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Rechtsprechung

Aktenzeichen: III - 1 Ws 322/12 OLG Hamm

Leitsatz: Zur Zurückstellung der Entscheidung über den Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung, wenn die positive Entwicklung des Verurteilten es rechtfertigt, zum Zeitpunkt der Entscheidung trotz einschlägigen Rückfalltaten von einer positiven Legal- und Sozialprognose aus-zugehen, welche einen Widerruf der Strafaussetzung zu dem Zeitpunkt nicht rechtfertigt.


Senat: 1

Gegenstand: Beschwerde

Stichworte: Strafaufsetzung zur Bewährung, Widerruf, Zurückstellung

Normen: StGB 56f

Beschluss:

OBERLANDESGERICHT HAMM
BESCHLUSS
III - 1 Ws 322/12 OLG Hamm
Strafsache
gegen pp.
wegen Bedrohung u.a.
(Hier: Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung).
Verteidigerin:
Auf die sofortige Beschwerde des Verurteilten vom 10.05.2012 gegen den Beschluss der 23. Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Dortmund bei dem Amtsgericht Hamm vom 03.05.2012 hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 24.07.2012 durch nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft und des Verurteilten bzw. seiner Verteidigerin beschlossen:

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.

Die Entscheidung über den Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung der Reststrafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Unna vom 20.01.2010 wird für die Dauer der Zurückstellung der Strafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Unna vom 21.06.2011 (103 Ls-242 Js 481/11-63/11) in der Fassung des Urteils des Landgerichts Dortmund vom 19.12.2011 (47 Ns 92/11) zurückgestellt.

Gründe
I.
Der mehrfach vorbestrafte Verurteilte wurde mit Urteil des Amtsgerichts Unna vom 20.01.2010 (101 Ds 295/09) wegen Verstoßes gegen das Waffengesetz in Tateinheit mit Bedrohung zu einer Freiheitsstrafe von 6 Monaten verurteilt. Nach Verbüßung von 2/3 der Strafe ist die Vollstreckung des Strafrests mit Beschluss des Landgerichts Dortmund -Strafvollstreckungskammer bei dem Amtsgericht Hamm- vom 01.12.2010, rechtskräftig seit dem 03.12.2010, zur Bewährung ausgesetzt und die Bewährungszeit auf drei Jahre festgesetzt worden.

Mit Urteil des Amtsgerichts Unna vom 21.06.2011 wurde der Verurteilte we-gen Erschleichens von Leistungen in drei Fällen, Beleidigung in drei Fällen, in einem Fall in Tateinheit mit Bedrohung und Sachbeschädigung zu einer Ge-samtfreiheitsstrafe von 2 Jahren verurteilt. Die Taten beging der Verurteilte im Zeitraum 14.01.2011 bis 31.01.2011. Die gegen das Urteil eingelegte, auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte, Berufung des Verurteilten wurde durch Urteil des Landgerichts Dortmund vom 19.12.2011 mit der Maßgabe verworfen, dass dieses die Voraussetzungen des § 35 BtMG für gegeben erachtete. Die Vollstreckung dieser Freiheitsstrafe ist derzeit gem. § 35 BtMG zurückgestellt. Der Verurteilte befindet sich nach Entzugsbehandlung seit dem 15.05.2012 im Zentrum für Drogentherapie Ostberger Str. 17 in Dortmund, nachdem er zuvor eine am 12.03.2012 in der Salusklinik begonnene Therapie am 18.03.2012 abgebrochen hatte.

Mit dem angefochtenen Beschluss hat die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Dortmund bei dem Amtsgericht Hamm nach schriftli-cher Anhörung des Verurteilten die Aussetzung der Reststrafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Unna vom 20.01.2010 widerrufen und zur Begründung im Wesentlichen auf die Nachverurteilung verwiesen. Die Zurückstellung der Strafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Unna vom 21.06.2011 gem. § 35 BtMG spreche nicht gegen den Widerruf, da der Verurteilte die zunächst begonnene Therapie abgebrochen und der Er-folg der -seinerzeit noch geplanten- Therapie in der Therapieeinrich-tung Ostberge ungewiss sei. Im Fall des rechtskräftigen Widerrufs der Reststrafe stehe es dem Verurteilten indes frei, auch auf Zurückstel-lung der Strafe aus dem Urteil vom 20.01.2010 gem. § 35 BtMG anzu-tragen. Wegen der weiteren Einzelheiten nimmt der Senat Bezug auf den Beschluss vom 03.05.2012.

Gegen diesen, dem Verurteilten am 09.05.2012 zugestellten Beschluss richtet sich seine durch seine Verteidigerin eingelegte sofortige Be-schwerde vom 10.05.2012, eingegangen beim Amtsgericht Hamm am 13.05.2012, mit der er die Zurückstellung der Strafe gem. § 35 BtMG beantragt.

Die Generalstaatsanwaltschaft in Hamm beantragt unter Hinweis auf die kriminelle Vergangenheit des Verurteilten und eine nicht aufgear-beitete Gewaltproblematik, die sofortige Beschwerde als unbegründet zu verwerfen. Auf die Stellungnahme der Generalstaatsanwaltschaft vom 18.06.2012, welche dem Verurteilten bzw. seiner Verteidigerin mit Gelegenheit zur Stellungnahme zur Kenntnis gebracht worden ist, wird Bezug genommen.

II.
Die gemäß §§ 453 Abs. 2 S. 3, 311 StPO statthafte und form- und fristgemäß eingelegte sofortige Beschwerde des Verurteilten hat in der Sache vorläufigen Erfolg.

