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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 1 Ws 600/13 OLG Hamm

Leitsatz: 1. Hat der Tatrichter die gebotene höhere Anrechnung vom im Ausland anlässlich des Verfahrens erlittener Haft (hier konkret: Haftanstalt Carabanchel, Spanien, 1980er Jahre) unterlassen, so kann diese Anrechnung im Verfahren zur Feststellung der besonderen Schwere der Schuld und der Mindestverbüßungsdauer in Altfällen von der Strafvollstreckungskammer nachgeholt werden.
2. Wurde der Verurteilte mündlich nach § 454 Abs. 1 S. 3 StPO gehört, so genügt es, wenn er zu einer kurz nach der mündlichen Anhörung eingegangenen Stellungnahme der Justizvollzugsanstalt vor der Entscheidung in schriftlicher Form rechtliches Gehör erhält.

Senat: 1

Gegenstand: Revision Rechtsbeschwerde Beschwerde Haftprüfung durch das OLG Pauschgebühr Justizverwaltungssache Antrag auf gerichtliche Entscheidung

Stichworte: Anrechnung, Auslieferungshaft, Spanien

Normen: StGB 51

Beschluss:

Strafsache
In pp.
hat der 1. Strafsenat des OLG Hamm am 27.01.2014 beschlossen.

Die sofortige Beschwerde des Verurteilten wird mit der Maßgabe verworfen, dass die in Spanien aus Anlass der in dem Verfahren 46 Js 284/85 (StA Bielefeld) abgeurteilten Taten erlittene Freiheitsentziehung in der Weise auf die Mindestverbüßungsdauer in diesem Verfahren angerechnet wird, dass ein Tag ausländischer Haft zwei Tagen Freiheitsstrafe entspricht.

Die Kosten des Rechtsmittels trägt der Verurteilte.


Gründe

I.

Der Verurteilte verbüßt zwei lebenslange Freiheitsstrafen.

Das Landgericht Bielefeld verurteilte ihn mit Urteil vom 03.06.1987 wegen Mordes in drei Fällen zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe als Gesamtstrafe. Das Urteil hat der Bundesgerichtshof - bei Verwerfung der Revision des Verurteilten im Übrigen - dahingehend ergänzt, dass mit Rücksicht auf die Auslieferungsbewilligung Spaniens die lebenslange Freiheitsstrafe nur bis zur Höchstdauer von 30 Jahren vollstreckt werden darf. Als Mordmerkmale wurden Verdeckungsabsicht, Ermöglichungsabsicht und Habgier bejaht. Der Verurteilung liegt folgendes Geschehen zu Grunde: Im August 1985 entschloss sich der Verurteilte zusammen mit seinem Mittäter I, einen Reiterhof zu überfallen, bei dem der Verurteilte früher einmal gearbeitet hatte. Sie rechneten mit einem Beutebetrag von 5.000,-- DM. Sie gingen dabei — in Kenntnis der Gegebenheiten - davon aus, dass sich allenfalls drei Personen auf dem An-wesen aufhalten würden, nämlich der Eigentümer F, dessen Lebensgefährtin T und ein Freund des Paares, W.

