Diese Homepage verwendet Cookies, um Inhalte und Anzeigen zu personalisieren, Funktionen für soziale Medien anbieten zu können und die Zugriffe auf die Website zu analysieren. Außerdem gebe ich Informationen zu Ihrer Nutzung meiner Website an meine Partner für soziale Medien, Werbung und Analysen weiter.

OK Details ansehen Datenschutzerklärung

Rechtsprechung

Aktenzeichen: III-3 Ws 167/12 OLG Hamm

Leitsatz: 1. Der Widerruf der Absehensentscheidung im Sinne des § 456a Abs. 1 StPO in entsprechender Anwendung des § 49 VwVfG ist grundsätzlich möglich. Der Widerruf stellt gegenüber der Nachholungsentscheidung im Sinne des § 456a Abs. 2 StPO ein inhaltliches aliud dar und ist auch mit einem anderen Rechtsbehelf anzugreifen, nämlich nicht im Wege der Erhebung von Einwendungen nach § 458 Abs. 2 StPO, sondern im Verfahren nach §§ 23 ff EGGVG.
2. Die Frage, ob ein von der Staatsanwaltschaft ausgesprochener Widerruf im konkreten Einzelfall rechtmäßig ist, betrifft die Begründetheit eines etwaigen Rechtsbehelfes gegen die staatsanwaltschaftliche Entscheidung. Für die Frage nach dem statthaften Rechtsbehelf kommt es nur darauf an, welche Art von Entscheidung die Staatsanwaltschaft ausgesprochen hat.

Senat: 3

Gegenstand: Beschwerde

Stichworte: StPO 456a; StPO 458; IRG 83h

Normen: StPO 456a

Beschluss:

In pp.
hat der 3. Strafsenat des OLG Hamm am 12.07.2012 beschlossen:

Die sofortige Beschwerde wird als unbegründet verworfen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Verurteilte.

Gründe
I.
Das Landgericht Detmold verurteilte den Beschwerdeführer in der vorliegenden Sache am 30. Oktober 2007 wegen schweren Bandendiebstahls in sieben Fällen, wobei es in zwei Fällen beim Versuch blieb, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren. Das Urteil ist seit dem 30. Oktober 2007 rechtskräftig. Seit diesem Tage befand sich der Verurteilte in dieser Sache zunächst in Strafhaft. Unter Berücksichtigung anzurechnender Untersuchungshaft wäre die Hälfte der Strafe am 26. September 2008 verbüßt gewesen. Mit Verfügung vom 29. August 2008 sah die Staatsanwaltschaft Detmold als Vollstreckungsbehörde von der weiteren Vollstreckung der Gesamtfreiheitsstrafe nach § 456a Abs. 1 StPO ab und ordnete zugleich nach § 456a Abs. 2 Satz 3 StPO die Nachholung der Vollstreckung für den Fall der freiwilligen Rückkehr des Verurteilten nach Deutschland an. Am 5. September 2008 wurde der Verurteilte daraufhin nach Polen abgeschoben. Am 19. September 2008 erließ die Staatsanwaltschaft Detmold, gestützt auf § 456a Abs. 2 Satz 3 StPO, einen Haftbefehl gegen den Verurteilten, der mit dem Vermerk „Haftbefehl gemäß § 456a Abs. 2 StPO“ versehen wurde.

Am 2. Dezember 2009 ereignete sich ein Raubüberfall auf die Filiale der Sparkasse X in I, bei dem die Täter Bargeld im Gesamtwert von 697.000 € erbeuteten. Der Verurteilte steht spätestens seit dem Ende des Jahres 2010 in dem Verdacht, an diesem Überfall als einer der vor Ort ausführenden Täter beteiligt gewesen zu sein. Die Ermittlungen zur Aufklärung dieses Überfalles werden von der Staatsanwaltschaft Bielefeld geführt. Mit Haftbefehl vom 21. Dezember 2010 ordnete das Amtsgericht Bielefeld in diesem neuen Ermittlungsverfahren die Untersuchungshaft gegen den Beschwerdeführer an. Auf der Grundlage dieses Untersuchungshaftbefehles stellte die Staatsanwaltschaft Bielefeld am 29. Dezember 2010 einen Europäischen Haftbefehl aus, mit dem sie die Auslieferung des Verurteilten, der sich zum damaligen Zeitpunkt vermutlich in Polen aufhielt, anstrebte.

