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Rechtsprechung

Aktenzeichen: III-4 Ws 180/10 OLG Hamm

Leitsatz: 1. Die Vorschrift des § 2 Abs. 6 StGB ist mit Blick auf die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 17. 12. 2009, die seit dem 10. 5. 2010 rechtskräftig ist, dahin auszulegen, dass der Wegfall der 10-Jahres-Frist in § 67 d Abs. 1 a.F. keine Rückwirkung haben darf, so dass auf Straftaten, die vor dem 31. 1. 1998 begangen wurden, die alte Norm Anwendung finden muss und die Sicherungsverwahrung ggf. für erledigt zu erklären ist (Bestätigung von III-4 Ws 157/10 OLG Hamm).

2. Zur (verneinten) Vorlagepflicht an den BGH.

Senat: 4

Gegenstand: Beschwerde

Stichworte: Sicherungsverwahrung, Entlassung, Rechtsprechung des EGMR, Vorlagepflicht

Normen: StGB 67a a.F, StGB 2, EMRK 7; EMRK 5

Beschluss:

1. Die Vorschrift des § 2 Abs. 6 StGB ist mit Blick auf die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 17. 12. 2009, die seit dem 10. 5. 2010 rechtskräftig ist, dahin auszulegen, dass der Wegfall der 10-Jahres-Frist in § 67 d Abs. 1 a.F. keine Rückwirkung haben darf, so dass auf Straftaten, die vor dem 31. 1. 1998 begangen wurden, die alte Norm Anwendung finden muss und die Sicherungsverwahrung ggf. für erledigt zu erklären ist (Bestätigung von III-4 Ws 157/10 OLG Hamm).

2. Zur (verneinten) Vorlagepflicht an den BGH.

OBERLANDESGERICHT HAMM


BESCHLUSS

In der Maßregelvollstreckungssache
gegen pp., zurzeit in der Sicherungsverwahrung in der JVA Werl,
wegen schweren Raubes.

Auf die sofortige Beschwerde des Untergebrachten vom 30. Juni 2010 gegen den Beschluss des Landgerichts Arnsberg vom 18. Juni 2010 hat der 4. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht sowie die Richter am Oberlandesgericht am 22. 07. 2010 beschlossen:

1.
Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.

2.
Die durch Urteil des Schwurgerichts des Landgerichts Hildesheim vom
19. August 1987 angeordnete Unterbringung des Verurteilten in der Siche-rungsverwahrung ist erledigt.

3.
Der Untergebrachte ist in dieser Sache sofort auf freien Fuß zu setzen, wobei die Anordnung der Entlassung der Vollstreckungsbehörde obliegt.

4.
Mit der Entlassung aus dem Vollzug tritt Führungsaufsicht ein.

5.
Die Dauer der Führungsaufsicht beträgt fünf Jahre.

6.
Der Verurteilte wird für die Dauer der Führungsaufsicht der Aufsicht und Leitung des für seinen jeweiligen Wohnort zuständigen hauptamtlichen Be-währungshelfers unterstellt.

7.
Die Erteilung der weiteren Weisungen wird der Strafvollstreckungskammer übertragen.

G r ü n d e :

I.

Das Landgericht Hildesheim hat durch Urteil vom 19. August 1987 gegen den jetzt
61jährigen Verurteilten wegen schweren Raubes eine Freiheitsstrafe von neun Jahren verhängt. Zugleich hat es gegen den Verurteilten die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung angeordnet. Diese wird seit dem 24.11.1998 und damit mehr als zehn Jahre vollzogen. Der Untergebrachte hat im Hinblick auf die seit dem 10. Mai 2010 endgültige Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Men-schenrechte vom 17.12.2009 (Az.: 19359/04) beantragt, die Unterbringung für erle-digt zu erklären. Diesen Antrag hat die Strafvollstreckungskammer mit dem ange-fochtenen Beschluss zurückgewiesen. Sie hat sich nicht in der Lage gesehen, die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs in das innerstaatliche Recht umzusetzen und sich im Wesentlichen auf entsprechende Beschlüsse der Oberlandesgerichte Koblenz, Celle und Stuttgart gestützt. Hiergegen wendet sich der Untergebrachte mit seiner sofortigen Beschwerde. Die Generalstaatsanwaltschaft hat Verwerfung der Beschwerde beantragt, hilfsweise, die Sache gemäß § 121 Abs. 2 Nr. 3 GVG n.F. dem Bundesgerichtshof vorzulegen.

