Aktenzeichen: 2 Ws 29/11 OLG Hamm |
Leitsatz: 1. Gegen die Ablehnung der von der Staatsanwaltschaft beantragten nachträglichen Verlängerung der Bewährungszeit ist die einfache Beschwerde gegeben. 2. Die in § 56 f Abs. 2 StGB enthaltene Beschränkung bei der Verlängerung der Bewährungszeit gilt unabhängig vom Wortlaut nur, wenn die Bewährungszeit über das in § 56a Abs. 1 StGB bestimmte Höchstmaß von 5 Jahren hinaus verlängert werden soll. |
Senat: 2 |
Gegenstand: Beschwerde |
Stichworte: Widerruf; Strafaussetzung; Bewährungszeit; Verlängerung |
Normen: StPO 300, StPO 453; StGB 56f; StGB 56g |
Beschluss: Strafvollstreckungssache gegen pp. wegen gefährlicher Körperverletzung u. a., (hier: Verlängerung der Bewährungszeit). Auf die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft vom 22. Oktober 2010 gegen den Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts vom 07. Oktober 2010 hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 15. März 2011 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, die Richterin am Oberlandesgericht und die Richterin am Oberlandesgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft und des Verurteilten beschlossen: Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben. Gründe: I. Mit Beschluss des Amtsgerichts vom 11. Mai 2004 wurde aus den Strafen aus dem Strafbefehl des Amtsgerichts vom 2. August 2000, dem Urteil des Amtsgerichts vom 20. Februar 2001 und dem Urteil des Amtsgerichts vom 8. Mai 2001 nachträglich eine Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und zwei Monaten gebildet. Die Vollstreckung der Reststrafe aus diesem Gesamtstrafenbeschluss wurde mit Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts vom 1. Dezember 2005, rechtskräftig seit dem 16. Dezember 2005, zur Bewährung ausgesetzt. Die Bewährungszeit wurde auf drei Jahre festgesetzt und lief daher ursprünglich bis zum 15. Dezember 2008. Nachdem der Verurteilte mit Urteil des Amtsgerichts H. vom 26. Juli 2007 wegen Sachbeschädigung und Beleidigung in zwei Fällen zu einer Gesamtgeldstrafe von 100 Tagessätzen verurteilt worden war, hat die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts mit Beschluss vom 25. Januar 2008 die Bewährungszeit um ein Jahr und sechs Monate verlängert; sie lief demnach nunmehr bis zum 15. Juni 2010. Mit Urteil des Amtsgerichts H. vom 4. Dezember 2008 ist der Verurteilte wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen verurteilt worden. Dies nahm die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts zum Anlass, die Bewährungszeit mit Beschluss vom 11. März 2009 um weitere sechs Monate zu verlängern. Die Bewährungszeit endete damit nunmehr am 15. Dezember 2010 und betrug jetzt insgesamt fünf Jahre. Mit dem vorgenannten Beschluss hat die Kammer zudem den Antrag der Staatsanwaltschaft auf Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung zurückgewiesen. Der Verurteilte wurde erneut straffällig; mit Urteil des Amtsgerichts H. vom 8. September 2009 ist er wegen Beleidigung in zwei Fällen zu einer Gesamtgeldstrafe von 80 Tagessätzen verurteilt worden. Die Staatsanwaltschaft beantragte daraufhin unter dem 10. Mai 2010, die Bewährungszeit um ein Jahr zu verlängern. Mit Beschluss vom 30. Juli 2010 hat die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts die Bewährungszeit jedoch - unter Zurückweisung des Weitergehenden Verlängerungsantrags der Staatsanwaltschaft - lediglich um weitere sechs Monate bis zum 15.12.2010 verlängert. In den Gründen dieses Beschlusses wird ausschließlich die erste Verlängerung der Bewährungszeit um ein Jahr und sechs Monate aufgeführt; die mit Beschluss vom 11. März 2009 ausgesprochene, zweite Verlängerung ist hingegen offensichtlich