Aktenzeichen: 1 RVs 94/13 OLG Hamm |
Leitsatz: Die Bildung zweier Gesamtstrafen in einem Berufungsurteil ist unzulässig, wenn das Berufungsgericht zwei Verfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden hat. Es ist dann eine einheitliche Gesamtstrafe zu bilden. |
Senat: 1 |
Gegenstand: Revision |
Stichworte: Gesamtstrafenbildung, nachträgliche, Berufungsverfahren |
Normen: StGB 55 |
Beschluss: Strafsache In pp. hat der 1. Strafsenat des OLG Hamm am 16.01.2014 beschlossen: Das angefochtene Urteil wird im Rechtsfolgenausspruch hinsichtlich der beiden verhängten Gesamtfreiheitsstrafen von acht und vier Monaten nebst den dazu getroffenen Feststellungen mit der Maßgabe aufgehoben, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die zu bildende Gesamtfreiheitsstrafe nach den §§ 460, 462 StPO zu treffen ist. Im Übrigen wird die Revision als unbegründet verworfen. Die Kosten des Rechtsmittels trägt die Angeklagte. Gründe I. Die Angeklagte ist durch Urteil des Amtsgerichts Dortmund vom 22.11.2012 - 734 Ds 225 Js 2207/11 (646/11) - wegen Diebstahls in acht Fällen, Erschleichens von Leistungen in zwei Fällen und Ausübung der verbotenen Prostitution in elf Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von elf Monaten verurteilt worden. Die Angeklagte ist außerdem durch Urteil des Amtsgerichts Dortmund vom 24.05.2013 - 734 Ds 268 Js 19/13 (15/13) - wegen Diebstahls in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Monaten verurteilt worden. Gegen beide Urteile hat die Angeklagte Berufung eingelegt, die sie jeweils wirksam auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt hat. Die 47. kleine Strafkammer des Landgerichts Dortmund hat mit Beschluss vom 05.08.2013 die beiden Berufungsverfahren mit den Aktenzeichen 47 Ns 10/13 (betreffend das Urteil vom 22.11.2012) und 47 Ns 92/13 (betreffend das Urteil vom 24.05.2013) unter Führung des zuerst genannten Aktenzeichens zu gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden. Mit dem angefochtenen Urteil vom 05.08.2013 hat das Landgericht Dortmund beide Berufungen der Angeklagten verworfen. Es hat gegen die Angeklagte wegen der Taten, die Gegenstand des Urteils des Amtsgerichts Dortmund vom 22.11.2012 sind, für die Diebstahlstaten Einzelfreiheitsstrafen von jeweils zwei Monaten und für die übrigen Straftaten Einzelfreiheitsstrafen von jeweils einem Monat verhängt und aus diesen Einzelstrafen eine Gesamtfreiheitsstrafe von acht Monaten gebildet. Wegen der Taten, die Gegenstand des Urteils des Amtsgerichts Dortmund vom 24.05.2013 sind, hat die Strafkammer Einzelfreiheitsstrafen von jeweils zwei Monaten verhängt und hieraus eine weitere Gesamtfreiheitsstrafe von vier Monaten gebildet. Gegen das Urteil des Landgerichts Dortmund vom 05.08.2013 richtet sich die Revision der Angeklagten, mit der eine Verletzung materiellen Rechts gerügt wird. II. Die Revision der Angeklagten hat lediglich in dem aus dem Beschlusstenor ersichtlichen Umfang teilweise Erfolg. Im Übrigen erweist sich das Rechtsmittel als unbegründet. 1. Die auf die erhobene allgemeine Sachrüge vorgenommene Überprüfung des angefochtenen Urteils in materiell-rechtlicher Hinsicht hat hinsichtlich der verhängten Einzelfreiheitsstrafen in den beiden verbundenen Verfahren keinen Rechtsfehler zu Lasten der Angeklagten ergeben. Insoweit war daher die Revision entsprechend dem Antrag der Generalstaatsanwaltschaft gemäß § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet zu verwerfen. In den Feststellungen des Urteils des Amtsgerichts Dortmund von 22.12.2012, die auch das Landgericht Dortmund aufgrund der wirksamen Rechtsmittelbeschränkung auf den