohne besondere Zulassung zugänglichen öffentlichen Grünfläche kann nicht als Benutzungsordnung einer öffentlichen Einrichtung i.S.v. § 8 GO NW durch die Gemeinde wirksam erlassen werden.
2.
Der Alkoholkonsum auf öffentlichen Verkehrsflächen ist auch keine straßenrechtliche Sondernutzung. Er hält sich vielmehr als solcher noch im Rahmen des Gemeingebrauchs an öffentlichen Verkehrsflächen.
Deshalb kann das generelle Alkoholverbot nicht im Rahmen einer Sondernutzungssatzung gem. § 19 Satz 1 StrWG NW wirksam erlassen werden.
3.
Auch § 27 Abs. 1 OBG NW scheidet als Ermächtigungsgrundlage aus, es sei denn es lägen hinreichende Anhaltspunkte dafür vor, dass der Konsum von Alkohol regelmäßig und typischerweise zum Eintritt von Schäden, etwa infolge von alkoholbedingten Gewaltdelikten, führt.

Senat: 3

Gegenstand: Rechtsbeschwerde

Stichworte: Alkoholverbot, Rauchverbot, öffentliche Grünanlage, Ermächtigungsgrundlage

Normen: GO NW 8

Beschluss:

In pp.
hat der 3. Senat für Bußgeldsachen des OLG Hamm am 04.05.2010 beschlossen:
1.
Die Sache wird dem Bußgeldsenat in der Besetzung mit drei Richtern
übertragen.
2.
Das Urteil des Amtsgerichts Bielefeld vom 05. November 2009 wird
aufgehoben.
Der Betroffene wird freigesprochen.
Die Kosten des Verfahrens und die dem Betroffenen entstandenen
notwendigen Auslagen werden der Staatskasse auferlegt.
Gründe:
I.
Das Amtsgericht Bielefeld hat gegen den Betroffenen mit Urteil vom 05. November 2009 wegen vorsätzlichen Verstoßes gegen das in der öffentlichen Grünanlage "Stadthalle C" geltende Alkoholverbot eine Geldbuße von 50,00 € verhängt und ihm nachgelassen, die Geldbuße in monatlichen Teilbeträgen von 10,00 € zu zahlen.
Nach den zugrundeliegenden Feststellungen hielt sich der Betroffene am 11. Juli 2009 kurz vor 14.00 Uhr in der Grünanlage der Stadthalle in C im Bereich des Zugangs zur U-Bahn-Haltestelle I, der sog. "Tüte", auf. Entgegen dem ihm bekannten Verbot soll der Betroffene dort Alkohol, vermutlich klaren Schnaps, aus einem sog. "Flachmann" konsumiert haben.
Der Betroffene hat im Verlaufe des Bußgeldverfahrens mehrfach Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der das Alkoholverbot anordnenden Satzung der Stadt C geäußert. Das Amtsgericht hat hierzu ausgeführt, dass der Betroffene sich einer Ordnungswidrigkeit gem. § 6 Abs.1 Nr. 1, Abs. 2; § 3 Abs. 2 e) der Satzung über die Benutzung der öffentlichen Grünanlage "Stadthalle C" vom 19.06.2009 unter Berücksichtigung der Änderungssatzung vom 25.06.2009 schuldig gemacht habe. Die Satzung sei wirksam. Sie sei sowohl im Gemeindeverordnungsblatt als auch in den örtlichen Tageszeitungen vor dem Vorfallstag bekanntgegeben worden. Auf die "völlig abwegigen und neben der Sache liegenden Einwendungen des Betroffenen gegen die Verfassungswidrigkeit der Satzung (sei) – so das Amtsgericht in den Gründen des angefochtenen Urteils - nicht weiter einzugehen".
Die vom Amtsgericht in Bezug genommene "Satzung über die Benutzung der öffentlichen Grünanlage "Stadthalle C" hat u. a. folgenden Wortlaut:
"§ 1 Widmungszweck
Die Stadt C stellt ihre Grünanlage "Stadthalle C" ihren Einwohnerinnen und Einwohnern und den Besucherinnen und Besuchern der Stadt als öffentliche Einrichtung zur Naherholung, zur kulturellen Begegnung und für öffentliche Veranstaltungen im Rahmen der Aktivitäten der Stadthalle C zur Verfügung.
Die Satzung dient der geregelten Benutzung und der Verkehrssicherheit im Bereich der Grünanlage "Stadthalle C".
§ 3 Verhalten in der Grünanlage "Stadthalle C"
(1)
Jeder hat sich in der Grünanlage "Stadthalle C" so zu verhalten, dass andere nicht gefährdet, geschädigt oder mehr als nach den Umständen unvermeidbar behindert oder belästigt werden.
(2)
Unabhängig von Absatz 1 ist in der Grünanlage generell verboten
a. – d) …

