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Rechtsprechung

Aktenzeichen: III - 5 RVs 1/11 OLG Hamm

Leitsatz: Zum erforderlichen Umfang der tatsächlichen Feststellungen bei einer Verurteilung wegen Beförderungserschleichung (Abweichung von OLG Frankfurt NJW 2010, 3107).

Senat: 5

Gegenstand: Revision

Stichworte: Beförderungserschleichung, Feststellungen

Normen: StGB 265a

Beschluss:

Beschluss
Strafsache
gegen pp.
wegen Erschleichens von Leistungen.
Auf die Revision der Angeklagten gegen das Urteil der VIII. kleinen Strafkammer des Landgerichts Essen vom 23. September 2010 hat der 5. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 10.03.2011 durch XXX auf Antrag der Generalstaatsanwaltschaft nach Anhörung der Angeklagten bzw. ihrer Verteidigerin einstimmig beschlossen:
Die Revision wird als unbegründet verworfen, jedoch mit der Maßgabe, dass es sich hinsichtlich der einbezogenen Einzelstrafen um solche aus dem Strafbefehl - und nicht aus dem Urteil - des Amtsgerichts Essen vom 24. Februar 2010 handelt.
Die Kosten des Rechtsmittels trägt die Angeklagte.
Gründe
I.
Das Amtsgericht Essen hatte die Angeklagte wegen Beförderungserschleichung in acht Fällen zu einer Gesamtgeldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 10 Euro verurteilt.
Mit dem angefochtenen Urteil hat die Strafkammer die Berufung der Angeklagten mit der Maßgabe verworfen, dass sie unter Einbeziehung der Einzelstrafen aus dem „Urteil“ des Amtsgerichts Essen vom 24. Februar 2010 (Az.: 35 Cs 42 Js 309/10 - 137/10) und unter Auflösung der dort gebildeten Gesamtgeldstrafe zu einer Gesamtgeldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 10 Euro verurteilt worden ist.
Der Senat merkt klarstellend an, dass es sich bei der Entscheidung, deren Einzelstrafen einbezogen worden sind, nicht um ein Urteil, sondern um einen Strafbefehl handelt. Die diesbezüglichen Feststellungen der Kammer lauten:
„Sie wurde durch Strafbefehl des Amtsgerichts Essen vom 24.02.2010, rechtskräftig seit dem 16.03.2010 wegen Beförderungserschleichung in zwei Fällen zu einer Gesamtgeldstrafe von 25 Tagessätzen zu je 10 Euro verurteilt. Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Am 06.11. und 07.12.2009 benutzte sie in E. jeweils ein Verkehrsmittel der Linie U 11 der E.er Verkehrs AG ohne den erforderlichen Fahrausweis. Sie wurde am 06.11.2009 um 12.04 Uhr zwischen der Haltestelle B.-straße und K.-W.-Park und am 07.12.2009 um 10.19 Uhr auf der Fahrtstrecke Ba.-straße/Universität E. ohne gültigen Fahrausweis angetroffen. Sie hatte in beiden Fällen von Anfang an nicht vor, das Entgelt zu entrichten. Die Einzelstrafen wurden auf jeweils 15 Tagessätze festgesetzt.
Die Strafe ist noch nicht bezahlt. Rechtskraft ist eingetreten.“
Zur Sache hat die Kammer folgende Feststellungen getroffen:
„Die Angeklagte benutzte in acht Fällen in E. jeweils ein Verkehrsmittel der E.er Verkehrs AG ohne erforderlichen Fahrausweis, wobei sie jeweils vor Fahrtantritt nicht vor hatte, das Entgelt zu entrichten.
Im Einzelnen benutzte sie in E. am 25.09.2009 um 10.31 Uhr und um 12.54 Uhr jeweils ein Fahrzeug der Linie 101 im Bereich Porscheplatz, am 25.9.2009 um 13.43 Uhr ein Fahrzeug der Linie 109 im Bereich Porscheplatz, am 6.10.2009 um 14.16 Uhr Fahrzeug der Linie U 17 im Bereich A. Bahnhof, am 13.10.2009 um 13.48 Uhr ein Fahrzeug der Linie 103 im Bereich Be. Platz, am 22.10.2009 um 12.52 Uhr ein Fahrzeug der Linie U 11 im Bereich B.-straße, am 04.11.2009 um 12.22 Uhr Fahrzeug der Linie U 18 im Bereich Hi.-platz und am 06.11.2009 um 10.36 Uhr ein Fahrzeug der Linie 101 im Bereich Cr.
