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Rechtsprechung

Aktenzeichen: III-1 Rvs 2/12 OLG Hamm

Leitsatz: 1. Zu den Voraussetzungen eines minder schweren Falles.
2. Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge im minder schweren Fall

Senat: 1

Gegenstand: Revision

Stichworte: Minder schwerer Fall, Einfuhr von BtM

Normen: BtMG 30

Beschluss:

Strafsache gegen pp.
wegen Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge,
Der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm hat aufgrund der Verhandlung vom 20.03.2012 an der teilgenommen haben:
für Recht erkannt:
Das angefochtene Urteil wird mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung auch über die Kosten des Revisionsverfahrens an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Dortmund zurückverwiesen.
Gründe
Mit Urteil des Amtsgerichts Hamm vom 17.12.2010 ist der Angeklagte wegen Einfuhr einer nicht geringen Menge Betäubungsmittel zu einer Freiheitsstrafe von 2 Jahren und 6 Monaten verurteilt worden. Auf die -in der Hauptverhandlung vor dem Landgericht Dortmund auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte- Berufung des Angeklagten hat das Landgericht Dortmund mit dem angefochtenen Urteil das Urteil des Amtsgerichts Hamm im Rechtsfolgenausspruch dahin abgeändert, dass die Freiheitsstrafe zwei Jahre beträgt und zur Bewährung ausgesetzt wird.

Die Staatsanwaltschaft rügt mit ihrer Revision die Verletzung sachlichen Rechts. Die Revision hat Erfolg.
I.
1. Nach den aufgrund der wirksamen Beschränkung der Berufung auf den Rechtsfol-genausspruch bindenden Feststellungen des Amtsgerichts Hamm versteckte der Angeklagte vor oder am 02.10.2010 1.998g Marihuana, das in zwei Klemmverschlusstüten verpackt war, zwischen Stoßstange und Reserveradmulde des PKW Honda Civic mit dem amtlichen niederländischen Kennzeichen XXXX und fuhr unter Mitführung der vorbezeichneten Drogen am 02.10.2010 aus den Niederlanden kommend nach Deutschland. Dort wurde er gegen 17.10 Uhr auf der Rast- und Tankanlage Rhynern-Süd durch Zollbeamte überprüft, wobei das mitgeführte Marihuana entdeckt und sichergestellt wurde. Der Mindestwirkstoffgehalt belief sich auf 121,4g THC. Nach der unwiderlegten Einlassung des Angeklagten war ihm das Ma-rihuana zur Verbringung nach Polen in Holland überlassen worden. Für den Transport sollte er 500,00 € erhalten.

Nach den ergänzenden Feststellungen des Landgerichts betrieb der nicht vorbestrafte aus Polen stammende Angeklagte zur Tatzeit in den Niederlanden ein Dachdeckerunternehmen, welches im Tatzeitraum nicht erfolgreich lief und infolge der in dieser Sache in der Zeit vom 02.10.2010 bis zum 17.12.2010 verbüßten Untersuchungshaft aufgelöst wurde. Inzwischen betreibt der Angeklagte nach den Feststellungen des Landgerichts in den Niederlanden wieder als Selbständiger ein Unternehmen mit zwei Angestellten, welches sich mit der Errichtung von Grundstückszäunen befasst. Sein monatliches Einkommen betrug zur Zeit der Berufungshauptverhandlung nach Steuern zwischen 3.000 und 3.500 €. Er hat eine ebenfalls aus Polen stammende Lebensgefährtin, welche als Selbständige Verträge über Baumaterialien auf Provisionsbasis vermittelt.

Nach den weiteren Feststellungen des Landgerichts hat der Angeklagte sich in der Berufungshauptverhandlung zu den Tatumständen dahin eingelassen, dass er in einer Gaststätte in den Niederlanden eine aus Polen stammende Person kennen gelernt habe. Nachdem er sich dann mehrfach mit dieser männlichen Person in der Gaststätte wiedergetroffen habe und dieser auch seine wirtschaftlichen Schwierigkeiten mit seinem Dachdeckerbetrieb mitgeteilt habe, habe diese Person ihm den Vorschlag gemacht, bei seiner nächsten Fahrt zu den Eltern nach Polen Rauschgift, und zwar Haschisch, mitzunehmen. Er solle dieses Rauschgift in seinem PKW verstecken und nach seiner Durchreise durch die Bundesrepublik Deutschland den unmittelbar hinter der Grenze in Polen gelegenen Parkplatz anfahren. Dort werde er angesprochen werden; einer Person, die ihn auf das aus den Niederlanden stammende Haschisch anspreche, könne er das Rauschgift aushändigen. Für den Transport solle er dann von dieser Person 500,00 € ausgezahlt erhalten. Nach Überwindung einiger Hemmungen habe er zugesagt. Hintergrund sei gewesen, dass er mit seinem Unternehmen erhebliche wirtschaftliche Schwierigkeiten hatte. Er habe das Rausch-gift in den zwei Klammerverschlusstüten zwischen der Stoßstange und der Reserveradmulde seines für die Heimfahrt nach Polen genutzten PKW verstaut. Der ihn auf dieser Fahrt begleitende, ebenfalls aus Polen stammende Beifahrer habe von diesem Rauschgifttransport nichts gewusst.
2. Das Landgericht hat hinsichtlich des zugrunde zu legenden Strafrahmens in dem angefochtenen Urteil - abweichend vom Amtsgericht - einen minder schweren Fall der unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gern. § 30 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 BtMG angenommen. Als maßgeblich hierfür hat das Landgericht angesehen, dass der Angeklagte nicht vorbestraft sei und in der Sache 2 1/2 Monate Untersuchungshaft verbüßt habe. Nach seiner nicht zu widerlegenden Einlassung habe er auch nur die Position eines Kuriers inne gehabt und tatsächlich keine Vergütung für seinen Tatbeitrag erhalten. Das ihm in Aussicht gestellte Entgelt erscheine nicht besonders hoch. Auch sei das konkrete Rauschgift, welches bezüglich der typi-