Unter dem 4. Januar 2011 wandte sich die Staatsanwaltschaft Bielefeld schriftlich an die Staatsanwaltschaft Detmold und regte unter Hinweis auf die Beschlüsse des OLG Hamm vom 10. September 1986 – 1 VAs 65/86 – (Leitsatz – ohne Gründe – veröffentlicht bei juris) und des OLG Karlsruhe vom 10. August 2007 – 2 VAs 10/07 – (veröffentlicht bei juris) und unter Darlegung des gegen den Verurteilten bestehenden Tatverdachtes hinsichtlich des Raubüberfalles vom 2. Dezember 2009 an, die Staatsanwaltschaft Detmold möge die von ihr am 29. August 2008 getroffene Entscheidung, von der weiteren Vollstreckung der Gesamtfreiheitsstrafe nach § 456a Abs. 1 StPO abzusehen, in entsprechender Anwendung des § 49 VwVfG widerrufen.

Der bei der Staatsanwaltschaft Detmold zuständige Dezernent erließ daraufhin am 6. Januar 2011 eine Verfügung mit folgendem Wortlaut:

„1. Vermerk: Zugunsten des Verurteilten C ist am 29. August 2008 gemäß § 456a StPO mit Wirkung ab dem 1. September 2008 von der weiteren Vollstreckung der Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren abgesehen worden, wobei ihm besonderes Entgegenkommen gewährt wurde, indem ihm bereits 26 Tage vor dem Halbstrafentermin die Ausreise ermöglicht wurde, damit er – eigenen Angaben zufolge – eine Ausbildung beginnen konnte. Nunmehr hat sich herausgestellt, dass er Ende 2009 nach Deutschland zurückkehrte, um in I einen schweren Raubüberfall zu begehen. Es stellt sich so dar, dass er nie vorhatte, eine Ausbildung zu absolvieren, sondern offenbar weiterhin schwere Straftaten auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland begehen wollte. Bei dieser Sachlage wäre keinesfalls in der vorgenannten Weise verfahren worden. Die nachträglich eingetretenen Umstände wiegen hier so schwer, dass nur der Widerruf der begünstigenden Entscheidung nach § 456a StPO verbleibt.

2. Die Entscheidung vom 29. August 2008, gemäß § 456a StPO ab dem 1. September 2008 von der weiteren Vollstreckung der Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren abzusehen, wird widerrufen.“

Zugleich wies der Dezernent den Rechtspfleger an, den Haftbefehl vom 19. September 2008 aufzuheben und einen „Vollstreckungshaftbefehl“ zu erlassen. Dieser Anweisung kam der Rechtspfleger der Staatsanwaltschaft Detmold nach. Er hob den Haftbefehl vom 19. September 2008 auf und erließ am 14. Januar 2011 auf dem Vordruck für Haftbefehle nach § 457 Abs. 2 StPO einen neuen Haftbefehl, der in seiner Überschrift keinen Hinweis mehr auf „§ 456a Abs. 2 StPO“ enthielt. An einem der folgenden Tage stellte die Staatsanwaltschaft Detmold auf der Grundlage des neuen Vollstreckungshaftbefehles vom 14. Januar 2011 einen Europäischen Haftbefehl aus, den sie an die polnischen Behörden übersandte.

Am 18. Januar 2011 wurde der Verurteilte in Polen festgenommen und dort zum Zwecke der Auslieferung nach Deutschland inhaftiert. Unklar ist, ob diese Inhaftierung aufgrund des Auslieferungsersuchens der Staatsanwaltschaft Bielefeld, des Auslieferungsersuchens der Staatsanwaltschaft Detmold oder aufgrund beider Auslieferungsersuchen erfolgte.

Mit Schriftsatz vom 2. März 2011, gerichtet an die Staatsanwaltschaft Detmold, legte der damalige Verteidiger des Verurteilten gegen den „Widerrufsbeschluss“ der Staatsanwaltschaft Detmold „Rechtsmittel“ ein. Die Staatsanwaltschaft Detmold legte diese Eingabe dem Generalstaatsanwalt in Hamm vor, der die Eingabe mit Bescheid vom 25. März 2011 als unbegründet zurückwies. Dieser Bescheid schloss mit einer Rechtsmittelbelehrung ab, in der es hieß, der Bescheid könne innerhalb eines Monats nach seiner Zustellung mit dem Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach § 23 EGGVG angefochten werden. Einen solchen Antrag stellte der Verurteilte in der Folgezeit, soweit ersichtlich, nicht.

