Aktenzeichen: 3 Ws 71/13 OLG Hamm |
Leitsatz: 1. Bei der Einwilligung in die Strafrestaussetzung nach § 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StGB handelt es sich um eine materiell-rechtliche Willenserklärung. Eine Einwilligungserklärung mit Wirksamkeit nur für ein bestimmtes Verfahren oder nur gegenüber einem bestimmten Gericht ist der Regelung des § 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StGB fremd, gleiches gilt für die Rücknahme der Einwilligung als actus contrarius (entgegen OLG Karlsruhe, MDR 1992, 595]). 2. Ist die örtlich zuständige Strafvollstreckungskammer (im Folgenden: "alte StVK") mit der Frage der Strafrestaussetzung befasst und wird der Verurteilte nach dem Beginn dieser Befassung in eine zum Bezirk einer anderen Strafvollstreckungskammer (im Folgenden: "neue StVK") gehörende JVA verlegt und erklärt der Verurteilte sodann, er nehme die Einwilligung nach § 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StGB gegenüber der "alten StVK" zurück und erteile zugleich eine (neue) Einwilligung gegenüber der "neuen StVK", erklärt der Verurteilte in Wahrheit nichts Materielles, sondern nur etwas Prozessuales, nämlich den - im Rahmen der Zuständigkeitsregelung nach § 462a Abs. 1 Satz 1 StPO irrelevanten - Wunsch, dass eine andere als die eigentlich örtlich zuständige Strafvollstreckungskammer entscheiden möge (entgegen OLG Karlsruhe, a.a.O.). 3. Eine echte Rücknahme der Einwilligung nach § 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StGB liegt nur dann vor, wenn den Erklärungen oder dem sonstigen Verhalten des Verurteilten der Erklärungswert zukommt, er wolle - entgegen seiner früher geäußerten Willenslage - nun doch zumindest bis auf Weiteres in Strafhaft bleiben. |
Senat: 3 |
Gegenstand: Beschwerde |
Stichworte: Einwilligung, Reststrafenaussetzung, Rücknahme |
Normen: StGB 57 |
Beschluss: Strafvollstreckungssache In pp. hat der 3. Strafsenat des OLG Hamm am 18.03.2013 beschlossen: Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben. Gründe I. Das Landgericht Aachen verurteilte den Beschwerdeführer am 22. Juni 2007 wegen schweren Raubes unter Einbeziehung von Strafen aus einem früheren Urteil zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von neun Jahren und sechs Monaten. Das Urteil ist seit dem 22. Juni 2007 rechtskräftig. Seit diesem Tage befindet sich der Verurteilte in Strafhaft. Unter Berücksichtigung anzurechnender Untersuchungshaft sind zwei Drittel der Gesamtfreiheitsstrafe seit dem 20. Juli 2012 verbüßt, das Strafende ist auf den 20. September 2015 notiert. Der Verurteilte befand sich zunächst in Haft in der JVA Aachen. Am 27. März 2008 wurde er in die JVA Hagen und am 11. August 2008 in die JVA Werl verlegt. Am 6. Oktober 2011 wurde er in die JVA Aachen zurückverlegt. Am 5. Januar 2012 ging sowohl bei der Staatsanwaltschaft Aachen als auch bei der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Aachen ein auf den 20. Dezember 2011 datierter Führungsbericht der JVA Aachen ein, in dem diese zur Frage der bedingten Entlassung des Verurteilten nach Verbüßung von zwei Dritteln der Strafe Stellung nahm. Der eine bedingte Entlassung nicht befürwortenden Stellungnahme war ein Formular beigefügt, auf dem der Verurteilte unter dem 29. November 2011 durch Ankreuzen eines entsprechenden Textfeldes seine Einwilligung in die Strafrestaussetzung zur Bewährung erklärt hatte. Die Staatsanwaltschaft Aachen übersandte das Vollstreckungsheft daraufhin mit Verfügung vom 12. Januar 2012 "zur Entscheidung über die Aussetzung des Strafrestes zur Bewährung" an die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Aachen, wobei sie einer Strafrestaussetzung "mit Nachdruck" entgegentrat. Nachdem das Vollstreckungsheft am 13. Januar 2012 bei der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Aachen eingegangen war, beraumte diese mit Verfügung vom 17. Januar 2012 einen Anhörungstermin auf den 8. März 2012 an. Am 19. Januar 2012 wurde der Verurteilte in die JVA Bielefeld-Brackwede verlegt, in der er bis zum heutigen Tage inhaftiert ist. Mit Schriftsatz vom 3. Februar 2012 meldete sich Rechtsanwältin