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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 1 Ws 336/12 OLG Hamm

Leitsatz: Für eine Entscheidung über die Fortdauer der Untersuchungshaft ist jedenfalls dann kein Raum, wenn die Akten dem Oberlandesgericht vor Ablauf der in § 121 Abs. 2 StPO bezeichneten Frist vorgelegt werden und noch vor Ablauf der dem Angeklagten und seinem Verteidiger eingeräumten Frist zur Stellungnahme zum Antrag der Generalstaatsanwaltschaft die Hauptverhandlung begonnen hat.

Senat: 1

Gegenstand: Haftprüfung durch das OLG

Stichworte: Haftprüfung, OLG; Ruhen, Frist, Beginn der Hauptverhandlung

Normen: StPO 121; StPO 122

Beschluss:

Strafsache
In pp.
hat der 1. Strafsenat des OLG Hamm am 10.07.2012 beschlossen:
Eine Sachentscheidung des Senats über die Fortdauer der Untersuchungshaft des Angeklagten ist zurzeit nicht veranlasst.

Gründe:
I.
Der Angeklagte wurde in dieser Sache am 11.11.2011 vorläufig festgenommen und befindet sich seit dem 12.11.2011 aufgrund des Haftbefehls des Amtsgerichts E vom selben Tag (Az.: 714 Gs 255/11) in der Justizvollzugsanstalt E in Untersuchungshaft. Die Untersuchungshaft wurde für 50 Tage vom 10.01.2012 bis 28.02.2012 zur Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe aus dem Strafbefehl des Amtsgerichts E vom 19.05.2011 unterbrochen.

Mit dem Haftbefehl wird dem Angeklagten zur Last gelegt, am 25.10.2011 in E aus Habgier und heimtückisch einen Menschen getötet zu haben und tateinheitlich hierzu mit Gewalt gegen eine Person unter Anwendung von Drohungen und gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben eine fremde bewegliche Sache einem anderen in der Absicht weggenommen zu haben, die Sache sich rechtswidrig zuzueignen, wobei er dadurch wenigstens leichtfertig den Tod eines anderen Menschen verursacht sowie durch sechs weitere selbstständige Handlungen bis zum 04.11.2011 in E und T in der Absicht, sich einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, das Vermögen eines anderen dadurch geschädigt zu haben, dass er das Ergebnis eines Datenverarbeitungsvorgangs durch unbefugte Verwendung von Daten beeinflusste. Der Haftbefehl ist auf die Haftgründe der Schwere der Tat und der Fluchtgefahr (§ 112 Abs. 2 Nr. 2 und Abs. 3 StPO) gestützt.

Gleichzeitig mit der Eröffnung des Hauptverfahrens hat die 37. große Strafkammer des Landgerichts E die Aufrechterhaltung des Haftbefehls gegen den Angeklagten und die Erforderlichkeit der Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus beschlossen. Mit der am 29.06.2012 beim Oberlandesgericht eingegangenen Stellungnahme vom 27.06.2012 hat die Generalstaatsanwaltschaft beantragt, die Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus anzuordnen und die weitere Haftprüfung für die Dauer von drei Monaten dem nach den allgemeinen Vorschriften dafür zuständigen Gericht zu übertragen. Dieser Antrag ist dem Angeklagten und seinem Verteidiger mit Verfügung vom 29.06.2012 zur Stellungnahme binnen einer Woche zugeleitet worden. Die Verfügung wurde am 02.07.2012 ausgeführt.

Am 09.07.2012 hat das Landgericht mit der Hauptverhandlung begonnen. Die Hauptverhandlung ist nicht ausgesetzt worden.

II.
Eine Entscheidung des Senats über die Fortdauer der Untersuchungshaft gemäß §§ 121, 122 StPO ist bei der gegebenen Sachlage zurzeit nicht veranlasst, weil der Fristablauf entsprechend § 121 Abs. 3 S. 1 u. 2 StPO ruht.

Für eine Entscheidung über die Fortdauer der Untersuchungshaft ist jedenfalls dann kein Raum, wenn die Akten dem Oberlandesgericht vor Ablauf der in § 121 Abs. 2 StPO bezeichneten Frist vorgelegt werden, und noch vor Ablauf der dem Angeklagten und seinem Verteidiger eingeräumten Frist zur Stellungnahme zum Antrag der Generalstaatsanwaltschaft die Hauptverhandlung begonnen hat (OLG Hamm, wistra 1998, 198; OLG Hamm, Beschluss vom 08.08.2007 – 3 OBL 73/073 Ws 429/07).

Mit dem Beginn der Hauptverhandlung ruht der Fristenablauf gemäß § 121 Abs. 3 S. 2 StPO bis zur Verkündung des Urteils. Nach dem Wortlaut dieser Vorschrift gilt das zwar nur dann, wenn die Hauptverhandlung vor Ablauf der 6-Monats-Frist begonnen hat. Aus dem Sinn und Zweck dieser Regelung wird aber vielfach geschlossen, dass die Prüfungskompetenz des Oberlandesgerichts in jedem Fall mit Beginn der Hauptverhandlung endet (vgl.: OLG Hamm, a.a.O.; OLG Düsseldorf, NStZ 1992, 402; KG Berlin, NStZ-RR 2007, 207; OLG Dresden, NStZ 2004, 644; Kraus in: Graf, StPO, § 121 Rdnr. 17; Meyer-Goßner, StPO, 54. Aufl., § 122 Rdnr. 31). Während der Hauptverhandlung obliegt es dem Tatrichter im Rahmen des § 121 Abs. 1 StPO ständig die Voraussetzungen für die Fortdauer der Untersuchungshaft unter besonderer Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zu prüfen. Zudem stehen dem Angeklagten während der laufenden Hauptverhandlung seinerseits ausreichende Maßnahmen nach §§ 117, 120 StPO zur Verfügung, um eine Überprüfung der (weiteren) Haftfortdauer zu erreichen (OLG Hamm, a.a.O.).

Es bedarf vorliegend keiner Entscheidung, ob die Prüfungskompetenz des Oberlan-desgerichts auch dann endet, wenn die Akten nicht vor Ablauf der in § 121 Abs. 2 StPO bestimmten Frist vorgelegt werden, denn die am 01.07.2012 ablaufende Frist wurde durch Eingang der Akten am 29.06.2012 beim Senat gewahrt.

Mit der fristgerechten Vorlage der Akten ruht der Fristenablauf gemäß § 121 Abs. 3 S. 1 StPO bis zur Entscheidung des Senats. Vor einer Entscheidung hat der Senat den Angeklagten und seinen Verteidiger gemäß § 122 Abs. 2 S. 1 StPO zu hören, was hier mit Verfügung vom 29.06.2012 geschehen. Vor Ablauf der dem Angeklagten eingeräumten Frist zur Stellungnahme hat die Hauptverhandlung am 09.07.2012 begonnen. Bei dieser Sachlage konnte der Senat das Ruhen des Fristenlaufs gemäß § 121 Abs. 3 S. 1 StPO nicht mehr durch eine Entscheidung vor dem Beginn der Hauptverhandlung beenden. Unter solchen Umständen ist § 121 Abs. 3 S. 2 StPO entsprechend anzuwenden, so dass der Fristenlauf nunmehr bis zur Verkündung des Urteils ruht (OLG Hamm, a.a.O.).

Sofern die Hauptverhandlung nicht durch Urteil abgeschlossen und der Angeklagte dann nicht aus der Untersuchungshaft entlassen wird, sind die Akten dem Senat unverzüglich erneut vorzulegen.


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