Aktenzeichen: 3 Ws 126/13 OLG Hamm |
Leitsatz: Kein schutzwürdiges Vertrauen auf das Unterbleiben des Widerrufes der Strafaussetzung trotz mehrmonatiger Untätigkeit der Strafvollstreckungskammer |
Senat: 3 |
Gegenstand: Revision Rechtsbeschwerde Beschwerde Haftprüfung durch das OLG Pauschgebühr Justizverwaltungssache Antrag auf gerichtliche Entscheidung |
Stichworte: Strafvollstreckungskammer, Untätigkeit |
Normen: StGB 56f |
Beschluss: Strafvollstreckungssache In pp. hat der 3. Senat für Strafsachen des OLG Hamm am 29.05.2013 beschlossen: Die in dem angefochtenen Beschluss getroffene Anrechnungsentscheidung wird dahin geändert, dass die von dem Verurteilten aufgrund des Bewährungsbeschlusses des Amtsgerichts Oberhausen vom 6. Oktober 2009 (24 Ds 380/09) geleisteten 100 Stunden gemeinnütziger Arbeit mit insgesamt drei Wochen auf die Gesamtfreiheitsstrafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Oberhausen vom 6. Oktober 2009 (24 Ds 380/09) angerechnet werden. Die weitergehende sofortige Beschwerde wird als unbegründet verworfen. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Verurteilte. Gründe I. Das Amtsgericht Oberhausen verurteilte den Beschwerdeführer am 6. Oktober 2009 wegen unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln, wegen Diebstahls und wegen Erschleichens von Leistungen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Monaten, deren Vollstreckung das Amtsgericht zur Bewährung aussetzte. Das Urteil ist seit dem 22. Dezember 2009 rechtskräftig. Mit Bewährungsbeschluss vom 6. Oktober 2009 setzte das Amtsgericht die Bewährungszeit auf vier Jahre fest und erteilte dem Beschwerdeführer die Auflage, 100 Stunden gemeinnütziger Arbeit zu leisten. Diese Auflage erfüllte der Verurteilte, indem er im Zeitraum zwischen dem 26. April 2010 und dem 21. Mai 2010 an insgesamt 20 Arbeitstagen jeweils fünf Stunden gemeinnütziger Arbeit für die Katholische Kirchengemeinde St. Marien in Oberhausen leistete. Am 11. November 2010 verurteilte das Amtsgericht Oberhausen den Beschwerdeführer wegen Beihilfe zur räuberischen Erpressung zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten ohne Strafaussetzung zur Bewährung; Gegenstand der Verurteilung war eine in der Nacht vom 25. auf den 26. August 2010 begangene Tat. Das Urteil ist seit dem 27. Mai 2011 rechtskräftig, nachdem der Verurteilte seine hiergegen eingelegte Berufung zurückgenommen hatte. Unter dem 4. Juni 2011 stellte die Staatsanwaltschaft Duisburg daraufhin beim Amts-gericht Oberhausen den Antrag, die in dem Urteil vom 6. Oktober 2009 gewährte Strafaussetzung zur Bewährung zu widerrufen. Mit einem mit einfachem Brief versandten Anschreiben vom 26. Juli 2011 gab das Amtsgericht dem Verurteilten Gelegenheit, zu dem Widerrufsantrag Stellung zu nehmen. Nachdem der Verurteilte am 8. August 2011 zum Zwecke der Vollstreckung der durch das Urteil vom 11. November 2010 verhängten Freiheitsstrafe in die JVA C aufgenommen worden war, leitete das Amtsgericht Oberhausen das Bewährungsheft zuständigkeitshalber an das Landgericht Bielefeld - Strafvoll-streckungskammer - weiter. Die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Bielefeld teilte dem Verurteilten mit Anschreiben vom 16. September 2011, dem Verurteilten in der Justizvollzugsanstalt zugestellt am 22. September 2011, die Übernahme der Bewährungsaufsicht mit und gab ihm zugleich Gelegenheit, zu dem Widerrufsantrag der Staatsanwaltschaft Stellung zu nehmen. Mit Schriftsatz vom 14. Oktober 2011 bestellte sich Rechtsanwalt B in L zum Verteidiger des Verurteilten und bat um die Gewährung von Akteneinsicht. In der Folgezeit blieb die Strafvollstreckungskammer indes untätig. Mit Schriftsatz vom 16. November 2011 erinnerte der Verteidiger an sein Akteneinsichtsgesuch. Die Strafvollstreckungskammer blieb indes auch weiterhin untätig. Mehrere Sachstands-anfragen der Staatsanwaltschaft und des Bewährungshelfers blieben unbeantwortet. Mit Schreiben vom 29. Mai 2012 teilte der Vorsitzende der Strafvollstreckungskammer der Staatsanwaltschaft und dem Bewährungshelfer mit, die Sache sei "im Drange der Geschäfte" "leider einige Zeit liegengeblieben", vor einer Entscheidung müsse aber noch dem Verteidiger Akteneinsicht gewährt werden. Der Verteidiger erhielt daraufhin auch Akteneinsicht in das Bewährungsheft und gab dieses am 18. Juni 2012 an die Strafvollstreckungskammer zurück. Mit Schreiben vom 19. Juli 2012 wies die Strafvollstreckungskammer den Verteidiger darauf hin, dass bislang keine Stellungnahme des Verurteilten oder des Verteidigers zu dem Widerrufsantrag eingegangen sei, und teilte ihm mit, dass sie, falls innerhalb einer Frist von drei Wochen keine Stellungnahme eingehe, davon ausgehe, dass die Abgabe einer solchen Stellungnahme nicht mehr beabsichtigt