II.

Die sofortige Beschwerde hatte Erfolg. Die Unterbringung war gemäß § 67 d Abs. 1 StGB a.F. für erledigt zu erklären, da der Betroffene sich länger als zehn Jahre in der Sicherungsverwahrung befindet. Der Senat hat in seiner Entscheidung vom 28. Mai 2010 (4 Ws 157/10 OLG Hamm) zur Frage, welches Recht Anwendung findet, folgende Ausführungen gemacht:

„Die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung war gemäß § 67 d Abs. 1 StGB in der seit 1975 bis 1998 geltenden Fassung für erledigt zu erklären. Diese Norm findet trotz der durch das Gesetz vom 26.01.1998 zur Bekämp-fung von Sexualdelikten und anderen gefährlichen Straftaten, in Kraft getreten am 31.01.1998, erfolgten Änderung der Gesetzeslage Anwendung. Dies ergibt sich aus der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 17.12.2009 (Az.: 19359/04) nach der der im Jahre 1998 angeordnete rückwirkende Wegfall der 10-Jahres-Frist für die erste Sicherungsverwahrung menschenrechtswidrig ist. Diese Entscheidung ist seit dem 10. Mai 2010 endgültig. Danach verstößt die Vollstreckung über den 10-Jahres-Zeitpunkt, der bei dem Untergebrachten bereits seit fünf Jahren verstrichen ist, hinaus sowohl gegen Art. 5 EMRK als auch gegen Art. 7 EMRK. Denn zu dem Zeitpunkt, als der Untergebrachte zur Sicherungsverwahrung verurteilt wurde, galt noch die 10-Jahres-Frist. Durch den im Jahre 1998 angeordneten Wegfall wurde gegen das Rückwir-kungsverbot verstoßen, da nach der nachvollziehbaren Wertung des EGMR die Sicherungsverwahrung keine Maßregel, sondern eine „Strafe“ im Sinne des Art. 7 EMRK darstellt (vgl. EGMR, Entscheidung vom 17.12.2009, beckRS 2010, 01692 Rn.122 ff). Ferner beruht die weitere Vollziehung nicht mehr auf dem ursprünglichen Urteil des Landgerichts
Duisburg, da dieses nur eine Sicherungsverwahrung für die Dauer von
10 Jahren angeordnet hatte, auch wenn dies sich nicht unmittelbar dem Tenor entnehmen lässt. Somit lässt sich die weitere Freiheitsentziehung nicht mehr auf eine Verurteilung „durch ein zuständiges Gericht“ stützen, so dass sie nicht durch Art. 5 Abs. 1 S. 2 a EMRK gerechtfertigt sein kann (EGMR aaO
Rn 87 und 96).
Zwar wirkt die Entscheidung des EGMR unmittelbar nur zwischen dem Be-schwerdeführer und der Bundesrepublik Deutschland; sie hat keine „erga omnes“-Wirkung für alle Untergebrachten, die sich nach Ablauf der 10-Jahres-Frist noch in der Unterbringung befinden. Dennoch müssen die Bundesrepublik und ihre staatlichen Organe – somit auch die Vollstreckungsgerichte – als verpflichtet angesehen werden, zu verhindern, dass es in gleichgelagerten Fällen zu einer entsprechenden Verletzung des EMRK kommt (vgl. Kinzig, NStZ 2010, 233, 238; LR-Gollwitzer, StPO, 25. Aufl., Verfahren MRK
RN 77 d). Der Gesetzgeber ist allerdings bislang nicht tätig geworden. Soweit es den Äußerungen der Bundesjustizministerin zu entnehmen ist, soll die Verantwortung auf die Gerichte abgeschoben werden.

