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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 1 Vollz (Ws) 15/13 OLG Hamm

Leitsatz: Befindet sich ein Strafgefangener in einer Pflegeabteilung des Strafvollzuges, so hat er keinen generellen Anspruch auf Einzelunterbringung. § 65 StVollzG überlagert insoweit § 18 StVollzG.

Senat: 1

Gegenstand: Beschwerde

Stichworte: Haftraum, Einzelunterbringung, Pflegeabteilung, Justizvollzugskrankenhaus, Hilfsbedürftigkeit

Normen: StVollzG 18; StVollzG 65; StVollzG 201

Beschluss:

Strafvollzugssache
In pp.

hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 05.03.2013 beschlossen:

1.Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

2. Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben. Der Antrag des Betroffenen auf gerichtliche Entscheidung vom 25.06.2012 wird zurückgewiesen.

3. Die Kosten Verfahrens vor dem Landgericht und die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens werden dem Betroffenen nach einem Gegenstandswert von 500 Euro auferlegt.

Gründe
I.
Mit dem angefochtenen Beschluss hat die Strafvollstreckungskammer die Einzelunterbringung des Betroffenen auf dessen Antrag angeordnet. Nach ihren Feststellungen befindet sich der Betroffene sei November 2011 aus gesundheitlichen Gründen auf einer Pflegestation im Justizvollzugskrankenhaus G. Dabei handele es sich um keine dem Krankenhausbereich zugeordnete Einrichtung, sondern um eine Einrichtung des geschlossenen Vollzuges, die der dauerhaften Vollstreckung von Strafen diene. Der Betroffene sei zunächst in einem Haftraum (einem Zweibettkrankenzimmer von 19,20 qm Fläche zzgl. eines Sanitärbereichs von 2,77 qm) alleine, dann vom 03.01. bis 21.01.2012 und vom 21.06. bis zum 10.07.2012 zusammen mit einem anderen Gefangenen dort inhaftiert gewesen, im Übrigen wiederum alleine. Dies hänge von der jeweiligen Belegungssituation ab. Der Betroffene werde bis zum Ende seiner Haftzeit auf der Pflegestation verbleiben. Bei ihm besteht Gangunsicherheit mit Sturzgefahr sowie eine nicht selbstbeherrschte insulinpflichtige Diabetes.

Die Strafvollstreckungskammer hat zur Begründung ihrer Entscheidung ausgeführt, dass die Belegung des Haftraumes mit einem zweiten Gefangenen § 18 Abs. 1 S. 1 StVollzG widerspreche. Die Ausnahmeregelung des § 18 Abs. 1 S. 2 StVollzG greife nicht ein, da der Betroffene nicht suizidgefährdet und auch nicht im Sinne dieser Regelung hilfsbedürftig sei. Eine Hilfsbedürftigkeit in dem Sinne, dass es eines zweiten Gefangenen bedürfe, bestehe nicht, wie sich schon daran zeige, dass der Betroffene nicht durchgängig gemeinschaftlich untergebracht werde. Auch § 18 Abs. 2 StVollzG greife nicht ein, da eine voraussehbare Überbelegung die gemeinschaftliche Unterbringung nicht rechtfertigen könne.

Gegen die Entscheidung wendet sich der Leiter des Justizvollzugskrankenhauses mit der Rechtsbeschwerde. Er rügt die Verletzung materiellen Rechts. Der Betroffene sei hilfsbedürftig. Ihm müssten vom Personal Insulin und andere Medikamente verabreicht werden und er bedürfe krankengymnastischer Übungen. § 18 Abs. 1 S. 2 StVollzG setze nicht voraus, dass die erforderliche Hilfestellung vom Mitgefangenen zu leisten ist. Außerdem liege der Ausnahmetatbestand des § 18 Abs. 2 S. 2 StVollzG vor, wenn ein entsprechender Aufnahmebedarf gegeben sei.

Das Justizministerium des Landes Nordrhein-Westfalen hat ausgeführt, dass der Anwendungsbereich des § 18 StVollzG teleologisch zu reduzieren sei. Auch außerhalb des Vollzuges sei eine gemeinschaftliche Unterbringung in Pflegeheimen normal.

II.
Der Senat hat die Rechtsbeschwerde nach § 116 StVollzG zur Fortbildung des Rechts zugelassen, um Leitsätze für die Auslegung des § 18 StVollzG aufzustellen. Zu der Frage, ob die dort genannten Unterbringungsgarantien auch im Falle einer Verlegung in eine Pflegeabteilung innerhalb des Vollzuges gelten, gibt es – soweit ersichtlich – noch keine obergerichtliche Rechtsprechung.

III.
Die auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde ist begründet und führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung sowie zur Zurückweisung des Antrags des Betroffenen auf gerichtliche Entscheidung.

1. Der Antrag des Betroffenen auf gerichtliche Entscheidung – soweit man ihn als Vornahmeantrag auslegt – hat schon deswegen keinen Erfolg, weil der Betroffene nach seiner Antragstellung am 25.06.2012 seit dem 10.07.2012 wieder einzeln untergebracht und er infolgedessen nicht mehr beschwert ist. Nach § 115 Abs. 3 StVollzG spricht das Gericht zwar auf Antrag aus, dass die Maßnahme rechtswidrig gewesen ist, wenn der Antragsteller ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat. Einen solchen Antrag hat der Betroffene aber nicht gestellt.