Zwar liegen die Voraussetzungen für einen Widerruf der Strafausset-zung gem. § 56f Abs. 1 Nr. 1 StGB aufgrund der unmittelbar in An-schluss an die Strafaussetzung begangenen einschlägigen Straftaten des Verurteilten unzweifelhaft vor, wie die Strafvollstreckungskammer zutreffend erkannt hat. Der Widerruf der Strafaussetzung kommt je-doch nicht in Betracht, wenn mildere Mittel gem. § 56f Abs. 2 StGB ausreichend sind. Hiermit setzt sich die Strafvollstreckungskammer nicht hinreichend auseinander. Das wäre aber vorliegend erforderlich gewesen, weil es nahe lag, dem Verurteilten entweder eine Therapie-weisung zur Fortsetzung der begonnenen Langzeitentwöhnungsbe-handlung zu erteilen oder aber jedenfalls vom Widerruf zum jetzigen Zeitpunkt abzusehen.

Nach allgemeiner Ansicht müssen einschlägige Rückfalltaten Drogen- oder Alkoholabhängiger einer günstigen Sozialprognose nicht zwingend entgegen stehen, wenn neue tatsächliche Umstände vorliegen, die geeignet sind, die Möglichkeit der Wiedereingliederung im Einzelfall günstig zu beeinflussen (OLG Hamm, B. v. 20.05.2008, 5 Ws 172 und 173/08; OLG Schleswig B. v. 25.04.2008, 2 Ws 164/08, StraFo 2008, 344; OLG Celle, B. v. 14.02.2012, 1 Ws 54/12, zit. bei JURIS Rdnr 5ff, Fischer, 59. Aufl. § 56f Rdnr 14, jew. m.w.N.). Eine stationäre Drogenlangzeittherapie gemäß § 35 BtMG ist in der Regel als günstige Möglichkeit der Wiedereingliederung Drogenabhängiger in die Ge-sellschaft anzusehen (KG Berlin, B. v. 02.04.2001, 5 Ws 167/01; OLG Düsseldorf, B. v. 09.12.1996, 1 Ws 1061/96, StV 1998, 215, jew. zit. nach JURIS). Dies gilt insbesondere dann, wenn die Drogenabhängig-keit des Verurteilten noch nicht lange andauert, die Verbüßung von Freiheitsstrafe erstmalig bevorsteht und stationäre Langzeitthera-piemaßnahmen bislang noch nicht stattgefunden haben (KG a.a.O.; OLG Düsseldorf a.a.O.).

Zwar besteht die Drogenabhängigkeit des Verurteilten nach den Fest-stellungen in dem Urteil des Landgerichts Dortmund vom 19.12.2011 bereits seit dem Jahr 2001. Auch hat der Verurteilte bereits langjähri-ge Vollzugserfahrung. Allerdings befindet sich der Verurteilte nach Ak-tenlage erstmals in einer Langzeittherapie. Soweit er den ersten The-rapieversuch im März 2012 bereits nach kurzer Zeit abgebrochen hat, befindet er sich inzwischen seit Mai 2012 ununterbrochen in der The-rapieeinrichtung Ostberge. Auf telefonische Rückfrage des Senats bei der Klinikleitung entwickelt sich der Verurteilte dort derzeit positiv, hält seine Aggressionen im Zaum und ist in der Lage, sich bei guter Mitarbeit an die dortigen Regeln zu halten. Diese positive Entwicklung rechtfertigt es, zum jetzigen Zeitpunkt trotz der einschlägigen Rück-falltaten von einer positiven Legal- und Sozialprognose auszugehen, welche einen Widerruf der Strafaussetzung zum jetzigen Zeitpunkt nicht rechtfertigt. Dabei hat der Senat auch berücksichtigt, dass ein Widerruf in der vorliegenden Sache gem. § 35 Abs. 6 Nr. 2 BtMG zwingend den Widerruf der Zurückstellung der Strafvollstreckung aus dem Urteil des Amtsgerichts Unna vom 21.06.2011 und damit den Ab-bruch der derzeit positiv verlaufenden Therapie zur Folge hätte.

Eine Therapieweisung (§§ 56f Abs. 2 Nr. 1, 56c Abs. 3 Nr. 1 StGB) kam vorliegend mangels Zustimmung des Verurteilten nicht in Betracht (§ 56c Abs. 3 Nr. 1 StGB). In Anbetracht des Umstandes, dass der Strafrest aus der vorliegenden Verurteilung lediglich 2 Monate beträgt, hingegen bei erfolgloser Therapie aus dem Urteil des Amtsgerichts Unna vom 21.06.2011 eine 2-jährige Freiheitsstrafe zu vollstrecken ist, hat der Senat davon abgesehen, die Zustimmung zu einer solchen Weisung in der vorliegenden Sache bei dem Verurteilten einzuholen. Es erscheint insoweit ausreichend, die Entscheidung über den Widerruf der Strafaussetzung in der vorliegenden Sache ausnahmsweise zu-rückzustellen und abzuwarten, ob sich die positive Entwicklung fort-setzt (vgl. OLG Celle a.a.O.). Auf Vertrauensschutz wegen Zeitablaufs kann sich der Verurteilte im Fall eines späteren Widerrufs der Straf-aussetzung in dieser Sache nicht berufen, sollte die Zurückstellung der Strafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Unna vom 21.06.2011 wi-derrufen werden.
Über die Kosten des Beschwerdeverfahrens wird die Strafvollstreckungskammer zusammen mit der Entscheidung über einen eventuellen Widerruf oder den Straferlass zu befinden haben.


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