Zur Tatausführung am 25.08.1985 nahmen die Täter eine geladene Pistole Roehm, Kaliber 6,35 mm, eine geladene Pistole Walther mit dem Kaliber 7,65 mm und eine Schrotflinte mit. Beide voll gebrauchsfähigen Pistolen waren mit Schalldämpfern versehen. Ausgestattet mit den Waffen und zwei aus Motorradmasken gefertigten Gesichtsmasken fuhren sie zum Reiterhof, wo sie die anwesenden 3 Personen in ihre Gewalt bringen und mit den Waffen bedrohen wollten oder diese, für den Fall der Behinderung ihres Tatplanes auch töten wollten. Nachdem sie beobachtet hatten, dass die drei Hausbewohner gegen 23.45 Uhr ins Bett gegangen waren, betraten die Täter durch einen unverschlossenen Nebeneingang maskiert das Haus. Sie drangen — wie verabredet — gleichzeitig mit entsicherten Waffen in die Schlafzimmer der Hausbewohner ein, der Verurteilte in das Schlafzimmer des Eigentümers und seiner Freundin. Als der Hausherr F daraufhin aus seiner Gaspistole schoss, sah der Verurteilte die Durchführung des Tatplans gefährdet und entschloss sich, entsprechend des gemeinsamen Tatplans, F sofort zu töten. Er schoss 5 x auf diesen. Alle Schüsse trafen; einer der Schüsse ging in die Brust und war tödlich; er hatte den rechten Lungenoberlappen von F durchschlagen, den Herzbeutel eröffnet, die Körperhauptschlagader sowie den rechten Hauptbronchus durchsetzt. Nunmehr schoss auch der Mittäter I in Ausführung des gemeinsamen Tatentschlusses, um in den Besitz der erstrebten Beute zu kommen, dem im anderen Schlafzimmer aufhältigen W in den linken Hinterkopf, was für diesen ebenfalls tödlich war. Im Anschluss daran forderten sie von der Freundin des getöteten Hausherrn, T, erfolg-reich den Tresor- und den Fahrzeugschlüssel und entnahmen dem Tresor die darin befindlichen 5.000,--DM. Um eine spätere Identifizierung unmöglich zu machen, zumal der Verurteilte, der früher auf dem Reiterhof gearbeitet hatte, inzwischen nicht mehr maskiert war, entschlossen sie sich nunmehr, auch Annette Scheffler zu töten. Der Verurteilte schoss der Frau zweimal in den Rücken und einmal in die rechte Schläfe. Der letzte Schuss war tödlich. Um sicher zu gehen, dass keines der Opfer die Tat überleben würde, schoss der Mittäter des Verurteilten anschließend jedem der drei Opfer noch einen Schuss in den Kopf. Danach verließen die beiden Täter den Reiterhof, wobei sie noch das Fahrzeug des F mitnahmen.

Der Verurteilte wurde am 04.09.1985 in Spanien festgenommen und befand sich dort bis zu seiner Auslieferung in die Bundesrepublik Deutschland am 01.09.1986 in Auslieferungshaft.

Das Landgericht Arnsberg verurteilte ihn sodann erneut am 22.12.1993 wegen des Versuchs eines tateinheitlich begangenen zweifachen Mordes zugleich mit Gefangenenmeuterei, erpresserischem Menschenraub, Geiselnahme mit versuchter schwerer räuberischer Erpressung zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe. Die besondere Schwere der Schuld wurde verneint. Der Verurteilung liegt folgender Sachverhalt zu Grunde: Nachdem der Verurteilte in der vorgenannten Sache verurteilt und in Straf-haft gekommen war, schottete er sich über die ersten Jahre völlig von der Umwelt ab. Er unterlag auch deshalb zunächst sehr strengen Sicherheitsmaßnahmen. Erst ab 1990 stellte sich bei ihm eine gewisse Normalität im Vollzugsalltag ein. Der Verurteilte wurde damals in der Justizvollzugsanstalt in X in eine Wohngruppe verlegt. Ab 1992 konnte er am Schulunterricht teilnehmen, kam dort aber nicht zurecht.

Am 30. Juni 1992 kam es dann zu einem gemeinsam mit einem Mitgefangenen begangenen Ausbruchsversuch in Form einer Geiselnahme innerhalb der Justizvollzugsanstalt Werl mit fast tödlichem Ausgang für zwei vom Verurteilten mit Tötungsabsicht in Brand gesetzte Geiseln und schwersten Folgen auch für weitere Menschen.

