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Rechtsprechung

Aktenzeichen: III-1 Ws 49/13 OLG Hamm

Leitsatz: § 37 Abs. 2 StPO bestimmt, dass sich die Berechnung der Frist nach der zuletzt bewirkten Zustellung richtet, wenn die für einen Beteiligten bestimmte Zustellung an mehrere Empfangsberechtigte bewirkt wird. Jedoch wird eine bereits versäumte Frist nicht wieder eröffnet, selbst dann nicht, wenn diese Zustellung noch vor Ablauf der Frist angeordnet war.

Senat: 1

Gegenstand: Beschwerde

Stichworte: Wiedereinsetzung, Zustellung, Doppelzustellung

Normen: StPO 37

Beschluss:

Strafsache
In pp.
hat der 1. Strafsenat des OLG Hamm am 07.02.2013 beschlossen:

Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der sofortigen Beschwerde wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die sofortige Beschwerde wird als unzulässig auf Kosten des Verurteilten (§ 473 Abs. 1 StPO) verworfen.

Gründe
I.
Mit dem angefochtenen Beschluss hat die Strafvollstreckungskammer die bedingte Entlassung nach Verbüßung von 15 Jahren der durch Urteil des Landgerichts Krefeld vom 23.03.2000 verhängten lebenslangen Freiheitsstrafe abgelehnt. Je eine Ausfer-tigung des Beschlusses sind dem Verurteilten am 17.12.2012 und dem Verteidiger am 04.01.2013 zugestellt worden. Mit am 09.01.2013 eingegangenem Verteidigerschriftsatz hat der Verurteilte sofortige Beschwerde eingelegt.

Die Generalstaatsanwaltschaft Hamm hat beantragt, die sofortige Beschwerde als unbegründet zu verwerfen.

Nach Hinweis des Senats auf eine mögliche Unzulässigkeit des Rechtsmittels wegen verspäteter Einlegung hat der Verurteilte auch die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Er meint, dass entgegen der herrschenden Rechtsprechung der Wortlaut des § 37 Abs. 2 StPO maßgeblich sei, aus dem hier folge, dass die Frist zur Einlegung der sofortigen Beschwerde mit Zustellung an den Verteidiger erneut in Gang gesetzt worden sei. Jedenfalls sei Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, da der Verteidiger bei Zustellung des Beschlusses an ihn offensichtlich nicht gewusst habe, dass der Beschluss dem Verurteilten bereits am 17.12.2012 zu-gestellt worden war.

II.
Die nach § 454 Abs. 3 StPO statthafte sofortige Beschwerde ist unzulässig, da sie nicht fristgerecht eingelegt worden ist. Nach § 311 Abs. 2 StPO ist die sofortige Be-schwerde binnen einer Woche einzulegen. Die Frist beginnt mit der Bekanntma-chung der Entscheidung nach § 35 StPO. Diese Bekanntmachung erfolgte vorlie-gend durch Zustellung an den Verurteilten am 17.12.2012. Die Frist endete damit am 24.12.2012.

Die Frist ist nicht durch die Zustellung an den Verteidiger am 04.01.2013 erneut in Gang gesetzt worden. Zwar bestimmt § 37 Abs. 2 StPO, dass sich die Berechnung der Frist nach der zuletzt bewirkten Zustellung richtet, wenn die für einen Beteiligten bestimmte Zustellung an mehrere Empfangsberechtigte bewirkt wird. Der Verteidiger, dessen Vollmacht sich bei den Akten befand, war hier nach § 145a Abs. 1 StPO ne-ben dem Verurteilten selbst (vgl. Graalmann-Scheerer in: LR-StPO, 26. Aufl., § 37 Rdn. 105) empfangsberechtigt. Jedoch wird eine bereits versäumte Frist durch die Zustellung an einen weiteren Empfangsberechtigten nicht wieder eröffnet, selbst dann nicht, wenn diese Zustellung noch vor Ablauf der Frist angeordnet war (BGH NJW 1968, 2019; BGH NJW 1987, 2824, 2825; BGH, Urt. v. 30.08.1990 - 3 StR 459/87 - [...]; ThürOLG, Beschl.v. 07.11.2007, 1 Ss 237/07 -[...]; Meyer-Goßner, StPO, 55. Aufl., § 37 Rdn. 29; Weßlau in: SK-StPO, Stand: April 2004, § 37 Rdn. 45; Ziegler in: KMR-StPO, Stand Mai 2012, § 37 Rdn. 55). Die erst nach Fristablauf an den Verteidiger bewirkte Zustellung hat hier die Frist zur Einlegung der sofortigen Beschwerde also nicht erneut in Gang gesetzt. Dass vorliegend bei der Zustellungs-anordnung § 145a Abs. 3 StPO nicht beachtet wurde, ist unschädlich, da es sich in-soweit um eine reine Ordnungsvorschrift handelt (OLG Hamburg NJW 1965, 1614; Graalmann-Scheerer in: LR-StPO, 26. Aufl., § 37 Rdn. 105).