Der Senat sieht daher keinen Anlass, eine Entscheidung des Gesetzgebers zur Umsetzung der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Men-schenrechte abzuwarten, da solche offensichtlich nicht vorgesehen sind. Er legt daher die Vorschrift des § 2 Abs. 6 StGB mit Blick auf die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte dahin aus, dass der Wegfall der 10-Jahres-Frist in § 67 d Abs. 1 a.F. keine Rückwirkung haben darf, so dass auf Straftaten, die vor dem 31.01.1998 begangen wurden, die alte Norm Anwendung finden muss (so auch BGH, Beschluss vom 12. Mai 2010, 4 StR 577/09 für den parallel gelagerten Fall der nachträglichen Siche-rungsverwahrung; OLG Frankfurt, Beschluss vom 24. 06. 2010, 3 Ws 485/10; LG Koblenz, Beschluss vom 19. Mai 2010, 7 StVK 139/10; LG Marburg, Be-schluss vom 17. Mai 2010, 7 StVK 220/10, LG Kassel, Beschluss vom 15.06.2010, 34 StVK 162/10; sowie Grabenwarter in seinem Rechtsgutachten für die Bundesregierung zu den Rechtsfolgen der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte S. 42 ff.).

Zwar handelt es sich bei der Sicherungsverwahrung nach innerdeutschem Recht um eine Maßregel der Besserung und Sicherung, für die nach § 2
Abs. 6 StGB grundsätzlich das Recht zum Zeitpunkt der Entscheidung gilt. Doch steht dies unter dem Vorbehalt: „wenn gesetzlich nichts anderes bestimmt ist“. Eine derartige andere Bestimmung stellt hier Art. 7 Abs. 1 S. 2 MRK in seiner Auslegung durch den Europäischen Gerichtshof dar (so BGH 4 StR 577/09 Rn. 15 bei juris).

Bei der Menschenrechtskonvention handelt es sich um einen völkerrechtlichen Vertrag, der durch den Bundesgesetzgeber in das deutsche Recht transformiert worden ist. Innerhalb der deutschen Rechtsordnung steht die MRK im Range einfachen Bundesrechts. Deutsche Gerichte haben daher die Konvention wie anderes Bundesrecht im Rahmen methodisch vertretbarer Auslegungen zu beachten und anzuwenden (vgl. BGH a.a.O. Rn. 16, BVerfGE 111, 307, 316; Gollwitzer a.a.O. Einführung Rdnr. 39, 43 jeweils m.w.N.). Dabei ist nicht nur die Menschenrechtskonvention selbst, sondern auch die Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs für Men-schenrechte zu berücksichtigen, weil sich in ihnen der aktuelle Entwicklungsstand der Konvention widerspiegelt. Somit können als „abweichende“ gesetzliche Regelungen nicht allein ausdrückliche Regelungen des Gesetzgebers, die eine Ausnahme vom Grundsatz der Anwendbarkeit des zum Entscheidungszeitpunkt geltenden Gesetzes anordnen, angesehen werden. Vielmehr sind auch anderweitige Re-gelungen im Gesetzesrang, insbesondere konventionsrechtliche Auslegungen durch den EGMR, erfasst.
Die gegen eine solche Gesetzesauslegung geäußerten Bedenken der Ober-landesgerichte Celle (Beschluss vom 25.05.2010, 2 Ws 169 u. 170/2010) und Stuttgart (Beschluss vom 1. Juni 2010, 1 Ws 57/10) vermögen nicht zu über-zeugen. Sie verneinen die Möglichkeit einer solchen Auslegung, da sie gegen den ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers bei der Änderung der Höchstfrist im Jahre 1998 verstoße. Dieser habe bewusst in § 1 a Abs. 3 EGStGB die uneingeschränkte und damit rückwirkende Änderung des § 67 d StGB angeordnet. Allerdings ist diese ausdrückliche Regelung – wie die Oberlandesgerichte in ihren Beschlüssen selbst sehen – mit dem Gesetz über die Einführung der nachträglichen Sicherungsverwahrung 2004 wieder gestrichen worden, so dass eine Gesetzesauslegung, wie sie durch den Senat erfolgt, nicht dem derzeitigen Gesetzeswortlaut widerspricht. Zuzugeben ist allerdings, dass sie dem Willen des Gesetzgebers bei Erlass des Gesetzes nicht entspricht. Allerdings darf auf den damaligen Willen des Gesetzgebers nicht abgestellt werden. Denn dieser ging ersichtlich davon aus, dass ein Verstoß gegen Art. 7 EMRK durch seine getroffene Regelung nicht vorliege. Zwischenzeitlich ist ein solcher Verstoß jedoch bindend festgestellt. Damit haben sich die wesentlichen Grundlagen seit Erlass des Gesetzes geändert. Es kann nicht angenommen werden, dass der Gesetz-geber in Kenntnis dieses Umstandes gleichwohl unter bewusstem Verstoß gegen die Konvention eine solche Regelung hätte treffen wollen. Daher kann der damalige Wille des Gesetzgebers bei der heutigen Auslegung der Norm keine Rolle mehr spielen.

