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Rechtsprechung

Aktenzeichen: III-3 RBs 298/11 OLG Hamm

Leitsatz: Das Bestehen eines Verwaltungsaktes im Sinne des § 4 Abs. 3 Satz 1 FPersG ist notwendige Voraussetzung für die Verwirklichung des objektiven Tatbestandes der Ordnungswidrigkeit. Hinzu kommen muss, dass der Verwaltungsakt für den Betroffenen in dem Sinne "verbindlich" ist, dass er entweder nicht mehr anfechtbar ist oder dass Rechtsbehelfe gegen ihn keine aufschiebende Wirkung haben.

Senat: 3

Gegenstand: Rechtsbeschwerde

Stichworte: Fahrpersonalgesetz, Vorlage, schaublätter, Verwaltungsakt

Normen: FPersG 4

Beschluss:

Bußgeldsache
In pp.
hat der 3. Senat für Bußgeldsachen des OLG Hamm am 28. 11. 2011 beschlossen

Das angefochtene Urteil wird mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die
Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht Detmold zurückverwiesen.

Gründe

Das Amtsgericht hat den Betroffenen wegen einer Ordnungswidrigkeit nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 lit. d) iVm § 4 Abs. 3 Satz 1 Nrn. 1 und 2 des Gesetzes über das Fahrpersonal von Kraftfahrzeugen und Straßenbahnen (Fahrpersonalgesetz – FPersG) zu einer Geldbuße von 2.437,50 € verurteilt. Mit seiner Rechtsbeschwerde rügt der Betroffene die Verletzung materiellen Rechts.
Das Rechtsmittel hat (vorläufig) Erfolg. Die vom Amtsgericht getroffenen Feststellungen tragen eine Verurteilung wegen einer Ordnungswidrigkeit nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 lit. d) i.V.m. Abs. 3 Satz 1 Nrn. 1 und 2 FPersG nicht.

1. Das Amtsgericht hat – soweit für die vorliegende Entscheidung von Bedeutung – folgende Feststellungen getroffen:
"Mit Schreiben vom 17. Februar 2010 forderte die Bezirksregierung E den Betroffenen als Inhaber der Firma XX auf, bis zum 31. März 2010 folgende Unterlagen einzusenden oder bei ihrer Dienststelle vorzulegen:
(…)
Auf dieses Schreiben reagierte der Betroffene nicht. Mit Schreiben der Bezirksregierung D. vom 14. April 2010 wurde der Betroffene an das Einreichen der geforderten Unterlagen und Schaublätter erinnert. Daraufhin erschien der Sohn des Betroffenen, Herr XY, am 20. April 2010 auf der Dienststelle der Bezirksregierung D und gab dort 14 Schaublätter von Herrn N ab.

Mit weiterem Schreiben vom 28. April 2010 forderte der Gewerbeaufsichtsbeamte und Zeuge Z. den Betroffenen auf, die noch fehlenden Unterlagen sowie lückenhaft vorliegende Schaublätter bis zum 15. Mai 2010 vorzulegen. Es wurde nochmals gesondert darauf hingewiesen, dass, sollten nicht sämtliche Schaublätter und digitalen Daten vorgelegt werden können, weil das Kfz nicht im Einsatz war, vom letzten Fahrtag bzw. von dem ersten Tag der Wiederinbetriebnahme das Schaublatt bzw. die digitalen Daten zu übersenden sind. Auf dieses Schreiben erhielt die Bezirksregierung D wiederum keine Reaktion des Betroffenen."

Diese Feststellungen vermögen die Verurteilung des Betroffenen wegen einer Ordnungswidrigkeit nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 lit. d) iVm § 4 Abs. 3 Satz 1 Nrn. 1 und 2 FPersG nicht zu tragen.

2. Nach § 4 Abs. 3 Satz 1 Nrn. 1 und 2 FPersG sind der Unternehmer, der Fahrzeughalter und die Mitglieder des Fahrpersonals verpflichtet, der zuständigen Aufsichtsbehörde innerhalb einer von ihr festzusetzenden Frist Auskünfte wahrheitsgemäß und vollständig zu erteilen (Nr. 1) und Unterlagen zur Prüfung auszuhändigen oder einzusenden (Nr. 2). § 4 Abs. 3 Satz 1 FPersG ist, ohne dass es eines Rückgriffs auf die polizei- oder ordnungsrechtliche Generalklausel bedarf, die Befugnis der zuständigen Behörde zu entnehmen, den genannten Personenkreis durch Verwaltungsakt zur Erteilung von Auskünften oder zur Aushändigung oder Einsendung von Unterlagen aufzufordern (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 8. Juni 1993 – 10 S 1821/92). Ein Verstoß gegen das in einem solchen Verwaltungsakt ausgesprochene Gebot zur Erteilung von Auskünften oder Vorlage von Unterlagen kann nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 lit. d) (Unternehmer), Nr. 2 lit. c) (Fahrer) oder Nr. 3 (Fahrzeughalter) des Fahrpersonalgesetzes als Ordnungswidrigkeit geahndet weden.