e) das Konsumieren von Alkohol.
§ 6 Ordnungswidrigkeiten
(1)
Ordnungswidrig handelt, wer vorsätzlich oder fahrlässig
1. den Ge- und Verboten des § 3 zum Verhalten in der Grünanlage "Stadthalle C" zuwiderhandelt;
2. …
3. …

(2)
Die Verfolgung und Ahndung dieser Zuwiderhandlungen richtet sich nach dem Gesetz über Ordnungswidrigkeiten in der jeweils gültigen Fassung, soweit sie nicht nach Bundes- oder Landesrecht mit Strafen oder Geldbußen bedroht sind."
Gegen das in seiner Anwesenheit verkündete Urteil hat der Betroffene mit am 11. November 2009 bei dem Amtsgericht in Bielefeld eingegangenem Schreiben vom selben Tage Rechtsbeschwerde eingelegt. Nach Urteilszustellung an ihn am 04. Dezember 2009 hat er am 22. Dezember 2009 zu Protokoll der Rechtsantragsstelle beim Amtsgericht in Bielefeld seine Rechtsbeschwerde mit näheren Ausführungen begründet. Er macht zum Einen die Verletzung rechtlichen Gehörs geltend, da die Amtsrichterin sich geweigert habe, seine Bedenken gegen die "Verfassungsmäßigkeit" der Satzung zur Kenntnis zu nehmen. Darüber hinaus wendet er sich mit näheren Ausführungen gegen die Rechtmäßigkeit der fraglichen Satzung.
Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, den Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde als unbegründet zu verwerfen.
II.
Die Rechtsbeschwerde war gem. § 80 Abs. 2 Ziff. 1) OWiG zur Fortbildung des materiellen Rechts zuzulassen. Die Frage, ob durch eine Gemeindesatzung wirksam ein generelles Alkoholverbot auf öffentlichen Grünanlagen angeordnet werden kann, ist soweit ersichtlich obergerichtlich noch nicht entschieden. Dementsprechend war die Sache gem. § 80a Abs.3 OWiG auf den Senat in der Besetzung mit drei Richtern zu übertragen. Die Zulassung der Rechtsbeschwerde und die Übertragung der Sache auf den Senat in der Besetzung mit drei Richtern ist eine Entscheidung des mitunterzeichnenden Vorsitzenden des Senats als Einzelrichter.
III.
Die nach ihrer Zulassung gem. § 79 Abs.1 S.2 OWiG zulässige Rechtsbeschwerde hat auch in der Sache Erfolg. Der Betroffene war unter Aufhebung des angefochtenen Urteils freizusprechen. Die in der Satzung über die Benutzung der öffentlichen Grünanlage "Stadthalle C" enthaltene Bestimmung über das generelle Verbot des Konsumierens von Alkohol (§ 3 Abs. 2 e) der Satzung) ist rechtswidrig und damit nichtig. Damit kann diese Bestimmung auch nicht Grundlage dafür sein, gegen den Betroffenen gem. § 6 der Satzung ein Bußgeld zu verhängen.
1.
Das durch die hier fragliche Satzung der Stadt C ausgesprochene generelle Alkoholverbot im Bereich der Grünfläche "C Stadthalle" ist nicht als Benutzungsordnung einer öffentlichen Einrichtung i.S.v. § 8 GO NW kompetenzgemäß erlassen (vgl. BVerfG, NVwZ 2004, 975). Das Verbot greift damit unzulässig in die allgemeine Handlungsfreiheit des Betroffenen aus Art. 2 Abs. 1 GG ein (vgl. BVerfG, NJW 1980, 2572; Faßbender, NVwZ 2009, 566).
