Aktenzeichen: 3 RVs 20/13 OLG Hamm |
Leitsatz: 1. Die gegenüber Beamten der Staatsanwaltschaft ausgesprochene Drohung, Beweismittel im Falle der Nichtzahlung eines hierfür geforderten "Kaufpreises" nicht an die Staatsanwaltschaft herauszugeben, stellt regelmäßig keine Drohung mit einem "empfindlichen" Übel im Sinne des § 253 Abs. 1 StGB dar. Der Staat ist damit durch eine solche Drohung nicht "erpressbar". 2. Die Mithilfe beim "Verkauf" der Tatbeute an den Geschädigten oder eine in dessen Lager stehende Person oder Einrichtung ist eine Hilfeleistung für den Vortäter im Sinne des § 257 Abs. 1 StGB (Anschluss an OLG Düsseldorf, NJW 1979, 2320). |
Senat: 3 |
Gegenstand: Revision |
Stichworte: Erpressung, Staatsanwaltschaft, Herausgabe Beweismittel |
Normen: StGB 253; StGB 257 |
Beschluss: Strafsache In pp. hat der 3. Strafsenat des OLG Hamm am 21.05.2013 beschlossen: Das angefochtene Urteil wird mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Bielefeld zurückverwiesen. Gründe I. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft verhängte das Amtsgericht gegen den Angeklagten mit Strafbefehl vom 6. September 2011 wegen Beihilfe zur versuchten Erpressung eine Geldstrafe von 120 Tagessätzen zu je 10 . Nachdem der Angeklagte hiergegen Einspruch eingelegt hatte, sprach ihn das Amtsgericht am 16. Mai 2012 frei. Die gegen dieses Urteil gerichtete Berufung der Staatsanwaltschaft verwarf das Landgericht am 9. Januar 2013 als unbegründet und traf hierbei folgende Feststellungen: "Der frühere Rechtsanwalt T aus C4 hatte im Frühsommer 2008 in dem Gebäude H-Straße in C2 Räumlichkeiten angemietet, um hier eine Zweigstelle seiner Rechtsanwaltskanzlei einzurichten. In denselben Räumlichkeiten untergebracht war auch das Büro der Firma ,T2 Transporte', deren Inhaber der Zeuge T2 war. Die Firma wurde umfirmiert in ,U GmbH & Co. KG'; der Zeuge T2 wurde als Prokurist eingesetzt, leitete de facto die Firma aber. Im Oktober/November 2008 ließ der damalige Rechtsanwalt T von der Ehefrau des Zeugen T2 sowie einer Kanzleimitarbeiterin 88 Stehordner von C4 in die Büroräume in C2 bringen und diese dort in einem abgeschlossenen Büroraum aufbewahren. Es handelte sich hierbei um Geschäftsunterlagen der Gesellschaft ,W GmbH & Co. KG'. Der Zeuge T2, welcher von dem Vorgang wusste, machte sich zunächst keine Gedanken darüber, welchen Inhalt diese Ordner haben. Er merkte jedoch, dass Rechtsanwalt T großes Interesse daran hatte, dass diese Ordner sicher aufbewahrt und dem Zugriff der Ermittlungsbehörden entzogen werden. In der Folgezeit zerbrach das bis dahin gute Verhältnis zwischen dem Zeugen T2 und Rechtsanwalt T. Insbesondere kam es zu Streitigkeiten über Geld. So konnte Rechtsanwalt T die Miete für die Räumlichkeiten in der H-Straße in C2 nicht mehr bezahlen. Die Vermieterin drohte gegenüber dem Zeugen T2 mit Zwangsräumung und kündigte an, das Inventar des T im Wege ihres Vermieterpfandrechts in Verwahrung zu nehmen. Der Zeuge T2 brachte daher die gesamten 88 Ordner an einen unbekannten Ort, weil er sie als Sicherheit für vermeintliche Forderungen gegen Rechtsanwalt T haben wollte. In der Folgezeit beschäftigte er sich mit dem Inhalt der Aktenordner. Er nahm jeweils eine gewisse Anzahl der Ordner mit nach Hause und arbeitete diese dort durch. Im Zusammenhang mit Internetrecherchen stellte er fest, dass die Ordner umfangreiche Unterlagen über die Einfuhr von Klärschlämmen, Abfallgemischen, welche mit giftigen perfluorierten Tensiden (PFT) verunreinigt waren und die sodann als Düngemittel deklariert auf Ackerflächen in den Kreisen Soest und Hochsauerland aufgebracht