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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 4 Ss 70/06 OLG Hamm

Leitsatz: Zur Verwerfung der Berufung nach § 329 StPO wegen unentschuldigten Ausbleibens des Angeklagten.

Senat: 4

Gegenstand: Revision

Stichworte: Berufungsverwerfung; Ausbleiben des Angeklagten

Normen: StPO 329

Beschluss:

Strafsache
gegen O.D.
wegen Verstoßes gegen das BtM-Gesetz

Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil der 3. kleinen Strafkammer des Landgerichts Paderborn vom 5. Dezember 2005 hat der 4. Strafsenat des Oberlandes¬gerichts Hamm am 06. 04. 2006 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht und die Richter am Oberlandesgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft und des Angeklagten bzw. seines Verteidigers einstimmig beschlossen:
Die Revision wird auf Kosten des Angeklagten verworfen.

Gründe:
I.
Das Amtsgericht Paderborn hat den Angeklagten am 4. Juli 2005 wegen gewerbs¬mäßiger Abgabe von Betäubungsmitteln durch Erwachsene an Jugendliche in vier jeweils minder schweren Fällen und unerlaubtem Besitzes von Betäubungsmitteln zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und acht Monaten verurteilt.

Seine dagegen gerichtete Berufung ist durch Urteil der 3. kleinen Strafkammer des Landgerichts Paderborn vom 5. Dezember 2005 gemäß § 329 Abs. 1 StPO verwor¬fen worden.

Hiergegen richtet sich die rechtzeitig eingelegte und begründete Revision des Ange¬klagten.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die Revision gemäß § 349 Abs. 2 StPO als offensichtlich unbegründet zu verwerfen. Der Angeklagte hat durch Schriftsatz seines Verteidigers vom 24. März 2006 darauf erwidert.

II.
Das Rechtsmittel ist zulässig, aber unbegründet.

1. Dem Antrag des Angeklagten, das Verfahren gemäß Art. 100 Abs. 2 GG, hilfsweise gemäß Art. 100 Abs. 1 GG, dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung über die Frage vorzulegen, ob § 329 Abs. 1 StPO mit Art. 6 Abs. 3 c EMRK vereinbar ist, ist der Senat nicht gefolgt.
§ 329 Abs. 1 StPO lässt in engen Grenzen eine Ausnahme von dem Grundsatz zu, dass gegen einen abwesenden Angeklagten kein Urteil erlassen werden darf und unterstellt, dass der unentschuldigt ausgebliebene Angeklagte auf die Durchführung der aufgrund seines von ihm selbst eingelegten Rechtsmittels anberaumten Haupt¬verhandlungstermins freiwillig verzichtet (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 48. Aufl., § 329 Rdnr. 2). Der Angeklagte hat es in der Hand, diese Rücknahmevermutung zu wider¬legen. Der Rechtsbehelf des Wiedereinsetzungsantrags gemäß § 44 StPO sowie das Rechtsmittel der Revision gewährleisten die Rechte des e n t s c h u l d i g t ausgebliebenen Angeklagten. § 329 Abs. 1 StPO ist daher sowohl verfassungskonform als auch mit Art. 6 EMRK vereinbar (vgl. BayObLG, NStZ 2000, 307; OLG Köln, NStZ-RR 1999, 112; Meyer-Goßner, a.a.O.). Damit liegen weder die Vorlagevoraussetzungen des Art. 100 Abs. 1 GG noch dieje¬nigen des Art. 100 Abs. 2 GG vor.