übersehen worden. Die tatsächlich erfolgte, nunmehr dritte Verlängerung der Bewährungszeit um lediglich sechs Monate anstelle des von der Staatsanwaltschaft beantragten Verlängerungszeitraums von einem Jahr hat die Strafvollstreckungskammer damit begründet, dass einer Verlängerung der Bewährungszeit über sechs Monate hinaus die Höchstfrist von fünf Jahren gemäß § 56 a Abs. 1 StPO entgegenstehe. Nachdem Staatsanwaltschaft und Strafvollstreckungskammer nachfolgend festgestellt hatten, dass bei der Beschlussfassung vom 30. Juli 2010 die vorausgegangene zweite, mit Beschluss vom 11. März 2009 angeordnete Verlängerung der Bewährungszeit um sechs Monate übersehen und damit auch das Ende der Bewährungszeit falsch berechnet worden war, übersandte die Strafvollstreckungskammer die Akten der Staatsanwaltschaft zur Stellungnahme, da ihrer Ansicht nach eine Verlängerung über den 15. Dezember 2010 hinaus nicht mehr hätte erfolgen dürfen. Die Strafvollstreckungskammer wies in der Übersendungsverfügung auf ihre Absicht hin, von weiteren Maßnahmen abzusehen, da die Höchstfrist gemäß § 56 a Abs. 1 StGB durch die ersten beiden Verlängerungen bereits erreicht sei und ein Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung unverhältnismäßig erscheine. Die Staatsanwaltschaft widersprach dieser Sichtweise und beantragte unter Hinweis auf eine ihrer Auffassung nach zulässige Verlängerung der Bewährungszeit über fünf Jahre hinaus, den Beschluss vom 30. Juli 2010 hinsichtlich der Angabe des Endes der Bewährungszeit dahingehend zu berichtigen, dass die Bewährungszeit erst am 15. Juni 2011 abläuft. Mit Beschluss vom 7. Oktober 2010 hat die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts festgestellt, dass die Bewährungszeit am 15. Dezember 2010 endet, den Beschluss der Kammer vom 30. Juli 2010 für gegenstandslos erklärt und zudem den Verlängerungsantrag der Staatsanwaltschaft vom 10. Mai 2010 zurückgewiesen. Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt, dass eine Verlängerung über die Höchstfrist des § 56 a Abs. 1 StGB hinaus nur dann in Betracht komme, wenn die ursprüngliche Bewährungszeit so bemessen sei, dass bei einer Verlängerung um ihre Hälfte insgesamt fünf Jahre überschritten würden. Ein Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung komme unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände und angesichts der Art und Schwere der neuen Verfehlung nicht in Betracht, so dass von weiteren Maßnahmen abzusehen sei. Gegen diesen der Staatsanwaltschaft am 20. Oktober 2010 zugestellten Beschluss hat diese am 22. Oktober 2010 sofortige Beschwerde eingelegt. Zur Begründung wird ausgeführt, dass der Beschluss vom 30. Juli 2010 in Rechtskraft erwachsen sei. Unter Hinweis auf die Rechtsprechung insbesondere des Kammergerichts Berlin führt die Staatsanwaltschaft weiter aus, dass eine Verlängerung der Bewährungszeit über fünf Jahre hinaus bis zur absoluten Höchstgrenze, welche durch die Summe des gesetzlichen Höchstmaßes von 5 Jahren und der Hälfte der zunächst festgesetzten Bewährungszeit bestimmt werde, möglich sei. Die Staatsanwaltschaft hat daher beantragt, den Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts vom 7. Oktober 2010 aufzuheben und die Bewährungszeit um ein weiteres Jahr (gemeint ist offensichtlich, wie bereits am 10. Mai 2010 beantragt, bis zum 15. Dezember 2011) zu verlängern. Die Generalstaatsanwaltschaft hat sich dem angeschlossen. Der Verurteilte hat sich in seiner schriftlichen Gegenerklärung mit einer weiteren Verlängerung der Bewährungszeit einverstanden erklärt. II. Die zulässige Beschwerde der Staatsanwaltschaft hat in der Sache Erfolg und führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses. 