Diese Homepage verwendet Cookies, um Inhalte und Anzeigen zu personalisieren, Funktionen für soziale Medien anbieten zu können und die Zugriffe auf die Website zu analysieren. Außerdem gebe ich Informationen zu Ihrer Nutzung meiner Website an meine Partner für soziale Medien, Werbung und Analysen weiter.

OK Details ansehen Datenschutzerklärung

Rechtsprechung

Aktenzeichen: III-3 Ws 340/11 OLG Hamm

Leitsatz: 1. Ist eine Strafvollstreckungskammer (im Folgenden: "bisherige StVK") mit der Frage des Widerrufs der Strafaussetzung befasst, entfällt ihre damit einmal begründete örtliche Zuständigkeit für die Entscheidung dieser Widerrufsfrage nicht deshalb, weil der Verurteilte nach dem Zeitpunkt der Befassung, aber noch vor der Entscheidung über die in Rede stehende Widerrufsfrage zur Verbüßung von Strafhaft in anderer Sache in eine JVA im Bezirk einer anderen Strafvollstreckungskammer (im Folgenden: "neue StVK") aufgenommen wird.
2. Entscheidet die "bisherige StVK" in diesem Falle, die Strafaussetzung nicht zu widerrufen, sondern die Bewährungszeit zu verlängern, ist damit über die zur Entscheidung anstehende Widerrufsfrage abschließend entschieden und die Zuständigkeit der "bisherigen StVK" ausgeschöpft.
3. Die Zuständigkeit für die weitere Bewährungsaufsicht und etwaige weitere Nachtragsentscheidungen geht in dieser Fallkonstellation auf die "neue StVK" über. Dies gilt auch dann, wenn sich der Verurteilte zum Zeitpunkt der Entscheidung der "bisherigen StVK" zur Bewährungszeitverlängerung nach vollständiger Strafverbüßung in der anderen Sache schon wieder auf freiem Fuß befand (Anschluss an BGH, Beschluss vom 11.08.1999 - 2 ARs 161/99).

Senat: 3

Gegenstand: Beschwerde

Stichworte: Strafvollstreckungskammer, StVK., Befasstsein, Fortdauer, Zuständigkeit

Normen: StPO 462a

Beschluss:

Strafvollstreckungssache
In pp.
hat der 3. Strafsenat des OLG Hamm am 21. 11. 2011 beschlossen:

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.
1
G r ü n d e
I.
Das Amtsgericht Duisburg verurteilte den Beschwerdeführer in dem der vorliegenden Strafvollstreckungssache vorausgegangenen Erkenntnisverfahren am 8. Mai 2008 wegen Urkundenfälschung zu einer Freiheitsstrafe von drei Monaten, deren

Vollstreckung das Gericht unter Festsetzung einer Bewährungszeit von fünf Jahren zur Bewährung aussetzte. Nach dem Eintritt der Rechtskraft des Urteils am 16. Mai 2008 gab das Amtsgericht die Bewährungsaufsicht zuständigkeitshalber an das Landgericht Bielefeld – Strafvollstreckungskammer – ab, das damals bereits den Bewährungsverlauf des Beschwerdeführers aufgrund einer im Jahre 2005 in einem anderen Verfahren erfolgten Strafrestaussetzung überwachte.

Mit Urteil vom 10. Februar 2009, rechtskräftig seit dem 28. Oktober 2009, verhängte das Amtsgericht Duisburg gegen den Beschwerdeführer wegen Diebstahls eine Freiheitsstrafe von einem Monat ohne Strafaussetzung zur Bewährung. Gegenstand der Verurteilung war eine am 16. Oktober 2008 begangene Tat.

Eine Ausfertigung des Urteils vom 10. Februar 2009 mit Rechtskraftvermerk ging am 28. Januar 2010 beim Landgericht Bielefeld ein und gelangte dort zum Bewährungsheft in der vorliegenden Sache. Mit Verfügung vom 18. Februar 2010 ordnete der Vorsitzende der dortigen Strafvollstreckungskammer unter Bezugnahme auf die Verurteilung vom 10. Februar 2009 die schriftliche Anhörung des Verurteilten zur Frage des Widerrufs der durch das Urteil vom 8. Mai 2008 gewährten Strafaussetzung zur Bewährung an.

Am 19. Februar 2010 wurde der Verurteilte zur Verbüßung der durch das Urteil vom 10. Februar 2009 verhängten einmonatigen Freiheitsstrafe in die JVA Moers-Kapellen (Landgerichtsbezirk Kleve) aufgenommen. Dort verblieb er auch und wurde nach vollständiger Verbüßung dieser Strafe am 18. März 2010 wieder in die Freiheit entlassen.