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schen Gefährlichkeit eher dem unteren Bereich zuzuordnen sei und auch nicht für den Gebrauch in der Bundesrepublik Deutschland vorgesehen war, nicht in den Umlauf gekommen. Insoweit sei aber herauszustellen, dass die nicht geringe Menge (7,5g THC bei Cannabis) aufgrund der festgestellten Mindestwirkstoffmenge um immerhin das 16-fache überschritten gewesen sei.
Hinsichtlich der Strafzumessung hat die Kammer aufgrund der vorgenannten Umstände und zusätzlich des aus seiner Sicht die Tat nicht beschönigenden Geständnisses des Angeklagten in der Berufungshauptverhandlung die verhängte Freiheitsstrafe von 2 Jahren für tat- und schuldangemessen erachtet, welche es zur Bewährung ausgesetzt hat.
Die Staatsanwaltschaft macht mit ihrer zu Lasten des Angeklagten eingelegten Revision geltend, das Landgericht habe die Maßstäbe für die Annahme eines minder schweren Falles des § 30 Abs. 2 BtMG verkannt, bei der Strafzumessung wesentliche Gesichtspunkte unberücksichtigt gelassen und fehlerhaft die besonderen Voraussetzungen einer Strafaussetzungsmöglichkeit gem. § 56 Abs. 2 StGB angenommen.
II.
Die gern. §§ 333, 341 Abs. 1, 345 Abs. 1 StPO zulässige Revision der Staatsanwaltschaft hat mit der erhobenen Sachrüge Erfolg.
1.
Die Feststellungen des Landgerichts tragen die Annahme eines minder schweren Falles gern. § 30 Abs. 2 BtMG nicht.
1.1.
Zwar gilt auch für die in der Feststellung eines minder schweren Falles liegende Strafrahmenwahl, dass die Strafzumessung grundsätzlich Sache des Tatrichters ist, weil er am ehesten in der Lage ist, sich auf Grund der Hauptverhandlung einen umfassenden Eindruck von Tat und Täter zu verschaffen (BGH Urt. v. 26.06.1991,
3 StR 145/91, NStZ 1991, 529, JURIS Rdnr 7). Bei der Gewichtung einzelner für die Strafrahmenwahl wesentlicher Umstände können Momente eine Rolle spielen, die aus dem Inbegriff der Hauptverhandlung und dem Eindruck der Persönlichkeit eines Angeklagten gewonnen sind und die sich einer exakten Richtigkeitskontrolle entziehen, eine volle Nachprüfung durch den Revisionsrichter somit nicht zulassen (BGH a.a.O.). Das Revisionsgericht kann daher auch insoweit ebenso wie bei der Strafhöhenbemessung nur eingreifen, wenn die durch den Tatrichter vorgenommene Beurteilung Rechtsfehler erkennen lässt, etwa weil die maßgeblichen Erwägungen rechtlich anerkannten Strafzumessungsgrundsätzen zuwiderlaufen, in sich widersprüchlich oder in dem Sinne lückenhaft sind, dass naheliegende, sich aufdrängende Gesichtspunkte nicht erkennbar bedacht worden sind (BGH a.a.O.). Vorliegend widersprechen die maßgeblichen Erwägungen des Landgerichts der ständigen Recht-