1. Entgegen seiner Bezeichnung als sofortige Beschwerde ist das eingelegte Rechtsmittel als (einfache) Beschwerde anzusehen (§ 300 StPO). Bei der vorliegenden Fallgestaltung ist als statthaftes Rechtsmittel nur die einfache Beschwerde gemäß § 453 Abs. 2 Satz 1 und 2 StPO gegeben und nicht die sofortige Beschwerde nach § 453 Abs. 2 Satz 3 StPO. Gemäß § 453 Abs. 2 Satz 1 StPO ist gegen die Entscheidungen nach § 453 Abs. 1 StPO die (einfache) Beschwerde zulässig. Gemäß § 453 Abs. 2 Satz 3 StPO können der Widerruf der Aussetzung, der Erlass der Strafe, der Widerruf des Erlasses, die Verurteilung zu der vorbehaltenen Strafe und die Feststellung, dass es bei der Verwarnung sein Bewenden hat (§§ 56 f, 56 g, 59 b des Strafgesetzbuches), mit sofortiger Beschwerde angefochten werden. Nach dem Wortlaut dieser Vorschrift unterliegen somit nur die in § 453 Abs. 2 Satz 3 StPO ausdrücklich genannten, nicht etwa alle auf §§ 56 f, 56 g oder 59 b StGB gestützten Entscheidungen der sofortigen Beschwerde. Eine Ausnahme gilt indes nach inzwischen überwiegender Rechtsprechung und herrschender Meinung in der Literatur für den Beschluss, mit welchem ein Antrag der Staatsanwaltschaft auf Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung abgelehnt wird; dieser ist nach herrschender Meinung aus Gründen der Rechtssicherheit entsprechend § 453 Abs. 2 Satz 3 nur mit dem Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde, die - anders als die einfache Beschwerde (vgl. § 453 Abs. 2 S. 2 StPO) - eine uneingeschränkte Überprüfungsmöglichkeit eröffnet, anfechtbar (vgl. OLG Hamm NStZ 1988, 291 und NStZ 2010, 105; Beschluss vom 10. Februar 2011, 5 Ws 166/10; OLG Düsseldorf MDR 1989, 666 und NStZ-RR 2002, 28; OLG Hamburg StV 1990, 270 und NStZ - RR 2005, 221; OLG Saarbrücken MDR 1992, 205; OLG Stuttgart NStZ 1995, 53, 54; OLG Zweibrücken NStZ-RR 1998, 93; OLG Naumburg, Beschluss vom 19. September 2001, 1 Ws 343/01, bei juris; Meyer-Goßner, StPO, 53. Aufl., § 453 Rdnr. 13; KK-Appl, StPO, 6. Aufl., § 453 Rdnr. 16). Auch für den wie hier vorliegenden Fall, dass die Staatsanwaltschaft die Verlängerung der Bewährungszeit beantragt und die Strafvollstreckungskammer antragsgemäß oder aber lediglich hinsichtlich der Dauer der Verlängerung differierend entschieden hat, wird teilweise vertreten, dass dann ebenfalls die sofortige Beschwerde das statthafte Rechtsmittel sei. Begründet wird dies damit, dass in den Fällen, in denen zwischen dem Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung und der Verlängerung der Bewährungszeit als Reaktion auf ein bewährungsrechtlich relevantes Fehlverhalten abzuwägen sei, durch die bloße Verlängerung der Bewährungszeit gleichzeitig ausdrücklich oder jedenfalls der Sache nach entschieden werde, dass diese Maßnahme ausreiche und deswegen von einem (grundsätzlich möglichen) Widerruf abgesehen werde. Dies gelte unabhängig von dem Inhalt eines zuvor gestellten Antrags der Staatsanwaltschaft. Auch in diesen Fällen habe der Verurteilte ein starkes Interesse an einer rechtskräftigen Klärung seiner Vollstreckungssituation. Unabhängig von der Antragstellung der Staatsanwaltschaft müsse dann das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde eröffnet sein, denn das über den möglichen Bewährungswiderruf zu befindende Gericht sei an den Antrag der Staatsanwaltschaft nicht gebunden. Vielmehr habe dieses eine umfassende, eigenständige Prüfung vorzunehmen. Daher könne es für die Statthaftigkeit eines Rechtsmittels keinen Unterschied machen, ob bzw. welchen Antrag die Staatsanwaltschaft gestellt habe (so im Ergebnis auch schon OLG Hamm NStZ 1988, 105). Ansonsten wäre die Wahl des statthaften Rechtsmittels von bloßen Zufälligkeiten abhängig (vgl. OLG