a)
Allerdings hat der VGH Mannheim (NVwZ-RR 2010, 55, 58) die Möglichkeit angesprochen, dass für einzelne öffentliche Einrichtungen eine ein generelles Alkoholkonsumverbot enthaltende Einrichtungssatzungs- bzw. Benutzungsordnung errichtet werden könne. Indes handelt es sich bei der Grünanlage "Stadthalle C" nicht um eine öffentliche Einrichtung gem. § 8 GO NW.
b)
Der Begriff der öffentlichen Einrichtung umfasst solche Gegenstände oder eine Gesamtheit von Gegenständen, die von der Gemeinde für bestimmte öffentliche Zwecke gewidmet sind und deren Benutzung durch die Einwohner bzw. durch einen in der Zweckbestimmung festgelegten Personenkreis einer besonderen Zulassung bedarf (OVG Münster, DVBl. 1971, 218, Rehn/ Cronauge, GO NW, § 8 Anm. 3.)
Nicht zu den öffentlichen Einrichtungen gehören dagegen die Sachen im Gemeingebrauch, die im Rahmen der Widmung von jedem auch ohne besondere Zulassung bestimmungsgemäß genutzt werden dürfen, etwa öffentliche Parks (Rehn/ Cronauge, a.a.O.).
c)
Bei der öffentlichen Grünanlage "Stadthalle C" handelt es sich bereits nach der Widmung in § 1 der Satzung um eine jedermann ohne besondere Zulassung zugängliche öffentliche Verkehrsfläche. Damit steht sie aber im Gemeingebrauch iv. § 14 Abs. 1 StrWG NW (vgl. Hebeler/ Schäfer, DVBl. 2009, 1424, 1428).
d)
Eine Satzungskompetenz der Stadt C käme deshalb nur noch gem. § 19 Satz 1 StrWG NW als Sondernutzungssatzung in Betracht.
Allerdings umfasst das Satzungsrecht nach § 19 GO NW nicht die Befugnis der Kommunen, selbst darüber zu bestimmen, ob ein bestimmter Gebrauch der Verkehrsfläche (Grünanlage) eine Sondernutzung darstellt oder nicht (Hebeler/ Schäfer, DVBl. 2009, 1428) Dies bestimmt sich vielmehr allein nach dem jeweiligen Straßengesetz, hier nach § 14 Abs. 1 StrWG NW (Vgl. Hebeler/ Schäfer, DVBl. 2009, 1428)
e)
Straßenrechtlich ist aber anerkannt, dass der Alkoholkonsum auf öffentlichen Verkehrsflächen keine Sondernutzung i.S.d. straßenrechtlichen Bestimmungen darstellt, sondern sich vielmehr noch im Rahmen des Gemeingebrauchs an öffentlichen Verkehrsflächen hält (OLG Saarbrücken, NJW 1998, 251, 252; Hecker, NVwZ 2010, 359, 363 m. w. N.; Hebeler/ Schäfer, DVBl. 2009, 1428; Kohl, NVwZ 2009, 624 f):
aa)
Der ungestörten Teilnahme am Gemeingebrauch kommt nämlich entscheidende Bedeutung für die freie Entfaltung der Persönlichkeit zu, sie ist Ausfluss der natürlichen Freiheit (OLG Saarbrücken, NJW 1998, 251 m. w. N.). Bei der gesetzlichen Regelung des Gemeingebrauchs und bei der Anwendung und Auslegung der einschlägigen Rechtsvorschriften ist von dieser Grundrechtsbindung auszugehen (OLG Saarbrücken, NJW 1998, 251).
bb)