Der Senat hat erwogen, im Hinblick auf den Wortlaut des § 37 Abs. 2 StPO gleich-wohl die Frist von der letzten Zustellung an zu berechnen. Dies ist jedoch vor allem vor dem Hintergrund der gesetzgeberischen Intention bei Einführung des § 37 Abs. 2 StPO nicht angängig. Der Gesetzgeber hat die Vorschrift eingeführt, "um der Klarheit und Rechtssicherheit im Fristenwesen willen" (BT-Drs. IV 1020 S. 6). Diese Intention würde unterlaufen, wenn man die Regelung allein dem Wortlaut entsprechend so auslegen wollte, dass eine spätere Zustellung, ganz gleich zu welchem Zeitpunkt sie nachträglich erfolgt, die nach der ersten Zustellung abgelaufene Frist wieder in Gang setzen würde. Zudem kann bis zum Ablauf der Frist ein durch die Doppelzustellung ausgelöster Irrtum über den Fristbeginn (und damit auch das Fristende) nicht möglich sein, während ein späterer Irrtum nicht mehr zu einer Versäumung der ohnehin schon abgelaufenen Frist führen kann. Eine allein auf den Wortlaut abstellende Vor-schrift würde die Grundsätze der Rechtskraft unterlaufen (BayObLG NJW 1967, 2124, 2125). Ein solcher Eingriff kann nicht im Sinn des Gesetzgebers gelegen ha-ben, dem es gerade auf eine Verbesserung der Rechtssicherheit ankam (BGH NJW 1968, 2019).

Die Auslegung ist auch mit dem Wortlaut, der stets kontextabhängig ist (Fischer StGB 59. Aufl. § 1 Rdn. 11) vereinbar. Der Wortlaut steht - wie der systemtatische Zusammenhang der Norm zeigt - im Kontext des Umgangs mit nicht bereits rechts-kräftigen Entscheidungen und regelt nichts zur Aufhebung der bereits einmal einge-tretenen Rechtskraft. Eine verbotswidrige Analogie liegt nicht vor. Die von der Vertei-digung angeführte Entscheidung BVerfGE 73, 206 und auch die Entscheidung BVerfGE 92, 1 betrafen eine Frage des materiellen Strafrechts. Das Analogieverbot gilt aber nicht im Strafprozessrecht (BGH, Beschl. v. 25.11.2006 - 1 BGs 184/06 - [...]). Schließlich käme eine andere Auslegung auch zu dem unsinnigen Ergebnis, dass Fristablauf und damit Rechtskraft festzustellen wäre, wenn die zweite Zustel-lung (aus welchen Gründen auch immer) nicht ausgeführt werden kann, nicht aber, wenn sie später doch ausgeführt wird.

Gründe für eine Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand von Amts wegen (§ 45 Abs. 2 S. 2 StPO) sind nicht erkennbar. Anders als der Verteidiger meint, kommt es nicht darauf an, dass ihn (den Verteidiger) kein Verschulden trifft, sondern darauf, ob den Verurteilten ein Verschulden an der Fristversäumung trifft oder nicht. Für ein fehlendes Verschulden des Verurteilten (etwa, weil er nicht in der Lage gewesen wäre, seinen Verteidiger mit der Rechtsmitteleinlegung zu beauftragen o. ä.) ist nichts ersichtlich.



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