Am 30. März 2011 lieferten die polnischen Behörden den Verurteilten nach Deutschland aus. Seither befindet er sich in der vorliegenden Sache in Strafhaft. Das Strafende ist auf den 18. Oktober 2012 notiert. Der Verurteilte ist in der Justizvollzugsanstalt Bielefeld-Brackwede inhaftiert. Für das Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Bielefeld war zunächst Überhaft vermerkt, bis der Senat die dortige Untersuchungshaftanordnung mit Beschluss vom 1. März 2012 – III-3 Ws 37/12 – (BeckRS 2012, 07386) wegen einer Verletzung des Beschleunigungsgebotes aufhob.

Mit Schriftsatz vom 11. März 2012, gerichtet an die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Bielefeld, beantragte der jetzige Verteidiger des Verurteilten die „Feststellung der Unzulässigkeit der Strafvollstreckung“. Zur Begründung seines Antrages führte er aus, die Voraussetzungen des § 456a Abs. 2 StPO seien nicht erfüllt: die zwangsweise Verbringung nach Deutschland am 30. März 2011 sei keine „Rückkehr“ im Sinne des § 456a Abs. 2 StPO, und der bloße Verdacht, der Verurteilte sei Ende 2009 zur Begehung einer Straftat nach Deutschland eingereist, sei nicht ausreichend.

Die Strafvollstreckungskammer behandelte dieses Vorbringen als Einwendungen im Sinne des § 458 Abs. 2 StPO und verwarf sie – nach Durchführung einer Beweisaufnahme – mit dem angefochtenen Beschluss vom 31. Mai 2012. In den Gründen des Beschlusses führte die Strafvollstreckungskammer aus, es könne dahinstehen, ob die Einwendungen überhaupt statthaft seien, sie seien jedenfalls unbegründet, da aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme feststehe, dass der Verurteilte im Dezember 2009 nach Deutschland eingereist und damit im Sinne des § 456a Abs. 2 StPO „zurückgekehrt“ sei.

Gegen diesen Beschluss wendet sich der Verurteilte mit seiner form- und fristgerecht eingelegten sofortigen Beschwerde.

II.
Die nach § 462 Abs. 3 Satz 1 StPO statthafte und auch im Übrigen zulässige sofortige Beschwerde ist unbegründet.

1. Die Strafvollstreckungskammer hat die mit dem Schriftsatz vom 11. März 2012 erhobenen Einwendungen im Ergebnis zu Recht verworfen.

a) Die Strafvollstreckungskammer hat die mit dem Schriftsatz vom 11. März 2012 erhobenen Einwendungen zutreffend als Einwendungen im Sinne des § 458 Abs. 2 StPO behandelt. Nach dieser Vorschrift entscheidet das Gericht u.a., wenn Einwendungen gegen die Anordnung der Vollstreckungsbehörde erhoben werden, dass an einem Ausgewiesenen (Abgeschobenen) die Vollstreckung einer Strafe nachgeholt werden soll. Diese Anordnung ist in § 456a Abs. 2 StPO gesetzlich geregelt, mithin in derjenigen Vorschrift, auf die der Verteidiger in dem Schriftsatz vom 11. März 2012 Bezug genommen hat.

b) Diese Einwendungen sind im vorliegenden Falle bereits nicht statthaft. Sie setzen voraus, dass überhaupt eine Entscheidung der Vollstreckungsbehörde im Sinne des § 456a Abs. 2 StPO (im Folgenden zur Vereinfachung: Nachholungsentscheidung) vorliegt. Dies ist hier nicht der Fall. Eine Nachholungsentscheidung existiert nicht bzw. nicht mehr.

aa) Die Verfügung der Staatsanwaltschaft Detmold vom 6. Januar 2011 stellt keine Nachholungsentscheidung dar.

Dem Wortlaut der Verfügung, ihrer Begründung – namentlich der Argumentation, es wäre bei Kenntnis der wahren Absichten des Verurteilten (von vornherein) keine Entscheidung nach § 456a Abs. 1 StPO (im Folgenden zur Vereinfachung: Absehensentscheidung) getroffen worden – und schließlich auch ihrer Entstehungsgeschichte (Anregung durch die Staatsanwaltschaft Bielefeld) ist zu entnehmen, dass die Staatsanwaltschaft Detmold gerade keine Nachholungsentscheidung im Sinne des § 456a Abs. 2 StPO treffen wollte, sondern vielmehr in entsprechender Anwendung des § 49 VwVfG einen Widerruf der Absehensentscheidung im Sinne des § 456a Abs. 1 StPO ausgesprochen hat.

