Aktenzeichen: III - 5 Ws 57 und 58/11 OLG Hamm |
Leitsatz: Zu Entpflichtung des als Pflichtverteidiger beigeordneten Rechtsanwalts und zur Beiordnung des Wahlanwalts als Pflichtverteidiger. |
Senat: 5 |
Gegenstand: Beschwerde |
Stichworte: Pflichtverteidiger, Entpflichtung; Beiordnung, Wahlanwalt |
Normen: StPO 140; StPO 143 |
Beschluss: Strafsache gegen pp. wegen bandenmäßiger Veranstaltung von unerlaubtem Glücksspiel, Steuerhinterziehung u.a., (hier: Ablehnung der Aufhebung der Bestellung eines Pflichtverteidigers und Ablehnung der Bestellung eines weiteren Pflichtverteidigers). Auf die Beschwerde des Angeklagten vom 17. Januar 2011 gegen die Beschlüsse des Vorsitzenden der I. großen Strafkammer Wirtschaftsstrafkammer des Land-gerichts Essen vom 17. Dezember 2010 und 06. Januar 2011 hat der 5. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 17. Februar 2011 durch nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen: Die Beschwerde gegen die angefochtenen Beschlüsse wird auf Kosten des Beschwerdeführers (§ 473 Abs. 1 StPO) als unbegründet verworfen. Gründe: Zunächst nimmt der Senat auf die im Wesentlichen zutreffenden Gründe der angefochtenen Beschlüsse sowie des Nichtabhilfebeschlusses vom 24. Januar 2011 Bezug. Das Beschwerdevorbringen gibt zu einer abweichenden Entscheidung keinen Anlass. Ergänzend ist Folgendes anzumerken: 1. Die Bestellung von Rechtsanwalt D in als Pflichtverteidiger durch Beschluss des Vorsitzenden der I. Strafkammer Wirtschaftsstrafkammer vom 17. Dezember 2010 ist unter keinem Gesichtspunkt zu beanstanden. Der Vorsitzende hat entgegen den Ausführungen von Rechtsanwalt E in seinem Schriftsatz vom 20. Januar 2011 das Auswahlrecht des Angeklagten gemäß § 142 Abs. 1 Satz 1 StPO beachtet. Der Beiordnung von Rechtsanwalt D vorausgegangen war zum einen, dass dieser sich mit Schriftsatz vom 17. November 2010 unter Vorlage einer von dem Angeklagten eigenhändig unterzeichneten Vollmacht vom selben Tage als dessen Wahlverteidiger gemeldet hatte. Zum anderen war Rechtsanwalt D im Termin zur Verkündung des abgeänderten Haftbefehls vor dem Landgericht Essen am 15. Dezember 2010 als einziger Verteidiger des Angeklagten anwesend. Die beiden weiteren Wahlverteidiger des Angeklagten Rechtsanwalt X und Rechtsanwalt E nahmen an diesem Termin nicht teil. Wenn dem Angeklagten sodann wenige Tage später Rechtsanwalt D als Pflichtverteidiger beigeordnet worden ist, ist diese Vorgehensweise in keiner Weise zu beanstanden. Hinzu kommt, dass der Angeklagte nach den Ausführungen in dem Nichtabhilfebe-schluss des Vorsitzenden vom 24. Januar 2011 einen entsprechenden Antrag wohl im Verkündungstermin vom 15. Dezember 2010 gestellt hat. Dass der Wahlverteidiger Rechtsanwalt E unter diesen Umständen über den Beiordnungsvorgang zuvor nicht informiert worden ist, ist indes unerheblich und ebenfalls nicht zu beanstanden. Der Vorsitzende hat sich auch bei der Auswahl des Pflichtverteidigers im Rahmen seines Beurteilungsspielraums gehalten. Ermessensfehler sind nicht ersichtlich. Rechtsanwalt D hat seinen Kanzleisitz in , also am Gerichtsort und zugleich in der Nähe der Justizvollzugsanstalt Düsseldorf, in der der Angeklagte sich in Untersuchungshaft befindet. Er genießt als früherer Wahlverteidiger des Angeklagten dessen Vertrauen. Dass das Vertrauensverhältnis in irgendeiner Weise gestört sein könnte, ist nicht vorgetragen und auch sonst nicht ersichtlich. Hinzu kommt, dass Rechtsanwalt D die türkische Sprache beherrscht und folglich mit dem Angeklagten in dessen Muttersprache kommunizieren kann. Dass dies für den Angeklagten von Vorteil ist, liegt auf der Hand. Der Angeklagte ist der deutschen Sprache nicht bzw. nicht hinreichend mächtig, denn ausweislich des Protokolls über die Verkündung des Haftbefehls am 15. Dezember 2010 benötigte er eine Dolmetscherin für die türkische Sprache. Eine Entpflichtung des Pflichtverteidigers D ist ebenfalls nicht angezeigt. Nach der ständigen Rechtsprechung der hiesigen Strafsenate (vgl. Beschluss des hiesigen 2. Strafsenats in 2 Ws 89/09 vom 31. März 2009 mit zahlreichen Nachweisen), die auch derjenigen anderer Oberlandesgericht entspricht und die vom Bundesgerichtshof bestätigt worden ist (vgl. BGH StV 1993, 564, 566 = BGHSt 39, 310 - 317; NStZ 2004, 632 f.; OLG Stuttgart StV 2002, 473 f.; OLG Nürnberg StV 1995, 287, 289; OLG Frankfurt StV 1985, 450 und NStZ-RR 1997, 77; OLG Köln StraFo 1995, 118 f.; OLG Frankfurt NJW 1972, 1964 f.), kommen die Entpflichtung des Pflichtverteidigers und die Beiordnung eines anderen Pflichtverteidigers nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes in Betracht. Das ist nur dann der Fall, wenn Umstände vorliegen, die den Zweck der Pflichtverteidigung, dem Beschuldigten einen geeigneten Beistand zu sichern und einen ordnungsgemäßen Verfahrens-ablauf zu gewährleisten, ernsthaft gefährden (BVerfG NJW 2001, 3695 - 3697; Meyer-Goßner, StPO, 53. Aufl., § 141 Rn. 3 ff.). Auf den bloßen Entpflich-tungswunsch des Beschuldigten kommt es dabei in der Regel nicht an. Vielmehr muss er substantiiert und konkret darlegen und glaubhaft machen, dass konkrete Gründe von Gewicht gegeben sind, die auch vom Standpunkt eines vernünftigen und verständigen Beschuldigten aus (Beschluss des hiesigen 2. Strafsenats vom 26. Januar 2006 2 Ws 30/06) die Möglichkeit der Erschütterung des zunächst bestehenden Vertrauensverhältnisses nachvollziehbar erscheinen lassen. Zudem ist im Entpflichtungsverfahren der Maßstab für die zur Begründung des Entpflichtungs-antrags vorgetragenen Gründe jedenfalls in den Fällen erheblich eingegrenzt, in denen - wie hier das Auswahlrecht des Beschuldigten beachtet worden ist (BVerfG NJW 2001, 3695). Entpflichtungsgründe sind vorliegend nicht ersichtlich, insbesondere ist das Vertrauensverhältnis nicht gestört. Dies wäre nur dann anzunehmen, wenn konkrete Umstände vorgetragen werden, aus denen sich eine nachhaltige und nicht zu beseitigende Erschütterung des Vertrauensverhältnisses ergibt, so dass zu besorgen ist, dass die Pflichtverteidigung nicht (mehr) sachgerecht durchgeführt werden kann (BGH StV 1997, 565 f.). Zudem muss bei der gebotenen Gesamtwürdigung berücksichtigt werden, dass dem Beschuldigten die Möglichkeit verwehrt bleiben muss, einen grundlosen und nicht gebotenen Verteidigerwechsel zu erzwingen. Andernfalls hätte es der Angeklagte in der Hand, jederzeit unter Berufung auf ein fehlendes Vertrauensverhältnis zu seinem Verteidiger einen Verteidigerwechsel herbeizuführen, um damit das Verfahren möglicherweise zu verzögern (vgl. Beschluss des hiesigen 2. Strafsenats vom 19. Januar 2006 in 2 Ws 296/06 = NJW 2006, 2502, 2503 mit Verweis auf BGHSt 39, 310 = NJW 1993, 3275 = NStZ 1993, 600 und OLG Düsseldorf JZ 1985, 100). 2. Dass der Vorsitzende der I. großen Strafkammer durch Beschluss vom 06. Januar 2011 die Bestellung von Rechtsanwalt E in als (weiteren) Pflichtverteidiger abgelehnt hat, ist im Ergebnis ebenfalls nicht zu beanstanden. Zum einen erfordert die Sach- und Rechtslage nicht die Bestellung eines weiteren Pflichtverteidigers. Die Gründe des angefochtenen Beschlusses sind insoweit nicht zu beanstanden. Soweit der Vorsitzende darüber hinaus Ausführungen dazu macht, eine Pflicht-verteidigerbestellung von Rechtsanwalt E sei ohnehin nicht in Betracht gekommen, da dieser praktisch an jedem der angesetzten Termine verhindert sei, beruht diese Annahme aber offenbar auf einem Missverständnis. Rechtsanwalt E hatte dem Gericht u. a. mit Schriftsatz vom 16. Dezember 2010 die Termine mitgeteilt, an denen er nicht erscheinen könne. Insgesamt handelte es sich um fünf Termine, an denen er voraussichtlich verhindert sein würde. Mit Schriftsatz vom 28. Dezember 2010 führte Rechtsanwalt E in Ergänzung seines Schriftsatzes vom 16. Dezember 2010 weitere Verhinderungstermine auf, u.a. auch die vom Vorsitzenden der I. Strafkammer in dem vorliegenden Verfahren mitgeteilten Haupt-verhandlungs-termine. Da sich in dieser nachgereichten Aufstellung neben den Datumsangaben jeweils der Zusatz LG Essen Ss ganztägig findet, lässt dies darauf schließen, dass es sich um die Hauptverhandlungstermine im vorliegenden Verfahren handelt. Klargestellt hat Rechtsanwalt E dieses vermutliche Missverständnis allerdings nicht, sondern in der für seinen Mandanten verfassten Beschwerdeschrift vom 17. Januar 2011 hat er lediglich mitgeteilt, dass die angezeigten diesseitigen Verhinderungen zur Teilnahme an denen von der Kammer angesetzten Terminen beseitigt werden konnten, so dass der Unterzeichner an sämtlichen bislang geplanten Terminen teilnehmen kann. Abschließend merkt der Senat an, dass es dem Wahlverteidiger Rechtsanwalt E unbenommen bleibt, weiterhin als Wahlverteidiger tätig zu werden, um so die Rechte seines Mandanten wahrzunehmen. Als gewählter Verteidiger ist er dann in seiner Zeiteinteilung frei. Das von ihm in diesem Fall eingegangene Kostenrisiko seines Honorars kann nicht dem Staat überbürdet werden, indem seine Bestellung als Pflichtverteidiger erfolgt, obwohl die Voraussetzungen für eine weitere Pflichtverteidigerbestellung nicht vorliegen. |
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