sei. Eine Stellungnahme des Verurteilten oder seines Verteidigers gelangte in der Folgzeit nicht zu den Akten. Auch die Strafvollstreckungskammer blieb zunächst untätig, bis sie mit dem angefochtenen Beschluss vom 7. Dezember 2012 die in dem Urteil vom 6. Oktober 2009 gewährte Strafaussetzung zur Bewährung widerrief und anordnete, dass die von dem Verurteilten geleisteten Arbeitsstunden mit insgesamt zwei Wochen auf die Strafe anzurechnen seien. Gegen diesen Beschluss wendet sich der Verurteilte mit seiner form- und fristgerecht eingelegten sofortigen Beschwerde. Die Akten liegen dem Senat seit dem 25. April 2013 zur Entscheidung über das Rechtsmittel vor. II. Die sofortige Beschwerde führt zu einer Änderung der in dem angefochtenen Beschluss getroffenen Anrechnungsentscheidung, im Übrigen ist sie unbegründet. 1. Zu Recht hat die Strafvollstreckungskammer die Strafaussetzung zur Bewährung widerrufen. Der Widerruf findet seine Grundlage in § 56f Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB. Der Verurteilte hat innerhalb der Bewährungszeit die Straftat, die Gegenstand der Verurteilung vom 11. November 2010 geworden ist, begangen und hat hierdurch gezeigt, dass die Erwartung, die der Strafaussetzung zur Bewährung zugrunde lag, sich nicht erfüllt hat. Angesichts der zahlreichen Vorstrafen des Verurteilten, seines mehrfachen Bewährungsversagens in der Vergangenheit sowie seiner mehrjährigen Hafterfahrung kommen mildere Mittel als der Widerruf der Strafaussetzung zur Einwirkung auf den Verurteilten nicht in Betracht. 2. Der Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes steht dem Widerruf nicht entgegen. Das Widerrufsverfahren ist zeitnah nach dem Eintritt der Rechtskraft der Verurteilung vom 11. November 2010 eingeleitet worden. Der Verurteilte ist durch Schreiben des Amtsgerichts Oberhausen vom 26. Juli 2011 und der Strafvollstreckungskammer in Bielefeld vom 16. September 2011 auf den drohenden Widerruf der Strafaussetzung hingewiesen worden. Durch die Einsichtnahme in das Bewährungsheft im Juni 2012 und dann noch einmal durch das Schreiben der Strafvollstreckungskammer vom 19. Juli 2012 erhielt der Verteidiger davon Kenntnis, dass die Strafvollstreckungskammer das Widerrufsverfahren weiter voranzutreiben beabsichtigte. Bis zu diesem Zeitpunkt konnte noch kein schutzwürdiges Vertrauen des Verurteilten darauf entstehen, dass ein Widerruf der Strafaussetzung unterbleiben würde. Dies wäre nur dann zu bejahen, wenn die Entscheidung derart ungebührlich lange hinausgezögert worden wäre, dass der Verurteilte mit einem Widerruf nicht mehr zu rechnen brauchte (vgl. OLG Hamm , NStZ 1984, 362). Dies ist hier nicht der Fall. Zu berücksichtigen ist zunächst, dass der Verurteilte hier zum einen bereits ausdrücklich über die Einleitung des Widerrufsverfahrens informiert worden war und zum anderen die Bewährungszeit während der Dauer des Widerrufsverfahrens noch nicht abgelaufen war. In einer solchen Sachverhaltskonstellation sind höhere Anforderungen an die Bejahung eines schutzwürdigen Vertrauens zu stellen als in Fällen, in denen ein Widerrufsverfahren zunächst überhaupt nicht eingeleitet wurde und/oder die Bewährungszeit zum Zeitpunkt des Widerrufes bereits abgelaufen war. Darüber hinaus ist auch abzuwägen zwischen dem Zeitablauf einerseits und dem Gewicht der innerhalb der Bewährungszeit begangenen neuen Straftat - hier immerhin eine Beihilfe zur räuberischen Erpressung - und der für sie verhängten Strafe andererseits (vgl. OLG Hamm, a.a.O.). Gemessen an diesen Maßstäben, war die Untätigkeit der Strafvollstreckungskammer zwischen September 2011 und Juni/Juli 2012 (noch) nicht geeignet, ein schutzwürdiges Vertrauen des Verurteilten in das Unterbleiben des Widerrufes zu begründen. Gleiches gilt für den Zeitraum zwischen Juli 2012 und dem Erlass des angefochtenen Beschlusses. Der Verurteilte musste sich nach der Sachlage vielmehr sagen, dass sich lediglich die justizförmige Abwicklung des bereits eingeleiteten Widerrufsverfahrens - aus welchen Gründen auch immer - nochmals verzögerte. 3. Der Senat ändert indes die Anrechnungsentscheidung nach § 56f Abs. 3 Satz 2 StGB zu Gunsten des Verurteilten ab. Der Senat geht hierbei von einer eingeschränkten Arbeitsfähigkeit des Verurteilten von lediglich fünf Stunden pro Tag aus und legt dies als Maßstab für die Anrechnung der von dem Verurteilten erbrachten Arbeitsleistungen zugrunde. Die von dem Verurteilten geleisteten 100 Stunden gemeinnütziger Arbeit entsprechen damit - aufgerundet - drei Wochen Strafhaft. 4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO. Angesichts des nur geringfügigen Teilerfolges des Rechtsmittels ist für die Anwendung des § 473 Abs. 4 StPO kein Raum. |
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