Aktenzeichen: 3 RVs 7/13 OLG Hamm |
Leitsatz: Hat das Amtsgericht ausdrücklich nach §§ 55 Abs. 1 Satz 1, 53 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 1 StGB davon abgesehen, aus der von ihm verhängten Freiheitsstrafe und aus den in mehreren früheren Verfahren verhängten Geldstrafen eine Gesamtfreiheitsstrafe zu bilden, und hat der Angeklagte seine Berufung auf die Frage der Strafaussetzung zur Bewährung beschränkt, ist das Berufungsgericht an einer erneuten Prüfung der Frage der nachträglichen Bildung einer Gesamtfreiheitsstrafe aus der Freiheitsstrafe und den Geldstrafen gehindert (Anschluss an BGH, NJW 2010, 3589 [BGH 07.07.2010 - 1 StR 212/10]). Das Berufungsgericht hat in dieser Konstellation gleichwohl nach §§ 55 Abs. 1 Satz 1, 53 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 StGB über die nachträgliche Bildung einer Gesamtgeldstrafe aus den in den früheren Verfahren verhängten Geldstrafen zu entscheiden (Fortführung von BGH, Beschluss vom 18. September 1974 - 3 StR 217/74). |
Senat: 3 |
Gegenstand: Revision Rechtsbeschwerde Beschwerde Haftprüfung durch das OLG Pauschgebühr Justizverwaltungssache Antrag auf gerichtliche Entscheidung |
Stichworte: Gesamtstrafenbildung, Rechtsmittelverfahren |
Normen: StGB 53; StGB 55 |
Beschluss: Strafsache In pp. hat der 3. Strafsenat des OLG Hamm am 18.03.2013 beschlossen: Die Revision wird mit der Maßgabe als unbegründet verworfen, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Bildung einer Gesamtgeldstrafe aus den durch die Entscheidungen des Amtsgerichts Bielefeld vom 8. August 2011 (39 Cs 44 Js 1414/11 - 1957/11) und vom 9. Dezember 2011 (39 Cs 301 Js 361/11 - 2753/11) verhängten Geldstrafen nach den §§ 460, 462 StPO zu treffen ist. Die Kosten des Rechtsmittels trägt der Angeklagte. Gründe I. Das Amtsgericht hat den Angeklagten wegen Unterschlagung zu einer Freiheitsstrafe von sieben Monaten ohne Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt. Es hat zudem ausdrücklich davon abgesehen, aus der vorgenannten (Einzel-)Freiheitsstrafe und den gegen den Angeklagten durch frühere Entscheidungen vom 8. August 2011 und vom 9. Dezember 2011 verhängten Geldstrafen nachträglich eine Gesamtfreiheitsstrafe zu bilden. Das Landgericht hat die formell und materiell wirksam auf die Frage der Strafaussetzung zur Bewährung beschränkte Berufung des Angeklagten verworfen. Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verletzung materiellen Rechts. II. Das Rechtsmittel hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen - geringfügigen - Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet. 1. Das Landgericht hat sich zu Recht an einer (erneuten) Prüfung der Frage der nachträglichen Bildung einer Gesamtfreiheitsstrafe aus der in der vorliegenden Sache verhängten (Einzel-)Freiheitsstrafe und den - grundsätzlich gesamtstrafen-fähigen - Geldstrafen aus den früheren Entscheidungen vom 8. August 2011 und vom 9. Dezember 2011 gehindert gesehen. Diese Beschränkung der Prüfungskompetenz des Berufungsgerichtes ergibt sich - ungeachtet der Frage eines Verstoßes gegen das Verbot der reformatio in peius (§ 331 Abs. 1 StPO) durch die nachträgliche Bildung einer Gesamtfreiheitsstrafe in der vorliegenden Fallkonstellation (vgl. hierzu Senat, NStZ-RR 2008, 235 [ OLG Hamm 06.03.2008 - 3 Ss 68/08] m.w.N.) - bereits aus der vom Angeklagten erklärten Berufungsbeschränkung. Auch bei einer wirksamen Beschränkung der Berufung auf die Frage der Strafaussetzung zur Bewährung ist das Berufungsgericht zwar grundsätzlich berechtigt und verpflichtet, nach § 55 StGB über die Bildung einer nachträglichen Gesamtstrafe zu entscheiden (BGH, NJW 2010, 3589 [BGH 07.07.2010 - 1 StR 212/10]); eine Ausnahme hiervon gilt indes dann, wenn das erstinstanzliche Gericht bereits eine Entscheidung zu dieser Frage getroffen hatte (BGH, a.a.O.). So verhält es sich hier. Das Amtsgericht hat ausdrücklich entschieden, nach §§ 55 Abs. 1 Satz 1, 53 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 1 StGB von der Bildung einer Gesamtfreiheitsstrafe unter Einbeziehung der beiden bereits zuvor verhängten Geldstrafen abzusehen. Diese Entscheidung des Amtsgerichts ist infolge der wirksamen Berufungsbeschränkung durch den Angeklagten für das weitere Verfahren bindend geworden. 2. Die revisionsgerichtliche Überprüfung der Entscheidung des Landgerichts, die Vollstreckung der (Einzel-)Freiheitsstrafe nicht zur Bewährung auszusetzen, hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO). 3. Rechtsfehlerhaft haben es indes sowohl das Amts- als auch das Landgericht unterlassen, über die nachträgliche Bildung einer Gesamtgeldstrafe aus den durch die Entscheidungen des Amtsgerichts Bielefeld vom 8. August 2011 und vom 9. Dezember 2011 verhängten Geldstrafen zu entscheiden. Die Verpflichtung hierzu ergibt sich aus §§ 55 Abs. 1 Satz 1, 53 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 StGB. Die - lediglich als "erste Weichenstellung" bei der Gesamtstrafenbildung anzusehende - Entscheidung des Amtsgerichts, von der Bildung einer Gesamtfreiheitsstrafe unter Einbeziehung der beiden bereits in früheren Verfahren verhängten Geldstrafen abzusehen, entband es nicht von der sich aus den vorstehenden Regelungen ergebenden Verpflichtung, im Rahmen einer umfassenden und abschließenden Entscheidung zur Gesamtstrafenbildung über die nachträgliche Bildung einer Gesamtgeldstrafe aus den beiden hier in Rede stehenden Geldstrafen zu entscheiden, auch wenn diese beiden Geldstrafen gar nicht in dem vorliegenden Verfahren verhängt worden waren (vgl. BGH, Beschluss vom 18. September 1974 - 3 StR 217/74 - <[...]>). Die vom Amtsgericht unterlassene Entscheidung über die nachträgliche Bildung einer Gesamtgeldstrafe hätte das Landgericht im Berufungsverfahren nachholen müssen. Hieran war es durch die Berufungsbeschränkung nicht gehindert, da das Amtsgericht zu dieser (Teil-)Frage der Gesamtstrafenbildung in der ersten Instanz gerade keine Entscheidung getroffen hatte; es hatte seine Verpflichtung zur Entscheidung über die nachträgliche Bildung einer Gesamtgeldstrafe vielmehr offenkundig nicht erkannt. Der Senat sieht davon ab, die Sache allein zur Prüfung der nachträglichen Bildung einer Gesamtgeldstrafe an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts zurückzuverweisen. Er macht von der durch § 354 Abs. 1b Satz 1 StPO eingeräumten Möglichkeit Gebrauch und ordnet an, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Bildung einer Gesamtgeldstrafe nach den §§ 460, 462 StPO zu treffen ist. 4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 4 StPO. |
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