U in E als Verteidigerin des Verurteilten und äußerte ihre Rechtsauffassung, mit der Verlegung des Verurteilten in die JVA Bielefeld-Brackwede sei die örtliche Zuständigkeit der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Aachen für die Entscheidung über die bedingte Entlassung entfallen. Nachdem die Strafvollstreckungskammer in Aachen hierauf nicht reagiert, sondern lediglich mit Verfügung vom 6. Februar 2012 den Anhörungstermin auf den 29. März 2012 verlegt hatte, wandte sich Rechtsanwältin U mit Schriftsatz vom 28. Februar 2012 erneut an die Strafvollstreckungskammer in Aachen, rügte erneut die Unzuständigkeit der Aachener Strafvollstreckungskammer und bat um Abgabe der Sache an die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Bielefeld. Zur Begründung führte sie aus, die Akten seien "verfrüht" an das Landgericht Aachen übersandt worden, weshalb eine örtliche Zuständigkeit dort von vornherein nicht begründet worden sei. Mit Schreiben vom 6. März 2012 teilte die Strafvollstreckungskammer in Aachen der Verteidigerin mit, sie teile die Bedenken gegen ihre örtliche Zuständigkeit nicht. Mit Schriftsatz vom 28. März 2012 bat die Verteidigerin um Aufhebung des Anhörungstermins am 29. März 2012 und um Einräumung einer Frist zur Stellungnahme zur Frage der bedingten Entlassung bis zum 28. April 2012. Zu dem - von der Strafvollstreckungskammer gleichwohl abgehaltenen - Anhörungstermin am 29. März 2012 erschienen weder der Verurteilte, der bereits zuvor in der JVA Bielefeld-Brackwede seinen Verzicht auf die Vorführung zu diesem Termin erklärt hatte, noch seine Verteidigerin. Am 7. Mai 2012 teilte die Verteidigerin der Strafvollstreckungskammer in Aachen (fern-)mündlich mit, sie habe bislang noch nicht in hinreichendem Ausmaß Rücksprache mit dem Verurteilten nehmen können, werde sich aber binnen eines Monats wieder bei der Strafvollstreckungskammer melden. Bei dieser Ankündigung blieb es in der Folgezeit indes. Nach mehrfacher Nachfrage durch die Aachener Strafvollstreckungskammer teilte Rechtsanwältin U schließlich mit Schriftsatz vom 22. August 2012 mit, sie sei nicht mehr die Verteidigerin des Verurteilten. Mit Schreiben vom 24. August 2012 fragte die Strafvollstreckungskammer in Aachen daraufhin bei dem Verurteilten an, ob dieser weiterhin auf die Vorführung zu einem Anhörungstermin verzichte und ob er bereits einen neuen Verteidiger beauftragt habe. Mit einem auf den 3. September 2012 datierten, an die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Bielefeld adressierten und dort am 6. September 2012 eingegangenen Schriftsatz meldete sich Rechtsanwalt I in T als Verteidiger des Verurteilten und stellte den Antrag, die Vollstreckung des noch nicht verbüßten Restes der Gesamtfreiheitsstrafe zur Bewährung auszusetzen. Das Landgericht Bielefeld leitete diesen Schriftsatz an die Staatsanwaltschaft Aachen weiter, diese gab den Schriftsatz wiederum an die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Aachen weiter, wo er am 11. September 2012 einging. Mit einem an die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Aachen gerichteten und dort am 12. September 2012 eingegangenen Schriftsatz vom 11. September 2012 meldete sich Rechtsanwalt I auch bei dem Landgericht Aachen als Verteidiger und teilte unter Bezugnahme auf das gerichtliche Schreiben vom 24. August 2012 mit, dass der Verurteilte weiterhin auf eine Vorführung zu einem Anhörungstermin verzichte. Am 12. September 2012 fand ein Telefongespräch zwischen einem richterlichen Mitglied der Aachener Strafvollstreckungskammer und dem neuen Verteidiger des Verurteilten statt, in dem u.a. die Frage der örtlichen Zuständigkeit der Strafvollstreckungskammer besprochen wurde und an dessen Ende der Verteidiger um Akteneinsicht bat. Nachdem er diese antragsgemäß erhalten hatte, teilte er mit einem auf den 4. Oktober 2012 datierten, an die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Aachen adressierten und dort am 9. Oktober 2012 auf dem Postwege eingegangenen Schriftsatz mit, der Verurteilte verzichte auf eine Prüfung der Voraussetzungen für eine Strafrestaussetzung zur Bewährung