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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 1 Ws 390/13 OLG Hamm

Leitsatz: Dringende Gründe i.S.d. § 111b Abs. 3 StPO liegen nicht mehr vor, wenn die Strafverfolgung wegen der Tat, wegen der der Arrest erlassen worden ist, vorläufig nach § 154 Abs. 2 StPO im Hinblick auf eine Strafe aus einem noch nicht rechtskräftigen Urteil eingestellt worden ist, das nur noch mit dem Rechtsmittel der Revision angefochten werden kann.

Senat: 1

Gegenstand: Beschwerde

Stichworte: Arrest, dringende Gründe, Einstellung

Normen: StPO 111b

Beschluss:

Strafsache
In pp.
hat der 1. Strafsenat des OLG Hamm am 10.10.2013 beschlossen:
Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben, soweit darin die Aufhebung des durch Beschluss des Amtsgerichts Bochum vom 22.06.2011 (64 Gs 1877/11) angeordneten Arrestes über einen Betrag von 274.511 Euro hinaus angeordnet worden ist .

Im übrigen wird die Beschwerde verworfen.

Die Gebühr für das Beschwerdeverfahren wird auf 5/6 ermäßigt. Die Auslagen der Staatskasse und die dem Angeklagten entstandenen notwendigen Auslagen tragen der Angeklagte zu 1/6, die Staatskasse zu 5/6.


Gründe

I.

Nachdem das Amtsgericht Bochum bereits am 27.07.2010 den dinglichen Arrest (u.a.) in das Vermögen des Angeklagten I angeordnet hatte, hat es auf Antrag der Staatsanwaltschaft Bochum vom 21.06.2011 den vorgenannten Arrest wegen Zeitablaufs mit Beschluss vom 22.06.2011 aufgehoben. Mit Beschluss vom gleichen Tag hat es auf Antrag der Staatsanwaltschaft Bochum erneut den dinglichen Arrest in Höhe von 319.911 € in das Vermögen des Angeklagten angeordnet. Die Höhe des Arrestbetrages errechnet sich in dem Beschluss aus vom Angeklagten vorgeblich erlangten 274.511 € aus Schwarzverkäufen von Kompletträdern und Rädern sowie von ihm im Rahmen von Insolvenzdelikten, die dem Mitangeklagten X S I vorgeworfen wurden, erlangten 45.400 €. Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt dieses Beschlusses verwiesen. Bei den entsprechenden Taten handelt es sich um die Anklagepunkte 3 und 9 der Anklage der Staatsanwaltschaft Bochum vom 03.02.2012.

Nach Eröffnung des Hauptverfahrens und Durchführung der Hauptverhandlung ist der Angeklagte I wegen Urkundenfälschung und wegen zweier Fälle der Beihilfe zur Untreue zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt worden, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Gegenstand der Verurteilung sind nicht die Taten, die Grundlage des Arrestes bezüglich des Angeklagten I waren. Vielmehr ist der Vorwurf, der dem Anklagepunkt 3 zugrunde lag, nach § 154 Abs. 2 StPO vorläufig im Hinblick auf die verbleibenden Tatvorwürfe eingestellt worden, das Verfahren bezüglich des Vorwurfs, der dem Anklagepunkt Nr. 9 zugrunde lag, ist von der Kammer in der Hauptverhandlung abgetrennt worden.

Gegen das Urteil haben sowohl die Angeklagten als auch die Staatsanwaltschaft Revision eingelegt.

Mit Erlass des Urteils hat die Strafkammer (u.a.) den Beschluss des Amtsgerichts Bochum vom 22.06.2011, durch den der dingliche Arrest in das Vermögen des Angeklagten I angeordnet worden ist, aufgehoben. Zur Begründung führt sie an, dass der Angeklagte zum Zwecke der Schadenswiedergutmachung mit dem Insolvenzverwalter der Firma B GmbH einen Vertrag geschlossen habe, der eine den §§ 111 i Abs. 2 S. 4 Nr. 1 StPO vergleichbare Situation geschaffen habe, so dass Feststellungen i.S.d. § 111 i Abs. 2 StPO nicht veranlasst waren und damit eine Aufrechterhaltung des Arrestes gemäß § 111 i Abs. 3 StPO nicht in Betracht gekommen sei.

