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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 2 Ss OWi 200/06 OLG Hamm

Leitsatz: Der Fahrer eines Pkw ist trotz eingeschaltetem (defektem) Tempomat verpflichtet, die von ihm gefahrene Geschwindigkeit zu kontrollieren und so die Einhaltung von Beschränkungen der Höchstgeschwindigkeit zu gewährleisten.

Senat: 2

Gegenstand: Rechtsbeschwerde Beschwerde Haftprüfung durch das OLG Pauschgebühr Justizverwaltungssache Antrag auf gerichtliche Entscheidung

Stichworte: Tempomat; Kontrollpflicht; Fahrverbot; Absehen

Normen: StVO 3; BKatV 4

Beschluss:

Bußgeldsache
gegen M.T.
wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit.
Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen vom 16. Januar 2006 gegen das Urteil des Amtsgerichts Herne-Wanne vom 12. Januar 2006 hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 21. 04. 2006 durch den Richter am Landgericht (als Einzelrichter gem. § 80 a Abs. 1 OWiG) auf Antrag der Generalstaatsanwaltschaft und nach Anhörung des Betroffenen bzw. seines Verteidigers beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde wird als unbegründet verworfen.
Die Kosten des Rechtsmittels fallen dem Betroffenen zur Last.
Gründe
Das Amtsgericht hat den Betroffenen wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit zu einer Geldbuße von 110,- € verurteilt und nach §§ 41 Abs. 2, 49 StVO, §§ 24, 25 StVG, § 4 Abs. 1 BKatV ein Fahrverbot von einem Monat festgesetzt.
Nach den getroffenen Feststellungen befuhr der Betroffene am 30. April 2005 um 15.55 Uhr mit seinem damaligen Firmenfahrzeug Daimler Chrysler, amtliches Kennzeichen XXXXXXX in Herne die Bundesautobahn 42 in Fahrtrichtung Duisburg, wobei dort die zulässige Höchstgeschwindigkeit gemäß § 41 (Zeichen 274) StVO auf 100 Km/h beschränkt ist. Auf der Fahrt wurde der Betroffene mit einer gefahrenen Geschwindigkeit von 152 Km/h gemessen. Die Geschwindigkeitsmessung erfolgte mit dem Radarmessgerät Multanova 6 F. Das Amtsgericht ist unter Berücksichtigung eines Toleranzwertes von 3 %, aufgerundet auf 5 Km/h, von einer Überschreitung der zulässigen Geschwindigkeit um 47 Km/h ausgegangen.
Mit seiner Rechtsbeschwerde erhebt der Betroffene die Sachrüge und eine Verfahrensrüge.
Mit der Sachrüge macht er geltend, das Amtsgericht habe sein Ermessen im Hinblick auf die Anordnung des einmonatigen Fahrverbotes nicht pflichtgemäß ausgeübt, da es sich insbesondere nicht mit den Besonderheiten des Einzelfall und der besonderen Härte für den Betroffenen hinreichend auseinandergesetzt habe.
Mit der Verfahrensrüge macht der Betroffene geltend, dass Amtsgericht habe in den Urteilsgründen Feststellungen getroffen, die einer Wahrunterstellung im Hinblick auf einen Defekt des vom Betroffenen zum Tatzeitpunkt eingesetzten Tempomats seines Fahrzeuges widersprechen. Bei zutreffender Anwendung der vom Amtsgericht zugesicherten Wahrunterstellung entfalle der Fahrlässigkeitsvorwurf.
Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die Rechtbeschwerde als offensichtlich unbegründet zu verwerfen.
Die zulässige Rechtbeschwerde des Betroffenen hat - entsprechend dem Antrag der Generalstaatsanwaltschaft - keinen Erfolg.
Die vom Amtsgericht getroffenen tatsächlichen Feststellungen tragen die Verurteilung wegen einer fahrlässigen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit gemäß §§ 3 Abs. 3, 41 (Zeichen 274), 49 StVO, § 24 StVG. Es ist dabei nicht zu beanstanden, dass das angefochtene Urteil sich hinsichtlich der Feststellungen zur Zuverlässigkeit der Geschwindigkeitsmessung darauf beschränkt, dass die Messung mit dem Radargerät Multanova 6 F vorgenommen wurde und die Tatrichterin zum Ausgleich von Messungenauigkeiten einen Toleranzwert von 5 Km/h von der gemessenen Geschwindigkeit abgezogen hat. Dies ist, wenn - wie hier - Besonderheiten nicht vorliegen, nach ständiger Rechtsprechung aller Obergerichte ausreichend, zu-
mal der Betroffene die Geschwindigkeitsüberschreitung an sich und auch deren Höhe geständig eingeräumt bzw. nicht bestritten hat.
2.
Die formelle Rüge der Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg und führt ebenfalls nicht zur Aufhebung des angefochtenen Urteils. Hierbei kann letztlich dahingestellt bleiben, ob das Amtsgericht eine von ihm selbst anlässlich der Beweisanträge des Betroffenen beschlossene Wahrunterstellung nicht eingehalten hat, was allerdings nahe liegt, weil nach ständiger Rechtsprechung der Obergerichte eine Wahrunterstellung dazu zwingt, die behauptete Tatsache in ihrem wirklichen Sinn und ohne jede Einschränkung, Einengung, Verschiebung oder sonstige Änderung in den Urteilsfeststellungen als wahr zu behandeln (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 28. Juni 1999 in 2 Ss 612/99 = VRS 98, 30; StraFo 1999, 306; Meyer-Goßner, StPO, 48. Aufl., § 44 Rdnr. 71). Das erscheint nicht eingehalten, da das Amtsgericht die als wahr unterstellten Tatsachen über den Defekt des Tempomats, den Zeitpunkt seines erstmaligen Auftreten und seine Erkennbarkeit in den Urteilsgründen doch in Zweifel zieht und sie als Schutzbehauptungen wertet.