und nehme seinen hierauf gerichteten Antrag zurück; zugleich bat der Verteidiger in diesem Schriftsatz darum, "die Verfahrensakten zeitnah an das Landgericht Bielefeld - Strafvollstreckungskammer - zu übersenden". Mit einem auf den 8. Oktober 2012 datierten, an die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Bielefeld adressierten und dort am 9. Oktober 2012 auf dem Postwege eingegangenen Schriftsatz stellte der Verteidiger (erneut) den Antrag, die Voll-streckung des noch nicht verbüßten Restes der Gesamtfreiheitsstrafe zur Bewährung auszusetzen. Das Landgericht Bielefeld leitete diesen Schriftsatz an die Staatsanwaltschaft Aachen weiter, diese gab den Schriftsatz wiederum an die Strafvoll-streckungskammer des Landgerichts Aachen weiter, wo er am 16. Oktober 2012 einging. Bereits zuvor - am 15. Oktober 2012 - hatte der zuständige Richter der Aachener Strafvollstreckungskammer - wohl in Unkenntnis des Schriftsatzes vom 8. Oktober 2012 - einen Vermerk zu den Akten gebracht, in dem er ausgeführt hatte, der Verurteilte habe seinen Aussetzungsantrag zurückgenommen und auf eine Strafrestaussetzung zur Bewährung verzichtet, es bedürfe daher keiner mündlichen Anhörung des Verurteilten und auch keines förmlichen Gerichtsbeschlusses mehr. Zugleich hatte der Richter der Aachener Strafvollstreckungskammer die Absendung eines mit dem vorstehenden Vermerk inhaltsgleichen formlosen Schreibens an den Verurteilten verfügt. Den Schriftsatz vom 8. Oktober 2012 sandte das Landgericht Aachen am 17. Oktober 2012 kommentarlos an die Staatsanwaltschaft Aachen zurück. Diese legte das Vollstreckungsheft mit Verfügung vom 3. Dezember 2012 dem Landgericht Bielefeld - Strafvollstreckungskammer - zur Entscheidung vor, das nach mündlicher Anhörung des Verurteilten und seines Verteidigers schließlich mit Beschluss vom 4. Februar 2013 die bedingte Entlassung des Verurteilten aus der Strafhaft ablehnte. Gegen diesen Beschluss wendet sich der Verurteilte mit seiner form- und fristgerecht eingelegten sofortigen Beschwerde. II. Das Rechtsmittel des Verurteilten hat (vorläufig) Erfolg. Es führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses, weil die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Bielefeld für dessen Erlass örtlich nicht zuständig war. Zuständig für die Entscheidung über die Frage der Strafrestaussetzung zur Bewährung war und ist die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Aachen. 1. Die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Aachen war mit der Frage der bedingten Entlassung des Verurteilten spätestens seit dem 13. Januar 2012 (aufgrund des Antrages der Staatsanwaltschaft vom 12. Januar 2012) im Sinne des § 462a Abs. 1 Satz 1 StPO befasst. Es kann dahinstehen, ob eine "verfrühte" Befassung - d.h. eine Befassung zu einem Zeitpunkt, in dem vernünftigerweise noch keine Veranlassung für eine inhaltliche Bearbeitung und Entscheidung der Sache besteht - nicht geeignet ist, die örtliche Zuständigkeit der befassten Strafvollstreckungskammer zu begründen (so OLG Hamm , JMBl. NW 1981, 11; OLG Jena, NStZ 1996, 455 [ OLG Hamm 01.04.1996 - 2 Ws 124/96]; Meyer-Goßner, StPO, 55. Aufl. [2012], § 462a Rdnr. 10; a.A. wohl BGH, Beschluss vom 18. Februar 1999 - 2 ARs 94/99 -, BeckRS 1999, 30047401). Denn in der vorliegenden Sache kann von einer "verfrühten" Befassung der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Aachen nicht die Rede sein. Auch wenn weder die JVA Aachen noch die Staatsanwaltschaft Aachen eine bedingte Entlassung des Verurteilten befürworteten, war doch nicht von vornherein auszuschließen, dass die Strafvollstreckungskammer gleichwohl eine Strafrestaussetzung hätte erwägen können und demgemäß nach § 454 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 StPO ein Sachverständigengutachten über den Verurteilten hätte einholen müssen, dessen Erstellung erfahrungsgemäß durchaus mehrere Monate hätte in Anspruch nehmen können. Zudem war zu bedenken, dass - im Falle einer für den Verurteilten günstigen Entscheidung - eine frühzeitige Entscheidung über die Strafrestaussetzung nachgerade erwünscht ist, weil eine sachgerechte, die soziale Wiedereingliederung des Verurteilten fördernde Entlassungsvorbereitung die frühzeitige Kenntnis vom Entlassungszeitpunkt voraussetzt (vgl. Meyer-Goßner, a.a.O., § 454a Rdnr. 1 m.w.N.). 