Der Verurteilte und sein Mittäter I1 schmiedeten gemeinsam Fluchtpläne. Aufgrund der ihnen bekannten Sicherungen innerhalb der Justizvollzugsanstalt war ihnen klar, dass ein Entkommen, wenn überhaupt, nur über eine Geiselnahme Aussicht auf Erfolg versprach. In Vorbereitung dieses Plans gab I1 bei einem Mitgefangenen die Anfertigung einer Pistolenattrappe aus Gips und Brotteig in Auftrag, die dann tatsächlich von einer echten Waffe kaum zu unterscheiden war. Der Verurteilte feilte selbst einen langen Schraubendreher zu einer gefährlich spitzen Stichwaffe. In der Ietzten Freistunde vor dem 30.06.1992 konkretisierten sie ihre Pläne dahingehend, den im separaten Lazaretttrakt der Justizvollzugsanstalt regelmäßig die Gefangenen behandelnden Zahnarzt Dr. Q in ihre Gewalt zu bringen. Dabei vertrauten sie darauf, dass bei einer Vorführung zum Arzt keine Sicherheitskontrollen vorausgehen würden, so dass sie, als sie sich am 30.06.1992 zur Behandlung anmeldeten, ihre Waffen mit sich führten. Nach einer Wartezeit begaben sich beide Täter etwa um 9.30 Uhr zeitgleich in die Behandlungsräume. Dr. Q, der die Situation sofort erkannte, konnte flüchten und sich — bis nach dem dramatischen Ende der Geiselnahme kurz nach 23.00 Uhr - verborgen halten. Auch eine Helferin konnte sich für etwa 3 oder 4 Stunden noch verborgen halten, bevor die Täter auch sie entdeckten und zu den anderen Geiseln brachten. Zwei Zahnarzthelferinnen brachten der Verurteilte und sein Tatgenosse I1 unter Einsatz ihrer Waffen sofort in ihre Gewalt und I1, der bei allen nachfolgenden "Verhandlungen mit der Außenwelt" als Wortführer auftrat, drohte, die beiden sofort "abzuknallen". Unter dieser Drohung erreichten sie, dass sich noch 3 Sanitätsbeamte in ihre Gewalt begaben, so dass sie nun zunächst insgesamt 5 Geiseln in dem Sanitätsraum hatten. Desweiteren befanden sich noch 15 kranke Straftäter in dem Lazaretttrakt.

Die 3 männlichen Geiseln mussten sich auf den Fußboden legen und wurden an Händen und Füßen gefesselt. Die Frauen durften auf Stühlen — an den Füßen gefesselt — sitzen. Die Fesselungen und Bewachung der Geiseln oblag dem Verurteilten. Die Täter verhängten die Fenster und verstellten die Türen des Raumes, so dass eine Beobachtung von draußen und ein schnelles Eindringen zur Befreiung der Geiseln praktisch nicht möglich war.

Mittels Telefon verlangten die Geiselnehmer einen Bargeldbetrag von 1 Million DM, ein kugelsicheres Fluchtfahrzeug und freien Abzug, andernfalls drohten sie mit der Tötung der Geiseln, wenn der Raum gestürmt oder ihre Forderungen nicht erfüllt würden. Im Laufe des Tages bis in die späten Abendstunden kam es zu vielen Telefonaten, in denen die Täter ihre Forderungen und Drohungen wiederholten. Die Täter stellten dabei in Aussicht, dass man "alle abfackeln werde, dass man die Geiseln mit Benzin bzw. Spiritus übergießen und anzünden werde". Tatsächlich hatten sich die Täter mehrere mit Spiritus und Wundbenzin gefüllte Flaschen besorgt und in diese Flaschen benzingetränkte Streifen von Mullbinden gesteckt. Auch zwei Spritzen hatte der Verurteilte mit Spiritus aufgezogen und zu den präparierten Flaschen gelegt.

Um ihre Forderungen zu unterstreichen und die Drohungen zu verstärken, setzten die Täter der Polizei am Nachmittag ein Ultimatum und drohten nach dessen Ablauf einen der Sanitätsbeamten zu töten, I1 kündigte dabei auch einem der Sanitätsbeamten an, ihn "totzuspritzen" und machte bereits entsprechende Anstalten mit einer mit Spiritus gefüllten Spritze. Als dieser sich in seiner Todesangst massiv wehrte und alle Geiseln - inzwischen waren es sechs Personen — die Täter anflehten, nahm der Mittäter von seinem Vorhaben Abstand, forderte aber, dass dieser Sanitätsbeamte für die Außenwelt als tot zu gelten habe. Über Telefon verkündete er dann auch, dass es den ersten Toten gegeben habe und auch die Geiseln mussten dies per Telefon bestätigen.

Gegen Abend durften die weiblichen Geiseln zu Hause anrufen und mussten erklären, dass sie sterben müssten, weil die Polizei den Forderungen der Geiselnehmer nicht erfülle. Auch Presseorgane wurden entsprechend informiert. Die Täter erhofften dadurch, mehr Druck auf die Verantwortlichen zu erzeugen und ihre Forderungen eher durchsetzen zu können.

