Aktenzeichen: III-5 RVs 5/13 OLG Hamm |
Leitsatz: Zum Umfang der Feststellungen bei Straftaten des Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt gemäß § 266a Abs. 1 StGB. |
Senat: 5 |
Gegenstand: Revision |
Stichworte: Festellungen, Anforderungen, Vorenthalten, Veruntreuen, Arbeitsentgelt |
Normen: StPO 267; StGB 266a |
Beschluss: Strafsache gegen pp. wegen Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt in zwei Fällen. Auf die (Sprung-)Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Essen vom 17. Oktober 2012 hat der 5. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 5. März 2013 durch nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft gemäß § 349 Abs. 4 StPO einstimmig beschlossen: Das angefochtene Urteil wird mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Essen zurückverwiesen. Gründe: I. Das Amtsgericht x hat gegen den Angeklagten mit Urteil vom 17. Oktober 2012 wegen Vorenthaltens von Arbeitsentgelt in zwei Fällen eine Gesamtgeldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 30,- verhängt. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit der von ihm form- und frist-gerecht eingelegten Sprungrevision, die er unter näheren Ausführungen mit der Verletzung materiellen Rechts begründet hat. II. Dem Antrag der Generalstaatsanwaltschaft entsprechend führt die vom Angeklagten erhobene Sachrüge zur Aufhebung des angefochtenen Urteils mit den zugrunde liegenden Feststellungen. Die Generalstaatsanwaltschaft hat ihren Antrag wie folgt begründet: Die rechtzeitig eingelegte sowie form- und fristgerecht begründete Revision ist zulässig und begründet. Allerdings dringt der Angeklagte mit der - vom Revisionsgericht ohnehin von Amts wegen im Freibeweisverfahren zu prüfenden (Meyer-Goßner, StPO, 55. Aufl., 2012, § 337 Rn. 6) Rüge, die Strafklage sei verbraucht, nicht durch. Der Angeklagte ist mit Urteil des Amtsgerichts Duisburg 26.04.2012 (32 OWi-146 Js 228/11-392/11; BI. 94 d. BA 146 Js-OWi 228/11 StA Duisburg) wegen Beschäftigung einer bulgarischen Arbeitnehmerin ohne Anmeldung zur Sozialversicherung in Tateinheit mit Beschäftigung die- ser Arbeitnehmerin ohne Arbeitsgenehmigung im Tatzeitraum vom 24. - 27.05.2010 gem. §§ 28a, 111 Abs. 1 Nr. 2 SGB IV, 404 Abs. 2 Nr. 3, Abs. 3 SGB III zu einer Geldbuße von 1.800 verurteilt worden. Da sich die den Straf- und Bußgeldurteilen zugrunde liegenden Tatzeiträume - nach erfolgter Beschränkung gem. § 154 StPO - nicht decken, kann die materielle Rechts-kraft des Bußgeldurteils von vornherein kein Verfolgungsverbot für die Taten der Beitragsvorenthaltung zur Folge haben (zu vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 14.07.2009 - 3 Ss OWi 355/09 - Göhler, OWiG, 16. Aufl., 2012, § 84 Rn. 8a). Ohnehin stehen jedenfalls der Straftatbestand des § 266 a StGB und die Ordnungswidrigkeit der unerlaubten Beschäftigung eines ausländischen Arbeitnehmers nicht in Tateinheit (OLG Hamm a.a.O.). Ob das auch für den Bußgeldtatbestand der §§ 28a Abs. 1 Nr. 1, 111 Abs. 1 Nr. 2 SGB IV gilt, kann dahinstehen, weil jedenfalls verschiedene Tatzeiträume abgeurteilt worden sind. Die Revision dringt jedoch mit der Sachrüge durch, die dem Revisionsgericht die Prüfung eröffnet, ob die Urteilsfeststellungen eine tragfähige Grundlage für die Verurteilung bieten, sie u.a. frei von Lücken, Widersprüchen und Ver-stößen gegen Denk- und Erfahrungssätze sind (Meyer-Goßner, StPO, 55. Aufl., 2012, § 337 Rn. 21). Die vom Amtsgericht x getroffenen, lücken-haften Feststellungen tragen die Verurteilung wegen Beitragsvorenthaltung nicht. Bei Straftaten des Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt gemäß § 266a Abs. 1 und Abs. 2 StGB hat der Tatrichter - auch bei einem ge-ständigen Angeklagten - zunächst diejenigen Feststellungen zu treffen, aus denen sich die Arbeitgeberstellung des Täters ergeben (BGH, Urteil vom 11.08.2010 - 1 StR 199/10; zitiert nach juris). Festzustellen sind weiter die im jeweiligen Beitragsmonat gezahlten Löhne oder Gehälter. Bei der Feststellung der monatlichen Beiträge ist für jeden Fälligkeitszeitpunkt die Anzahl der Ar-beitnehmer und die Höhe des Beitragssatzes