2. Die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Aachen ist mit der Sache bis zum heutigen Tage im Sinne des § 462a Abs. 1 Satz 1 StPO befasst. Das Befasst-sein endet, wenn die Strafvollstreckungskammer über die Frage, mit der sie befasst war, abschließend entschieden hat oder sich die Sache auf andere Weise erledigt (BGH, Beschluss vom 12. Dezember 2001 - 2 ARs 350/01 - a) Eine abschließende - in formelle Rechtskraft erwachsene - Entscheidung durch förmlichen Beschluss hat die Strafvollstreckungskammer in Aachen nicht getroffen. b) Das Verfahren vor der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Aachen hat sich auch nicht auf andere Weise erledigt. Es ist insbesondere nicht zu einer Beendigung des Befasstseins durch Rücknahme der Einwilligung nach § 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StGB gekommen. Nach einer in der Rechtsprechung ( OLG Karlsruhe, MDR 1992, 595) und der Literatur (Meyer-Goßner, a.a.O., § 462a Rdnr. 12) vertretenen Auffassung endet das Befasstsein der Strafvollstreckungskammer (gemeint ist wohl: automatisch) mit der Rücknahme der Einwilligung nach § 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StGB. Einer abschließenden Erörterung der Frage, ob dieser Rechtsauffassung zu folgen ist, sowie der inhaltlich eng mit dieser Frage verknüpften Streitfrage, ob die Strafvollstreckungskammer ein Reststrafenaussetzungsverfahren im Falle einer fehlenden oder wieder zurückgenommenen Einwilligung nach § 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StGB durch einen förmlichen Beschluss abschließen muss oder die Aufnahme eines entsprechenden Vermerks in die Akten ausreicht (vgl. die Nachweise hierzu bei Fischer, StGB, 60. Aufl. [2013], § 57 Rdnr. 19a), bedarf es indes nicht. Denn es ist in der vorliegenden Sache zu keinem Zeitpunkt zu einer tatsächlichen Rücknahme der Einwilligung nach § 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StGB gekommen. aa) In der in dem Schriftsatz vom 28. Februar 2012 vorgetragenen Bitte um Abgabe der Sache an die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Bielefeld - gegebenenfalls noch in Verbindung mit dem Nichterscheinen sowohl des Verurteilten als auch seiner damaligen Verteidigerin zum Anhörungstermin in Aachen am 29. März 2012 - liegt keine (konkludente) Rücknahme der Einwilligung nach § 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StGB. Das OLG Karlsruhe hat in der oben zitierten Entscheidung zwar für den Fall, dass der Verurteilte während eines bereits eingeleiteten Reststrafenaus-setzungsverfahrens in eine zum Bezirk einer anderen Strafvollstreckungskammer gehörende Justizvollzugsanstalt verlegt wird, die Auffassung vertreten, in einer Bitte um Abgabe der Sache an die Strafvollstreckungskammer, in deren Bezirk der neue Haftort liegt, sei in Verbindung mit dem Nichterscheinen zu einem Anhörungstermin vor der zunächst befassten Strafvollstreckungskammer eine Rücknahme der Einwilligung nach § 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StGB gegenüber der zunächst befassten Kammer und zugleich die Anbringung einer neuen Einwilligung bei der Strafvoll-streckungskammer des neuen Haftortes zu sehen. Dieser Auffassung vermag der Senat indes schon im Ausgangspunkt nicht zu folgen (zu weiteren Einwänden siehe unten unter bb). Es ist nicht ersichtlich, warum die Erklärung eines Verurteilten, der unbeirrt das Ziel seiner vorzeitigen Haftentlassung verfolgt und lediglich - aus welchen Gründen auch immer - eine Entscheidung hierüber durch eine andere als die ursprünglich mit der Sache befasste Strafvollstreckungskammer begehrt, als Rücknahme der Einwilligung nach § 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StGB auszulegen sein soll. bb) Mit dem Verteidigerschriftsatz vom 4. Oktober 2012 ist zwar dem Wortlaut nach die Rücknahme der Einwilligung nach § 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StGB erklärt worden. Die nähere