Aktenzeichen: III-1 Ws 30/13 OLG Hamm |
Leitsatz: 1.) § 37 Abs. 2 StPO bestimmt, dass sich die Berechnung der Frist nach der zuletzt bewirkten Zustellung richtet, wenn die für einen Beteiligten bestimmte Zustellung an mehrere Empfangsberechtigte bewirkt wird. Jedoch wird eine bereits versäumte Frist nicht wieder eröffnet, selbst dann nicht, wenn diese Zustellung noch vor Ablauf der Frist angeordnet war. 2.) Auch bei Zustellung an einen Rechtsanwalt ist eine etwa erforderliche Rechtsmittelbelehrung (§ 35 a StPO) beizufügen. |
Senat: 1 |
Gegenstand: Beschwerde |
Stichworte: Wiedereinsetzung, Zustellung, Doppelzustellung |
Normen: StPO 37; StPO 35a |
Beschluss: Strafsache In pp.. hat der 1. Strafsenat des OLG Hamm am 07.02.2013 beschlossen: Die sofortige Beschwerde wird als unzulässig auf Kosten der Verurteilten (§ 473 Abs. 1 StPO) verworfen. Gründe I. Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Landgericht Siegen eine sofortige Be-schwerde der Verurteilten gegen einen Beschluss des Amtsgerichts Olpe, mit dem dieses die der Verurteilten gewährte Strafaussetzung zur Bewährung widerrufen hatte, als unzulässig verworfen und einen Antrag der Verurteilten auf Wiedereinset-zung in den vorigen Stand wegen der Versäumung der Frist zur Einlegung der sofor-tigen Beschwerde verworfen. Der Beschluss ist der Verteidigerin am 15.11.2012 ohne Rechtsmittelbelehrung, der Verurteilten am 29.11.2012 mit Rechtsmittelbelehrung zugestellt worden. Mit am 23.11.2012 eingegangenem Verteidigerschriftsatz hat die Verurteilte sofortige Beschwerde eingelegt. Die Generalstaatsanwaltschaft Hamm hat beantragt, das Rechtsmittel als unzulässig zu verwerfen. II. Die nach § 454 Abs. 3 StPO statthafte sofortige Beschwerde ist unzulässig, da sie nicht fristgerecht eingelegt worden ist. Nach § 311 Abs. 2 StPO ist die sofortige Be-schwerde binnen einer Woche einzulegen. Die Frist beginnt mit der Bekanntma-chung der Entscheidung nach § 35 StPO. Diese Bekanntmachung erfolgte vorlie-gend durch Zustellung an die Verteidigerin am 15.11.2012. Die Frist endete damit am 22.11.2012. Die Frist ist nicht durch die Zustellung an die Verurteilte am 29.11.2012 erneut in Gang gesetzt worden. Zwar bestimmt § 37 Abs. 2 StPO, dass sich die Berechnung der Frist nach der zuletzt bewirkten Zustellung richtet, wenn die für einen Beteiligten bestimmte Zustellung an mehrere Empfangsberechtigte bewirkt wird. Jedoch wird eine bereits versäumte Frist durch die Zustellung an einen weiteren Empfangsbe-rechtigten nicht wieder eröffnet, selbst dann nicht, wenn diese Zustellung noch vor Ablauf der Frist angeordnet war (BGH NJW 1968, 2019; BGH NJW 1987, 2824, 2825; BGH, Urt. v. 30.08.1990 - 3 StR 459/87 - [...]; ThürOLG, Beschl.v. 07.11.2007, 1 Ss 237/07 -[...]; Meyer-Goßner, StPO, 55. Aufl., § 37 Rdn. 29; Weßlau in: SK-StPO, Stand: April 2004, § 37 Rdn. 45; Ziegler in: KMR-StPO, Stand Mai 2012, § 37 Rdn. 55). Die erst nach Fristablauf an die Verurteilte bewirkte Zustel-lung hat hier die Frist zur Einlegung der sofortigen Beschwerde also nicht erneut in Gang gesetzt. Der Senat hat erwogen, im Hinblick auf den Wortlaut des § 37 Abs. 2 StPO gleich-wohl die Frist von der letzten Zustellung an zu berechnen. Dies ist jedoch vor allem vor dem Hintergrund der gesetzgeberischen