Ein Widerruf der als begünstigender Justizverwaltungsakt anzusehenden Absehensentscheidung in entsprechender Anwendung des § 49 VwVfG wird grundsätzlich als möglich angesehen (vgl. hierzu die bereits von der Staatsanwaltschaft Bielefeld in ihrer Zuschrift vom 4. Januar 2011 zitierten Entscheidungen des OLG Hamm und des OLG Karlsruhe) und stellt gegenüber der Nachholungsentscheidung im Sinne des § 456a Abs. 2 StPO ein inhaltliches aliud dar. Während die Nachholungsentscheidung – quasi als „zweite Stufe“ in einem gestreckten Verfahren – das Bestehen einer Absehensentscheidung im Sinne des § 456a Abs. 1 StPO voraussetzt, beseitigt der Widerruf – bereits auf der „ersten Stufe“ – die Absehensentscheidung, so dass von vornherein keine Grundlage und auch kein Anlass mehr für eine Nachholungsentscheidung im Sinne des § 456a Abs. 2 StPO besteht. Konsequenterweise hat die Staatsanwaltschaft Detmold nach dem Erlass der Widerrufsentscheidung auch den ursprünglichen, auf § 456a Abs. 2 Satz 3 StPO gestützten Vollstreckungshaftbefehl vom 19. September 2008 durch einen „normalen“ Vollstreckungshaftbefehl im Sinne des § 457 Abs. 2 StPO ersetzt.

Ob ein Widerruf der Absehensentscheidung auch im vorliegenden Fall zulässig war oder ob – wofür vieles spricht – in der vorliegenden Fallkonstellation die Regelung in § 456a Abs. 2 StPO als abschließende Regelung anzusehen ist und damit mangels einer Regelungslücke eine entsprechende Anwendung des § 49 VwVfG ausscheidet, ist ohne Belang. Diese Frage beträfe die Rechtmäßigkeit des Vorgehens der Staatsanwaltschaft Detmold und damit die Begründetheit eines etwaigen Rechtsbehelfes. Für die hier entscheidende Frage nach der Statthaftigkeit des von dem Verurteilten erhobenen Rechtsbehelfes nach § 458 Abs. 2 StPO kommt es nur darauf an, welche Art von Entscheidung die Staatsanwaltschaft tatsächlich getroffen hat. Der Widerruf der Absehensentscheidung ist in § 458 Abs. 2 StPO nicht genannt und kann daher nach dieser Vorschrift nicht vor der Strafvollstreckungskammer angefochten werden.

bb) Die in der Verfügung vom 29. August 2008 – vorsorglich – getroffene Nachholungsentscheidung nach § 456a Abs. 2 Satz 3 StPO ist durch die Widerrufsverfügung vom 6. Januar 2011 gegenstandslos geworden. Etwas anderes würde nur dann gelten, wenn die Widerrufsverfügung vom 6. Januar 2011 in entsprechender Anwendung des § 44 Abs. 1 VwVfG nichtig wäre. Dies ist indes nicht der Fall. Nach § 44 Abs. 1 VwVfG ist ein Verwaltungsakt nichtig, soweit er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offensichtlich ist. Besonders schwerwiegende Fehler sind dabei nur solche, die mit der Rechtsordnung unter keinen Umständen vereinbar sind (OVG NRW, Beschluss vom 16. Februar 2012 – 1 A 2219/10). Der Verstoß muss schlechthin unerträglich für die Rechtsordnung sein und die an eine ordnungsgemäße Verwaltung zu stellenden Anforderungen in einem so hohen Maße verletzen, dass von niemandem erwartet werden kann, den Verwaltungsakt als verbindlich anzuerkennen (OVG NRW, a.a.O.). Offensichtlich ist der besonders schwerwiegende Fehler dann, wenn dem Verwaltungsakte die Fehlerhaftigkeit „auf die Stirn geschrieben“ ist (OVG NRW, a.a.O.), so dass der Durchschnittsbetrachter ohne weitere Ermittlungen oder besondere rechtliche Überlegungen zu dem Schluss kommen muss, dass der Verwaltungsakt unmöglich rechtens sein kann (OVG NRW, a.a.O.). Diese Voraussetzungen erfüllt die möglicherweise rechtsfehlerhafte analoge Anwendung des § 49 VwVfG durch die Staatsanwaltschaft Detmold nicht.

