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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 5 RVs 50/13 OLG Hamm

Leitsatz: Die tatsächliche Benutzung einer Wohnung ist dann nicht Voraussetzung für die Wirksamkeit einer Ersatzzustellung gemäß § 181 ZPO, wenn sich der Adressat nicht nur für diese Wohnung angemeldet hat, sondern sich als dort wohnend geriert, seinen Schriftwechsel unter dieser Anschrift führt und er seine Post dort abholt.

Senat: 5

Gegenstand: Revision Rechtsbeschwerde Beschwerde Haftprüfung durch das OLG Pauschgebühr Justizverwaltungssache Antrag auf gerichtliche Entscheidung

Stichworte: StPO 329; ZPO 181

Normen: Zustellung, Ersatzzustellung, Wirksamkeit

Beschluss:

Strafsache
gegen pp.
wegen Diebstahls mit Waffen u.a..

Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil der XI. kleinen Strafkammer des Landgerichts Essen vom 26. Februar 2013 hat der 5. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 27.06.2013 durch auf Antrag der Generalstaatsanwaltschaft nach Anhörung des Angeklagten bzw. seines Verteidigers einstimmig beschlossen:

Die Revision wird auf Kosten des Angeklagten verworfen.

Gründe:
I.
Das Amtsgericht Bottrop hat den Angeklagten am 20. November 2012 wegen Diebstahls mit Waffen, Diebstahls in acht Fällen, Diebstahls geringwertiger Sachen in neun Fällen und versuchten Diebstahls in sieben Fällen zu einer Gesamtfreiheits-strafe von zwei Jahren verurteilt. Ausweislich des vorgenannten Urteils ist der Ange-klagte wohnhaft in der A-Straße in B. Unter der vorgenannten Adresse war der Angeklagte während des erstinstanzlichen Verfahrens insgesamt drei Mal – erfolgreich – zur mündlichen Verhandlung geladen worden.

Gegen das Urteil des Amtsgerichts Bottrop hat der Angeklagte form- und fristgerecht Berufung eingelegt. Die Ladung des Angeklagten zur Berufungshauptverhandlung am 26. Februar 2013 erfolgte erneut unter der o.g. Anschrift A-Straße in B. Die Zustellung der Ladung wurde unter dem 23. Januar 2013 durch Einlegung in den zur Wohnung gehörenden Briefkasten bewirkt. Unter dem 30. Januar 2013 teilte die Führungsaufsichtsstelle – Dienstsitz Gladbeck – dem Landgericht Essen mit, dass der Angeklagte unter der Anschrift A-Straße in B. „bei seiner Mutter postalisch gemeldet“ sei. Des Weiteren wurde darauf hingewiesen, dass sich der Angeklagte „tatsächlich jedoch fast ausschließlich bei seiner Freundin aufhalte, mit der er seit einigen Monaten liiert sein will“.

In der Berufungshauptverhandlung vom 26. Februar 2013 ist der Angeklagte nicht erschienen. Sein Verteidiger hat keine Erklärung abgegeben. Die XI. kleine Straf-kammer des Landgerichts Essen hat daraufhin mit Urteil vom selben Tage die Beru-fung des Angeklagten gemäß § 329 Abs. 1 StPO verworfen.

Gegen dieses Urteil hat der Angeklagte mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 1. März 2013 Revision eingelegt und diese mit weiterem Schriftsatz vom 28. März 2013 fristgerecht begründet. Er rügt sowohl die Verletzung formellen als auch materiellen Rechts. Zur Begründung wird ausgeführt, der Angeklagte sei unter einer falschen Anschrift geladen worden, tatsächlich lebe er seit Monaten bei seiner Lebensgefährtin unter der Adresse B-Straße in B. Das Landgericht habe vor dem Hintergrund des Berichts der Führungsaufsichtsstelle Anlass gehabt, seine tatsächliche Anschrift zu ermitteln. Seine Mutter habe die Ladung zur Beru-fungshauptverhandlung nicht an ihn – den Angeklagten – weitergegeben, weshalb er nicht ordnungsgemäß geladen worden sei.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die Revision als offensichtlich unbe-gründet zu verwerfen.



II.
Die zulässige Revision ist offensichtlich unbegründet.

1.
Die Verfahrensrüge ist zwar in zulässiger Form erhoben worden, hat indes in der Sache keinen Erfolg.

a)
Soll mit der Revision gegen ein gemäß § 329 Abs. 1 StPO ergangenes Verwerfungs-urteil geltend gemacht werden, dieses gehe zu Unrecht davon aus, der Angeklagte sei nicht genügend entschuldigt gewesen, setzt die Überprüfung der vom Landge-richt vorgenommenen Wertung die Erhebung einer der Vorschrift des § 344 Abs. 2
S. 2 StPO genügenden Verfahrensrüge voraus (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 55. Aufl., § 329 Rdnr. 48 m.w.N.). An die Zulässigkeit dieser Rüge werden keine strengen Anforderungen gestellt, ihr muss jedenfalls zu entnehmen sein, dass der Angeklagte die Verletzung des § 329 StPO rügen will, dass nämlich das Berufungsgericht die Rechtsbegriffe des Ausbleibens oder der genügenden Entschuldigung verkannt hat (vgl. Senatsbeschlüsse vom 15. November 2011 – 5 RVs 89/11 – und vom 27. März 2012 – 5 RVs 26/12 -).
Diesen Anforderungen wird die Revisionsbegründung gerecht, insbesondere kann ihr entnommen werden, dass der Angeklagte ausdrücklich die Verletzung des § 329 StPO rügt.