Gegen diesen Beschluss hat die Staatsanwaltschaft Bochum am 06.03.2013 Beschwerde eingelegt.

Die Generalstaatsanwaltschaft Hamm ist der Beschwerde beigetreten und hat beantragt, den angefochtenen Beschluss aufzuheben, soweit er das Vermögen des Angeklagten I betrifft.

II.

Die Beschwerde hat teilweise Erfolg.

1.

Die Beschwerde ist zulässig. Der Senat ist nach § 121 Abs. 1 Nr. 2 GVG zur Entscheidung über die Beschwerde berufen. Eine analoge Anwendung des § 305a Abs. 2 StPO scheidet aus, da die Taten, deretwegen der Arrest erlassen worden ist, nicht Gegenstand der Aburteilung waren.

2.

Hinsichtlich eines Betrages in Höhe von 274.511 Euro (Schwarzverkäufe von Reifen) hat die Beschwerde keinen Erfolg, da die Strafkammer im Ergebnis zu Recht den Arrest aufgehoben hat. Im Übrigen hat sie hingegen Erfolg.

a) Die Arrestanordnung war allerdings nicht - wie das Landgericht meint - schon nach § 111 i StPO aufzuheben. Eine Fallgestaltung des § 111 i StPO liegt nicht vor. Der angeordnete Arrest ist grundsätzlich bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens wirksam, in dem er ergeht (BGHSt 29, 13, 15; Meyer-Goßner, StPO, 56. Aufl., § 111 d Rdnr. 15). Dies ist hier nicht der Fall. Ein rechtskräftiger Abschluss des Verfahrens hinsichtlich der genannten Tatvorwürfe Nr. 3 und 9 der Anklage, welche Grundlage des dinglichen Arrestes sind, hat bisher gerade nicht stattgefunden. Insoweit wurde das Verfahren teilweise abgetrennt bzw. vorläufig nach § 154 Abs. 2 StPO eingestellt. In beiden Fällen harrt das Verfahren noch seines endgültigen Abschlusses.

b) Die Anordnung des Arrestes war aber - teilweise - aufzuheben, da die Voraussetzungen der §§ 111 b, 111 d StPO teilweise nicht mehr vorliegen.

Nach §§ 111 b Abs. 2, 111 d StPO kann der Arrest angeordnet werden, wenn Gründe für die Annahme vorhanden sind, dass die Voraussetzungen des Verfalls von Wertersatz vorliegen. Nach § 111 b Abs. 5 StPO gilt dies entsprechend, soweit der Verfall nur deshalb nicht angeordnet werden kann, weil die Voraussetzungen des § 73 Abs. 1 S. 2 des Strafgesetzbuches vorliegen. Die Maßnahme ist spätestens nach sechs Monaten aufzuheben, wenn dringende Gründe nicht vorliegen (§ 111 b Abs. 3 StPO) und kann ohne Vorliegen dringender Gründe über 12 Monate hinaus nicht aufrechterhalten werden.