Gegen Abend wurde dann das geforderte Geld geliefert, das von einer der Geiseln in Empfang genommen, untersucht und als echt befunden wurde. Gegen 23.00 Uhr stand auch das Fluchtauto bereit. Die Täter wollten drei Geiseln auf die Flucht mitnehmen, die sie als Schutzschilde benutzen wollten. I1 sollte mit einer Geisel voran gehen. Für den Fall des Scheiterns, etwa in der Weise, dass auf I1 geschossen oder gestürmt würde, sollte der Verurteilte die Drohung wahrmachen und die ihm zugeteilten zwei Geiseln anzünden und dadurch töten. Zu diesem Zweck übergoss der Verurteilte eine männliche und eine weibliche Geisel, die er zusammengebunden hatte, mit Spiritus. Auf halbem Weg zum Ausgang übergoss der Verurteilte die Geiseln mit weiterer brennbarer Flüssigkeit, die er mit sich führte, und tränkte überdies die vorher in die Handfesseln gesteckten Lunten.

Als I1 beim Einsteigen in das Fluchtfahrzeug tatsächlich angeschossen wurde und die Polizei die Tür zum Lazarettbereich sprengte und damit der Plan einer erpressten Flucht gescheitert war, zündete der Verurteilte, der den Schuss vernommen hatte, die beiden zusammengebundenen Geiseln an, die sofort in hellen Flammen standen. Die Flammen gingen nicht aus, als die Geiseln sich auf dem Boden wälzten und es dauerte etwa 30 Sekunden, bis die Hilfskräfte die Flammen mit Pulver löschen konnten. Beide Geiseln erlitten starke Schmerzen und großflächige Iebensgefährliche Verbrennungen 3. Grades, mussten vielfach operiert werden, kamen aber mit dem Leben davon. Die männliche Geisel wurde 12 Wochen intensiv behandelt, behielt Narben am gesamten Körper und kann zeitlebens keiner Arbeit mehr nachgehen. Die anderen vier körperlich unverletzten Geiseln erlitten jeweils einen schweren Schock.

Der Verurteilte versuchte noch, nachdem er die Geiseln angezündet hatte, auf eine weitere männliche Geisel, die sich auf den Boden geworfen hatte, einzustechen, was misslang, weil dieser sich wehrte. Bei dessen Versuch zu entkommen, schoss die Polizei auf den Verurteilten, der im rechten Oberschenkel getroffen wurde und überwältigt werden konnte.

Aufgrund in der Folgezeit erfolgter umfangreicher Sicherungsmaßnahmen war der Verurteilte bis in das Jahr 2000 hinein stark isoliert. Wegen des weiteren Haftverlaufs verweist der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Ausführungen im angefochtenen Beschluss.

Unter einfacher Anrechnung der im Ausland erlittenen Auslieferungshaft sowie der inländischen Untersuchungshaft hatte der Verurteilte 15 Jahre der zuerst genannten lebenslangen Freiheitsstrafe am 03.09.2000 verbüßt. 15 Jahre der weiteren lebenslangen Freiheitsstrafe wird er am 03.09.2015 verbüßt haben.

Das Landgericht hat mit dem angefochtenen Beschluss - nach mündlicher Anhörung des Verurteilten - eine Reststrafenaussetzung zur Bewährung in beiden Verfahren abgelehnt und hinsichtlich der ersten Verurteilung festgestellt dass die besondere Schwere der Schuld eine Verbüßung von 27 Jahre gebiete, jedoch nicht mehr als 30 Jahre vollstreckt werden dürften. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf den angefochtenen Beschluss verwiesen.

Gegen den am 26.11.2013 zugestellten Beschluss hat der Verurteilte mit am 02.12.2013 eingegangenem Verteidigerschriftsatz sofortige Beschwerde eingelegt. Er meint u.a., die nach dem angefochtenen Beschluss erforderliche Gesamthaftzeit von mindestens 42 Jahren verstoße gegen die Menschenwürde und das Rechtsstaatsprinzip. Weiter meint er, dass seine Auslieferungshaft in Spanien mit einem anderen Anrechnungsmaßstab als - wie bisher - 1:1 Berücksichtigung finden müsse. Weiter sei eine Stellungnahme der JVA H verwertet worden, die bei der Anhörung des Verurteilten noch nicht vorgelegen habe. Da die Strafvollstreckungskammer zugesichert habe, dass diese nicht berücksichtigt würde, sei auf eine Vertagung verzichtet worden.