b)
Die Verfahrensrüge ist indes unbegründet. Die Strafkammer hat das Ausbleiben des Angeklagten zu Recht als unentschuldigt angesehen. Denn der Angeklagte ist unge-achtet seiner ordnungsgemäßen Ladung nicht zum Termin erschienen.

Dem Angeklagten wurde die Ladungsverfügung im Wege der Ersatzzustellung zuge-stellt. Diese Ersatzzustellung war nicht etwa deswegen unwirksam, weil der Ange-klagte unter der Meldeanschrift nach eigenem Vortrag tatsächlich nicht wohnhaft gewesen sein will.
Zwar ist die Wirksamkeit einer Ersatzzustellung gemäß § 181 ZPO stets nur dann gegeben, wenn diese durch Einlegung in einen zur Wohnung gehörenden Briefkasten erfolgt. Grundsätzlich gilt insoweit als Wohnung der räumliche Lebensmittelpunkt des Zustellungsempfängers, wobei maßgeblich ist, ob er hauptsächlich in den Räumen lebt; es ist dann sogar unerheblich, ob es sich hierbei um die Meldeanschrift handelt (vgl. Meyer-Goßner, a.a.O., § 37 Rdnr. 8).
Jedoch ist die tatsächliche Benutzung einer Wohnung dann nicht Voraussetzung für die Wirksamkeit einer Ersatzzustellung gemäß § 181 ZPO, wenn sich der Adressat nicht nur für diese Wohnung angemeldet hat, sondern sich als dort wohnend geriert, seinen Schriftwechsel unter dieser Anschrift führt und er seine Post dort abholt (vgl. OLG Hamm, VRS 106, 57, 58; OLG Jena, NStZ-RR 2006, 238; BayObLG VRS 106, 452, 453).
So liegt der Fall hier. Der Angeklagte war während des gesamten erstinstanzlichen Verfahrens unter der Ladungsanschrift A-Straße in B. gemeldet und postalisch jederzeit zu erreichen. Zu allen drei Hauptverhandlungsterminen des erstin-stanzlichen Verfahrens konnte er problemlos geladen werden, obwohl er - aus-weislich seines Vorbringens in der Revisionsrechtfertigung - „bereits längere Zeit“ bei seiner Lebensgefährtin gelebt haben will. Indes hat er keinerlei Anstalten unternommen, sich umzumelden, woraufhin noch im November 2012 die Ladung unter der o.g. postalischen Anschrift erfolgt ist. Der Angeklagte muss sich daher die Anschrift A-Straße in B. als Ort im Sinne der gesetzlichen Vorschrift entgegenhalten lassen, an dem Zustellungen an ihn bewirkt werden konnten.

Das Landgericht war auch nicht verpflichtet, weitere Nachforschungen anzustellen. Eine diesbezügliche Verpflichtung hätte nämlich vorausgesetzt, dass der Angeklagte vor der Hauptverhandlung schlüssig einen Sachverhalt vorträgt oder vortragen lässt, der geeignet ist, sein Ausbleiben genügend zu entschuldigen, dem Gericht somit hin-reichende Anhaltspunkte für eine genügende Entschuldigung zur Kenntnis gebracht sind (vgl. etwa Senatsbeschluss vom 16. Mai 2013 - 5 RVs 34/13 -). Vorliegend hat sich zwar aus dem Bericht der Führungsaufsichtsstelle vom 30. Januar 2013 erge-ben, dass sich der Angeklagte „fast ausschließlich bei seiner Freundin“ aufhalte, je-doch geht aus dem Bericht unmissverständlich hervor, dass er weiterhin bei seiner Mutter unter der Anschrift A-Straße in B. gemeldet ist. Da unter dieser Adresse erst wenige Wochen zuvor erfolgreich eine Ladung zur Hauptverhandlung durchgeführt werden konnte, war das Landgericht nicht gehalten, diesbezüglich weitere Nachforschungen anzustellen.

2.
Da das Verwerfungsurteil nach § 329 StPO als reines Prozessurteil keine Sachent-scheidung in Bezug auf den Verfahrensgegenstand enthält, ist es einer Überprüfung im Hinblick auf Fehler bei der Anwendung des sachlichen Rechts nicht zugänglich. Eine Sachrüge führt nur zur Prüfung, ob im Revisionsverfahren Verfahrenshinder-nisse entstanden sind. Letzteres ist nicht der Fall.

III.
Die Revision war daher entsprechend dem Antrag der Generalstaatsanwaltschaft gemäß § 349 Abs. 2 StPO mit der sich aus § 473 Abs. 1 StPO ergebenden Kosten-folge zu verwerfen.





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