Der hier vorgenommenen Auslegung des § 2 Abs. 6 StGB steht auch nicht die Bindungswirkung des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 5. Februar 2004 (BVerfGE 109, 133 ff.) zur Frage der Verfassungsmäßigkeit des Wegfalls der Höchstdauer der erstmaligen Sicherungsverwahrung entgegen. Zwar hat das Bundesverfassungsgericht ausgesprochen, dass die Sicherungsverwahrung keine Strafe darstelle und eine nachträgliche Änderung ihrer Höchstdauer nicht gegen das absolute Rückwirkungsverbot des Art. 103 Abs. 2 GG verstoße (BVerfGE a.a.O., 167 ff.). Bei der Frage, ob entsprechend dem Gesetzesvorbehalt in § 2 Abs. 6 StGB eine Maßregel der Besserung und Sicherung von der Maßgeblichkeit des Rechts zum Zeitpunkt der Entscheidung auszunehmen ist, handelt es sich indes um eine solche einfachen Rechts. Im Rahmen des einfachen Rechts steht es dem Gesetzgeber frei, abweichend von dem Grundsatz des § 2 Abs. 6 StGB die Geltung des Tatzeitrechts anzuordnen (vgl. BGH a.a.O. Rn. 18).
Eine andere Auslegung unter dem Gesichtspunkt der Schutzpflicht des Staa-tes hinsichtlich der Grundrechte potentieller Opfer vor Verletzungen durch gefährliche Straftäter ist nicht geboten. Der Staat hat insoweit einen weiten Ermessensspielraum. Dass die vor Änderung der Gesetzeslage im Jahre 1998 bestehende Begrenzung der ersten Sicherungsverwahrung gegen Vor-gaben des Grundgesetzes verstoßen hat, ist bislang nie ernstlich vertreten worden (vgl. OLG Frankfurt Beschluss vom 24. 06. 2010 S. 6).“

An dieser Rechtsauffassung hält der Senat nach erneuter Überprüfung fest. Er sieht sich vor allem deshalb auch in seiner Rechtsauffassung bestätigt, weil der Gesetzgeber deutlich zu erkennen gegeben hat, dass er nicht beabsichtigt, seinen völkerrechtlichen Verpflichtungen zur Umsetzung des Urteils des Europäischeen Gerichtshofs nachzukommen. Vielmehr hat er, statt die Rechtsfrage über die Beendigung der Sicherungsverwahrung nach zehn Jahren zu regeln, eine Änderung des Gerichtsverfassungsgesetzes auf den Weg gebracht, um eine einheitliche Regelung durch die Gerichte, nicht jedoch durch ihn selbst, zu ermöglichen. Es bleibt daher Aufgabe der Gerichte, eine menschenrechtskonforme Auslegung der Gesetze herbeizuführen.