Mit Schreiben vom 03.11.2008 hatte die Angeklagte der EVAG mitgeteilt, dass sie aufgrund eines Umstandes, den sie nicht zu vertreten habe, gezwungen sei, vorübergehend die Straßenbahn zu benutzen und es ihr nicht möglich sei, in Vorkasse zu treten.
Es handelt sich jeweils um geringwertige Fahrpreise. Die erforderlichen Strafanträge sind gestellt worden, das besondere öffentliche Interesse ist von der Staatsanwaltschaft bejaht worden.“
Die Angeklagte hat sich dahingehend eingelassen, sie sei aufgrund ihres Schreibens an die E.er Verkehrsbetriebe davon ausgegangen, dass diese damit einverstanden seien, dass sie zunächst die Fahrzeuge benutze und man sich später, wenn sie zahlen könne, über eine Nachzahlung des Fahrentgelts einige. Das Schweigen der E.er Verkehrsbetriebe sei als Zustimmung zu werten. Darüber hinaus habe sie auch nicht heimlich gehandelt.
Die Kammer ist im Hinblick auf die Einlassung und das Schreiben der Angeklagten vom 03. November 2008 von einem vermeidbaren Verbotsirrtum im Sinne des § 17 StGB ausgegangen.
Mit ihrer Revision rügt die Angeklagte die Verletzung materiellen Rechts. Insbesondere ist sie der Auffassung, die Feststellungen der Kammer trügen eine Verurteilung schon deshalb nicht, weil sie keine Beförderungsleistung erschlichen habe. Darüber hinaus sei aus den Urteilsgründen nicht erkennbar, dass mit der Beförderung bereits begonnen worden sei, die Frage der Vollendung der Taten könne daher nicht beantwortet werden. Sie habe sich auch nicht mit dem - für die Annahme eines Erschleichens im Sinne des § 265a StGB erforderlichen - „Anschein der Ordnungsmäßigkeit“ umgeben. Zudem habe die Strafkammer zu Unrecht einen lediglich vermeidbaren Irrtum angenommen.
II.
Die zulässige Revision der Angeklagten ist unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
Durchgreifende Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten sind nicht ersichtlich.
1. Die Feststellungen tragen den Schuldspruch.
a) Das Tatbestandsmerkmal des „Erschleichens“ i. S. d. § 265 a StGB ist bereits dann erfüllt, wenn der Täter ein Verkehrsmittel unberechtigt nutzt und sich dabei allgemein mit dem Anschein umgibt, er erfülle die nach den Geschäftsbedingungen des Betreibers erforderlichen Voraussetzungen (vgl. den auf Vorlage ergangenen Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 08. Januar 2009 in 4 StR 117/08 = BGHSt 53, 122 = NStZ 2009, S. 211 = StV 2009, S. 358). Es ist nicht erforderlich, dass der Täter etwa eine konkrete Schutzvorrichtung überwinden oder eine Kontrolle umgehen muss (so auch BVerfG NJW 1998, 1135). Vielmehr genügt es, wenn der Täter es unterlässt, einen Fahrschein zu lösen und sich äußerlich unauffällig verhält.
Wer einen Fahrausweis weder vor Fahrtantritt noch unmittelbar nach Betreten des Beförderungsmittels löst, obwohl er dazu verpflichtet ist, dokumentiert nach außen das Verhalten eines ehrlichen Benutzers und erweckt den Eindruck, er nehme die Beförderungsleistung ordnungsgemäß in Anspruch (vgl. OLG Hamburg NJW 1987, 2688 f.). Wer ein Beförderungsmittel ohne gültigen Fahrausweis betritt, verschweigt nicht nur das Unterlassen der Zahlung des Fahrpreises, sondern gibt mit dem Benutzen des Beförderungsmittels konkludent die wahrheitswidrige Erklärung ab, seiner Zahlungspflicht - in welcher Form auch immer - nachgekommen zu sein (vgl. OLG Hamburg, NStZ 1991, S. 587, 588).