wurden, enthielten. Aus der Medienberichterstattung wurde deutlich, dass diese Klärschlämme als Düngemittel für landwirtschaftlich genutzte Flächen vertrieben wurden von zwei Firmen namens ,I GmbH' und ,W GmbH & Co. KG'. Die auf den Ackerflächen aufgebrachten Klärschlämme gelangten in den für die Trinkwassergewinnung genutzten Fluss Möhne, was schließlich dazu führte, dass im Hochsauerlandkreis und im Kreis Soest die dort lebenden Menschen eine erhöhte Konzentration von PFT im Blut aufwiesen. Dem Zeugen T2 war aufgrund der entsprechenden Medienberichterstattung klar, dass es wegen dieses Sachverhalts ein umfangreiches Ermittlungsverfahren gab. Dieses Verfahren, welches ursprünglich bei der Staatsanwaltschaft Arnsberg anhängig war und an die Staatsanwaltschaft Paderborn abgegeben wurde, wurde schließlich von der Staatsanwaltschaft Bielefeld als sogenannte ,Schwerpunktstaatsanwaltschaft' bearbeitet. Der Zeuge T2 versuchte zunächst, die Ordner gegenüber dem ehemaligen Rechtsanwalt T als Druckmittel für die Auszahlung erheblicher Geldbeträge (80.000 - 100.000 Euro), die ihm seiner Meinung nach gegenüber dem T zustanden, zu benutzen. Dies erwies sich jedoch als fruchtlos. Wie bereits ausgeführt, nahm der Zeuge T2 regelmäßig mehrere Ordner der ,W' mit nach Hause, um diese durchzuarbeiten Anlässlich einer in anderem Zusammenhang stattfindenden Hausdurchsuchung bei dem Zeugen T2 am 17. September 2009 wurden 5 Stehordner mit der Rückenbeschriftung ,W' als Zufallsfund sichergestellt. Die das PFT-Verfahren bearbeitende Staatsanwaltschaft Bielefeld (6 Js 21/07) wurde hiervon in Kenntnis gesetzt. Der Zeuge T2 wurde daraufhin am 30. September 2009 von dem Zeugen Oberstaatsanwalt C zur Herkunft dieser Aktenordner vernommen. Der Zeuge T2 berichtete insoweit teilweise den vorstehenden Sachverhalt. Er verschwieg aber, dass es neben den 5 sichergestellten Ordnern noch zahlreiche weitere Ordner gab, welche sich in seinem Besitz befinden. Der Inhalt der 5 sichergestellten Ordner war letztlich unergiebig, weil sich die dort niedergelegten Fakten bereits aus anderen Beweismitteln ergaben. Die Staatsanwaltschaft Bielefeld erhob am 1. Februar 2010 beim Landgericht Paderborn Anklage gegen 6 Beteiligte in dem PFT-Verfahren sowie gegen den ehemaligen Rechtsanwalt T. Dem T, welcher in dem Verfahren von März 2007 bis zu seiner Mandatsniederlegung bzw. dem Widerruf seiner Anwaltszulassung im Januar 2010 Strafverteidiger eines Mitangeklagten gewesen war, warf die Staatsanwaltschaft Bielefeld versuchte Strafvereitelung dadurch vor, dass er die oben erwähnten 5 Aktenordner dem Zugriff der Ermittlungsbehörden entzogen habe, um eine straf-rechtliche Verfolgung seines damaligen Mandanten und jetzigen Mitangeklagten zu verhindern. Bereits zu diesem Zeitpunkt vermutete die Staatsanwaltschaft Bielefeld, dass es möglicherweise weitere Ordner gebe, deren Inhalt für das PFT-Verfahren von Bedeutung sein könnte. So hatte im August 2009 ein Landwirt aus dem Hochsauerlandkreis, welcher in das PFT-Verfahren involviert war, einen anonymen Brief mit dem Absender ,Q' erhalten. Neben anderen Unterlagen befand sich hierin auch die Kopie eines Ordnerrückens mit der Aufschrift ,W' (...). Unklar geblieben ist, welche Intention ,Q', bei dem es sich in Wirklichkeit um den Zeugen T2 handelte, bei dieser Vorgehensweise verfolgte. Im Laufe des Jahres 2010 kam bei dem Zeugen T2 der Gedanke auf, dass die Verursacher des PFT-Skandals zur Rechenschaft gezogen werden müssten. Zugleich erhoffte er sich aber auch finanzielle Vorteile, wenn er die Aktenordner, deren Inhalt er für brisant hielt, an die Presse, das Umweltministerium