Rechtsfolgenausspruch zugrundegelegt hat, ist zwar hinsichtlich der Tat unter II., 3. f) abweichend von der in der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Dortmund vom 21.12.2011 (225 Js 2436/11) angegebenen Tatzeit des 03.11.2011 als Tatzeit der 23.11.2011 angeben. Gleichwohl bestehen angesichts der Tatbeschreibung in dem Urteil und den als Freier genannten Zeugen T keine Bedenken, dass es sich bei der abgeurteilten auch um die angeklagte Tat handelt. Möglicherweise - dem Senat erscheint dies naheliegend - handelt es sich hinsichtlich der im Urteil angegebenen Tatzeit um einen bloßen Schreibfehler, der einer Berichtigung zugänglich wäre. 2. Dagegen konnte der Rechtsfolgenausspruch des angefochtenen Urteils hinsichtlich der beiden verhängten Gesamtfreiheitsstrafen von acht und vier Monaten keinen Bestand haben. Die Verhängung jeweils einer gesonderten Gesamtfreiheitsstrafe in den beiden miteinander verbundenen Berufungsverfahren erweist sich als rechtsfehlerhaft. Stattdessen hätte aus den Einzelfreiheitsstrafen der beiden verbundenen Verfahren gemäß § 53 StGB eine Gesamtfreiheitsstrafe gebildet werden müssen. Die Strafkammer hat die Verbindung der beiden Verfahren nicht nur zur gemeinsamen Verhandlung, wie es § 237 Abs. 1 StPO vorsieht, sondern ausdrücklich auch zur gemeinsamen Entscheidung beschlossen. Zudem besteht zwischen den Berufungsverfahren ein persönlicher Zusammenhang im Sinne des § 3 StPO, da Gegenstand der verbundenen Verfahren jeweils Straftaten gegen dieselbe Angeklagte sind. Angesichts dessen ist im vorliegenden Verfahren von einer Verbindung der beiden Berufungsverfahren in entsprechender Anwendung des § 4 Abs. 1 StPO - eine direkte Anwendung dieser Vorschrift kommt nicht in Betracht, da sie die Zusammenfassung von Strafsachen aus den Zuständigkeiten von Spruchkörpern verschiedener Ordnung regelt (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 56. Auflage, § 4 Rn. 1) - auszugehen, die als zulässig erachtet wird (vgl. Zöller in Gercke/Julius/Temming/Zöller, StPO, 5. Auflage, § 4 Rdnr. 3 und 7 m.w.N.; Scheuten in Karlsruher Kommentar, StPO, 7. Auflage, § 4 Rdnr. 2; BayObLG, Beschlüsse vom 15.10.1997 - 3St RR 101/97 - und vom 16.04.1999 - 1St RR 81/99). Anders als bei einer lediglich prozesstechnischen Verbindung nach § 237 StPO, bei der die verbundenen Verfahren ihre Selbstständigkeit behalten, führt eine Verbindung nach § 4 Abs. 1 StPO zu einer Verfahrensverschmelzung (vgl. BGH NStZ 1990, 448) mit der Folge, dass wegen der gleichzeitigen Aburteilung mehrerer Straftaten, die infolge der Verbindung Gegenstand desselben Verfahrens sind, aus den in den verbundenen Verfahren verhängten Einzelfreiheitsstrafen nach § 53 StGB eine Gesamtfreiheitsstrafe zu bilden ist. Dies hat die Strafkammer unterlassen. Der Senat hat davon abgesehen, die Sache allein zur nachträglichen Bildung einer Gesamtfreiheitsstrafe aus den Einzelfreiheitsstrafen in den verbundenen Verfahren an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Dortmund zurückzuverweisen. Er hat vielmehr von der Möglichkeit des § 354 Abs. 1b Satz 1 StPO Gebrauch gemacht, die Entscheidung über den Gesamtstrafenausspruch dem Nachverfahren nach den §§ 460, 462 StPO zuzuweisen. III. Der Senat konnte auch über die Kosten des Revisionsverfahrens abschließend entscheiden. Das Rechtsmittel der Angeklagten hat lediglich hinsichtlich der Gesamtstrafenbildung einen geringfügigen Erfolg. Der Senat hat daher von einer Anwendung des § 473 Abs. 4 StPO abgesehen und der Angeklagten gemäß § 473 Abs. 1 StPO die Kosten des Rechtsmittels insgesamt auferlegt. |
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