Hierauf beruht die Verurteilung wegen fahrlässiger Geschwindigkeitsüberschreitung jedoch nicht, weil die als wahr unterstellten aber in Zweifel gezogenen Tatsachen ersichtlich nicht Anknüpfungspunkt für den Fahrlässigkeitsvorwurf sind. Vielmehr hat das Amtsgericht ausweislich der Urteilsfeststellungen den Fahrlässigkeitsvorwurf zutreffend daran anknüpft, dass der Betroffene trotz eingeschaltetem (defektem) Tempomat verpflichtet bleibt, die von ihm gefahrene Geschwindigkeit zu kontrollieren und so die Einhaltung von Beschränkungen der Höchstgeschwindigkeit zu gewährleisten. Jedenfalls gegen diese Kontroll- und Überwachungspflicht hat der Betroffene (fahrlässig) verstoßen, weil er ansonsten die tatsächlich gefahrene Geschwindigkeit sofort auf die zulässige hätte reduziert müssen. Für diesen Fahrlässigkeitsvorwurf ist die beantragte Beweiserhebung über einen Defekt des Tempomats tatsächlich auch (zu Gunsten des Betroffenen) überflüssig, weil der ihm bekannte Defekt keinen Einfluss auf diese Kontrollpflicht hat und sie insbesondere nicht entfallen lässt.
3.
Auch die Überprüfung des Rechtsfolgenausspruchs lässt Rechtsfehler, die zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung insoweit führen könnten, nicht erkennen.
Die äußerst maßvolle Erhöhung des Regelbußgeldes um 10,- € auf 110,- € ist nicht zu beanstanden, da der Betroffene gerade erst am 2. November 2004 wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung von 23 Km/h außerhalb geschlossener Ortschaften mit einer Geldbuße in Höhe von 40,- € belegt worden war.
Das Amtsgericht hat die vom Betroffenen angegriffene Anordnung des Fahrverbotes zutreffend auf das Regelbeispiel des § 4 Abs. 1 Nr. 1 BKatV gestützt. Die Feststel lungen ergeben zweifelsfrei das Vorliegen eines groben Verstoßes gegen die Pflichten eines Kraftfahrzeugführers. Die festgestellte Geschwindigkeitsüberschreitung ist grob, weil es sich um eine erhebliche handelt. Derartige Verkehrsverstöße sind immer wieder Ursache schwerer Verkehrsunfälle.
Das verhängte Fahrverbot ist auch nicht unverhältnismäßig. Ausweislich der Urteilsfeststellungen haben sich in der Hauptverhandlung keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass ein einmonatiges Fahrverbot die wirtschaftliche Existenz des Betroffenen gefährden würde. Die im Rahmen der Rechtsbeschwerde allein mögliche Überprüfung dieser Beurteilung auf Lückenhaftigkeit oder Widersprüchlichkeit hat keinen Fehler zu Lasten des Betroffenen ergeben. Allein der Umstand, dass der Betroffene seine freiberufliche Tätigkeit jedenfalls nicht an seinem Wohnort betreibt, führt nicht zu der Annahme, dass ihn ein einmonatiges Fahrverbot, dessen Zeitpunkt er überdies in den Grenzen der Nebenentscheidung bestimmen kann, in seiner wirtschaftlichen Existenz gefährden würde. Insbesondere ist die Erwägung des Amtsgerichts, der Betroffene könne seinen derzeitigen (einzigen) Auftraggeber in Köln und einen möglicher Weise zweiten Auftraggeber in Stuttgart ab August 2006 auch mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichen, frei von Denk- und Rechtsfehlern.
Soweit die Rechtsbeschwerde dieser Einschätzung des Amtsgerichts mit den tatsächlichen Ausführungen entgegen tritt, dass der Betroffene projektbezogene Tätig-
keiten von kurzer Dauer ausübe, sich Folgeaufträge erst sehr kurzfristig ergeben, er häufig mehrere Projekte parallel an verschiedenen Orten bearbeite und deswegen für seine berufliche Tätigkeit eine hohe Mobilität erforderlich sei, können diese Ausführungen nicht berücksichtigt werden. Sie finden keine Erwähnung in den Urteilsfeststellungen. Nur diese können aber im Rahmen der Rechtsbeschwerde einer (so begrenzten) Überprüfung unterzogen werden.
Schließlich hat die Tatrichterin bei der Beurteilung der Verhältnismäßigkeit des Fahrverbotes die Möglichkeit gesehen und erwogen, gegen eine Erhöhung der Geldbuße vom Fahrverbot abzusehen, dies aber im Ergebnis unter Hinweis auf den bereit kurz zuvor stattgefundenen Verstoß abgelehnt. Diese Entschidung hält sich im Rahmen rechtsfehlerfreien Ermessens.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 StPO i.V.m. §§ 6, 79 Abs. 3 OWiG.
Labentz




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