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Rechtsprechung

Aktenzeichen: III-3 Ws 306/12 OLG Hamm

Leitsatz: Zur unberechtigten Weigerung der Strafvollstreckungskammer, eine Sachentscheidung über die Frage der bedingten Entlassung nach § 57 Abs. 2 Nr. 2 StGB zu treffen.

Senat: 3

Gegenstand: Beschwerde

Stichworte: bedingte Entlassung; Halbstrafenzeitpunkt; Sachentscheidung

Normen: StGB 57; StPO 454b

Beschluss:

Strafvollstreckungssache
In pp.
hat der 3. Strafsenat des OLG Hamm am 08.11.2012 beschlossen:

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Entscheidung, auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens, an die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Bielefeld zurückverwiesen.
Gründe

I.
Das Landgericht Detmold verurteilte den Beschwerdeführer in der vorliegenden Sache am 28. September 2005 im Berufungsrechtszug zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten, deren Vollstreckung das Gericht zur Bewährung aussetzte. Das Urteil ist seit dem 28. September 2005 rechtskräftig. Mit Beschluss vom 7. September 2011, rechtskräftig seit dem 30. September 2011, widerrief das Amtsgericht Bielefeld die Strafaussetzung zur Bewährung.

Der Verurteilte befindet sich seit dem 12. September 2011 in Strafhaft in der Justizvollzugsanstalt Bielefeld-Senne. Dort liegen Haftnotierungen für drei Strafvollstreckungsverfahren vor: für die vorliegende Sache sowie für die Verfahren StA Bielefeld 73 Js 962/10 V und StA Bielefeld 73 Js 2044/05 V. Im Zeitraum vom 12. September 2011 bis zum 11. November 2011 wurden zunächst zwei Drittel der Freiheitsstrafe aus dem Verfahren StA Bielefeld 73 Js 962/10 V vollstreckt; im Anschluss hieran wurden vom 12. November 2011 bis zum 30. Januar 2012 zwei Drittel der Freiheitsstrafe aus dem Verfahren StA Bielefeld 73 Js 2044/05 V vollstreckt. Seit dem 31. Januar 2012 wird die in der vorliegenden Sache verhängte Gesamtfreiheitsstrafe vollstreckt; die Hälfte der Gesamtfreiheitsstrafe ist seit dem 29. Oktober 2012 verbüßt, zwei Drittel der Gesamtfreiheitsstrafe werden am 28. Januar 2013 verbüßt sein.

Unter dem 26. Juli 2012 übersandte die Justizvollzugsanstalt Bielefeld-Senne der Staatsanwaltschaft Detmold einen Führungsbericht, in dem sie eine Aussetzung der Vollstreckung des Restes der in der vorliegenden Sache verhängten Gesamtfreiheitsstrafe bereits nach Verbüßung der Hälfte der Strafe nicht befürwortete. Diesem Führungsbericht war als Anlage eine schriftliche Erklärung des Verurteilten vom 4. Juli 2012 beigefügt, in der dieser sein Einverständnis mit einer bedingten Entlassung in der vorliegenden Sache und in den Strafvollstreckungsverfahren StA Bielefeld 73 Js 962/10 V und StA Bielefeld 73 Js 2044/05 V bekundet hatte. Unter dem 3. August 2012 übersandte die Staatsanwaltschaft Detmold das Vollstreckungsheft an die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Bielefeld mit dem Bemerken, sie widerspreche einer bedingten Entlassung des Verurteilten in der vorliegenden Sache. Am 6. August 2012 ging bei der Staatsanwaltschaft Detmold ein auf den 31. Juli 2012 datiertes Schreiben des Verurteilten ein, in dem dieser erklärte, er wolle „im Vorfeld einer Anhörung durch die Strafvollstreckungskammer“ zu dem Führungsbericht der Justizvollzugsanstalt Stellung nehmen, und in dem er sinngemäß ausführte, er sei – anders als die Justizvollzugsanstalt – der Auffassung, dass für ihn eine positive Legalprognose bestehe. Die Staatsanwaltschaft leitete dieses Schreiben an die Strafvollstreckungskammer weiter, bei der es am 8. August 2012 einging.

