Aktenzeichen: 2 Ws 172/09 OLG Hamm |
Leitsatz: Zum Begriff des erkennenden Richters im Strafvollstreckungsverfahren |
Senat: 2 |
Gegenstand: Beschwerde |
Stichworte: Befangenheit, Ablehnung, Strafvollstreckungsverfahren |
Normen: StPO 24; StVollzG §§ 109, 116, 120 |
Beschluss: Strafsache gegen pp. wegen Betruges u. a., (hier: sofortige Beschwerde gegen die Zurückweisung des Befangenheitsgesuchs gegen den Einzelrichter der Strafvollstreckungskammer). Auf die sofortige Beschwerde des Verurteilten vom 02. Juni 2009 gegen den Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Hagen vom 25. Mai 2009 hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 25.06. 2009 durch nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen: Die sofortige Beschwerde wird als unbegründet auf Kosten des Beschwerdeführers verworfen. Gründe: I. Der Verurteilte ist durch Urteil des Amtsgerichts - Schöffengericht - Iserlohn vom 15. Mai 2007 (5 Ls 305 Js 256/06 - 18/07) in Verbindung mit dem Urteil der 5. kleinen Strafkammer des Landgerichts Hagen vom 10. Oktober 2007 (45 Ns 305 Js 256/06 - 85/07) in Verbindung mit dem Beschluss des Senats vom 21. Februar 2008 (2 Ss 30/08) wegen Betruges in Tateinheit mit Urkundenfälschung in acht Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten verurteilt worden. Nach Verbüßung von Freiheitsstrafen aus vier weiteren Verfahren befindet sich der Verurteilte seit dem 28. April 2008 für hiesiges Verfahren in Strafhaft, derzeit in der Justizvollzugsanstalt X. Halbstrafentermin war am 11. Juni 2009, Zwei-Drittel-Termin ist am 26. Oktober 2009, das Strafende ist auf den 27. Juli 2010 notiert. Im Hinblick auf den anstehenden Halbstrafentermin beantragte der Verurteilte durch privatschriftliche Eingabe vom 07. April 2009, eingegangen bei dem Landgericht Hagen am 09. April 2009, seine bedingte Entlassung und bat um Festsetzung eines Anhörungstermins. Noch vor dessen Durchführung lehnte der Verurteilte durch privatschriftliche Eingabe vom 14. April 2009, eingegangen bei dem Landgericht Hagen am 16. April 2009, den zuständigen Einzelrichter der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Hagen wegen der Besorgnis der Befangenheit ab. Zur Begründung nahm der Verurteilte auf näher bezeichnete Formulierungen des Richters in den Beschlussgründen zu den Verfahren 61 Vollz 811/06 und 61 Vollz 124/07 Bezug und wies darauf hin, dass das Bundesverfassungsgericht auf seine Verfassungsbeschwerde hin die zu den vorgenannten Aktenzeichen ergangenen Beschlüsse - nach Verfahrensverbindung - wegen Grundrechtsverletzungen aus Artikel 2 Abs. 1 in Verbindung mit Artikel 1 Abs. 1 GG aufgehoben hatte (stattgebender Kammerbeschluss vom 17. März 2009, 2 BvR 1466/07 und 2 BvR 1766/07). Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung des Ablehnungsgesuchs wird auf das privatschriftliche Schreiben vom 14. April 2009 verwiesen. Nachdem ihm die dienstliche Äußerung des abgelehnten Richters des Inhalts Ich fühle mich nicht befangen zur Kenntnis gebracht worden war, nahm der Verurteilte dazu durch privatschriftliche Eingabe vom 27. April 2009, eingegangen bei dem Landgericht Hagen am 29. April 2009, ergänzend Stellung und führte zur Begründung des Ablehnungsgesuchs weitere, näher bezeichnete Formulierungen in den Beschlussgründen zu dem Verfahren 61 Vollz 243/07 an. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die privatschriftliche Eingabe vom 27. April 2009 Bezug genommen. Durch den angefochtenen Beschluss vom 25. Mai 2009 wies die Strafvollstreckungskammer in der Besetzung als große Strafkammer den Befangenheitsantrag mangels Ablehnungsgrundes als unbegründet zurück. Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf den angefochtenen Beschluss vom 25. Mai 2009 Bezug genommen. Gegen diesen, ihm am 02. Juni 2009 zugestellten Beschluss legte der Verurteilte durch am 05. Juni 2009 eingegangenes privatschriftliches Schreiben vom 02. Juni 2009 sofortige Beschwerde ein, die er mit näheren Ausführungen, auf die Bezug genommen wird, begründete. Die Generalstaatsanwaltschaft in Hamm hat unter dem 16. Juni 2009 Stellung genommen und beantragt, die sofortige Beschwerde als unzulässig zu verwerfen. II. Die sofortige Beschwerde ist zulässig, insbesondere fristgemäß eingelegt, § 28 Abs. 2 Satz 1, § 311 Abs. 1, 2 StPO, hat aber in der Sache keinen Erfolg. 