Hamm, Beschluss des 3. Strafsenats vom 24. Februar 2009, 3 Ws 23/09 = NStZ 2010, 105, und des hiesigen 5. Strafsenats vom 10. Februar 2011, 5 Ws 166/10). Der Senat vermag sich dieser letztgenannten Auffassung nicht anzuschließen. Dem insoweit eindeutigen Gesetzeswortlaut des § 453 Abs. 2 StPO ist zu entnehmen, dass die sofortige Beschwerde (nur) in den dort enumerativ aufgezählten Fällen das statthafte Rechtsmittel ist und in den übrigen, von § 453 Abs. 1 StPO erfassten Fällen - insbesondere auch bei Entscheidungen über die Verlängerung der Bewährungszeit - die einfache Beschwerde eröffnet ist. Hat die Staatsanwaltschaft von vornherein nur eine Verlängerung der Bewährungszeit beantragt, muss das Interesse des Verurteilten, alsbald und verbindlich geklärt zu wissen, ob ein in Rede stehendes Fehlverhalten zu für ihn nachteiligen Folgen führt, zurücktreten. Es ist kein Grund dafür ersichtlich, auch in diesen Fällen - entgegen dem Wortlaut des § 453 Abs. 2 StPO - als statthaftes Rechtsmittel die sofortige Beschwerde mit uneingeschränkter Prüfungskompetenz zu eröffnen (vgl. OLG Stuttgart, Beschluss vom 02. Dezember 1999, NStZ 2000, 313; OLG Oldenburg, Beschluss vom 16. November 2006, StraFo 2007, 33). Dies würde bedeuten, dass letztlich jede auf § 56 f StGB gestützte Verlängerung der Bewährungszeit einzig mit der sofortigen Beschwerde angefochten werden könnte bzw. müsste. Ein entsprechender gesetzgeberischer Wille ergibt sich weder aus dem Gesetzeswortlaut noch im Wege der Gesetzesauslegung. Auch liegt keine planwidrige gesetzliche Regelungslücke vor, welche eine entsprechende analoge Anwendung des § 453 Abs. 2 S. 3 StPO auf sämtliche Verlängerungsentscheidungen rechtfertigen könnte. Auch der Gesichtspunkt des schutzwürdigen Interesses des Verurteilten an der alsbaldigen Klärung seiner Vollstreckungssituation gebietet dies nicht. Sollte die Staatsanwaltschaft in Einzelfällen entgegen ihrem ursprünglichen Antrag und der nachfolgenden antragsgemäßen Entscheidung gegen die vom Gericht beschlossene Verlängerung der Bewährungszeit auf der Grundlage einer - ggf. auf zwischenzeitlichen neuen Erkenntnissen beruhenden - abweichenden Prognosebeurteilung nunmehr nach geraumer Zeit Beschwerde gegen die Bewährungszeitverlängerung mit dem Ziel des Widerrufs der Strafaussetzung zur Bewährung einlegen, wäre den Interessen des Verurteilten dadurch hinreichend Genüge getan, dass Vertrauensschutz- und Verwirkungsgesichtspunkte im Beschwerdeverfahren nach §§ 306 ff. StPO die notwendige Berücksichtigung finden (vgl. für einen derartigen Fall OLG Oldenburg, a. a. O.). Die demnach hier statthafte und auch im Übrigen zulässige einfache Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen den Beschluss der Strafvollstreckungskammer vom 07. Oktober 2010, mit dem der Beschluss vom 30. Juli 2010 für gegenstandslos erklärt und der Antrag der Staatsanwaltschaft auf Verlängerung der Bewährungszeit zurückgewiesen worden ist, eröffnet lediglich die eingeschränkte Überprüfung auf Gesetzwidrigkeit der zugrunde liegenden Entscheidung gem. § 453 Abs. 2 S. 2, 1. Alt StPO (vgl. OLG Stuttgart, a. a. O.; KMR - Stöckel, StPO, § 453, Rz. 36; Karlsruher Kommentar- Fischer, StPO, § 453, Rz. 13). 