Der Senat ist auch nicht verpflichtet, die Sache dem Bundesgerichtshof vorzulegen. Zum einen befindet sich die Änderung des § 121 Abs. 2 Nr. 3 GVG noch im Gesetz-gebungsverfahren. Eine Verkündung ist bislang nicht erfolgt. Selbst wenn das Ge-setz in Kraft getreten wäre, bestünde eine Vorlagepflicht des Senats nicht. Zwar weicht der Senat mit seiner Entscheidung von Rechtsansichten der Oberlandesge-richte Celle, Stuttgart, Koblenz und Nürnberg ab. Jedoch wird die Rechtsauffassung des Senats gestützt von der Entscheidung des 4. Senats des Bundesgerichtshofs vom 12. Mai 2010 (4 StR 577/09). In einem solchen Fall besteht eine Vorlagepflicht des Senats nicht (vgl. KK-Hanich, 6. Aufl., 2008, § 121 GVG Rn. 26). Entgegen der Ansicht der Generalstaatsanwaltschaft betrifft dieEntscheidung des Bundesge-richtshofs auch die hier zu entscheidende Rechtsfrage, auch wenn sie sich in der Sache mit der nachträglichen Sicherungsverwahrung und nicht mit der Frage der Vollstreckung der Sicherungsverwahrung über zehn Jahre hinaus befasst. Denn beiden Sachverhalten liegt die gleiche Rechtsfrage zugrunde, nämlich, ob § 2 Abs. 6 StGB mit Blick auf die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 17.12.2009 dahin auszulegen ist, dass die Entscheidung des Gerichtshofs eine „andere gesetzliche Regelung“ im Sinne dieser Norm darstellt. Dies allein ist die zu entscheidende Rechtsfrage. Diese hat der Bundesgerichtshof entschieden. Entgegen der Ansicht der Generalstaatsanwaltschaft bestehen derzeit auch keine divergierende Entscheidung eines andereren Senats des Bundesgerichtshofs. Vor allem kann die Generalstaatsanwaltschaft sich nicht auf die Entscheidung des 2. Strafsenats vom 12. Mai 2010 (2 StR 171/10) stützen. Der 2. Senat hat sich in dieser Entscheidung in keiner Weise mit der entsprechenden Rechtsfrage auseinander gesetzt. Er hat die Frage der Entscheidung der Umsetzung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte nicht angesprochen. Daraus, dass er dies nicht getan hat, kann nicht geschlossen werden, dass er sie nicht umsetzen wollte. Näher liegt vielmehr die Überlegung, dass dem Senat bei seiner Entscheidung am 12.05.2010 die erst am 11.05.2010 öffentlich gemachte Bestandskraft der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs nicht bekannt war.

Die weiter von der Generalstaatsanwaltschaft angeregte Aufschiebung der Entscheidung des Senats bis zu einer Entscheidung in einem von einem anderen Oberlandesgericht ausgehenden Vorlegungsverfahren war schon im Hinblick auf die Freiheitsrechte des Untergebrachten nicht nachzukommen. Zudem ist völlig unklar, ob andere Oberlandesgerichte überhaupt das Vorlegeverfahren beschreiten werden, nachdem der Gesetzgeber nunmehr deutlich gemacht hat, dass er selbst der ihm obliegenden Aufgabe nicht nachkommen will.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 StPO, die Entscheidungen über die Führungsaufsicht folgen aus §§ 68 a ff. StGB.


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