Die Generalstaatsanwaltschaft Hamm hat beantragt, die sofortige Beschwerde mit der Maßgabe als unbegründet zu verwerfen, dass die aus den Gründen der besonderen Schwere der Schuld gebotene Mindestverbüßungsdauer auf 24 Jahre festgesetzt wird. Sie bezieht sich u.a. darauf, dass die Mindestverbüßungsdauer für den Mittäter auf 24 Jahre festgesetzt worden sei, was im hiesigen Verfahren zwar nicht binde, aber doch als Vergleichsmaßstab herangezogen werden könne. Weiter verweist sie darauf, dass die Strafvollstreckungskammer bei der Schuldbewertung im Rahmen des § 57a StGB unzulässigerweise auf Vorstrafen des Verurteilten zurückgegriffen habe.

II.

Die zulässige sofortige Beschwerde hat nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg. Im Übrigen ist sie unbegründet.

1.

a) Der Senat folgt der Abwägung der Strafvollstreckungskammer zur besonderen Schwere der Schuld und zur Festsetzung der Mindestverbüßungsdauer im Wesentlichen.

Hinsichtlich der besonderen Schwere der Schuld, die durch die Strafvollstreckungskammer festzustellen war, da es sich um einen Altfall aus der Zeit vor dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 03.06.1992 (2 BvR 1041/88) handelt, hat das Landgericht zu Recht auf die Verwirklichung von gleich drei Mordmerkmalen abgestellt und auf das besonders mitleidslose Verhalten gegenüber dem letzten Tatopfer, das kompromisslose Tatverhalten sowie auf die eigenhändige Tötung der Opfer in zwei Fällen hingewiesen. Es hat insoweit in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nur das dem Urteil zu Grunde liegende Tatgeschehen und die dazu festgestellten Umstände der Ausführung und der Auswirkung der Tat berücksichtigt.

Bei der Festsetzung der Mindestverbüßungsdauer ist eine vollstreckungsrechtliche Gesamtwürdigung des Unrechts- und Schuldgehalts der mit der lebenslangen Freiheitsstrafe geahndeten Taten vorzunehmen (BVerfG NStZ 1996, 53, 54 [BVerfG 22.05.1995 - 2 BvR 671/95]). Dabei sind die progressive Steigerung der mit dem Fortschreiten der Zeit und dem Ansteigen des Lebensalters sich ergebenden Straf- und Vollzugswirkungen ebenso hinreichend zu beachten, wie der Gesundheitszustand des Verurteilten und seine Aussicht, noch zu Lebzeiten aus der Strafhaft entlassen zu werden (BVerfG a.a.O.).

Diesen Anforderungen genügt der angefochtene Beschluss weitgehend. Der Senat teilt auch insoweit die Auffassung der Strafvollstreckungskammer im Wesentlichen.

Allerdings weist die Generalstaatsanwaltschaft in ihrer Stellungnahme zu Recht darauf hin, dass die Strafvollstreckungskammer zu Unrecht die Vorstrafen des Verurteilten bei der Abwägung zur Bemessung der Mindestverbüßungsdauer berücksichtigt hat. Sie führt nämlich aus, dass "neben den bereits zur Feststellung der besonderen Schuldschwere führenden Faktoren zu berücksichtigen [sei], dass er schon vor diesen Tötungsdelikten wiederholt straffällig geworden war und weder Haft noch Bewährungsunterstellungen zu einer nicht kriminellen Lebensführung beitragen konnten". Der Senat hat bereits mehrfach entschieden, dass die vom Schwurgericht festgestellten Vorstrafen des Verurteilten ebenso wie sein Verhalten im Vorfeld des Tatgeschehens und sein Nachtatverhalten im Regelfall nicht nachteilig berücksichtigt werden dürfen. Dies beruht darauf, dass die Bewertungskompetenz der Strafvollstreckungskammer bzgl. der besonderen Schwere der Schuld nach der der o.g. Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts beschränkt ist. Alle subjektiven, die Tatschuld über das Mordmerkmal hinaus prägenden Gesichtspunkte müssen in der Regel ebenso außer Betracht bleiben, wie die eben genannten weiteren Umstände, weil die Urteilsaussagen hierzu regelmäßig nicht in einem Begründungszusammenhang erfolgen, die die Schuld des Täters im Blick auf die nach § 57a Abs. 1 Nr. 2 StGB zu treffende Entscheidung gewichten (OLG Hamm NStZ-RR 1998, 71 m.w.N.).