Nordrhein-Westfalen oder die Staatsanwaltschaft Bielefeld weitergeben würde. Seiner unwiderlegten Einlassung zufolge war er sich nicht sicher, ob er überhaupt finanzielle Vorteile erlangen würde. Aufgrund der Brisanz der Unterlagen dachte er, dass die Behörden hieran Interesse hätten und es auch ,mit Sicherheit Töpfe für so was gibt' (Zitat des Zeugen T2). Der Zeuge T2 wollte sich an das Umweltministerium wenden, weil der Umweltminister persönlich sehr an der Aufklärung des PFT-Skandals interessiert ist. Desweiteren beschloss der Zeuge T2, unmittelbar an die Staatsanwaltschaft Bielefeld heranzutreten. Bei dieser Behörde sah er allerdings - anders als bei dem Umweltministerium - die erhebliche Gefahr, dass die Staatsanwaltschaft gegen ihn selbst auf strafprozessualem Wege vorgehen werde und sich letztlich den Besitz an den Ordnern auch unentgeltlich, beispielsweise durch Beschlagnahme der Ordner, verschaffen werde. Vor diesem Hintergrund erschien es dem Zeugen ratsam, sich an seinen Rechtsanwalt zu wenden und entsprechenden Rat einzuholen. Der Zeuge suchte daher im Dezember 2010 den Rechtsanwalt T4 in C2, welcher ihn auch in anderen Sachen bis dahin wiederholt vertreten hatte, auf. Rechtsanwalt T4 verwies den Zeugen auf den in seiner Kanzlei als Assessor tätigen Angeklagten. In den darauf folgenden Gesprächen zwischen dem Angeklagten und dem Zeugen T2 ging es darum, ob und auf welchem Wege die Stehordner der Staatsanwaltschaft zum Kauf angeboten werden sollten. Der Angeklagte äußerte in einem dieser Gespräche gegenüber dem Zeugen, dass er es zwar für möglich, jedoch nicht für sicher halte, dass die Staatsanwaltschaft bereit sei, für die Übergabe der Ordner etwas zu bezahlen. Der Angeklagte äußerte auch die Befürchtung, dass ,der Schuss nach hinten losgehen könne', nämlich dass der Zeuge T2 strafrechtlich verfolgt werden könne, wenn die Staatsanwaltschaft sich nicht auf den ,Deal' einlasse. Der Zeuge T2 beauftragte den Angeklagten damit, sich für ihn als Mandanten namens ,Q' mit der Staatsanwaltschaft in Verbindung zu setzen. Er ging davon aus, dass er bei dieser Vorgehensweise aufgrund der anwaltlichen Schweigepflicht, auf die sich der Angeklagte berufen konnte, sein lnkognito wahren könne. Der Zeuge T2 hatte den Angeklagten auch darüber in Kenntnis gesetzt, dass er sich auch mit dem Umweltministerium in Verbindung setzen wolle. In einer an den Angeklagten gerichteten Mail heißt es: ,Desweiteren teile ich Ihnen mit, dass ich zwischenzeitlich bemüht bin, einen Kontakt mit (...) herzustellen. Infolgedessen werde ich diese Informationen/Unterlagen dem Umweltministerium (...) auch anbieten. Bei einem entsprechenden Angebot ist eine Aushändigung der Unterlagen nicht auszuschließen. Natürlich möchte ich nicht, dass Oberstaatsanwalt C durch mein Handeln bzw. die Unwissenheit benachteiligt wird. Deshalb wäre ich Ihnen dankbar, wenn Sie ihm über meine weitere Vorgehensweise eine Info geben, damit Herr C dies in seiner Überlegung mitberücksichtigen kann. Vielen Dank für Ihre Bemühungen.' Wenige Tage später übersandte der Zeuge T2 dem Angeklagten auch das an das Umweltministerium gerichtete Anschreiben zur Kenntnisnahme. Mit E-Mail vom 17. Dezember 2010 wandte sich der Zeuge T2 an das Regionalbüro des Umweltministers. Diese Mail hat folgenden Inhalt: (...) [Anmerkung des Senats: Auf die Wiedergabe des Wortlautes der mit dieser E-Mail in Gestalt von Dateianhängen versandten zwei Anschreiben, in denen T2 unter dem Pseudonym "Q" die Unterlagen unter Anpreisung ihres nach seiner Darstellung "brisanten" Inhaltes zum Kauf anbot, wird an dieser Stelle verzichtet.] Zur