2. Die Beschwerde ist unter Beachtung dieses Prüfungsmaßstabes begründet, da die Entscheidung der Strafvollstreckungskammer, den Beschluss vom 30. Juli 2010 für gegenstandslos zu erklären, das Ende der Bewährungszeit zum 15. Dezember 2010 festzustellen und den Verlängerungsantrag der Staatsanwaltschaft vom 10. Mai 2010 zurückzuweisen, gesetzeswidrig ist. Eine Anordnung ist gesetzeswidrig, wenn sie keine gesetzliche Grundlage hat, unverhältnismäßig bzw. unzumutbar ist oder einen Ermessensmissbrauch darstellt. Die Entscheidung der Strafvollstreckungskammer, ihren Beschluss vom 30. Juli 2010 für gegenstandslos zu erklären, mit dem sie die Bewährungszeit um weitere sechs Monate bis zum 15. Juni 2011 - im Beschluss wurde aufgrund eines offensichtlichen Versehens fälschlich der 15. Dezember 2010 als berechnetes Ende der Bewährungszeit aufgeführt - verlängert hatte (die Bewährungszeit betrug damit insgesamt fünf Jahre und sechs Monate), und den Verlängerungsantrag der Staatsanwaltschaft vom 10. Mai 2010 vollumfänglich zurückzuweisen, findet im Gesetz keine Grundlage. a) Zwar war die Strafvollstreckungskammer befugt, ihre eigene Entscheidung abzuändern bzw. aufzuheben, da der Beschluss vom 30. Juli 2010 nicht in Rechtskraft erwachsen ist. Mit diesem Beschluss hatte die Strafvollstreckungskammer nach entsprechendem - nur hinsichtlich der Dauer der Verlängerung differierendem - Antrag der Staatsanwaltschaft die Bewährungszeit verlängert, so dass auch hiergegen das Rechtsmittel der (einfachen) Beschwerde eröffnet war. In diesen Fällen kann das Gericht seine Entscheidung selbst korrigieren (vgl. Meyer-Goßner, a. a. O., vor § 296, Rz. 24). b) Der angefochtene Beschluss ist jedoch deshalb gesetzeswidrig, weil eine Verlängerung der Bewährungszeit über fünf Jahre hinaus möglich war und damit der angefochtene Beschluss, mit dem eine durch die vorausgegangene Entscheidung vom 30. Juli 2010 wirksam ausgesprochene Verlängerung der Bewährungszeit um (nur) 6 Monate auf nunmehr insgesamt 5 Jahre 6 Monate unter Zurückweisung des weitergehenden Verlängerungsantrags der Staatsanwaltschaft durch Gegenstandsloserklärung quasi rückgängig gemacht werden sollte, der gesetzlichen Grundlage entbehrt. In Rechtsprechung und Schrifttum ist umstritten, ob bei zunächst kürzeren Bewährungszeiten von ursprünglich unter drei Jahren und vier Monaten eine Verlängerung der Bewährungszeit über fünf Jahre überhaupt möglich ist. Dieser Meinungsstreit resultiert aus dem Spannungsverhältnis zwischen § 56 a Abs. 1 und 2 StGB einerseits, wonach die Bewährungszeit nachträglich - auch ohne Vorliegen von Widerrufsgründen - bis auf das Höchstmaß von fünf Jahren verlängert werden kann, und § 56 f Abs. 2 S. 2 StGB andererseits, wonach die Bewährungszeit - statt eines Widerrufs der Strafaussetzung der Bewährung - verlängert werden kann (sofern dies als Reaktion auf das in Rede stehende Fehlverhalten des Probanden ausreicht), allerdings um nicht mehr als die Hälfte der zunächst bestimmten Bewährungszeit. Darüber, wie diese beiden Vorschriften im Verhältnis zueinander auszulegen sind, werden in Rechtsprechung und Schrifttum unterschiedliche Auffassungen vertreten. Es besteht überwiegend Einigkeit darin, dass eine auch mehrfache Verlängerung der Bewährungszeit bis zu der in § 56 a Abs. 1 StGB vorgesehen Höchstgrenze von fünf Jahren - unabhängig von der Dauer der zunächst bestimmten Bewährungszeit und ungeachtet der Regelung des § 56 f Abs. 2 S. 2 StGB - möglich ist (vgl. Brandenburgisches OLG, Beschluss vom 03. Juli 2008, 2 Ws 107/08, bei juris; OLG Thüringen, Beschluss vom 15. Januar 2010, 1 Ws 538/09, VRS 118, 274; OLG Celle, Beschluss vom 01. Juli 2010, 2 Ws 222/10, NdsRpfl 2010, 412; OLG Dresden, Beschluss vom 02. September 2010, Rpfleger 2011, 114; Schönke, Schröder-Stree, StGB, 27. Aufl., § 56f Rz. 10a). Streitig ist hingegen, ob bei einer ursprünglichen Bewährungszeit von unter drei Jahren und vier Monaten eine mehrfache Verlängerung unter Überschreitung der in § 56 a Abs. 1 StGB genannten Fünfjahresgrenze möglich ist (vgl. zum Meinungsstand Fischer, StGB, 58. Aufl., § 56 f Rn. 17-17 b). Der Senat vertritt hierzu die Auffassung, dass eine - u. U. auch mehrfache - Verlängerung