1. Der Zulässigkeit der sofortigen Beschwerde steht § 28 Abs. 2 S. 2 StPO nach Ansicht des Senats nicht entgegen (vergleiche: Senatsbeschluss vom 08. 11.2007 - 2 Ws 331/07 - zitiert nach juris Leitsatz und Rn. 8). Nach dieser Vorschrift kann der Beschluss, durch den die Richterablehnung als unzulässig verworfen oder als unbegründet zurückgewiesen wird, nur zusammen mit dem Urteil angefochten werden, wenn die Entscheidung einen erkennenden Richter betrifft. Mit dem erkennenden Richter ist der zur Mitwirkung an der Hauptverhandlung berufene Richter gemeint (Senatsbeschlüsse vom 08. November 2007 - 2 Ws 331/07 -, zitiert nach juris Rn. 8 und vom 25. April 2002 - 2 Ws 85/02 -, zitiert nach juris Rn. 9; Meyer-Goßner, StPO, 51. Auflage, § 28 Rn. 6 mit zahlreichen weiteren Nachweisen), der nach der kammer-internen Geschäftsverteilung an einer Hauptverhandlung in dieser Sache teilnehmen soll (Senatsbeschluss vom 25. April 2002 - 2 Ws 85/02 -, zitiert nach juris Rn. 9; OLG Karlsruhe, NJW 1975, 458). Teilweise wird in der obergerichtlichen Rechtsprechung (vergleiche zum Beispiel OLG Brandenburg, Beschluss vom 15. Juli 2004 - 1 Ws 99/04 -; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 01. Oktober 1986 - 1 Ws 859/86 -, zitiert nach juris Orientierungs-satz) und Literatur (Meyer-Goßner, StPO, 51. Auflage, § 28 Rn. 6a) die Auffassung vertreten, § 28 Abs. 2 Satz 2 StPO gelte entsprechend für Entscheidungen im Strafvollstreckungsverfahren, so dass Entscheidungen im Verfahren nach § 454 StPO in Verbindung mit § 57 StGB nur zusammen mit der Endentscheidung angefochten werden könnten. Zur Begründung wird - worauf die Generalstaatsanwaltschaft in Hamm in ihrer Stellungnahme vom 16. Juni 2009 hingewiesen hat -, im Wesentlichen angeführt, da nach einhelliger herrschender Meinung in Schrifttum (zum Beispiel: Schüler, in: Schwind-Böhm, StVollzG, 3. Auflage, § 120 Rn. 3; Callies-Müller-Dietz, StVollzG, 10. Auflage, § 120 Rn. 2 und § 116 Rn. 5; Arloth-Lückemann, StVollzG, § 120 Rn. 3 und § 116 Rn. 5) und obergerichtlicher Rechtsprechung (zum Beispiel: KG Berlin, Beschluss vom 29. März 2001 - 5 Ws 145/01 Vollz - zitiert nach juris Rn. 6; OLG Dresden, NStZ-RR 2000, 285; OLG Celle, NStZ-RR 1999, 62; OLG Stuttgart, NStZ 1985, 524) die Strafvollstreckungskammer in Vollzugssachen als erkennendes Gericht angesehen werde, könne für Vollstreckungssachen nichts anderes gelten (KG Berlin, Beschluss vom 29. März 2001 - 5 Ws 145/01 Vollz - zitiert nach juris Rn. 6; OLG Brandenburg, Beschluss vom 15. Juli 2004 - 1 Ws 99/04 -, zitiert nach juris Rn. 2 - jeweils mit zahlreichen weiteren Nachweisen). Andernfalls komme es zu einer unübersichtlichen Zersplitterung der Rechtswege, je nachdem, ob die Strafvollstreckungskammer im Verfahren nach § 454 StPO beziehungsweise nach § 463 StPO oder nach dem Strafvollzugsgesetz tätig werde und ob es um den Ausschluss der Beschwerde gegen eine Zwischenentscheidung nach § 305 StPO gehe oder um die Ablehnung eines Richters (OLG Brandenburg, Beschluss vom 15. Juli 2004 - 1 Ws 99/04 -, zitiert nach juris Rn. 2 mit zahlreichen weiteren Nachweisen). Dieser Auffassung schließt der Senat sich nicht an. Zwar wird und wurde von den derzeit und in der Vergangenheit mit Strafvollzugssachen befassten Strafsenaten des OLG Hamm die Ansicht vertreten, dass die Strafvollstreckungskammer bei Entscheidungen in Vollzugssachen als erkennendes Gericht im Sinne des § 28 Abs. 2 S. 2 StPO anzusehen ist (Beschlüsse des früheren 7. Strafsenats, abgedruckt in: NStZ 1982, 352; NStZ 1983, 575; NStZ 1987, 93; Beschlüsse des 1. Strafsenats vom 20. Januar 2005 - 1 Vollz (Ws) 7/05, vom 20. Januar 2004 - 1 Vollz (Ws) 11/04), insbesondere wegen des revisionsähnlich ausgestalteten Beschwerdeverfahrens (OLG Hamm, NStZ 1982, 352). Dies besagt aber nichts