Weiterer Feststellungen bedarf es nicht, um das Tatbestandsmerkmal des „Erschleichens von Leistungen“ zu bejahen.
Insbesondere besteht auch kein Erfordernis, den konkreten Inhalt der Beförderungsbedingungen der jeweiligen Verkehrsbetriebe in den Urteilsgründen wiederzugeben. Dies fordert auch der Bundesgerichtshof in der o. g. Entscheidung nicht. Es ist allgemein bekannt und offensichtlich, dass sämtliche Verkehrsbetriebe für die ordnungsgemäße Beförderung in ihren Beförderungsbedingungen einen gültigen Fahrschein fordern.
Der Anschein ordnungsgemäßen Verhaltens wird auch nicht dadurch erschüttert, dass die Angeklagte den E.er Verkehrsbetrieben mit Schreiben vom 03. November 2008 zuvor mitgeteilt hatte, dass sie deren Fahrzeuge benutzen wolle, ohne jedoch den Fahrpreis zu entrichten. Dies hat sie im Übrigen nach den Urteilsfeststellungen auch eingeräumt. Entscheidend ist nämlich, dass gegenüber den von dem Beförderungsunternehmen eingesetzten Personen, die über die Erbringung der Beförderungsleistung an die Angeklagte zu entscheiden hätten, der Anschein der ordnungsgemäßen Inanspruchnahme seitens der Angeklagten nicht erschüttert wurde. Gerade diesen Personen gegenüber, also etwaigen Kontrolleuren oder den U-Bahn-Fahrern hat sich die Angeklagte jedoch auch nach ihrer eigenen Einlassung gerade nicht bereits vor Fahrtantritt als „Schwarzfahrerin“ zu erkennen gegeben. Wäre dies erfolgt, so hätte man ihr sicherlich die Fahrt verwehrt.
b) Entgegen der Ansicht der Revision reichen die Feststellungen der Kammer auch noch aus, um jeweils vollendete Taten annehmen zu können. Vollendet ist die Tat nämlich schon mit dem Beginn der Beförderungsleistung. Insoweit sind lediglich Fälle auszuscheiden, in denen nach der Verkehrsauffassung eine Beförderung noch gar nicht vorliegt.
Soweit die Kammer dazu angibt, die Angeklagte habe das Verkehrsmittel „im Bereich“ der jeweiligen Haltestelle „benutzt“, bedeutet dies nach dem herkömmlichen Sprachgebrauch, dass sich dieses bereits in Bewegung befunden hat, zumal Fahrscheinkontrollen - wie ebenfalls allgemein bekannt ist - bei Personen in den fahrenden Verkehrsmitteln oder in Einzelfällen auch erst nach dem Aussteigen erfolgen. Der Formulierung im „Bereich“ ist auch noch hinreichend zu entnehmen, dass die Kontrolle nicht unmittelbar an der (Einstiegs-)Haltestelle noch vor Abfahrt des Verkehrsmittels erfolgte.
Der Senat teilt nicht die Auffassung des Oberlandesgerichts Frankfurt (Beschluss vom 20. Juli 2010 = NJW 2010, 3107), das Tatgericht müsse auch Ausführungen dazu machen, an welcher Haltestelle die/der Angeklagte in die Straßenbahn bzw. U-Bahn eingestiegen ist und welche Fahrtstrecke er/sie im Zeitpunkt der Kontrolle bereits zurückgelegt hat. Derartige Feststellungen sind rechtlich nicht erforderlich. Es reicht aus, wenn festgestellt werden kann, dass sich das Beförderungsmittel zu jenem Zeitpunkt bereits in Fahrt befunden hat. Weitere Feststellungen sind für ein vollendetes Erschleichen von Leistungen nicht erforderlich. Darüber hinausgehende Feststellungen zu fordern, hieße, den Zeitpunkt der Tatvollendung und des Erfolgseintritts hinauszuschieben. Ein derartiges Erfordernis findet nicht nur keine Stütze im Gesetz, sondern wird auch dem Charakter des § 265a StGB als Erfolgsdelikt nicht gerecht. Zusätzliche Feststellungen zur zurückgelegten Fahrtstrecke könnten allenfalls Auswirkungen auf den verursachten Vermögensschadens haben, da der Fahrpreis mit zunehmender Fahrtstrecke steigen kann. Dies ist aber keine Frage der Tatbestandsmäßigkeit, sondern lediglich eine solche der Strafzumessung.