der Bewährungszeit unter Überschreitung des in § 56 a Abs. 1 StGB vorgesehen Höchstmaßes von fünf Jahren möglich bzw. zulässig ist und jede Bewährungszeitverlängerung ihre Grenze (erst) bei Erreichen des absoluten Höchstmaßes von fünf Jahren zuzüglich der Hälfte der zunächst bestimmten Bewährungszeit (im vorliegenden sechs Jahre und sechs Monate) erfährt. Dieses Ergebnis ergibt sich aus der Auslegung der in ihrem Wortlaut - was ihr Verhältnis zueinander betrifft - insoweit nicht eindeutigen einschlägigen gesetzlichen Regelungen der § 56 a Abs. 1 S. 2, § 56 f Abs. 2 S. 2 StGB unter maßgeblicher Berücksichtigung ihrer Entstehungsgeschichte. Wie bereits das Brandenburgische Oberlandesgericht in seiner oben zitierten Entscheidung im Einzelnen dargelegt hat, geht die heutige Fassung des § 56 f Abs. 2 StGB auf eine Abänderung der Vorschrift durch das 23. Strafrechtsänderungsgesetz vom 13. April 1986zurück. Bis zum Inkrafttreten dieses Gesetzes am 1. Mai 1986 lautete die Vorschrift wie folgt: Das Gericht sieht jedoch von dem Widerruf ab, wenn es ausreicht, die Bewährungszeit zu verlängern oder weitere Auflagen oder Weisungen zu erteilen, namentlich den Verurteilten einem Bewährungshelfer zu unterstellen (§ 56 e); das Höchstmaß der Bewährungszeit (§ 56 a Abs. 1 Satz 2) kann überschritten werden, jedoch darf in diesem Fall die Bewährungszeit nicht um mehr als die Hälfte verlängert werden. Der Wortlaut der früheren Fassung des § 56 f Abs. 2 StGB war demnach eindeutig; danach konnte das in § 56 a Abs. 1 StGB bestimmte Höchstmaß der Bewährungszeit von 5 Jahren überschritten werden; die Beschränkung der Verlängerung der Bewährungszeit um nicht mehr als deren Hälfte bezog sich lediglich auf den Fall der Überschreitung dieser Höchstgrenze von fünf Jahren. Diese Regelung sollte nach dem Regierungsentwurf zum 23. Strafrechtsänderungsgesetz unverändert bleiben (BT-Drucks. 10/2720, S. 4). Vom Bundesrat wurde dann jedoch vorgeschlagen, § 56 f Abs. 2 StGB wie folgt zu fassen (BT-Drucks., a. a. O., S. 21): Das Gericht sieht jedoch von dem Widerruf ab, wenn es ausreicht, 2. die Bewährungs- oder Unterstellungszeit zu verlängern. In den Fällen der Nr. 2 kann das Höchstmaß der Bewährungs- und Unterstellungszeit überschritten werden, jedoch darf die Bewährungszeit nicht um mehr als die Hälfte der zunächst bestimmten Bewährungszeit verlängert werden. Auch nach diesem Vorschlag war eine inhaltliche Verknüpfung zwischen dem Überschreiten des Höchstmaßes der Bewährungszeit und der Verlängerung der Bewährungszeit um nicht mehr als die Hälfte noch vorgesehen. Der Begründung zu diesem Gesetzesvorschlag (BT-Drucks., a. a. O., S. 22) ist auch nicht zu entnehmen, dass insoweit eine inhaltliche Änderung der bisherigen Regelung angestrebt wurde. Erst die Beratung der Gesetzesvorlage im Rechtsausschuss des Bundestages führte dann zu der heutigen Fassung des § 56 f Abs. 2 Satz 2 StGB. Dabei ist aus der vom Bundesrat vorgeschlagenen Formulierung die Wortfolge kann das Höchstmaß der Bewährungs- und Unterstellungszeit überschritten werden, jedoch herausgefallen (BT-Drucksache 10/4391, S. 5). Zur Begründung ist der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses (BT-Drucks. 