Glaubhaftmachung übersandte der Zeuge T2 zudem 3 Fotos von den in seinem Besitz befindlichen Stehordnern (...). Zumindest das zweite Anschreiben an den Minister sollte teilweise inhaltsgleich an die Staatsanwaltschaft Bielefeld gehen. (...) Ob dieses Schreiben die Staatsanwaltschaft Bielefeld erreicht hat, ist unklar; es fand sich in den Handakten des Angeklagten. Nachdem das Umweltministerium die Mail des ,Q' erhalten hatte, setzte sich Herr J von der Stabsstelle Umweltkriminalität beim Umweltministerium am 28. Dezember 2010 mit Oberstaatsanwalt C von der Staatsanwaltschaft Bielefeld in Verbindung und teilte ihm den Sachverhalt mit. Am 29. Dezember 2012 übersandte Herr J die beim Umweltministerium eingegangenen Unterlagen des ,Q' an die Staatsanwaltschaft Bielefeld. Kurz nach dem Anruf des Herrn J bei Oberstaatsanwalt C rief auch der Angeklagte am 28. Dezember 2010 bei dem Zeugen C, welchen er - neben seiner früheren Tätigkeit als Strafverteidiger - auch vom gemeinsam besuchten Fitnessstudio her kannte, an. Der Zeuge C wusste zu diesem Zeitpunkt bereits, dass der Angeklagte in der Kanzlei von Rechtsanwalt T4 tätig war, welcher auch den Zeugen T2 vertrat. Ohne nähere Angaben von Gründen bat der Angeklagte den Zeugen C um ein persönliches Gespräch. Dieses fand am 29. Dezember 2010 im Dienstzimmer des Zeugen C bei der Staatsanwaltschaft Bielefeld statt. In diesem Gespräch teilte der Angeklagte dem Zeugen C folgendes mit: die Anwaltskanzlei T4 vertrete einen Mandanten, welcher unter dem Pseudonym ,Q' auftrete und 50 Stehordner mit Unterlagen der Gesellschaft ,W GmbH & Co. KG' besitze. Er, der Angeklagte, wisse nicht, woher diese Ordner, welche sich nicht in seinem Büro befänden, stammten und wie der Mandant in deren Besitz gelangt sei. Es sei der Wunsch des Mandanten, dessen Namen nicht der Staatsanwaltschaft zu offenbaren. Die Unterlagen in den Ordnern würden helfen, die hinsichtlich der in den PFT-Skandal verwickelten Personen bestehenden Tatvorwürfe weiter aufzuklären. Zum Nachweis der Richtigkeit seiner Angaben legte der Angeklagte Ablichtungen aus diesen Ordnern vor, welche sich unter anderem zur Belieferung des Landwirts H in S und zu ausgezahlten Einarbeitungsvergütungen für das Produkt ,X' verhalten. Desweiteren führte der Angeklagte aus, sein Mandant habe noch keine bestimmten Vorstellungen hinsichtlich eines Kaufpreises für diese Unterlagen. Auf Wunsch könne die Staatsanwaltschaft die Ordner vorab einsehen, um über deren Verfahrensrelevanz zu entscheiden. Sodann solle in Preisverhandlungen eingestiegen werden. Im Übrigen habe der Mandant die Dokumente auch dem Umweltministerium zum Kauf angeboten. Der Zeuge Oberstaatsanwalt C hinterfragte die Äußerungen des Angeklagten nicht. Insbesondere stellte er dem Angeklagten nicht die Frage, was denn mit den Ordnern passieren würde, wenn die Staatsanwaltschaft sich weigere, etwas dafür zu bezahlen. Auch wies der Zeuge C den Angeklagten nicht auf ein mögliches strafbares Verhalten seinerseits hin. Vielmehr erklärte der Zeuge C dem Angeklagten, eine Entscheidung über den Ankauf könne nur nach Rücksprache mit dem Behördenleiter und gegebenenfalls den dienstaufsichtführenden Behörden getroffen werden, voraussichtlich werde die Entscheidungsfindung einige Zeit in Anspruch nehmen. Der Zeuge C war sich zu diesem Zeitpunkt schon relativ sicher, dass die Staatsanwaltschaft kein Geld für einen Ankauf der Ordner zur Verfügung stellen würde. Zugleich hegte der Zeuge C bereits den Verdacht, dass sich hinter dem Pseudonym ,Q' der Zeuge T2 verberge, weil dieser ja über die Rechtsanwaltskanzlei T4 vom Angeklagten vertreten