Der Antrag – sollte er ggf. von vornherein auf eine bloße Feststellung gerichtet gewesen sein – hat aber auch deswegen keinen Erfolg, weil er unbegründet ist.

Zutreffend geht die Strafvollstreckungskammer zwar davon aus, dass die gemein-schaftliche Unterbringung an sich gegen § 18 StVollzG verstieß, da einer der dort normierten Ausnahmefälle nicht vorlag und auch § 201 Nr. 3 StVollzG hier nicht eingreift.

Eine Hilfsbedürftigkeit i.S.d. § 18 Abs. 1 S. 2 StVollzG liegt nicht vor. Eine solche Hilfsbedürftigkeit, die die Zusammenlegung mit anderen Gefangenen rechtfertigt, ist dann gegeben, wenn die Anwesenheit anderer Gefangener geeignet ist, den Hilfs-bedürfnissen des Betroffenen entgegenzukommen, sei es durch Hilfestellungen im Alltag, sei es durch die Möglichkeit der Herbeiholung von Hilfe im Notfall oder bei überraschend auftretenden Anfällen etc. (vgl. Schwind/Böhm/Jehle/Laubenthal, StVollzG, 5. Aufl., § 18 Rdn. 4). Wird der Hilfsbedürftigkeit allein durch professionelle Pflegeleistungen begegnet und bringt die Anwesenheit weiterer Gefangener dem Betroffenen insoweit keine Unterstützung, dann gibt es auch keinen Grund, von der Regel des § 18 Abs. 1 S. 1 StVollzG abzuweichen. Die Normierung der Zulässigkeit einer Mehrfachbelegung von Hafträumen würde unter diesen Umständen keinen Sinn machen.

Auch greift die Ausnahmeregelung des § 18 Abs. 2 StVollzG hier nicht ein. Die jeweiligen Mehrfachbelegungen, die hier stattgefunden haben, waren zwar nur vorübergehende. Sie erfolgten aber nicht aus zwingendem Grund. Gedacht ist hierbei an vorübergehende Notlagen, nicht aber eine zu kleine Dimensionierung der Strafvollzugseinrichtung, die immer wieder Mehrfachbelegungen erwarten lässt und in Kauf nimmt (vgl. OLG Celle, Beschl. v. 05.011.1998 – 1 Ws 200/98 (StrVollz) – juris).

§ 18 StVollzG wird jedoch im Falle der Krankheit bzw. Pflegebedürftigkeit überlagert von § 65 StVollzG. Danach kann ein kranker Gefangener in ein Anstaltskrankenhaus oder in eine für die Behandlung seiner Krankheit besser geeignete Vollzugsanstalt verlegt werden. Der Betroffene befindet sich in der Pflegeabteilung des Justizvollzugskrankenhauses und damit in einer für Behandlung seines Sturzleidens und seiner Diabetes besser geeigneten Vollzugsanstalt. In einer solchen Einrichtung gelten die hohen Unterbringungsanforderungen des § 18 StVollzG nicht. Das ergibt sich schon aus dem Vergleich mit der weiteren Alternative der Verbringung des Betroffenen in ein Krankenhaus außerhalb des Vollzuges nach § 65 Abs. 2 StVollzG, wenn die vollzugsinternen Möglichkeiten zur Behandlung nicht ausreichen. Der Gesetzgeber verweist hier allgemein auf Krankenhäuser außerhalb des Vollzuges in ihrer bestehenden Erscheinungsform und Arbeitsweise. Auch dort ist im Regelfall (von privaten Zusatzleistungen abgesehen) eine gemeinschaftliche Unterbringung der Regelfall. Daran wollte der Gesetzgeber ersichtlich nichts ändern. Es ist auch nichts dafür ersichtlich, dass er ausgerechnet für vollzugliche Kranken- und Pflegeeinrichtungen i.S.v. § 65 Abs. 1 StVollzG das Recht auf Einzelunterbringung normieren und damit Strafgefangene gegenüber der allgemeinen Bevölkerung privilegieren wollte. Nach § 3 StVollzG soll das Leben im Vollzug den allgemeinen Lebensverhältnissen soweit als möglich angeglichen, nicht aber über das Niveau der allgemeinen Lebensverhältnisse hinaus angehoben werden. Dementsprechend gelten in Pflegeeinrichtungen und Krankenhäusern des Strafvollzugs abweichend von § 18 StVollzG im Hinblick auf die Unterbringung der Strafgefangenen nur die auch sonst üblichen Standards, wie sie außerhalb des Strafvollzuges existieren.

Dem Schutz der Persönlichkeitssphäre des Betroffenen hat die Vollzugseinrichtung durch die weitgehende Ermöglichung einer Einzelbelegung und enge zeitliche Beschränkung der Mehrfachbelegung hinreichend Rechnung getragen.

IV.
Der Senat hat hier von der Möglichkeit des § 119 Abs. 4 S. 1 StVollzG Gebrauch gemacht, da die Sache entscheidungsreif ist.


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