10/4391, S. 17) lediglich folgender Satz zu entnehmen: Die Änderung des Absatzes 2 nimmt eine Anregung des Bundesrates auf, die Vorschrift redaktionell klarer zu fassen. Die früher eindeutige Fassung des § 56 f Abs. 2 StGB und die Tatsache, dass letztlich eine inhaltliche Änderung ihres Bedeutungsgehaltes unter Berücksichtigung der Gesetzesmaterialien zum Gesetzgebungsverfahren mit der Neufassung dieser Vorschrift offenbar nicht gewollt war, lassen nach Auffassung des Senats nur den Schluss zu, dass eine Beschränkung der bis dahin bestehenden Verlängerungsmöglichkeiten nicht beabsichtigt war und die zeitliche Grenze des § 56 f Abs. 2 S. 2 StGB erst bei Überschreiten des Höchstmaßes von 5 Jahren gem. § 56 a Abs. 1 StGB bedeutsam sein sollte (so auch Brandenburgisches OLG, Beschluss vom 03. Juli 2008, 2 Ws 107/08; im Ergebnis ebenso OLG Hamm JMBl. NW 1987, 6 f.; OLG Oldenburg NStZ 1988, 502 f.; OLG Schleswig SchlHA II/1988, 31; OLG Braunschweig StV 1989, 25; OLG Frankfurt StV 1989, 25; OLG Düsseldorf MDR 1990, 356, StV 1990118, MDR 1994, 31 f., StV 1996, 218 sowie NStZ-RR 1996, 185; OLG Celle StV 1990, 117; KG Berlin JR 1993, 75 f.; OLG Hamburg NStZ-RR 1999, 330 f.; OLG Thüringen, Beschluss vom 26.08.2005, 1 Ws 319/05 - bei Juris und jetzt auch OLG Thüringen, Beschluss vom 15. Januar 2010, 1 Ws 538/09, VRS 118, 274; Dölling, NStZ 1989, 347; Schönke Schröder - Stree, a. a. O., § 56 f Rz. 10a). Der Senat geht daher bei der Bestimmung des absoluten Höchstmaßes der Bewährungszeitverlängerung von dem durch § 56 a Abs. 1 StGB vorgegebenen Regelhöchstmaß von fünf Jahren aus und hält dessen Überschreitung um die Hälfte der ursprünglichen (im ersten Bewährungsbeschluss) bestimmten Bewährungszeit für zulässig. Für diese Sichtweise spricht zudem, dass die damit eröffneten größeren Möglichkeiten zu einer - ggf. auch mehrfachen - Verlängerung der Bewährungszeit die die Bewährungsaufsicht führenden Gerichte in die Lage versetzen, auf Fehlverhalten des Bewährungspflichtigen abgestuft und angemessen mit einem breiteren Sanktionsinstrumentarium zu reagieren. Eine andere Handhabung würde zudem zu dem paradoxen Ergebnis führen, dass bei Verurteilten, gegen die wegen vergleichsweise schlechter Prognose zunächst eine längere Bewährungszeit festgesetzt worden ist, bei erneuter Straffälligkeit zeitlich weitreichendere Verlängerungsmöglichkeiten bestünden als bei anfangs günstiger zu beurteilenden Verurteilten, bei denen folglich bei erneuter Straffälligkeit - wegen der eingeschränkten Verlängerungsmöglichkeit - eher der Widerruf statt der Verlängerung der Bewährungszeit angeordnet werden müsste (vgl. Thüringer OLG, Beschlüsse vom 15. Januar 2010, 1 Ws 538/09, VRS 118, 274 und vom 26. August 2005, 1 Ws 319/05, bei juris; OLG Hamburg, NStZ-RR 1999, 330). Soweit die Gegenauffassung die Meinung vertritt, dass bei wie hier kürzeren Bewährungszeiten von unter drei Jahren und vier Monaten eine mehrfache Verlängerung der Bewährungszeit nur bis zum Erreichen der Fünfjahresgrenze, nicht aber darüber hinaus, möglich sei und dies mit dem Anliegen begründet, überlange Bewährungszeiten gerade in solchen Fällen zu vermeiden, in denen etwa wegen geringer Höhe der ausgesetzten (Rest-) Strafe oder besonders günstiger Prognose kurze Ausgangsbewährungszeiten festgesetzt wurden (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 01. Juli 2010, 2 Ws 222/10 in NdsRpfl 2010, 412; OLG Köln, Beschluss vom 29. März 2010, 2 Ws 194/10 bei juris; OLG Dresden, Beschluss vom 02. September 2010 in Rpfleger 2011, 114; OLG Stuttgart, Beschluss vom 03. Mai 2000, 3 Ws 58/00 in NStZ 2000, 478), vermag dies angesichts der obigen Darlegungen, insbesondere der aufgezeigten historischen Auslegung der maßgeblichen gesetzlichen Vorschriften, nicht zu überzeugen. Das Gericht, welches die Bewährungsaufsicht führt, wird vielmehr in jedem Einzelfall zwischen einem möglichen Widerruf und einer etwaigen Verlängerung der Bewährungszeit abwägen müssen und dabei die möglichen nachteiligen Auswirkungen einer im Einzelfall überlang erscheinenden Bewährungszeit zu berücksichtigen haben. Da der von der Staatsanwaltschaft angefochtene Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts vom 07. Oktober 2010, mit