Das Bestehen eines Verwaltungsaktes im Sinne des § 4 Abs. 3 Satz 1 FPersG ist indes nur notwendige Voraussetzung für die Verwirklichung des objektiven Tatbestandes der Ordnungswidrigkeit. Hinzu kommen muss nach einhelliger Auffassung, dass der Verwaltungsakt für den Betroffenen in dem Sinne "verbindlich" ist, dass er entweder nicht mehr anfechtbar ist oder dass Rechtsbehelfe gegen ihn keine aufschiebende Wirkung haben (Senat, Beschluss vom 7. Juni 1994 – 3 Ss OWi 509/94; BayObLGSt 1987, 44; OLG Bamberg, Beschluss vom 4. Dezember 2007 – 2 Ss OWi 1265/07; OLG Koblenz, VRS 80, 50; Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, Stand: September 2011, § 8 FPersG Rdnr. 10; wohl auch: Andresen/Winkler, Fahrpersonalgesetz und Sozialvorschriften für Kraftfahrer, 4. Aufl. [2011], S. 99; vgl. auch Senat, Beschluss vom 22. Oktober 1992 – 3 Ss OWi 650/92).

3. Es spricht vieles für die Auffassung, dass Rechtsbehelfe gegen den Verwaltungsakt im Sinne des § 4 Abs. 3 Satz 1 FPersG, d.h. den Verwaltungsakt, mit dem die zuständige Behörde einen Angehörigen des in der Vorschrift umschriebenen Personenkreises zur Erteilung von Auskünften oder zur Aushändigung oder Einsendung von Unterlagen auffordert, kraft der gesetzlichen Regelung in § 5 Abs. 3 FPersG keine aufschiebende Wirkung haben (so VG Stuttgart, NZV 2000, 390). Nach § 5 Abs. 3 FPersG haben u.a. Rechtsbehelfe gegen "Anordnungen zur Durchsetzung der in § 4 Abs. 3 Satz 1 FPersG geregelten Pflicht" keine aufschiebende Wirkung.

a) Diese Auffassung lässt sich mit dem Wortlaut der §§ 4 Abs. 3 Satz 1, 5 Abs. 3 FPersG ohne Weiteres vereinbaren. Auch wenn eine konkrete Pflicht eines konkreten Betroffenen, konkrete Auskünfte zu erteilen oder konkrete Unterlagen auszuhändigen oder einzusenden, erst durch die behördliche Aufforderung hierzu – also den Verwaltungsakt im Sinne des § 4 Abs. 3 Satz 1 FPersG – entsteht (hierauf weist OLG Bamberg, a.a.O., zutreffend hin), konstituiert § 4 Abs. 3 Satz 1 FPersG doch schon nach seinem eindeutigen Wortlaut eine abstrakte Verpflichtung des betroffenen Personenkreises ("der Unternehmer, der Fahrzeughalter und die Mitglieder des Fahrpersonals sind verpflichtet [Hervorhebung durch den Senat], der zuständigen Behörde…"). Es spricht unter Wortlautgesichtspunkten nichts dagegen, diese abstrakte gesetzliche Verpflichtung als die "in § 4 Abs. 3 Satz 1 FPersG geregelte Pflicht" im Sinne des § 5 Abs. 3 FPersG anzusehen und den – die abstrakte Verpflichtung im Einzelfall konkretisierenden – Verwaltungsakt im Sinne des § 4 Abs. 3 Satz 1 FPersG als "Anordnung zur Durchsetzung" dieser (abstrakten) Pflicht zu verstehen.

Auch die Entstehungsgeschichte des § 5 Abs. 3 FPersG spricht nicht gegen die oben dargestellte Auffassung. § 5 Abs. 3 FPersG wurde durch Artikel 1 Nr. 5 des Gesetzes zur Änderung fahrpersonalrechtlicher Vorschriften vom 18. August 1997 (BGBl 1997 I, S. 2075) in das Fahrpersonalgesetz eingefügt. Die amtliche Begründung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung (BR-Drucksache 703/96) nimmt zwar zu dem neuen § 5 Abs. 3 FPersG nicht ausdrücklich Stellung (vgl. BR-Drucksache 703/96, S. 24), benennt als allgemeine Zielsetzung des Gesetzes indes "verstärkte Überwachungs- und Sanktionsmöglichkeiten bei Verstößen gegen die Sozialvorschriften im Straßenverkehr" (vgl. BR-Drucksache 703/96, S. 1). Dieser Zielsetzung entspricht die oben dargestellte Auslegung des § 5 Abs. 3 FPersG.

