Aktenzeichen: III-5 RVs 32/13 OLG Hamm |
Leitsatz: Zur Manifestation der Zueignungabsicht bei der Unterschlagung. Zur den Anforderungen an die Annahme schädlicher Neigungen für die Verhängung einer Jugendstrafe. |
Senat: 5 |
Gegenstand: Revision |
Stichworte: Unterschlagung, Zueignungsabsicht, schädliche Neigungen |
Normen: StGB 246; StPO 267; JGG 17 |
Beschluss: Strafsache gegen wegen Unterschlagung. Auf die (Sprung-)Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Jugendgericht Gladbeck vom 7. Januar 2013 hat der 5. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 11.06.2013 durch die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und den Richter am Oberlandesgericht nach Anhörung des Angeklagten bzw. seines Verteidigers sowie nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft gemäß § 349 Abs. 2 u. 4 StPO einstimmig beschlossen: Das angefochtene Urteil wird im Schuldspruch, soweit der Angeklagte wegen der Unterschlagung eines Mofas verurteilt worden ist, sowie im Rechtsfolgenausspruch insgesamt mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Gladbeck - Jugendgericht - zurückverwiesen. Die weitergehende Revision wird als offensichtlich unbegründet verworfen. Gründe: I. Das Amtsgericht Jugendgericht Gladbeck hat den Angeklagten mit Urteil vom 7. Januar 2013 wegen Unterschlagung in zwei Fällen für schuldig befunden und ihm die Auflage erteilt, 80 Sozialstunden nach näherer Weisung durch die Jugendgerichtshilfe Gladbeck binnen sechs Wochen nach Rechtskraft des Urteils zu erbringen. Gegen dieses in Anwesenheit des Angeklagten, seiner gesetzlichen Vertreterin und seines Verteidigers verkündete und dem Angeklagten am 25. Januar 2013 zugestellte Urteil hat dieser mit am 14. Januar 2013 bei dem Amtsgericht Gladbeck eingegangenen Telefax-Schreiben seines Verteidigers vom 13. Januar 2013 Berufung eingelegt und diese mit weiterem beim Amtsgericht Gladbeck am 19. Februar 2013 eingegangenem Telefax-Schreiben seines Verteidigers vom selben Tage gegen das Rechtsmittel der Revision ausgetauscht und mit der Rüge der Verletzung materiellen Rechts begründet. II. Entsprechend dem Antrag der Generalstaatsanwaltschaft führt die Sachrüge zur teilweisen Aufhebung des Schuldspruchs und des Rechtsfolgenausspruchs insgesamt. Im Übrigen ist die Revision als offensichtlich unbegründet nach § 349 Abs. 2 StPO zu verwerfen. Die Generalstaatsanwaltschaft hat ihren Antrag wie folgt begründet: Die Revision ist rechtzeitig eingelegt und form- und fristgerecht begründet worden. Insbesondere ist dem am 17.02.1996 geborenen Angeklagten das angefochtene Urteil auch wirksam zugestellt worden. Die Zustellung an einen Minderjährigen ist an diesen selbst zu adressieren (zu vgl. KK-Maul, StPO, 6. Auflg., § 37, Rdn. 9 m.w.N.; Meyer-Goßner, StPO, 55. Auflg., § 37, Rdn. 3 m.w.N.). Der Wirksamkeit der Zustellung steht fehlende oder eingeschränkte Geschäftsfähigkeit des Empfängers nicht entgegen, wenn er verhandlungsfähig ist (zu vgl. KK-Maul, a.a.O., Rdn. 9 m.w.N.). Zweifel an der Verhandlungsfähigkeit des Angeklagten bestehen jedoch nicht. Der Übergang vom Rechtsmittel der Berufung zum Rechtsmittel der Revision, wie ihn der Angeklagte mit Telefaxschreiben seines Verteidigers vom 19.02.2013 vornahm, ist ebenfalls wirksam. Nach Einlegung des Rechtsmittels der Berufung kann, auch wenn der Angeklagte, wie im vorliegenden Fall sein Rechtsmittel ausdrücklich zunächst als Berufung bezeichnet hat, wirksam zur Revision übergegangen werden, vorausgesetzt, der Übergang erfolgt innerhalb der Revisionsbegründungsfrist des § 345 Abs. 1 StPO (zu vgl. BGHSt. 