werde. Tatsächlich erging sodann auch auf übergeordneter Ebene bei der Staatsanwaltschaft die Entscheidung, dass kein Geld für den Ankauf der Ordner zur Verfügung gestellt werden sollte. Grund für die Ablehnung war der Grundsatz, dass die Staatsgewalt kein Geld für Beweismittel zahlen solle; der Zeuge C wörtlich: ,Man wollte keine Schleusen öffnen.' Darüber hinaus war der Zeuge C - so er wörtlich - nicht auf den ,Goodwill' des ,Q' angewiesen. Er hegte nämlich - wie bereits ausgeführt - bereits den Anfangsverdacht, dass sich hinter dem Pseudonym ,Q' der Zeuge T2 verberge. Daher sah der Zeuge C gute Chancen, mit den strafprozessualen Mitteln in den Besitz der Stehordner zu gelangen. Als der Angeklagte den Zeugen C am 24. Januar 2011 erneut anrief, um sich danach zu erkundigen, ob vor dem Hintergrund der zwischenzeitlich erfolgten Einsichtnahme des Zeugen in die Kopien von Bestandteilen der Ordner nunmehr eine Entscheidung über den Ankauf der Ordner getroffen worden sei, vertröstete der Zeuge C den Angeklagten. Unter dem 28. Januar 2011 beantragte der Zeuge C beim Amtsgericht Durchsuchungsbeschlüsse, und zwar zum einen für die Wohn- und Geschäftsräume des Zeugen T2 [Anmerkung des Senats: unter Angabe des Tatvorwurfes "Diebstahl und versuchte Erpressung"]. Als Grund wurde angeführt, dass der Zeuge T2 verdächtig sei, 55 Stehordner der Gesellschaft ,W GmbH & Co. KG' aus den Räumen der Anwaltskanzlei T an der H-Straße in C2 entwendet zu haben. Im Dezember 2010 habe der Zeuge T2 den Beschuldigten A (den hiesigen Angeklagten) damit beauftragt, die Stehordner der Staatsanwaltschaft gegen Zahlung eines Entgelts anzubieten. Zum anderen beantragte die Staatsanwaltschaft Bielefeld hinsichtlich des Angeklagten eine Durchsuchung seiner Wohnräume sowie der von ihm genutzten und mitgenutzten Geschäftsräume in der Rechtsanwaltskanzlei T4. Als Begründung wurde ausgeführt, dass dem Angeklagten eine Beihilfe zur versuchten Erpressung zur Last gelegt werde, weil er einen Mandanten dabei unterstütze, von den Justizbehörden eine Geldzahlung für die Übergabe bedeutsamer Beweismittel zu erlangen, welche im Fall der ausbleibenden Zahlung der Staatsanwaltschaft bzw. dem Gericht vorenthalten werden sollten. Auf Grund der antragsgemäß ergangenen Durchsuchungsbeschlüsse wurden die Wohnung des Angeklagten und die Kanzlei von Rechtsanwalt T4 am Morgen des 8. Februar 2011 durchsucht. Bei letzterer wurden die hinsichtlich des Zeugen T2 bestehenden Mandatsakten beschlagnahmt sowie zwei Ordner der ,W'. Gegenüber den ermittelnden Beamten und dem ebenfalls anwesenden Oberstaatsanwalt C räumte der Angeklagte ein, dass es sich bei ,Q' um den Zeugen T2 handele. Die bei dem Zeugen T2 zeitgleich durchgeführte Hausdurchsuchung ergab keine Ergebnisse. Jedoch wurde der Zeuge T2 vorläufig festgenommen und erklärte sich unter dem Druck einer drohenden Untersuchungshaft bereit, für die Aushändigung der an einem unbekannten Ort befindlichen Stehordner an die Staatsanwaltschaft Sorge zu tragen. Nachdem am Folgetage die Staatsanwaltschaft Bielefeld in den Besitz von ca. 80 Stehordnern gelangt war, wurde der Zeuge T2 aus dem Polizeigewahrsam entlassen. Die Durchsicht der Stehordner führte zwar dazu, dass die Staatsanwaltschaft Bielefeld gegen weitere Beteiligte Ermittlungsverfahren einleitete, eine Relevanz für das beim Landgericht Paderborn anhängige Strafverfahren wegen des PFT-Skandals ergab sich aber nicht. Die Stehordner sind daher dem Landgericht Paderborn auch gar nicht vorgelegt worden." Mit ihrer Revision gegen das Urteil des Landgerichts rügt die Staatsanwaltschaft die Verletzung materiellen und formellen Rechts. II. Das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft hat mit der Sachrüge Erfolg. Der Freispruch des Angeklagten hält einer materiell-rechtlichen Überprüfung nicht stand. Einer Erörterung der von der Staatsanwaltschaft darüber hinaus erhobenen Verfahrensrüge bedarf es daher nicht. 