Intention bei Einführung des § 37 Abs. 2 StPO nicht angängig. Der Gesetzgeber hat die Vorschrift eingeführt, "um der Klarheit und Rechtssicherheit im Fristenwesen willen" (BT-Drs. IV 1020 S. 6). Diese Intention würde unterlaufen, wenn man die Regelung allein dem Wortlaut entsprechend so auslegen wollte, dass eine spätere Zustellung, ganz gleich zu welchem Zeitpunkt sie nachträglich erfolgt, die nach der ersten Zustellung abgelaufene Frist wieder in Gang setzen würde. Zudem kann bis zum Ablauf der Frist ein durch die Doppelzustellung ausgelöster Irrtum über den Fristbeginn (und damit auch das Fristende) nicht möglich sein, während ein späterer Irrtum nicht mehr zu einer Versäumung der ohnehin schon abgelaufenen Frist führen kann. Eine allein auf den Wortlaut abstellende Vor-schrift würde die Grundsätze der Rechtskraft unterlaufen (BayObLG NJW 1967, 2124, 2125). Ein solcher Eingriff kann nicht im Sinn des Gesetzgebers gelegen ha-ben, dem es gerade auf eine Verbesserung der Rechtssicherheit ankam (BGH NJW 1968, 2019). Die Auslegung ist auch mit dem Wortlaut, der stets kontextabhängig ist (Fischer StGB 59. Aufl. § 1 Rdn. 11) vereinbar. Der Wortlaut steht - wie der systemtatische Zusammenhang der Norm zeigt - im Kontext des Umgangs mit nicht bereits rechts-kräftigen Entscheidungen und regelt nichts zur Aufhebung der bereits einmal einge-tretenen Rechtskraft. Eine verbotswidrige Analogie liegt nicht vor. Das Analogiever-bot gilt nicht im Strafprozessrecht (BGH, Beschl. v. 25.11.2006 - 1 BGs 184/06 - ju-ris). Schließlich käme eine andere Auslegung auch zu dem unsinnigen Ergebnis, dass Fristablauf und damit Rechtskraft festzustellen wäre, wenn die zweite Zustel-lung (aus welchen Gründen auch immer) nicht ausgeführt werden kann, nicht aber, wenn sie später doch ausgeführt wird. Gründe für eine Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand von Amts wegen (§ 45 Abs. 2 S. 2 StPO) sind nicht erkennbar. Zwar erfolgte die Zustellung an die Verteidi-gerin ohne eine Rechtsmittelbelehrung, so dass nach § 44 S. 2 StPO die Versäu-mung der Rechtsmittelfrist als unverschuldet anzusehen ist. Auch bei der Zustellung an einen Verteidiger ist eine etwa erforderliche Rechtsmittelbelehrung beizufügen (AGH Rostock, Beschl. v. 25.05.2007 - AGH 6/07 (II/03) - [...]; Graalmann-Scheerer in: LR-StPO, § 44 Rdn. 67 m.w.N.). Sie ist nicht etwa entbehrlich, weil es sich inso-weit um einen Anwalt handelt, bei dem die entsprechende Rechtskunde vorausge-setzt wird. Das Gesetz (§ 35a StPO) differenziert insoweit nicht. Selbst bei einem Anwalt erscheint die Rechtsmittelbelehrung tunlich, da es auch beim Rechtskundigen möglich ist, dass er nicht alle gesetzlichen Fristen kennt oder aufgrund eines Tätig-keitsschwerpunktes in einem anderen Rechtsgebiet von anderen Fristlaufzeiten aus-geht. Auch wenn ein Fall des § 44 S. 2 StPO vorliegt, bedarf es aber der Glaubhaft-machung der Kausalität des Belehrungsmangels für die Fristversäumung. Dies ist hier nicht ersichtlich. Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass das Rechtsmittel aber auch in der Sache keinen Erfolg gehabt hätte, da das Landgericht die beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zutreffend versagt hat. |
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