40, 395, 398 m.w.N.) und nach § 341 Abs. 1 StPO bei dem Gericht, dessen Urteil angefochten wird, somit bei dem Amtsgericht (zu vgl. OLG München, Beschluss vom 10.10.2006 - 4St RR 189/06 -). Da das amtsgerichtliche Urteil vom 07.01.2013 dem Angeklagten am 25.01.2013 zugestellt wurde, begann die Revisionsbegründungsfrist erst ab diesem Zeitpunkt zu laufen. Der Wechsel des Rechtsmittels mit Telefaxschreiben des Verteidigers vom 19.02.2013 an das Amtsgericht Gladbeck war somit wirksam. Der Revision des Angeklagten ist auch ein - zumindest vorläufiger -Teilerfolg nicht zu versagen. Die auf die erhobene Sachrüge gebotene Überprüfung des angefochtenen Urteils in materiell rechtlicher Hinsicht deckt bzgl. des Schuldspruchs Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf. Der Schuldspruch des amtsgerichtlichen Urteils hält zwar hinsichtlich des Vorwurfs der Unterschlagung eines Fahrrads einer rechtlichen Überprüfung stand. So setzt der Tatbestand der Unterschlagung gemäß § 246 StGB voraus, dass sich der Täter eine fremde bewegliche Sache sich oder einem Dritten rechtswidrig zueignet. Die Zueignung im Sinne dieses Tatbestandes setzt voraus, dass sich der Täter die Sache oder den in ihr verkörperten Sachwert mit Ausschlusswirkung gegenüber dem Eigentümer seinem eigenen oder dem Ver-mögen eines Dritten in der Weise zuführt, dass er selbst oder der Dritte zum Schein Eigentümer wird. Die Manifestation des Zueignungswillens setzt ein Verhalten voraus, durch den dieser objektiviert wird, d.h. nach außen erkennbar wird (zu vgl. Fischer, StGB, 60. Auflg., § 246, Rdn. 6, 6a m.w.N.). Mit der Benutzung des erst am 12.09.2012 entwendeten Fahrrads am 15.09.2012 auf der Rentforter Straße in Gladbeck hat der Angeklagte seinen Zueignungswillen hinreichend manifestiert. Die Feststellungen des Gerichts, davon überzeugt zu sein, dass dem zur Tatzeit 16'/2 Jahre alten Angeklagten bekannt war, dass man aufgefundene Gegenstände von einigem Wert nicht einfach für sich behalten kann, ist rechtlich nicht zu beanstanden. Anhaltspunkte dafür, dass sich das Fahrrad in einem Zustand befunden hat, der an der Eigentümerschaft einer anderen Person hätte zweifeln lassen oder aber, dass der Angeklagte zum Zeitpunkt der Nutzung des Fahrrads am 15.09.2012 einen Rückgabewillen hatte, sind weder ersichtlich noch vorgetragen. Die in sich widerspruchsfreien und nicht gegen Denkgesetze bzw. Erfahrungssätze verstoßenden Urteilsfeststellungen durch das Amtsgericht Gladbeck tragen daher den Schuldspruch wegen Unterschlagung eines Fahrrads. Die Urteilsfeststellungen stellen jedoch keine ausreichende Tatsachengrundlage für die Annahme einer Unterschlagung eines Mofas am 20.09.2012 dar. Es mangelt sowohl an hinreichenden Feststellungen zur objektiven Fremdheit des von dem Angeklagten im Zweckeler Wald in Gladbeck aufgefunden Fahrzeugs als auch zur subjektiven Erkennbarkeit derselben. So kann den Feststellungen des angefochtenen Urteils nicht entnommen werden, in welchem Zustand sich das Mofa zum Zeitpunkt des Auffindens durch den Angeklagten befunden hat und damit, ob diesem überhaupt noch erkennbar ein Wert zuzumessen war. In Ermangelung von Feststellungen zur konkreten Auffindesituation lässt das Urteil ebenso offen, ob der Angeklagte anhand dieser darauf schließen musste, dass hier fremdes, möglicherweise entwendetes, Eigentum versteckt und nicht nur eine Entsorgung vorgenommen worden war. Wie das Gericht zutreffend festgestellt hat, stellt die Tatsache, dass der rechtmäßige Eigentümer nicht ermittelt werden konnte, ein Indiz dafür dar, dass dieser sich des Mofas entledigen wollte. Hierfür spricht auch, dass dieses sich zunächst in einem nicht fahrbereiten