1. Im Ergebnis zu Recht hat das Landgericht allerdings aufgrund des von ihm festgestellten Sachverhaltes eine Strafbarkeit des Angeklagten wegen Beihilfe zur versuchten Erpressung (§§ 253 Abs. 3, 22, 27 StGB) verneint. Es fehlt bereits an einer Haupttat - hier einer versuchten Erpressung durch T2 gegenüber Beamten der Staatsanwaltschaft Bielefeld -, an der der Angeklagte als Gehilfe hätte teilnehmen können. a) Das Landgericht hat offengelassen, ob T2 - oder in dessen Auftrag der Angeklagte - gegenüber Oberstaatsanwalt C überhaupt eine (konkludente) Drohung mit einem Übel im Sinne des § 253 Abs. 1 StGB ausgesprochen hat. Auch der Senat kann diese Frage unbeantwortet lassen, merkt indes an, dass es nahe liegt, in der Aufnahme von "Kaufverhandlungen" durch T2 und den Angeklagten zugleich die konkludente Ankündigung zu sehen, der Staatsanwaltschaft Bielefeld im Falle eines Scheiterns der Verhandlungen - insbesondere mangels einer Einigung über den "Kaufpreis" - den in Aussicht genommenen "Kaufgegenstand" - hier also die möglicherweise als Beweismittel in Betracht kommenden Aktenordner - nicht zu übergeben (mithin vorzuenthalten), und diese Ankündigung angesichts des Interesses der Staatsanwaltschaft an einer lückenlosen Aufklärung des sogenannten "PFT-Skandals" auch als Drohung mit einem Übel zu werten. b) Das angedrohte Übel - die Nichtherausgabe der Aktenordner im Falle der Nichtzahlung eines "Kaufpreises" - war indes kein "empfindliches" Übel im Sinne des § 253 Abs. 1 StGB. "Empfindlich" ist ein Übel nur dann, wenn der angedrohte Nachteil von solcher Erheblichkeit ist, dass seine Ankündigung geeignet erscheint, den Bedrohten im Sinne des Täterverlangens zu motivieren (BGHSt 31, 195). Hierbei handelt es sich um eine normative Tatbestandsvoraussetzung, die entfällt, wenn von dem Bedrohten in seiner Lage erwartet werden kann, dass er der Drohung in besonnener Selbstbehauptung standhält (BGHSt 31, 195; NStZ 1992, 278; vgl. auch BGHSt 32, 165). Ergibt die normative Prüfung, dass von dem Bedrohten ein Standhalten in diesem Sinne erwartet werden kann, ist eine gleichwohl von dem Bedrohten faktisch empfundene Zwangswirkung für die Tatbestandsverwirklichung irrelevant. Richtet sich die Drohung - wie hier - gegen einen Amtsträger und wird dieser auch gerade in dieser Eigenschaft bedroht, ist bei der Prüfung, ob von ihm ein Standhalten erwartet werden kann, seine Pflichtenstellung zu berücksichtigen (so entsprechend BGHSt 32, 165, für den Straftatbestand der Nötigung von Verfassungsorganen, § 105 StGB). Im vorliegenden Fall konnte von den mit dem "Kaufangebot" des T2 und des Angeklagten konfrontierten Vertretern der Staatsanwaltschaft erwartet werden, dass sie der Ankündigung, die Aktenordner im Falle der Nichtzahlung eines "Kaufpreises" nicht herauszugeben, in besonnener Selbstbehauptung standhielten. Dabei kommt es nicht darauf an, welche Möglichkeiten und Chancen im vorliegenden Einzelfall für die Staatsanwaltschaft bestanden, auch ohne die Zahlung eines "Kaufpreises" in den Besitz der Aktenordner zu gelangen, oder welche konkreten Vorstellungen T2 und der Angeklagte hierzu hatten. Entscheidend sind vielmehr grundsätzliche Erwägungen. Befinden sich Gegenstände, die als Beweismittel für die Untersuchung von Bedeutung sein können, in dem Gewahrsam einer Person, die