Auslegung der Erklärung des Verurteilten bzw. seines Verteidigers ergibt indes, dass zu keinem Zeitpunkt eine Rücknahme der Einwilligung in die vorzeitige Haftentlassung ernsthaft gewollt war. Bei der Einwilligung nach § 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StGB handelt es sich um eine materiell-rechtliche Willenserklärung. Dies ergibt sich zum einen aus dem Wortlaut der vorgenannten Vorschrift ("Einwilligung" statt z.B. "Antrag") und zum anderen aus ihrer systematischen Stellung innerhalb der Aufzählung der materiellen Voraussetzungen für eine Strafrestaussetzung in § 57 Abs. 1 Satz 1 StGB. Ist die Einwilligungserklärung einmal abgegeben, gilt sie unabhängig davon, ob und vor welchem Gericht gerade ein Reststrafenaussetzungsverfahren anhängig ist. Eine Einwilligungserklärung mit Wirksamkeit nur für ein bestimmtes Verfahren oder nur gegenüber einem bestimmten Gericht ist der Regelung des § 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StGB fremd: entweder ist der Verurteilte mit seiner Haftentlassung einverstanden oder nicht. Entsprechendes gilt für die Rücknahme der Einwilligung als actus contrarius. Dies verkennt das OLG Karlsruhe, wenn es in der oben bereits angesprochenen Entscheidung - ohne nähere Begründung - die Auffassung vertritt, der Verurteilte könne in einem Erklärungsakt zum einen die Einwilligung gegenüber der einen Strafvollstreckungskammer zurücknehmen und zugleich zum anderen eine (neue) Einwilligung gegenüber einer anderen Strafvollstreckungskammer erteilen. Selbst wer eine derartige Erklärung tatsächlich ausdrücklich abgibt, erklärt in Wahrheit nichts Materielles, sondern nur etwas Prozessuales, nämlich den - im Rahmen der Zuständigkeitsregelung nach § 462a Abs. 1 Satz 1 StPO irrelevanten - Wunsch, dass eine andere als die eigentlich zuständige Strafvollstreckungskammer entscheiden möge. Eine (echte) Rücknahmeerklärung liegt hingegen nur dann vor, wenn den Erklärungen oder dem sonstigen Verhalten des Verurteilten der Erklärungswert zukommt, er wolle - entgegen seiner früher geäußerten Willenslage - nun doch zumindest bis auf Weiteres in Strafhaft verbleiben. Einen derartigen Willen hat der Verurteilte indes zu keinem Zeitpunkt geäußert. Es ist vielmehr davon auszugehen, dass der Wille des Verurteilten durchgehend auf seine vorzeitige Haftentlassung gerichtet war. Dies ergibt sich bereits aus dem weiteren Inhalt des Verteidigerschriftsatzes vom 4. Oktober 2012, namentlich der Bitte um Übersendung der Verfahrensakten an das Landgericht Bielefeld. Wäre der Verurteilte tatsächlich nicht mehr mit seiner bedingten Entlassung einverstanden gewesen, hätte es dieser Aktenübersendung nicht bedurft, da eine Entscheidung des Landgerichts Bielefeld dann nicht veranlasst gewesen wäre. Sowohl die Vorgeschichte als auch das weitere Geschehen im Oktober 2012 lassen im Übrigen erkennen, dass es dem Verurteilten und seinem Verteidiger - aus welchen Gründen auch immer - allein darauf ankam, eine Sachentscheidung der Strafvollstreckungskammer in Aachen zu verhindern und stattdessen eine Sachentscheidung der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Bielefeld herbeizuführen. Um dieses Ziel zu erreichen, sollte offenkundig formal "auf dem Papier" ein Sachverhalt "produziert" werden, aus dem sich die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Bielefeld ergeben hätte. Eine Rücknahme der Einwilligung in die vorzeitige Haftentlassung war indes zu keinem Zeitpunkt wirklich und ernsthaft gewollt. c) Der formlose Vermerk der Strafvollstreckungskammer in Aachen vom 15. Oktober 2012 sowie ihr formloses Anschreiben an den Verurteilten vom gleichen Tage waren nicht geeignet, das Befasstein der dortigen Strafvollstreckungskammer im Sinne des § 462a Abs. 1 Satz 1 StPO zu beenden. III. Nunmehr ist eine Entscheidung der örtlich zuständigen Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Aachen über die Frage der bedingten Entlassung des Verurteilten aus der Strafhaft herbeizuführen. Dort ist auch über die Kosten des vorliegenden Beschwerdeverfahrens zu entscheiden. |
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