Zustand befunden hat und von dem Angeklagten und dem Gang gebracht werden musste. Die Feststellungen des angefochtenen Urteils tragen daher gerade nicht die Annahme, dass nichts dafür erkennbar sei, dass der Eigentümer tatsächlich auf sein Eigentum verzichten und einwilligen wollte, dass ein anderer an dem Mofa Eigentum erwarb. Die Feststellung des angefochtenen Urteils, dass es ebenso gut möglich sei, dass dieses Mofa tatsächlich bereits von einem Dritten entwendet worden und lediglich im Zweckeler Wald versteckt worden war, begründet keine hinreichend sichere Überzeugung des Gerichts, dass dem Angeklagten bewusst gewesen sein musste, dass das Mofa zum Zeitpunkt der Ansichnahme noch im Eigentum einer anderen Person stand. Der Schuldspruch wegen Unterschlagung eines Mofas kann mithin nicht aufrecht erhalten bleiben." Diese zutreffenden Ausführungen macht sich der Senat zu eigen und zum Gegenstand seiner Entscheidung. Soweit die Revision als offensichtlich unbegründet verworfen worden ist (§ 349 Abs. 2 StPO), hat die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Dies gilt auch unter Berücksichtigung des Vorbringens im Schriftsatz des Verteidigers vom 4. Juni 2013. Das angefochtene Urteil beinhaltet ausreichende Feststellungen auch zum subjektiven Tatbestand einer (Fund-)Unterschlagung und lässt für die Annahme eines Verbotsirrtums im Sinne des § 17 StGB keinen Raum. Für das weitere Verfahren weist der Senat ergänzend auf Folgendes hin: Soweit das Amtsgericht im Rahmen der Strafzumessung auf das Vorhandensein schädlicher Neigungen des Angeklagten abgestellt hat, erweisen sich die bisherigen Urteilsfeststellungen als unzureichend. Schädliche Neigungen sind erhebliche Anlage- oder Erziehungsmängel, die ohne längere Gesamterziehung des Täters die Gefahr weiterer Straftaten begründen. Sie können in der Regel nur bejaht werden, wenn erhebliche Persönlichkeitsmängel schon vor der Tat, wenn auch verborgen, angelegt waren und noch zum Urteilszeitpunkt bestehen (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Juni 2009 - 5 StR 55/09 -; Beschluss vom 20. Juli 2010 - 5 StR 199/10 -). Das Amtsgericht hat die Feststellung über das Vorhandensein schädlicher Neigungen auf die Einschätzung der Jugendgerichtshilfe im vorliegenden Verfahren, auf die Einschätzung des Vollstreckungsleiters aus dem damaligen Verfahren 8 Ds 53/11 AG Gladbeck sowie auf den in der mündlichen Verhandlung am 7. Januar 2013 gewonnenen Eindruck von der Persönlichkeit des Angeklagten gestützt. Jedoch sind weder Einzelheiten aus dem Bericht der Jugendgerichtshilfe noch etwa aus der Einschätzung des Vollstreckungsleiters im Verfahren 8 Ds 53/11 AG Gladbeck auch nur ansatzweise in dem angefochtenen Urteil wiedergegeben worden. Ausweislich des Protokolls der mündlichen Verhandlung vom 7. Januar 2013 ist der Bericht des Vollstreckungsleiters aus dem o.g. Verfahren 8 Ds 53/11 auch nicht im Rahmen der Hauptverhandlung verlesen oder zumindest seinem wesentlichen Inhalt nach mitgeteilt bzw. erörtert worden. Der Bericht war somit nicht Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Die Begründung, weshalb das Amtsgericht vom Vorhandensein schädlicher Neigungen ausgegangen ist, konnte daher vom Revisionsgericht insoweit nicht nachvollzogen werden. Aufgrund der aufgezeigten Mängel war das angefochtene Urteil im Schuldausspruch teilweise und im Rechtsfolgenausspruch insgesamt aufzuheben und die Sache an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Gladbeck auch zur Entscheidung über die Kosten der Revision gemäß § 354 Abs. 2 StPO zurückzuverweisen. |
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