Unabhängig von der Frage, ob solche Feststellungen in der Praxis zum Beispiel bei einem schweigenden Angeklagten überhaupt getroffen werden können, ist es nicht Sache der Rechtsprechung, durch überbordende Anforderungen einen Tatbestand ins Leere laufen zu lassen und so dem Gesetzgeber vorbehaltene rechtspolitische Zielsetzungen zu verwirklichen (vgl. dazu BGH, a. a. O.).
c) Zutreffend ist die Strafkammer davon ausgegangen, dass das Schreiben der Angeklagten vom 03. November 2008 nicht zu einem Ausschluss der Strafbarkeit führt. Maßgeblich ist der Zeitpunkt der Tatbegehung und nicht das Datum eines Vorgangs, welcher zum Teil nahezu ein Jahr vor den Taten liegt. Bereits aufgrund des Zeitablaufs konnte der Brief keine Wirkung mehr entfalten. Im Übrigen war überhaupt nicht bekannt, wann und wo die Angeklagte fahren würde. Zudem war Adressat des Schreibens die Verwaltung der E.er Verkehrsbetriebe, während die (konkludente) Angabe, sich gemäß den Beförderungsbedingungen zu verhalten, durch tatsächliches Verhalten zum Tatzeitpunkt, möglicherweise auch gegenüber eventuellen Kontrolleuren, abgegeben wird.
Rechtliche Relevanz entfaltet dieses Schreiben ohnehin nicht, da die E.er Verkehrsbetriebe darauf nicht reagiert haben und ihrem Schweigen hier keine Bedeutung zukommt.
Wenn die Kammer daraus überhaupt einen Verbotsirrtum hergeleitet hat, was sich nicht aufdrängt, handelt es sich nicht um einen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten, dies umso mehr als im Rahmen des Rechtsfolgenausspruchs eine Strafrahmenverschiebung zu ihren Gunsten erfolgt ist. Dass dieser Irrtum nicht unvermeidbar war, liegt auf der Hand.
d) Die getroffenen Feststellungen reichen ebenfalls aus, um die subjektive Tatseite bejahen zu können. Durch das bereits erwähnte Schreiben hat die Angeklagte hinreichend deutlich gemacht, dass ihr durchaus bewusst war, dass sie jeweils einen gültigen Fahrschein benötigte und es ihr auch gerade darauf ankam, das Entgelt nicht zu entrichten.
e) Schließlich ist ein durchgreifender Rechtsfehler auch nicht darin zu erkennen, dass die Urteilsfeststellungen sich nicht über die genaue Schadenshöhe verhalten. Die Strafkammer ist offensichtlich von Geringwertigkeit ausgegangen, so dass der Angeklagten insoweit ein Nachteil nicht entstanden ist.
2. Auch der Rechtsfolgenausspruch lässt Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten nicht erkennen. Der Senat nimmt zunächst Bezug auf die diesbezüglichen Ausführungen der Generalstaatsanwaltschaft in ihrer Antragsschrift vom 10. Januar 2011.
Ergänzend bemerkt der Senat, dass im Hinblick auf den jeweils geringwertigen Fahrpreis ausgeschlossen werden kann, dass die Kammer diesen nicht berücksichtigt hat. Die Kammer hat die jeweiligen Einzelstrafen mit 15 Tagessätzen am untersten Rand des Strafrahmens bemessen. Dies ist angesichts der Vielzahl der Taten nicht zu beanstanden.
3. Eine Vorlage an den Bundesgerichtshof gemäß § 121 Abs. 2 GVG war nicht erforderlich, denn die Rechtsprechung des Senates steht in Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (siehe a. a. O.) und erfüllt die dort niedergelegten Anforderungen, während das Oberlandesgericht Frankfurt (a. a. O.) darüber hinaus geht.
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 1 StPO.



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