Mit dem angefochtenen Beschluss vom 31. August 2012 lehnte die Strafvollstreckungskammer – ohne vorherige mündliche Anhörung des Verurteilten – „eine Entscheidung über die bedingte Entlassung des Verurteilten“ ab. In den Gründen des Beschlusses führte die Strafvollstreckungskammer aus, für eine Entscheidung in der Sache über die Frage einer bedingten Entlassung nach § 57 Abs. 2 Nr. 2 StGB, der hier allein als Grundlage für eine bedingte Entlassung in Betracht komme, bestehe kein Anlass, da eine derartige Entscheidung nicht von Amts wegen zu treffen sei, sondern nur auf einen entsprechenden Antrag des Verurteilten oder einen die bedingte Entlassung befürwortenden Antrag der Staatsanwaltschaft. Derartige Anträge seien indes nicht gestellt worden. Das von dem Verurteilten am 4. Juli 2012 erklärte Einverständnis mit seiner bedingten Entlassung stelle keinen Antrag dar; auch die schriftliche Stellungnahme des Verurteilten vom 31. Juli 2012 enthalte kein Halbstrafengesuch.

Gegen diesen Beschluss wendet sich der Verurteilte mit seiner form- und fristgerecht eingelegten sofortigen Beschwerde.

II.
Das nach – dem zumindest entsprechend anwendbaren – § 454 Abs. 3 Satz 1 StPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsmittel des Verurteilten hat (vorläufig) Erfolg. Die Strafvollstreckungskammer war nicht berechtigt, eine Sachentscheidung zur Frage der bedingten Entlassung des Verurteilten aus der Strafhaft zu verweigern.

1. Fraglich ist bereits, ob dem rechtlichen Ausgangspunkt der Erwägungen der Strafvollstreckungskammer gefolgt werden kann. Die Frage, ob eine Sachentscheidung über die Frage einer bedingten Entlassung nach § 57 Abs. 2 Nr. 2 StGB nur auf Antrag oder auch von Amts wegen getroffen werden muss, wird in Rechtsprechung und Literatur nicht einheitlich beantwortet (bejahend: OLG Rostock, NStZ 2001, 278; ablehnend: Meyer-Goßner, StPO, 55. Aufl. [2012], § 454 Rdnr. 6). Jedenfalls in der vorliegenden Sachverhaltskonstellation, in der der Strafvollstreckungskammer inhaltliche Stellungnahmen der Staatsanwaltschaft und der Justizvollzugsanstalt zur Frage der bedingten Entlassung nach Verbüßung der Hälfte der Strafe und eine Einwilligungserklärung des Verurteilten nach § 57 Abs. 2 iVm Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StGB vorlagen, ist kein Grund ersichtlich, die Verpflichtung der Strafvollstreckungskammer zu einer Entscheidung in der Sache zusätzlich noch von einem besonderen Antrag abhängig zu machen.

2. Einer abschließenden Klärung dieser Frage bedarf es indes nicht. Denn entgegen der Auffassung der Strafvollstreckungskammer lag ein Antrag (Halbstrafengesuch) des Verurteilten bereits vor dem Erlass des angefochtenen Beschlusses vor. Ein solches Gesuch enthielt spätestens das Schreiben des Verurteilten vom 31. Juli 2012, in dem der Wunsch des Verurteilten nach einer vorzeitigen Entlassung deutlich zum Ausdruck kommt und das daher als (konkludentes) Halbstrafengesuch zu werten ist.

3. Einer Sachentscheidung der Strafvollstreckungskammer zur Frage der bedingten Entlassung des Verurteilten bereits nach Verbüßung der Hälfte der Gesamtfreiheitsstrafe steht schließlich auch nicht die Regelung in § 454b Abs. 3 StPO entgegen. Da in den beiden anderen Strafvollstreckungsverfahren StA Bielefeld 73 Js 962/10 V und StA Bielefeld 73 Js 2044/05 V die Vollstreckung der Strafen jeweils nach Verbüßung von zwei Dritteln unterbrochen wurde, kann – und muss – nunmehr über die Aussetzung der Vollstreckung der Reste aller Strafen gleichzeitig entschieden werden.

III.
In Abweichung von der Regel des § 309 Abs. 2 StPO trifft der Senat keine abschließende eigene Sachentscheidung, sondern verweist die Sache zu neuer Entscheidung, auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens, an die Strafvollstreckungskammer zurück, weil die von der Strafvollstreckungskammer unterlassene mündliche Anhörung des Verurteilten nach § 454 Abs. 1 Satz 3 StPO im Beschwerdeverfahren grundsätzlich nicht nachgeholt werden kann (vgl. hierzu auch Senat, NStZ 2012, 408). Die Strafvollstreckungskammer wird nunmehr im Hinblick auf § 454b Abs. 3 StPO zugleich über die Aussetzung der Vollstreckung der Strafreste aus den Verfahren StA Bielefeld 73 Js 962/10 V und StA Bielefeld 73 Js 2044/05 V mitzuentscheiden haben.


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