dem der Beschluss vom 30. Juli 2010 für gegenstandslos erklärt und das Ende der Bewährungszeit zum 15. Dezember 2010 festgestellt worden ist, demnach gesetzeswidrig ist, unterliegt er der Aufhebung. Dies gilt auch, soweit in dem angefochtenen Beschluss der Antrag der Staatsanwaltschaft vom 10. Mai 2010 auf Verlängerung der Bewährungszeit um 1 Jahr (folglich bis zum 15. Dezember 2011) zurückgewiesen worden ist. Soweit die Strafvollstreckungskammer dem Verlängerungsantrag der Staatsanwaltschaft vom 10. Mai 2010 stattgegeben und die Bewährungszeit um 6 Monate (bis zum 15. Juni 2011) verlängert hatte, fehlt für die Rückgängigmachung dieser - nach dem Gesagten zulässigen und wirksamen - Entscheidung die gesetzliche Grundlage. Soweit mit dem angefochtenen Beschluss der darüber hinausgehende Antrag der Staatsanwaltschaft auf Verlängerung der Bewährungszeit um mehr als 6 Monate (nämlich bis zum 15. Dezember 2011) zurückgewiesen worden ist, ging diese Entscheidung ohnehin ins Leere, weil die Strafvollstreckungskammer eine diesbezügliche (Teil-)Zurückweisung des Verlängerungsantrags der Staatsanwaltschaft vom 10. Mai 2010 bereits am 30. Juli 2010 ausgesprochen hatte. Soweit die Staatsanwaltschaft mit ihrem Rechtsmittel vom 22. Oktober 2010 - ihrem früheren Antrag vom 10. Mai 2010 entsprechend - über die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses hinaus eine Verlängerung der Bewährungszeit um ein Jahr (bis zum 15. Dezember 2011) begehrt, kann sie dieses Ziel mit der Beschwerde nicht erreichen. Zum einen hat die Staatsanwaltschaft mit ihrer Beschwerde ausdrücklich nur den Beschluss vom 07. Oktober 2010 angefochten und nicht auch - weder nach der in der Rechtsmittelerklärung gewählten Formulierung noch nach der Begründung des Rechtsmittels - den Beschluss vom 30. Juli 2011, soweit darin eine Verlängerung der Bewährungszeit über den 15. Juni 2011 hinaus abgelehnt worden war. Selbst wenn man aber der Beschwerdebegründung einen diesbezüglichen Willen der Staatsanwaltschaft zur (Teil-)Anfechtung des früheren Kammerbeschlusses vom 30. Juli 2010 entnehmen wollte, so kann dieses Rechtsmittel keinen Erfolg haben, da die Staatsanwaltschaft die Verlängerung der Bewährungszeit um lediglich sechs Monate zunächst akzeptiert hatte und der Verurteilte auf die damit geschaffene, mit dem Gesetz in Einklang stehende Vollstreckungssituation vertrauen durfte. Insoweit stehen Gesichtspunkte des Vertrauensschutzes und der Verwirkung einer erst drei Monate nach Beschlussfassung erklärten (Teil-)Anfechtung des Beschlusses der Strafvollstreckungskammer vom 30. Juli 2010 entgegen. Nach alledem bestimmt sich die Dauer der Bewährungszeit (allein) nach dem wirksamen und nach wie vor gültigen Beschluss der Strafvollstreckungskammer vom 30. Juli 2010, mit dem die Bewährungszeit in zulässiger bzw. gesetzmäßiger Weise ein drittes Mal um weitere 6 Monate verlängert worden ist. Die Bewährungszeit endet danach am 15. Juni 2011 und nicht, wie in dem vorgenannten Beschluss offenkundig falsch berechnet, am 15. Dezember 2010. Insoweit hält der Senat, in Übereinstimmung mit dem dahingehenden Antrag der Staatsanwaltschaft vom 30. August 2010, eine dahingehende Berichtigung des Beschlusses durch die Strafvollstreckungskammer für zweckmäßig und geboten. III. Eine gesonderte Kostenentscheidung war nicht erforderlich, da bei einem zuungunsten des Verurteilten eingelegten erfolgreichen Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft die Rechtsmittelkosten zu den Verfahrenskosten gehören, die der Verurteilte zu tragen hat; von seinem notwendigen Auslagen wird er nicht entlastet (vgl. Meyer-Goßner, a. a. O., § 473 Rz. 15). |
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