2. Mit der Rüge, die Verwerfung der Revision sei rechtsfehlerhaft gewesen, da das Be¬rufungsgericht verpflichtet gewesen wäre, "der Möglichkeit nachzugehen, dass der Angeklagte erneut erkrankt sein könnte", vermag die Revision nicht durchzudringen. Zwar muss das Gericht alle Entschuldigungsgründe beachten, gleich wie sie ihm be¬kannt geworden sind. Denn es kommt nicht darauf an, ob sich der Angeklagte ent¬schuldigt hat, sondern ob er entschuldigt ist (ständige Rechtsprechung, vgl. BGHSt 17, 391, 396). Sind jedoch keine Umstände ersichtlich, die das Ausbleiben des An¬geklagten entschuldigen können, ist das Gericht zu Nachforschungen nicht ver¬pflichtet (vgl. OLG Koblenz, NJW 1975, 322). So liegt es im vorliegenden Fall. Aus¬weislich des Hauptverhandlungsprotokolls ist der Angeklagte nach telefonischer Auskunft des WZPP Paderborn am 14. November 2005 als arbeitsfähig entlassen worden. Anhaltspunkte dafür, dass der Angeklagte zum Zeitpunkt der Berufungs¬hauptverhandlung am 5. Dezember 2005 verhandlungsunfähig erkrankt sein könnte, lassen sich weder der Akte noch dem Vorbringen des Verteidigers im Hauptver¬handlungstermin bzw. dem Revisionsvorbringen entnehmen. Die Strafkammer war daher keinesfalls gehalten, auf einen nicht einmal vagen Verdacht hin ins Blaue hin¬ein nach dem Gesundheitszustand des Angeklagten zu forschen. Sie konnte viel¬mehr zu Recht von einem unentschuldigten Ausbleiben des Angeklagten i.S.d. § 329 Abs. 1 StPO überzeugt sein und entsprechend verfahren.

3. Sofern mit der Revision schließlich gerügt wird, der Angeklagte sei, da die Ladung zum Berufungshauptverhandlungstermin nicht in eine ihm verständliche Sprache übersetzt worden sei, nicht wirksam geladen worden, so dass die Voraussetzungen für eine Verwerfung gemäß § 329 Abs. 1 StPO nicht vorgelegen hätten, geht auch diese Rüge fehl. Zwar kann im Falle einer fehlenden Übersetzung das Ausbleiben eines Ausländers je nach den Umständen des Einzelfalles unverschuldet sein (vgl. KK-Tolksdorf, StPO, 5. Aufl., § 214 Rdnr. 6 m.w.N.; OLG Bremen, NStZ 2005, 527). Es ist jedoch schon fraglich, ob mit der Revision die angebliche Sprachunkundigkeit des Angeklagten hinreichend glaubhaft gemacht worden ist. Der Angeklagte ist ein am 6. Februar 1977 in Wiesbaden geborener deutscher Staatsangehöriger. Die Ver¬ständigung mit der Polizei im Rahmen der Beschuldigtenvernehmung war offenbar auf Deutsch möglich, die Anwesenheit eines Dolmetschers ist nicht vermerkt worden. Soweit mit der Revision vorgetragen wird, ausweislich des Protokolls zur Berufungs¬hauptverhandlung am 5. Dezember 2005 sei Frau R. als Dolmetscherin ge¬laden gewesen und erschienen, ergibt sich daraus nicht, dass die Dolmetscherin für den Angeklagten geladen war. Der ausweislich des Hauptverhandlungsprotokolls erschienene Zeuge M.D. jedenfalls ist seiner Beschuldigtenvernehmung zufolge der deutschen Sprache nicht mächtig, so dass seinerzeit die Vernehmung in englischer Sprache im Beisein einer Dolmetscherin geführt worden ist. Die Ladung der Dolmetscherin R. kann daher durchaus (nur) wegen des Zeugen D. erfolgt sein.
Letztlich kann diese Frage, ob die Sprachunkundigkeit des Angeklagten hinreichend belegt worden ist, jedoch dahinstehen.
Der Verteidiger des Angeklagten war im Berufungshauptverhandlungstermin anwe¬send. Von diesem muss daher erwartet werden, dass er im Rahmen der Prüfung der Wirksamkeit der Ladung nachfragt und sodann ggf. den Verfahrensmangel (hier: das Fehlen einer Übersetzung der Ladung) in der Hauptverhandlung rügt und Vertagung beantragt. Unterlässt er das, so kann der Angeklagte sich auf diesen Mangel im Re¬visionsverfahren nicht mehr berufen (vgl. BGH NStZ 1982, 125; OLG Stuttgart, StV 2003, 490; OLG Hamm, StV 2005, 659).

Die Revision war daher nach alledem zu verwerfen.

III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 1 StPO.



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