c) Der Verurteilte ist durch die Entscheidung der Staatsanwaltschaft Detmold, eine Widerrufsentscheidung und keine Nachholungsentscheidung auszusprechen, auch nicht „rechtsbehelfslos“ gestellt worden. Die Widerrufsentscheidung ist mit dem – befristeten – Rechtsbehelf nach §§ 23 ff EGGVG anfechtbar (vgl. OLG Hamm, a.a.O.; OLG Karlsruhe, a.a.O.); der Bescheid des Generalstaatsanwalts in Hamm vom 25. März 2011 enthielt auch eine entsprechende Rechtsbehelfsbelehrung. Einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung im Sinne der §§ 23 ff EGGVG hat der Verurteilte indes bislang, soweit ersichtlich, nicht gestellt.

2. Die von dem Verurteilten erstmals im Beschwerdeverfahren vor dem Senat erhobene Einwendung, die Strafvollstreckung sei unzulässig, weil er von den polnischen Behörden nicht zum Zwecke der Strafvollstreckung im vorliegenden Verfahren, sondern nur zum Zwecke der Strafverfolgung in dem Verfahren der Staatsanwaltschaft Bielefeld nach Deutschland ausgeliefert worden sei, ist jedenfalls unbegründet.

Der Sache nach rügt der Verurteilte damit einen Verstoß gegen den Spezialitätsgrundsatz nach § 83h IRG. Es handelt sich hierbei um eine Einwendung gegen die Zulässigkeit der Strafvollstreckung im Sinne des § 458 Abs. 1 StPO. Ob der Verurteilte im Beschwerdeverfahren vor dem Senat eine solche Einwendung erstmals erheben kann, nachdem im erstinstanzlichen Verfahren vor der Strafvollstreckungskammer nur Einwendungen im Sinne des § 458 Abs. 2 StPO erhoben worden waren, kann dahinstehen, da die neue Einwendung jedenfalls in der Sache keinen Erfolg hat.

Aufgrund des Beschwerdevorbringens hat der Senat die Staatsanwaltschaft Detmold ersucht, die einschlägigen Unterlagen aus dem dort unter der Geschäfts-Nr. 22 AR 10/11 geführten Rechtshilfeverfahren, in dem es um die Auslieferung des Verurteilten von Polen nach Deutschland ging, zu übersenden. Diesem Ersuchen ist die Staatsanwaltschaft nachgekommen, und der Senat hat die übersandten Unterlagen auch dem Verteidiger zur Verfügung gestellt.

Aus den übersandten Unterlagen ergibt sich, dass das Bezirksgericht in Radom/Polen mit Beschluss vom 2. März 2011 die Überstellung des Verurteilten an die Staatsanwaltschaft Detmold zum Zwecke der Strafvollstreckung in der vorliegenden Sache angeordnet hat. Aus den Gründen dieses Beschlusses geht darüber hinaus sogar hervor, dass der Verurteilte seiner Überstellung nach Deutschland zum Zwecke der Strafvollstreckung auch zugestimmt hatte.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO.

III.
Aus gegebenem Anlass weist der Senat für die weitere Strafvollstreckung nachdrücklich auf Folgendes hin:

Der von der Staatsanwaltschaft übersandte Beschluss des Bezirksgerichtes in Radom/Polen legt die Vermutung nahe, dass die in Polen an dem Verurteilten vollzogene Auslieferungshaft sich (auch) auf das Auslieferungsersuchen der Staatsanwaltschaft Detmold in der vorliegenden Sache bezog. Die Staatsanwaltschaft Detmold als Vollstreckungsbehörde wird daher nunmehr dringend zu prüfen haben, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang die Auslieferungshaft in Polen nach § 450a Abs. 1 Satz 1 StPO auf die im vorliegenden Verfahren verhängte Strafe anzurechnen ist. Hierbei werden auch die Regelung in § 450a Abs. 1 Satz 2 StPO sowie die hierzu vom Bundesgerichtshof in seinem Urteil vom 11. Juli 1985 – 4 StR 293/85 – (NStZ 1985, 497) entwickelten Grundsätze zu beachten sein.


zur Startseite "Rechtsprechung"

zum Suchformular

Die Nutzung von Burhoff-Online ist kostenlos. Der Betrieb der Homepage verursacht aber für Wartungs-, Verbesserungsarbeiten und Speicherplatz laufende Kosten.

Wenn Sie daher Burhoff-Online freundlicherweise durch einen kleinen Obolus unterstützen wollen, haben Sie hier eine "Spendenmöglichkeit".