Dabei fallen auch Verhaltensweisen unter den Begriff des Gemeingebrauchs, die mit der eigentlichen Fortbewegung nichts zu tun haben, vielmehr dem Informations- und Meinungsaustausch sowie der Pflege menschlicher Beziehungen dienen, was insbesondere für innerörtliche Straßen und Plätze sowie Fußgängerbereiche und verkehrsberuhigte Zonen gilt (OLG Saarbrücken, NJW 1998, 252). Nach Ansicht des Senats kann für sich an solche Verkehrsflächen anschließende, jedermann zugängliche Grünflächen nichts anderes gelten.
cc)
Insbesondere das "Niederlassen" mehrerer oder einzelner Personen im innerstädtischen Bereich, etwa um zu kommunizieren oder sich durch Aufnahme von Speisen und Getränken zu stärken, ist unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe zweifellos vom verfassungsrechtlich garantierten Gemeingebrauch gedeckt, zumal der Gemeingebrauch anderer hierdurch nicht – jedenfalls nicht unzumutbar – beeinträchtigt wird (OLG Saarbrücken, NJW 1998, 252). Wird in einer derartigen Situation von einer oder mehreren Personen Alkohol getrunken, führt dies nicht dazu, dass dieses Verhalten sich nicht mehr im Rahmen des Gemeingebrauchs hält (OLG Saarbrücken, NJW 1998, 252; Hebeler/ Schäfer, DVBl. 2009, 1428). Insoweit ist die Situation in einer öffentlichen Grünanlage nicht vergleichbar mit öffentlichen Einrichtungen im Sinne von § 8 GO NW, die als Sachen im Anstaltsgebrauch (vgl. Hebeler/ Schäfer, DVBl. 2009, 1428) gerade nicht unbeschränkt der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen, wie etwa Schulen, Kindergärten oder Schwimmbäder. Bei derartigen Einrichtungen dürfte es bei Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes (vgl. BVerfG, NVwZ 2004, 975 f) unbedenklich möglich sein, ein generelles Alkoholverbot wirksam bußgeldbewehrt anzuordnen.
2.
Das in § 3 Abs. 2 e) der Satzung vorgesehene generelle Alkoholverbot kann auch nicht auf § 27 Abs.1 OBG NW gestützt werden.
In der obergerichtlichen Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte ist nämlich anerkannt, dass ein generelles Alkoholverbot polizeirechtlich nur zulässig ist, wenn hinreichende Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass das verbotene Verhalten, mithin der Konsum von Alkohol, regelmäßig und typischerweise zum Eintritt von Schäden, etwa infolge von alkoholbedingten Gewaltdelikten, führt (VGH Mannheim, NVwZ-RR 2010, 55). Anderenfalls stellt das Konsumieren von Alkohol nämlich keine hinreichende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung i.S. d. einschlägigen Vorschriften des Polizei- und Ordnungsrechts (hier: § 27 Abs.1 OBG NW) dar (VGH Mannheim, NVwZ-RR 2010, 56; Hebeler/ Schäfer, DVBl. 2009, 1426; Fassbender, NVwZ 2009, 564; Kohl, NVwZ 1991, 623). Vorsorgemaßnahmen zur Abwehr möglicher Beeinträchtigungen im Gefahrenvorfeld werden aber durch polizeirechtliche Ermächtigungsgrundlagen nicht gedeckt (VGH Mannheim, NVwZ-RR 2010, 56; Hebeler/ Schäfer, DVBl. 2009, 1426).
3.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 467 Abs.1 StPO i. V. m. § 46 Abs.1 OWiG.




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