zu ihrer Herausgabe entweder überhaupt nicht oder - wie im vorliegenden Falle - nur unter Bedingungen bereit ist, stellt die Strafprozessordnung in den §§ 94 ff StPO ein ausdifferenziertes Instrumentarium zur Verfügung, dass die Auffindung und die anschließende Sicherstellung der potentiellen Beweismittel ermöglichen soll. Dabei ermöglichen die gesetzlichen Regelungen nicht nur ein Vorgehen gegen den Beschuldigten in einem Strafverfahren, sondern auch gegen Personen, die nicht im Verdacht stehen, eine Straftat begangen zu haben (vgl. z.B. § 103 StPO). Ist im konkreten Einzelfall eine Auffindung und Sicherstellung der Beweismittel mit diesem Instrumentarium nicht möglich, ist die damit einhergehende Gefahr, dass ein Sachverhalt nicht vollständig aufgeklärt werden kann, hinzunehmen. Sie ist in einem Rechtsstaat, dessen Strafprozessrecht der Gedanke einer "Sachverhaltsaufklärung um jeden Preis" nur fremd sein kann, systemimmanent. Damit ist auch für eine Zwangseignung der Drohung, Beweismittel nicht oder nur unter bestimmten Bedingungen herauszugeben, und damit für eine "Erpressbarkeit" der Beamten der Staatsanwaltschaft mit einer solchen Drohung in normativer Hinsicht kein Raum. Dem kann nicht entgegengehalten werden, dass - wie hier - im Einzelfall ein besonderes Interesse der Öffentlichkeit an der Aufklärung eines strafrechtlich relevanten Sachverhaltes bestehen kann, aufgrund dessen die Staatsanwaltschaft sich in einer Fallkonstellation wie der vorliegenden einem faktischen Druck ausgesetzt sehen kann. Denn zum einen ist es die Pflicht der Beamten der Staatsanwaltschaft, ihren Dienst allein nach Recht und Gesetz und unabhängig von einem etwaigen Druck der öffentlichen Meinung zu versehen. Zum anderen würde eine Staatsanwaltschaft, die sich der Forderung eines Einzelnen, ihm Geld für die Herausgabe von Beweismitteln zu zahlen, beugt, ihre eigene Glaubwürdigkeit und das Vertrauen der Bürger in die Standfestigkeit und die "Nichterpressbarkeit" staatlicher Institutionen in einem wehrhaften demokratischen Rechtsstaat nachhaltig beeinträchtigen (vgl. hierzu auch BGHSt 32, 165). Völlig zu Recht hat daher der vom Landgericht als Zeuge vernommene Oberstaatsanwalt C die Ablehnung des "Kaufangebotes" des T2 und des Angeklagten mit dem Argument begründet, man habe keine "Schleusen öffnen" wollen. In besonders gelagerten Ausnahmefällen mag zwar auch in normativer Hinsicht eine Zwangseignung der Drohung, Beweismittel nicht oder nur unter bestimmten Bedingungen herauszugeben, möglicherweise zu bejahen sein. In Betracht kommen namentlich Fälle (allerdings wohl eher theoretischer Natur), in denen die Nichterlangung der Beweismittel nicht nur eine Erschwerung der Aufklärung eines strafrechtlich relevanten Sachverhaltes, sondern zugleich auch schwerwiegende Schäden für das Gemeinwesen oder für einzelne Bürger nach sich zöge (vgl. in diesem Zusammenhang auch BGHSt 32, 165). Eine solche Fallkonstellation lag hier indes nicht vor und war auch nicht Gegenstand des Tatentschlusses des T2. 2. Das Landgericht hat sich indes rechtsfehlerhaft nicht mit der naheliegenden Möglichkeit auseinandergesetzt, dass der Angeklagte sich möglicherweise nach anderen Vorschriften strafbar gemacht hat, und insoweit nur unzureichende Feststellungen getroffen. In Betracht kommt hier insbesondere die Annahme einer Strafbarkeit des Angeklagten wegen Begünstigung nach § 257 Abs. 1 StGB. a) Nach den Feststellungen des Landgerichts ist davon auszugehen, dass sich T2 die hier in Rede stehenden Aktenordner durch eine rechtswidrige Tat - in Betracht kommt hier zumindest eine Unterschlagung nach § 