sprechung des Bundesgerichtshofs zu den Voraussetzungen eines minder schweren Falles i.S.v. § 30 Abs. 2 BtMG.
1.2.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und allg. Meinung setzt die Annahme eines minder schweren Falles voraus, dass das gesamte Tatbild einschließlich aller subjektiven Momente und der Täterpersönlichkeit vom Durchschnitt der erfahrungsgemäß gewöhnlich vorkommenden Fälle in einem solch erheblichen Maße abweicht, dass die Anwendung des Ausnahmestrafrahmens geboten erscheint (BGH Urt. v. 23.12.1998, 3 StR 531/98, NStZ 1999, 193, JURIS Rdnr 3; Weber, BtMG, 3. Aufl. 2009 vor § 29 Rdnr 645 m.w.N.). Für das Verbrechen der unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gilt nichts anderes (BGH a.a.O. m.w.N.). Bei der Strafzumessung ist dabei im Betäubungsmittelstrafrecht die Gesamtmenge des Wirkstoffs bezogen auf die einfache nicht geringe Menge ein wesentlicher Umstand (BGH a.a.O.; Weber a.a.O. Rdnr 656). Das Gewicht des Angriffs auf die Volksgesundheit, das sich in dem Vielfachen der nicht geringen Menge des Betäubungsmittels ausdrückt, ist bei der Strafzumessung in die Abwägung einzubeziehen (BGH a.a.O. m.w.N.). Der Gesetzgeber hat der Menge dadurch einen beson-deren Stellenwert eingeräumt, dass er bei den Straftatbeständen des § 29 a Abs. 1 Nr. 2, § 30 Abs. 1 Nr. 4, § 30 a Abs. 1 und 2 Nr. 2 BtMG das Vorliegen der zu einem deutlich höheren Strafrahmen führenden Qualifikation von dem Vorliegen einer nicht geringen Menge abhängig macht (BGH a.a.O.). Umso mehr diese Grenzmenge überschritten wird, desto gewichtiger müssen im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtabwägung die für die Annahme eines minder schweren Falles herangezogenen Gründe sein, wenn das gesetzgeberische Anliegen nicht unterlaufen werden soll (BGH a.a.O.; Weber § 30 Rdnr 253 m.w.N.).

Diesen Maßstäben wird das landgerichtliche Urteil nicht gerecht. Die maßgeblichen Erwägungen enthalten Wertungsfehler, verhalten sich zu gewichtigen Umständen nicht und lassen insgesamt besorgen, dass die Menge des geschmuggelten Rauschgifts zwar ausdrücklich erörtert, aber tatsächlich nicht berücksichtigt worden ist. Letzteres liegt deshalb nahe, weil die Rauschgiftmenge durch das Landgericht lediglich erwähnt wird, das Urteil aber jegliche Auseinandersetzung missen lässt, weshalb gleichwohl ein minder schwerer Fall anzunehmen war. Auch die übrigen durch das Landgericht zu Gunsten des Angeklagten gewerteten Umstände sind vorliegend nicht geeignet, einen minder schweren Fall i.S.d. § 30 Abs. 2 BtMG anzunehmen. Die Strafmilderungsgründe, die das Landgericht dem Angeklagten zu Gute gehalten hat, treffen so oder ähnlich auf nahezu alle Rauschgiftkuriere zu. Das gilt insbesondere für die Milderungsgründe der geordneten Lebensverhältnisse, des vom Täter abgelegten, meist ohnehin kaum zu vermeidenden Geständnisses, seiner bisherigen Unbestraftheit, seines in wirtschaftlicher Not gründenden Tatmotivs, seiner untergeordneten Stellung als bloß ausführendes Werkzeug, auch für den Umstand, dass das sichergestellte Rauschgift den Markt nicht mehr erreicht, und schließlich ebenso für den Aspekt der mit dem hiesigen Strafvollzug für einen Ausländer verbundenen Härte (vgl. BGH Urt. v. 06.12.1995, 2 StR 500/95, NStZ-RR 1996, 84, JURIS Rdnr 6; BGH Urt. v. 23.12.1998, 3 StR 531/98 a.a.O.). Solchen Umständen kommt daher für ein Abweichen vom gesetzlichen Regelstrafrahmen nur geringe Bedeutung zu (BGH Urt. v. 23.12.1998, 3 StR 531/98 a.a.O.).

Soweit das Landgericht in diesem Zusammenhang die verbüßte Untersuchungshaft zu Gunsten des Angeklagten gewertet hat, begegnet dies schon deshalb durchgreifenden Bedenken, weil erlittene Untersuchungshaft bei einem Angeklagten, der eine Freiheitsstrafe zu verbüßen hat, regelmäßig ohne Bedeutung ist, da diese nach § 51 Abs. 1 S. 1 StGB auf die zu vollstreckende Strafe anzurechnen ist (BGH Urt. v. 23.12.1998, 3 StR 531/98 a.a.O., JURIS Rdnr 5).

Fehlerhaft hat das Landgericht weiter zu Gunsten des Angeklagten berücksichtigt, dass das Rauschgift nicht für den deutschen Markt bestimmt war. Dieser Umstand kann den Angeklagten nicht entlasten, weil der durch die Strafnorm bezweckte Schutz vor Gesundheitsbeeinträchtigungen nicht allein der Bevölkerung im Inland gilt, sondern - wie § 6 Nr. 5 StGB zeigt - ein weltweites Anliegen ist (BGH Urt. v. 06.12.1995, 2 StR 500/95, NStZ-RR 1996, 84, JURIS Rdnr 7 m.w.N.).

Darüber hinaus hat das Landgericht den Umstand, dass der Angeklagte das Rauschgift professionell zwischen Stoßstange und Reserveradmulde versteckt hatte, gänzlich bei der Beurteilung unberücksichtigt gelassen.
2.
Der Strafausspruch kann daher keinen Bestand haben und muss mitsamt den zugrunde liegenden Tatsachen aufgehoben werden.



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