Aktenzeichen: III - 5 Ws 166/10 OLG Hamm |
Leitsatz: Auch der Beschluss, durch den ein Antrag der Staatsanwaltschaft auf Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung abgelehnt wird; ist nur mit sofortiger Beschwerde mit uneingeschränkter Überprüfungsmöglichkeit anfechtbar. |
Senat: 5 |
Gegenstand: Revision Rechtsbeschwerde Beschwerde Haftprüfung durch das OLG Pauschgebühr Justizverwaltungssache Antrag auf gerichtliche Entscheidung |
Stichworte: Beschwerde, Staatsanwaltschaift, Widerrufsantrag, Ablehnung, Beschwerdefrist |
Normen: StPO 453 |
Beschluss: Strafvollstreckungssache gegen wegen Diebstahls u.a., (hier: Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung bzw. Ver-längerung der Bewährungszeit). Auf die Beschwerde der Staatsanwaltschaft Duisburg vom 03. Mai 2010 gegen den Beschluss der I. Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Essen vom 26. April 2010 hat der 5. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 10.02.2011 durch nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen: Die sofortige Beschwerde wird auf Kosten der Staatskasse, die auch die not-wendigen Auslagen des Verurteilten zu tragen hat, als unzulässig verworfen. Gründe: I. Der Verurteilte wurde im vorliegenden Verfahren durch Urteil des Amtsgericht Duis-burg-Ruhrort vom 09. Dezember 2008 (4 Ds 42/08), rechtskräftig seit dem 17. Dezember 2008, wegen gemeinschaftlicher vorsätzlicher Körperverletzung und wegen Diebstahls zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Monaten mit Strafaus-setzung zur Bewährung verurteilt. Die Bewährungszeit wurde auf drei Jahre festge-setzt. Das Amtsgericht Bottrop verurteilte ihn nur zwei Tage später durch Urteil vom 11. Dezember 2008 (31 Ds 173/08), rechtskräftig seit dem 19. Dezember 2008, wegen Diebstahls und Erschleichens von Leistungen in vier Fällen zu einer Gesamt-freiheitsstrafe von sechs Monaten, deren Vollstreckung ebenfalls zur Bewährung ausgesetzt worden ist. Mit Beschluss des Amtsgerichts Duisburg-Ruhrort vom 17. August 2009, rechtskräftig seit dem 26. November 2009, sind die Strafen aus den vorgenannten rechtskräftigen Verurteilungen unter Auflösung der bereits gebildeten Gesamtstrafen auf eine neue Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Monaten zurückgeführt worden. Die Vollstreckung dieser Gesamtfreiheitsstrafe wurde zur Bewährung ausgesetzt, wobei die Bewährungszeit auf zwei Jahre festgesetzt wurde. Bereits im März 2009 war über die Bewährungshelferin jedoch bekannt geworden, dass sich der Verurteilte in Untersuchungshaft in der Justizvollzugsanstalt Essen befand (Verfahren 22 Js 53/09 StA Essen). Am 28. Mai 2009, rechtskräftig seit dem 06. August 2009, erkannte das Amtsgericht Gelsenkirchen in jenem Verfahren gegen den Verurteilten wegen gewerbsmäßigen Diebstahls und wegen Betruges in zwei Fällen auf eine Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr. Die Taten hatte der Verurteilte am 15., 16. und 27. Januar 2009 began-gen. Diese Verurteilung nahm die Staatsanwaltschaft Duisburg zunächst zum Anlass, mit Verfügung vom 12. Januar 2010 bei der nunmehr zuständigen Strafvollstreckungs-kammer des Landgerichts Essen den Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung aus dem Gesamtstrafenbeschluss des Amtsgerichts Duisburg-Ruhrort vom 17. August 2009 zu beantragen. Nachdem der Verurteilte ernsthaft eine Langzeit-therapie zur Behandlung seiner Drogenabhängigkeit in Aussicht gestellt hatte, nahm die Staatsanwaltschaft Duisburg mit Verfügung vom 20. April 2010 ihren Antrag auf Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung zurück und stellte stattdessen den An-trag, die Bewährungszeit zu verlängern. Die I. Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Essen entsprach diesem Antrag und verlängerte mit Beschluss vom 26. April 2010 die Bewährungszeit um ein Jahr. Gegen diesen Beschluss, der der Staatsanwaltschaft Duisburg gemäß § 41 Abs. 2 StPO am 29. April 2010 zugestellt worden ist, hat diese mit Verfügung vom 03. Mai 2010 Beschwerde eingelegt, die jedoch erst am 07. Mai 2010 beim Landgericht Essen eingegangen ist. Begründet hat sie ihr Rechtsmittel, mit dem sie nunmehr entsprechend ihrem ursprünglichen Antrag den Widerruf der Strafaussetzung erreichen will, damit, dass der Verurteilte entgegen seiner Zusage und entgegen den Ausführungen in dem angefochtenen Beschluss der I. Strafvollstreckungskammer seinen Therapieplatz nicht am 13. April 2010 angetreten hat, was der Strafvoll-streckungskammer bei Erlass des Beschlusses jedoch noch nicht bekannt war. Die Generalstaatsanwaltschaft Hamm ist in ihrer Stellungnahme vom 17. Januar 2011 der Beschwerde der Staatsanwaltschaft Duisburg beigetreten und hat zur Begründung auf die Ausführungen des Generalstaatsanwalts in Düsseldorf verwiesen. Diesem war bereits mit Verfügung vom 28. Mai 2010 das Bewährungsheft durch die Generalstaatsanwaltschaft Hamm zur ergänzenden Stellungnahme zur Be-schwerde der Staatsanwaltschaft Duisburg übermittelt worden. Erst im Januar 2011 und nach mehreren Erinnerungen ist das Bewährungsheft dann mit der erbetenen Stellungnahme durch den Generalstaatsanwalt Düsseldorf zurückgesandt worden. II. Entgegen seiner Bezeichnung (§ 300 StPO) als Beschwerde ist im vorliegenden Fall als statthaftes Rechtsmittel nur die sofortige Beschwerde im Sinne der §§ 453 Abs. 2 Satz 3, 311 StPO gegeben und nicht die einfache Beschwerde nach § 453 Abs. 2 Satz 1 und 2 StPO. 1.Gemäß § 453 Abs. 2 Satz 1 StPO ist gegen die Entscheidungen nach § 453 Abs. 1 StPO die (einfache) Beschwerde zulässig. Gemäß § 453 Abs. 2 Satz 3 StPO können der Widerruf der Aussetzung, der Erlass der Strafe, der Widerruf des Erlasses, die Verurteilung zu der vorbehaltenen Strafe und die Feststellung, dass es bei der Ver-warnung sein Bewenden hat (§§ 56 f, 56 g, 59 b des Strafgesetzbuches), mit soforti-ger Beschwerde angefochten werden. Nach dem Wortlaut dieser Vorschrift unterlie-gen somit nur die in Abs. 2 Satz 3 StPO ausdrücklich genannten, nicht etwa alle auf §§ 56 f, 56 g oder 59 b StGB gestützten Entscheidungen der sofortigen Beschwerde. Eine Ausnahme gilt indes nach inzwischen überwiegender Rechtsprechung und herrschender Meinung in der Literatur für den Beschluss, mit welchem ein Antrag der Staatsanwaltschaft auf Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung abgelehnt wird; dieser ist nach herrschender Meinung aus Gründen der Rechtssicherheit entspre-chend Abs. 2 Satz 3 nur mit sofortiger Beschwerde mit uneingeschränkter Überprü-fungsmöglichkeit anfechtbar (vgl. OLG Hamm NStZ 1988, 291 und NStZ 2010, 105; OLG Düsseldorf MDR 1989, 666 und NStZ-RR 2002, 28; OLG Hamburg StV 1990, 270 und NStZ - RR 2005, 221; OLG Saarbrücken MDR 1992, 205; OLG Stuttgart NStZ 1995, 53, 54; OLG Zweibrücken NStZ-RR 1998, 93; OLG Naumburg, Be-schluss vom 19. September 2001 1 Ws 343/01 www.juris.de; Meyer-Goßner, StPO, 53. Aufl., § 453 Rdnr. 13; KK-Appl, StPO, 6. Aufl., § 453 Rdnr. 16). Der Senat schließt sich dieser Auffassung an. Zum einen spricht hierfür der Gedanke der Rechtssicherheit, denn der Verurteilte darf nicht für unbestimmte Zeit darüber im Unklaren bleiben, ob er die Strafe verbüßen muss oder nicht. Zwar droht dem Verurteilten nicht unmittelbar eine Vollstreckung, wenn das Gericht den Antrag der Staatsanwaltschaft auf Bewährungswiderruf ablehnt. Er muss aber damit rechnen, dass das Beschwerdegericht die für ihn günstige Entscheidung ins Gegen-teil verkehrt. Zum anderen spricht für die Bejahung der sofortigen Beschwerde, dass die Staats-anwaltschaft gegen die Entscheidungen über die Frage des Widerrufs ansonsten unterschiedliche Rechtsbehelfe hätte. In den Fällen des Widerrufs stünde ihr zuguns-ten des Verurteilten nämlich die sofortige Beschwerde zu, in den Fällen der Ableh-nung des Widerrufs hingegen die einfache Beschwerde. Dies wäre eine nicht bzw. nur schwer nachzuvollziehende Regelung. Anderer Auffassung ist soweit ersichtlich lediglich das vom Generalstaatsanwalt Düsseldorf in seiner Beschwerdebegründung zitierte OLG Köln (NStZ 1995, 151), das sich darauf stützt, § 453 Abs. 2 Satz 3 StPO enthalte als Ausnahmevorschrift eine enumerative Aufzählung, die abschließend diejenigen Entscheidungen nach § 453 Abs. 1 StPO aufführt, in denen allein die sofortige Beschwerde statthaft ist. Die Ablehnung des Widerrufs sei im Gegensatz zum Widerruf der Strafaussetzung in § 453 Abs. 2 Satz 3 StPO nicht aufgeführt. § 453 Abs. 3 Satz 3 StPO unterwerfe schon seinem Wortlaut nach nicht etwa die Entscheidung über den Widerruf der Aussetzung, sondern eben nur den Widerruf also lediglich die die Vorschrift des § 56 f Abs. 1 StGB anwendende, nicht die sie ablehnende Entscheidung der sofor-tigen Beschwerde. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang auch, dass der Generalstaatsanwalt Düsseldorf in dieser Frage nicht der Meinung des für ihn zuständigen Oberlandes-gerichts Düsseldorf folgen will (vgl. den Beschluss des dortigen 3. Strafsenats vom 02. Oktober 2001 in 3 Ws 409/01 = NStZ - RR 2002, 28, durch den die zwischen- zeitlich vertretene gegenteilige Ansicht wieder aufgegeben wurde). 2.Auch wenn es sich bei der vorliegenden Fallkonstellation nicht um die Ablehnung eines Antrags der Staatsanwaltschaft auf Bewährungswiderruf handelt die Staats-anwaltschaft hatte vielmehr zuletzt die Bewährungszeitverlängerung beantragt, die Strafvollstreckungsklammer hatte antragsgemäß entschieden und die Staatsanwalt-schaft begehrt nun mit ihrer Beschwerde den Widerruf der Strafaussetzung -, ist auch in diesem Fall allein das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegeben. In den Fällen, in denen zwischen dem Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung und der Verlängerung der Bewährungszeit abzuwägen ist, kann aus den zuvor genannten Gesichtspunkten ebenfalls generell nur das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde in Betracht kommen. Denn durch die Verlängerung der Bewährungszeit wird gleichzeitig ausdrücklich oder jedenfalls der Sache nach entschieden, dass diese Maßnahme ausreicht und deswegen von einem (an sich möglichen) Widerruf abgesehen wird. Dies gilt unabhängig von einem zuvor gestellten Antrag der Staatsanwaltschaft. Auch in diesen Fällen hat der Verurteilte ein starkes Interesse an einer rechtskräftigen Klärung seiner Vollstreckungssituation. Auch muss, was für die Anordnung des Widerrufs gilt, denknotwendig auch für eine entsprechende negative Entscheidung gelten. Für Letztere sind hinsichtlich der Qua-lität des Rechtsmittels dieselben Gründe von Bedeutung, wie im Falle des aus-gesprochenen Widerrufs (OLG Hamm, NStZ 1988, 291; LR-Wendisch, StPO, 25. Aufl. § 453 Rdn. 27). Aber auch unabhängig von der Antragstellung der Staatsanwaltschaft muss dann das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde statthaft sein, denn das über den Bewährungswiderruf zu befindende Gericht ist an den Antrag der Staatsanwaltschaft nicht gebunden. Vielmehr hat dieses eine umfassende Prüfung vorzunehmen. Daher kann es für die Statthaftigkeit eines Rechtsmittels keinen Unterschied machen, ob bzw. welchen Antrag die Staatsanwaltschaft gestellt hat (so im Ergebnis auch schon OLG Hamm NStZ 1988, 105). Ansonsten wäre die Wahl des statthaften Rechtsmittels von bloßen Zufälligkeiten abhängig (vgl. Beschluss des hiesigen 3. Strafsenats vom 24. Februar 2009 in 3 Ws 23/09 = NStZ 2010, 105). 3. Das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft Duisburg, bei dem es sich wie vorstehend dargelegt um eine sofortige Beschwerde handelt, war als unzulässig, da verfristet, zu verwerfen. Die Beschwerde der Staatsanwaltschaft Duisburg ging ausweislich des Eingangs-stempels des Landgerichts Essen auf der Beschwerdeschrift dort erst am 07. Mai 2010 (Freitag) und damit verspätet ein. Die zu beachtende Wochenfrist des § 311 Abs. 2 StPO, die mit Zustellung des angefochtenen Beschlusses am 29. April 2010 in Lauf gesetzt wurde, lief nach § 43 Abs. 1 StPO am 06. Mai 2010 (Donnerstag) ab. III. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 473 Abs. 1 und Abs. 2 StPO. |
zur Startseite "Rechtsprechung"
zum SuchformularDie Nutzung von Burhoff-Online ist kostenlos. Der Betrieb der Homepage verursacht aber für Wartungs-, Verbesserungsarbeiten und Speicherplatz laufende Kosten.
Wenn Sie daher Burhoff-Online freundlicherweise durch einen kleinen Obolus unterstützen wollen, haben Sie hier eine "Spendenmöglichkeit".