246 StGB - verschafft hat. b) Die Feststellungen legen ebenfalls die Annahme nahe, dass der Angeklagte dem Vortäter T2 im Sinne des § 257 Abs. 1 StGB Hilfe geleistet hat. Als Hilfeleistung für den Vortäter im Sinne des § 257 Abs. 1 StGB ist grundsätzlich auch die Mithilfe beim Verkauf der Tatbeute anzusehen ( OLG Düsseldorf, NJW 1979, 2320 [ OLG Düsseldorf 22.03.1979 - 5 Ss 621/78 I] m.w.N.). Dabei macht es keinen Unterschied, ob die Tatbeute an einen Dritten oder an den Geschädigten selbst - oder eine in dessen "Lager" stehende Person oder Einrichtung (hier die Staatsanwaltschaft) - "verkauft" werden soll, weil es in beiden Fällen darum geht, für den Vortäter den wirtschaftlichen Wert der Sache zu realisieren, indem die Beute für ihn zu Geld gemacht wird ( OLG Düsseldorf, a.a.O.). Allerdings wird die Auffassung vertreten, dass nicht jede Hilfe, die dem Vortäter beim Absatz der Deliktsbeute gewährt wird, objektiv eine Hilfeleistung im Sinne des § 257 Abs. 1 StGB darstelle. Das Wesen der Begünstigung liege in der Hemmung der Rechtspflege, die dadurch bewirkt werde, dass der Begünstigende die Wiederherstellung des gesetzmäßigen Zustandes verhindere, der sonst durch ein Eingreifen des Geschädigten oder des Staates gegen den Vortäter hergestellt werden könne ( OLG Düsseldorf, a.a.O.). Sei eine Wiederherstellung des gesetzmäßigen Zustandes bei vernünftiger Betrachtungsweise aber ohnehin kaum mehr möglich, etwa weil der Vortäter unbekannt sei oder es sich bei der Deliktsbeute um ein Massenprodukt handele, welches dem Geschädigten nicht aufgrund besonderer Merkmale zugeordnet werden könne, liege in der beim Absatz der Beute gewährten Hilfe keine Hilfeleistung im Sinne des § 257 Abs. 1 StGB, denn sie könne nicht mehr zu einer Vertiefung des Schadens führen ( OLG Düsseldorf, a.a.O.). Es kann dahinstehen, ob und inwieweit dieser Auffassung zu folgen ist. Denn im vorliegenden Falle war nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen zum Zeitpunkt des als Hilfeleistung zu wertenden Tätigwerdens des Angeklagten eine Wiederherstellung des gesetzmäßigen Zustandes bei vernünftiger Betrachtungsweise auch ohne das Zutun des Angeklagten durchaus möglich, wenn nicht sogar wahrscheinlich. Bereits vor der Kontaktaufnahme des Angeklagten mit Oberstaatsanwalt C wusste dieser, dass "Q" sich bereits an das Umweltministerium gewandt hatte. Angesichts des Umstandes, dass bei T2 zuvor schon einmal fünf Aktenordner sichergestellt worden waren, lag damit der Verdacht nahe, dass sich hinter dem genannten Pseudonym der der Staatsanwaltschaft bereits bekannte T2 verbarg. Damit verfügte die Staatsanwaltschaft über erfolgversprechende Ansätze für Nachforschungen nach dem Aufbewahrungsort der dem Ministerium und danach auch ihr selbst angebotenen Akten. c) Das Landgericht hat indes keine ausreichenden Feststellungen zum subjektiven Tatbestand des § 257 Abs. 1 StGB getroffen. Es fehlen zum einen tragfähige Ausführungen zum Vorsatz des Angeklagten, namentlich zu der Frage, welche Vorstellungen er dazu hatte, wie T2 in den Besitz der Aktenordner gelangt war. Zum anderen ermöglichen die Feststellungen des Landgerichts keine Prüfung, ob der Angeklagte mit der nach § 257 Abs. 1 StGB zusätzlich zum Vorsatz erforderlichen Begünstigungsabsicht handelte (vgl. hierzu ausführlich OLG Düsseldorf, a.a.O.). 3. Wegen des aufgezeigten Mangels ist das angefochtene Urteil nach § 353 StPO mit den Feststellungen aufzuheben und die Sache nach § 354 Abs. 2 Satz 1 StPO zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Bielefeld zurückzuverweisen. |
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