aa) Ein Grund für eine weitere Aufrechterhaltung des Arrestes, soweit er wegen etwaiger Ersatzansprüche eventueller Verletzter hinsichtlich der Taten ergangen ist, die dem Anklagepunkt 3 (Schwarzverkäufen von Reifen) zugrunde lagen, ist nicht gegeben. Dringende Gründe liegen dann vor, wenn die endgültige Anordnung eines Verfalls oder einer Einziehung in hohem Maße wahrscheinlich ist (Huber in: Graf, StPO, 2.Aufl., § 111 b Rdnr. 8), oder wenn wahrscheinlich ist, dass die endgültige Anordnung eines Verfalls nur an entgegenstehenden Ansprüchen etwaiger Verletzter scheitert. Dieser Fall liegt hier bezüglich der Tat Anklagepunkt 3 nicht vor. Insoweit ist das Verfahren bereits vorläufig nach § 154 Abs. 2 StPO eingestellt worden im Hinblick auf die im vorliegenden Verfahren zu erwartende (bzw. verhängte) Strafe. Angesichts dessen ist es insoweit nicht mehr wahrscheinlich, dass es noch zu einer Verurteilung mit einer Anordnung eines Verfalls bzw. einer Nichtanordnung allein aus Gründen der entgegenstehenden Rechte Verletzter, kommt. Zwar ist die Strafe, die gegen den Angeklagten verhängt wurde, noch nicht rechtskräftig geworden. Gegen das Urteil wurden Revisionen eingelegt. Angesichts der geringen Erfolgsquote von Revisionen kann jedoch nicht davon gesprochen werden, dass eine Wiederaufnahme der Verfolgung der eingestellten Tat wahrscheinlich ist. Erwächst die erkannte Strafe indes in Rechtskraft, so ist es erst recht unwahrscheinlich, dass das Verfahren insoweit noch einmal aufgenommen wird (vgl. § 154 Abs. 4 StPO).

bb) Anders verhält es sich hinsichtlich der Tat Anklagepunkt Nr. 9. Hier liegen die Voraussetzungen des Arrestes noch vor. Insoweit wurde das Verfahren lediglich abgetrennt, nicht aber vorläufig eingestellt. Angesichts dessen und im Hinblick auf den Beschleunigungsgrundsatz ist zu erwarten, dass dieses Verfahren alsbald weiter fortgeführt wird. Nach dem bisherigen Sachstand liegt auch im Übrigen ein dringender Grund für die Annahme vor, dass die Anordnung des Verfalls nach § 73 StGB nur wegen entgegenstehender Ansprüche Verletzter unterbleibt. Für die Anwendung des § 73 Abs. 1 S. 2 StGB ist der historische Sachverhalt entscheidend, aus dem sich der Ersatzanspruch ergibt, und nicht das Schutzgut des verletzten Strafgesetzes, dessen Verletzung dem Angeklagten vorgeworfen wird oder wegen dessen Verletzung er verurteilt wurde (BGH NStZ 2013, 401, 402). Nach bisherigem Ermittlungsstand hat sich der Angeklagte durch das Verschieben der 45.400,- € an Insolvenzdelikten des Mitangeklagten I beteiligt. Das ergibt sich insbesondere aus dem Vermerk des KHK Q vom 03.09.2008 (Bl. 28 ff. d.A.). Insoweit können gegen ihn Ersatzansprüche etwaiger Gläubiger, z.B. nach §§ 823 Abs. 2 StGB, 283 ff. StGB geltend gemacht werden. Eine hinreichende Sicherung dieser Gläubiger in anderweitiger Form ist nicht ersichtlich. Insoweit kann auch nicht die Vereinbarung zwischen dem Insolvenzverwalter L über das Vermögen des Mitangeklagten X S I (nicht, wie die Strafkammer meint, des Insolvenzverwalters über das Vermögen der Fa. B2 GmbH) vom 24./25.01.2013 herangezogen werden. Abgesehen davon, dass es sich bei Punkt 1 dieser Vereinbarung um eine bloße schuldrechtliche Vereinbarung handelt, die in keiner Form eine hinreichende Sicherung verspricht, wären hierdurch auch nur Ansprüche von Gläubigern des Mitangeklagten gegen die Insolvenzmasse abgesichert.

III.

Die Kosten - und Auslagenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 4 StPO. Entsprechend den Werten der Geldbeträge, die durch die Taten Nr. 3 und 9 der Anklage erlangt worden sein sollen, hat der Senat die Kosten 1/6 : 5/6 gequotelt.



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