Mit Beschluss vom 7. Juli 2010 sah die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Bielefeld von einem Widerruf der durch das Urteil vom 8. Mai 2008 gewährten Strafaussetzung zur Bewährung ab und verlängerte stattdessen die Bewährungszeit um ein Jahr auf insgesamt sechs Jahre. Das Bewährungsheft verblieb nach dieser Entscheidung beim Landgericht Bielefeld.

Mit Urteil vom 17. Mai 2011, rechtskräftig seit dem 25. Mai 2011, verhängte das Amtsgericht Duisburg gegen den Beschwerdeführer wegen versuchten Betruges eine Freiheitsstrafe von einem Monat ohne Strafaussetzung zur Bewährung. Gegenstand der Verurteilung war eine am 19. Januar 2011 begangene Tat.

Eine Ausfertigung des Urteils vom 17. Mai 2011 mit Rechtskraftvermerk ging am 29. Juli 2011 beim Landgericht Bielefeld ein und gelangte dort zum Bewährungsheft in der vorliegenden Sache. Mit Verfügung vom 2. August 2011 ordnete der Vorsitzende der dortigen Strafvollstreckungskammer unter Bezugnahme auf die Verurteilung vom 17. Mai 2011 die schriftliche Anhörung des Verurteilten zur Frage des Widerrufs der durch das Urteil vom 8. Mai 2008 gewährten Strafaussetzung zur Bewährung an.

Am 29. August 2011 wurde der Verurteilte zum Zwecke der Vollstreckung der durch das Urteil vom 17. Mai 2011 verhängten einmonatigen Freiheitsstrafe von Beamten des Polizeipräsidiums Duisburg festgenommen. Nach der Festnahme gelangte der Verurteilte über die JVA Duisburg am 1. September 2011 in die JVA Moers-Kapellen, wo er bis zur vollständigen Verbüßung der Strafe aus dem Urteil vom 17. Mai 2011 verblieb.

Mit Beschluss vom 13. September 2011 widerrief das Landgericht Bielefeld – Strafvollstreckungskammer – unter Hinweis auf die erneute Verurteilung vom 17. Mai 2011 die durch das Urteil vom 8. Mai 2008 gewährte Strafaussetzung zur Bewährung. Der Beschluss wurde dem Verurteilten am 16. September 2011 in der JVA Moers-Kapellen zugestellt. Mit einem auf den 16. September 2011 datierten und am 19. September 2011 beim Landgericht Bielefeld eingegangenen Schreiben legte der Verurteilte "Beschwerde" gegen den Widerrufsbeschluss vom 13. September 2011 ein.

Am 28. September 2011 wurde der Verurteilte nach der vollständigen Verbüßung der einmonatigen Freiheitsstrafe aus dem Urteil vom 17. Mai 2011 aus der JVA Moers-Kapellen entlassen.

II.
Das Rechtsmittel des Verurteilten hat (vorläufig) Erfolg. Es führt zur Aufhebung des angefochtenen Widerrufsbeschlusses vom 13. September 2011, da das Landgericht Bielefeld – Strafvollstreckungskammer – für dessen Erlass örtlich nicht zuständig war.

1. Das Rechtsmittel des Verurteilten ist gemäß § 300 StPO als nach § 453 Abs. 2 Satz 3 StPO statthafte sofortige Beschwerde zu behandeln. Die sofortige Beschwerde ist form- und fristgerecht eingelegt (§§ 306 Abs. 1, 311 Abs. 2 StPO) und auch im Übrigen zulässig.

2. Für den Erlass des Beschlusses vom 7. Juli 2010 (Verlängerung der Bewährungszeit um ein Jahr) war das Landgericht Bielefeld – Strafvollstreckungskammer – noch örtlich zuständig. Die örtliche Zuständigkeit für die weitere Bewährungsaufsicht und die weiteren Nachtragsentscheidungen, insbesondere die nunmehr getroffene Entscheidung über den Widerruf der Strafaussetzung, liegt indes beim Landgericht Kleve – Strafvollstreckungskammer –.