der jeweils zuständigen Krankenkasse anzugeben (BGH, Beschluss vom 28.02.2007 - 5 StR 544/06-; zitiert nach juris), weil sich die Höhe der geschuldeten Beiträge auf der Grundlage des Arbeitsentgelts nach den Beitragssätzen der jeweiligen Krankenkasse sowie den gesetzlich geregelten Beitragssätzen der Renten-, Arbeitslosen- und Pflegeversicherung errechnet. Liegen - z.B. wegen unvollständiger oder fehlender Buchhaltung des Arbeitgebers - keine trag- fähigen Erkenntnisse über die tatsächlich gezahlten Löhne und Gehälter vor, steht aber nach der Überzeugung des Tatrichters ein strafbares Verhalten des Angeklagten fest, kann - wie auch sonst bei Vermögensdelikten - die Bestim-mung des Schuldumfangs im Wege der Schätzung erfolgen (BGH, Beschluss vom 10.11. 2009, 1 StR 283/09; zitiert nach juris). Im Urteil ist ferner auch darzustellen, ob und in welchem Umfang die schwarz entlohnten Arbeitsstunden nach Überzeugung des Gerichts durch Arbeitnehmer oder durch geringfügig Entlohnte erbracht wurden. Bei illegalen Be-schäftigungsverhältnissen mit geringfügiger Entlohnung ist der schwarz gezahlte Nettolohn nicht gem. § 14 Abs. 2 S. 2 SGB auf einen Bruttolohn hochzurechnen, weil der Arbeitgeber für geringfügig Beschäftigte nur Pauschalbeiträge an die Einzugsstelle abzuführen hat, die auch im Falle von Schwarzarbeit gem. § 249b S. 1 SGB V u. § 172 Abs. 3 S. 1 SGB VI zu berechnen sind (BGH, Urteil vom 11.08.2010 - 1 StR 199/10; zitiert nach juris). Die Urteilsgründe lassen - abgesehen davon, dass der Angeklagte geständig war - nicht erkennen, aufgrund welcher Umstände das Gericht davon über-zeugt war, dass der Angeklagte Arbeitgeber war und im abgeurteilten Tatzeit-raum Schwarzlöhne im festgestellten Umfang gezahlt hat. Feststellungen zu den Beitragssätzen hat das Tatgericht ebenfalls nicht getroffen. Die Gründe lassen auch nicht erkennen, ob die Schwarzarbeit durch reguläre Arbeit-nehmer oder durch geringfügig entlohnte Kräfte geleistet worden ist, wozu die - in den Gründen fehlerhaft nicht dargestellten - Umstände und Bedingungen der Beschäftigungsverhältnisse (regelmäßige Arbeitszeit, Arbeitsstelle und Art der Arbeit pp.) angesichts des relativ geringen zeitlichen Umfangs der schwarz entlohnten Arbeitsstunden durchaus hätten Veranlassung geben können. Schließlich legt das Urteil rechtsfehlerhaft die vom Tatgericht selbst vorzunehmende Schadensberechnung - der Schaden dürfte wohl im Wege der Hochrechnung gem. § 14 Abs. 2 SGB IV ermittelt worden sein - nicht dar, sondern hält lediglich deren Ergebnis fest, was die Besorgnis begründet, das Gericht könne den Schaden unzulässiger Weise ohne eigenständige Prüfung der Anklageschrift entnommen haben. Obwohl das Tatgericht die Schwarz-lohnsumme mitteilt (zu vgl. BGH, a.a.O.), kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Verurteilung auf den oben dargelegten Mängeln beruht, § 337 Abs. 1 StPO. Zum einen ist dem Revisionsgericht auf Basis der lückenhaften Fest-stellungen eine rechnerische Überprüfung des vom Amtsgericht angenomme-nen Schadens nicht möglich, weil auf Basis der Feststellung nicht entschieden werden kann, ob der Schaden gem. § 14 Abs. 2 SGB IV oder gem. § 249 b S. 1 5GB V und § 172 Abs. 3 5. 1 SGB VI zu berechnen und darum nicht auszuschließen ist, dass das Amtsgericht bei zutreffender Ermittlung des Schadens abweichende Einzel- und Gesamtstrafen ausgeurteilt hätte. Zum anderen sind die Feststellungen im Übrigen zu lückenhaft, die Prüfung der Anwendung des materiellen Rechts durch das Revisionsgericht zu ge- währleisten. Auf die Sprungrevision des Angeklagten hin ist die Sache daher neu zu ver-handeln und zu entscheiden. Diesen in jeder Hinsicht zutreffenden Ausführungen der Generalstaatsanwaltschaft schließt sich der Senat an und macht sie zum Gegenstand seiner Entscheidung. Aufgrund der aufgezeigten Mängel war das angefochtene Urteil nach § 349 Abs. 4 StPO aufzuheben und die Sache an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Essen - auch zur Entscheidung über die Kosten der Revision gemäß § 354 Abs. 2 StPO zurückzuverweisen. |
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