b) Nach anderer Auffassung ergreift die Regelung in § 5 Abs. 3 FPersG den Verwaltungsakt im Sinne des § 4 Abs. 3 Satz 1 FPersG, d.h. den Verwaltungsakt, mit dem die zuständige Behörde einen Angehörigen des in der Vorschrift umschriebenen Personenkreises zur Erteilung von Auskünften oder zur Aushändigung oder Einsendung von Unterlagen auffordert, nicht (so wohl – wenn auch mit teilweise unscharfen Begrifflichkeiten – OLG Bamberg, a.a.O.; Erbs/Kohlhaas, a.a.O.; Andresen/Winkler, a.a.O., S. 99 [anders allerdings anscheinend im gleichen Kommentar auf S. 43 und S. 51]. Diese Auffassung verweist darauf, dass eine konkrete Pflicht erst durch diesen Verwaltungsakt begründet werde und eine "Anordnung zur Durchsetzung" der Pflicht folglich erst eine Maßnahme sein könne, die nach dem Erlass des Verwaltungsaktes zur Durchsetzung dieses Verwaltungsaktes getroffen werde (OLG Bamberg, a.a.O.; Erbs/Kohlhaas, a.a.O.). Unter Wortlautaspekten zwingend ist diese Argumentation indes – wie oben bereits ausgeführt – nicht. Überdies ist dieser Auffassung entgegenzuhalten, dass nach ihr § 5 Abs. 3 FPersG, soweit er sich auf § 4 Abs. 3 Satz 1 FPersG bezieht, im Wesentlichen nur Maßnahmen der Verwaltungsvollstreckung erfassen würde. In diesem Falle liefe die Regelung indes weitgehend leer, da Rechtsbehelfe gegen Maßnahmen in der Verwaltungsvollstreckung nach den einschlägigen landesrechtlichen Regelungen ohnehin in weitem Umfang keine aufschiebende Wirkung haben (vgl. die Übersicht bei Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 80 Rdnrn. 136i ff; für Nordrhein-Westfalen siehe § 112 JustizG NRW; in Bayern vgl. z.B. Art. 21a des Bayerischen Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetzes).

4. Einer endgültigen Entscheidung der unter 3. aufgeworfenen Frage bedarf es indes in der vorliegenden Sache nicht. Die Feststellungen des Amtsgerichts tragen die Verurteilung bereits deshalb nicht, weil ihnen nicht mit hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen ist, ob die Bezirksregierung E im vorliegenden Falle bereits einen Verwaltungsakt (im Sinne des § 4 Abs. 3 Satz 1 FPersG) gegen den Betroffenen erlassen hatte – das Vorliegen eines Verwaltungsaktes ist Grundvoraussetzung für die Verwirklichung des Bußgeldtatbestandes – oder ob sich ihr Vorgehen noch im Stadium des Verwaltungsverfahrens vor dem Erlass eines Verwaltungsaktes bewegte.

In Betracht kommt insbesondere, dass es sich bei den diversen in den Feststellungen erwähnten Schreiben der Bezirksregierung E der Sache nach noch um Anhörungsmaßnahmen im Sinne des § 28 VwVfG NRW handelte. Nach dieser Vorschrift ist ein am Verwaltungsverfahren Beteiligter vor dem Erlass eines ihn belastenden Verwaltungsaktes grundsätzlich anzuhören. Vor dem Erlass eines Verwaltungsaktes im Sinne des § 4 Abs. 3 Satz 1 FPersG wird zu dieser Anhörung regelmäßig die Mitteilung gehören, welche Auskünfte oder Unterlagen die Behörde benötigt, da dem Betroffenen anderenfalls eine sinnvolle Stellungnahme kaum möglich sein wird. Eine Anhörung wird zudem in aller Regel mit einer Fristsetzung für eine etwaige Stellungnahme verbunden sein. Die Behörde kann dem Betroffenen überdies die Gelegenheit geben, innerhalb dieser Frist – zur Vermeidung des Erlasses eines Verwaltungsaktes – die benötigten Auskünfte zu erteilen bzw. Unterlagen vorzulegen. Ein Verwaltungsakt liegt in einem solchen Fall gerade nicht vor. Ein derartiges Vorgehen der Behörde – d.h. eine ausführliche Anhörung – kann insbesondere in Nordrhein-Westfalen angezeigt sein, nachdem der hiesige Landesgesetzgeber das Widerspruchsverfahren weitgehend abgeschafft hat (vgl. § 110 JustizG NRW), wodurch der Anhörung nach § 28 VwVfG NRW eine weitaus größere Bedeutung insbesondere für die Akzeptanz verwaltungsbehördlicher Entscheidungen zukommt als früher.

Da das Amtsgericht die behördlichen Äußerungen durchgehend nur als "Schreiben" – und nicht als "Bescheid" oder "Verfügung" – bezeichnet und den genauen und vollständigen Wortlaut dieser Schreiben auch nicht mitteilt, vermag der Senat nicht auszuschließen, dass es sich hier tatsächlich noch um Maßnahmen vor dem Erlass eines Verwaltungsaktes iSd § 4 Abs. 3 Satz 1 FPersG handelte. In diesem Falle käme eine Verurteilung des Betroffenen nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 lit. d) FPersG nicht in Betracht.

5. Wegen des aufgezeigten Mangels ist das angefochtene Urteil mit den Feststellungen nach § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG, § 353 StPO aufzuheben und die Sache gemäß § 79 Abs. 6 OWiG zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an dieselbe Abteilung des Amtsgerichts Detmold zurückzuverweisen.



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