a) Die Strafvollstreckungskammer in Bielefeld war spätestens seit dem 28. Januar 2010 im Sinne des § 462a Abs. 1 Satz 1 StPO mit der Frage des Widerrufs der Strafaussetzung zur Bewährung wegen der durch das Urteil vom 10. Februar 2009 geahndeten neuen Straftat befasst, da sie spätestens am 28. Januar 2010 Kenntnis von der Verurteilung vom 10. Februar 2009 und dem Eintritt der Rechtskraft dieser Verurteilung erlangt hatte (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 21. Dezember 2010 – 2 ARs 441/10 –, Rdnr. 4 ). Die damit einmal begründete örtliche Zuständigkeit der Strafvollstreckungskammer in Bielefeld für die Entscheidung der vorbezeichneten Widerrufsfrage entfiel auch nicht nachträglich deshalb, weil der Verurteilte am 19. Februar 2010 zum Zwecke der Strafvollstreckung in die JVA Moers-Kapellen aufgenommen wurde (vgl. BGH, a.a.O.). Diese Zuständigkeit nahm die Strafvollstreckungskammer in Bielefeld wahr, als sie mit ihrem Beschluss vom 7. Juli 2010 von einem Widerruf der Strafaussetzung absah und stattdessen die Bewährungszeit um ein Jahr verlängerte. Damit war indes über die Widerrufsfrage abschließend entschieden und – da nur diese Frage zur Entscheidung anstand – die Zuständigkeit der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Bielefeld ausgeschöpft (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 11. August 1999 – 2 ARs 161/99 –, Rdnr. 1 a.E. ).

b) Die Zuständigkeit für die weitere Bewährungsaufsicht und etwaige weitere Nachtragsentscheidungen ging hingegen mit dem Beginn der Strafverbüßung des Verurteilten am 19. Februar 2010 auf die Strafvollstreckungskammer desjenigen Landgerichts über, in dessen Bezirk die betreffende Strafanstalt liegt (vgl. BGH, a.a.O., Rdnr. 2), hier also auf die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Kleve, da der Verurteilte ab dem 19. Februar 2010 in der im Landgerichtsbezirk Kleve liegenden JVA Moers-Kapellen Strafhaft verbüßte. Daran ändert es nichts, dass der Verurteilte nach vollständiger Strafverbüßung am 18. März 2010 wieder aus der JVA entlassen wurde und sich somit zum Zeitpunkt der Entscheidung des Landgerichts Bielefeld zur Verlängerung der Bewährungszeit am 7. Juli 2010 schon wieder auf freiem Fuß befand (so ausdrücklich für diese Fallkonstellation BGH, a.a.O., Rdnr. 2 a.E.).

c) Damit ist die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Kleve nunmehr für die Entscheidung über die Frage des Widerrufs der Strafaussetzung örtlich zuständig. Ihrer Zuständigkeit steht nicht entgegen, dass der Verurteilte zum Zwecke der Verbüßung der durch das Urteil vom 17. Mai 2011 verhängten Strafe ab dem 29. August 2011 zunächst kurzzeitig in die JVA Duisburg (Landgerichtsbezirk Duisburg) aufgenommen wurde. Denn die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Kleve war bereits zuvor – spätestens seit dem 29. Juli 2011 – mit der Widerrufsfrage im Sinne des § 462a Abs. 1 Satz 1 StPO befasst, da am 29. Juli 2011 eine Ausfertigung des Urteils vom 17. Mai 2011 mit Rechtskraftvermerk zum Bewährungsheft gelangte und damit Tatsachen aktenkundig wurden, die einen Widerruf der Strafaus-setzung zur Bewährung rechtfertigen können. Dass diese Tatsachen nicht bei der zuständigen Strafvollstreckungskammer in Kleve bekannt wurden, sondern beim (unzuständigen) Landgericht in Bielefeld, ist für das "Befasstsein" der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Kleve mit der Widerrufsfrage unschädlich (vgl. BGH, Beschluss vom 21. Dezember 2010 – 2 ARs 441/10 –, Rdnr. 4 a.E. ).

III.
Nunmehr ist eine Entscheidung des örtlich zuständigen Landgerichts Kleve – Strafvollstreckungskammer – über die Frage des Widerrufs der Strafaussetzung zur Bewährung herbeizuführen. Dort ist auch über die Kosten des vorliegenden Beschwerdeverfahrens zu entscheiden.



zur Startseite "Rechtsprechung"

zum Suchformular

Die Nutzung von Burhoff-Online ist kostenlos. Der Betrieb der Homepage verursacht aber für Wartungs-, Verbesserungsarbeiten und Speicherplatz laufende Kosten.

Wenn Sie daher Burhoff-Online freundlicherweise durch einen kleinen Obolus unterstützen wollen, haben Sie hier eine "Spendenmöglichkeit".