für die Anwendbarkeit des § 28 Abs. 2 S. 2 StPO im Rahmen der Strafprozessordnung. Zu beachten ist hierbei nämlich, dass das Verfahren nach den §§ 109 ff. StVollzG seiner Natur nach ein Verwaltungsstreitverfahren und kein Strafprozess ist, weshalb die einschlägigen Vorschriften der Strafprozessordnung jeweils nur entsprechend - nämlich unter Beachtung des normativen Inhalts sowie des Sinnes und Zweckes des Strafvollzugsgesetzes - anzuwenden sind (OLG Dresden, NStZ-RR 2000, 285). Vielmehr sind die an den Entscheidungen der Strafvollstreckungskammer im Vollstreckungsverfahren nach den §§ 454 StPO, 57 StGB beteiligten Richter nach der vom Senat vertretenen Ansicht keine erkennenden Richter im Sinne dieser Ausnahmevorschrift (Senatsbeschluss vom 08. November 2007 - 2 Ws 331/07 -, zitiert nach juris Rn. 9; auch: OLG Zweibrücken, Beschluss vom 26. November 2007 - 1 Ws 479/07 -, zitiert nach juris Leitsatz 1). Dies ergibt sich bereits aus dem Sinn und Zweck des § 28 Abs. 2 S. 2 StPO, der im Sinne der Prozesswirtschaftlichkeit verhindern soll, dass eine bereits begonnenen oder kurz bevorstehende Hauptverhandlung aufgrund eines Ablehnungsverfahrens mit anschließendem Beschwerdeverfahren nicht durchgeführt werden kann (Senatsbeschluss vom 08. November 2007 - 2 Ws 331/07 -, zitiert nach juris Rn. 9). Eine dieser Interessenlage vergleichbare Situation ist indes im Strafvollstreckungsverfahren nicht gegeben. Denn die Entscheidung wird nach §§ 454 StPO, 57 StGB ohne mündliche Verhandlung lediglich aufgrund der - für den Verurteilten freiwilligen (vergleiche Meyer-Goßner, StPO, 51. Auflage, § 454 Rn. 30 mit zahlreichen weiteren nachweisen) - Anhörung durch Beschluss getroffen. Auch ein staatliches Interesse an der zügigen Erledigung des Vollstreckungsverfahrens gegen den Willen des Verurteilten ist nicht gegeben, wie sich bereits aus dem Einwilligungserfordernis des § 57 Abs. 1 Nr. 3 StGB ergibt. Darüber hinaus spricht der Wortlaut des § 28 Abs. 2 S. 2 StPO gegen dessen erweiternde Anwendung auf Entscheidungen nach §§ 454 StPO, 57 StGB. Denn diese Entscheidungen ergehen durch Beschluss und gerade nicht durch Urteil, worauf § 28 Abs. 2 S. 2 StPO ausdrücklich abstellt. Ferner hat § 28 Abs. 2 S. 2 StPO Ausnahmecharakter im Hinblick auf die grundsätzlich gegebene Anfechtbarkeit von Entscheidungen (Senatsbeschluss vom 08. November 2007 - 2 Ws 331/07 -, zitiert nach juris Rn. 10). Auch die Gründe, aus denen § 305 S. 1 StPO in Verfahren der Strafvollstreckungskammer nach den §§ 463 Abs. 3, 454 Abs. 1 StPO oder nach §§ 109, 120 StVollzG für anwendbar gehalten wird, führen nicht zu einem anderen Ergebnis. § 28 Abs. 2 S. 2 StPO und § 305 S. 1 StPO verfolgen mit unterschiedlichen Regelungsgehalten unterschiedliche Zwecke. § 305 S. 1 StPO soll die Entscheidungssouveränität des erkennenden Richters wahren, während § 28 Abs. 2 S. 2 StPO der Verhinderung von Verfahrensverzögerungen dient. Ob ein Ablehnungsgrund im Sinne des § 24 Abs. 2 StPO vorliegt, kann aber in jeder Lage des Verfahrens geprüft werden, ohne in die Befugnisse des erkennenden Richters einzugreifen (Chlosta, NStZ 1987, 291, 292). Nach der Auffassung des Senats hat es damit bei der isolierten Anfechtbarkeit des angefochtenen Beschlusses zu verbleiben. 2. Die sofortige Beschwerde ist indes unbegründet. Die zuständige große Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Hagen hat den Befangenheitsantrag zu Recht als unbegründet mangels Ablehnungsgrundes zurückgewiesen. Insoweit nimmt der Senat Bezug auf die ausführlichen und weiterhin zutreffenden Gründe des angefochtenen Beschlusses, die durch das Beschwerdevorbringen nicht ausgeräumt werden. III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 StPO |
zur Startseite "Rechtsprechung"
zum SuchformularDie Nutzung von Burhoff-Online ist kostenlos. Der Betrieb der Homepage verursacht aber für Wartungs-, Verbesserungsarbeiten und Speicherplatz laufende Kosten.
Wenn Sie daher Burhoff-Online freundlicherweise durch einen kleinen Obolus unterstützen wollen, haben Sie hier eine "Spendenmöglichkeit".