Auch ohne die Berücksichtigung der Vorstrafen des Verurteilten gelangt der Senat bei Abwägung der zutreffend genannten sonstigen Umstände in dem angefochtenen Beschluss aber gleichwohl zu einer Mindestverbüßungsdauer von 27 Jahren. Dabei hat der Senat auch berücksichtigt, dass bzgl. des Mittäters des Verurteilten "lediglich" eine Mindestverbüßungsdauer von 24 Jahren festgesetzt worden ist. Dies bindet den Senat indes nicht. Auch erscheint dem Senat eine gewisse Differenzierung auf den unterschiedlichen Grad der Eigenhändigkeit bei Vornahme der Tötungen und im Hinblick auf den - wie die zweite o.g. Verurteilung zeigt - ungünstigeren Vollzugsverlauf angemessen.

Der Senat hat bei seiner Entscheidung auch berücksichtigt, dass der Verurteilte bei einer Mindestverbüßungsdauer von 27 Jahren insgesamt sehr lange in Haft sein wird. Die Auswirkungen seiner Taten treffen den Verurteilten, auch angesichts der Haftbedingungen, denen er zwischenzeitlich unterworfen war, sehr hart. Andererseits hat der Verurteilte bei der erstgenannten Tat schwerste Schuld auf sich geladen und zu der sehr langen Gesamtverbüßungsdauer kommt es auch deswegen, weil ihn selbst die erste Verurteilung und zwischenzeitlich erfahrener Freiheitsentzug nicht davon abgehalten haben, erneut eine Tat zu begehen, die mit einer lebenslangen Freiheitsstrafe geahndet werden musste. Die Mindestverbüßungsdauer wird dadurch zudem etwas abgemildert, dass der Senat eine Anrechnungsentscheidung hinsichtlich der in Spanien erlittenen Auslieferungshaft nachgeholt hat (vgl. dazu unten). Bei der festgesetzten Mindestverbüßungsdauer hat der Verurteilte aber die Möglichkeit, noch einen nennenswerten Teil seines Lebens in Freiheit zu verbringen und dies auch noch vor Eintritt des Rentenalters.

b) Soweit der Verurteilte rügt, dass eine Stellungnahme der JVA H von der Strafvollstreckungskammer verwertet worden sei, deren Nichtverwertung die Strafvollstreckungskammer zugesagt habe, so kann dahinstehen, ob dieser Vortrag der Wahrheit entspricht. Eine Verletzung rechtlichen Gehörs liegt darin nicht. Die Stellungnahme der JVA H ist dem Verteidiger des Verurteilten mit Verfügung vom 17.10.2013 übersandt worden. Der Verurteilte hat dazu mit Schreiben vom 21.10.2013 Stellung genommen. Der Verteidiger hat sich mit Schriftsatz vom 14.11.2013 noch einmal an das Landgericht gewandt. Der angefochten Beschluss ist erst am 21.11.2013 ergangen. Den Anforderungen des § 454 Abs. 1 S. 3 StPO ist Genüge getan worden. Der Verurteilte wurde mündlich gehört, so dass der Zweck der mündlichen Anhörung, nämlich insbesondere, dass sich die Strafvoll-streckungskammer einen persönlichen Eindruck von dem Verurteilten verschaffen kann (vgl. z.B. OLG Schleswig NJW 1975, 1131 [OLG Schleswig 21.02.1975 - 1 Ws 48/75]), erreicht wurde. Dass er sich dann hinsichtlich der Stellungnahme der JVA H nur schriftlich bzw. über seinen Verteidiger rechtliches Gehör verschaffen konnte, ist unschädlich.

2.

Angesichts der festgesetzten Mindestverbüßungsdauer und der noch längeren Haftdauer, kam eine positive Entscheidung über eine bedingte Entlassung nach den

§§ 57a, 57 StGB zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht in Betracht.

3.

Der Senat hat die in Spanien erlittene Auslieferungshaft im Verhältnis 1:2 auf die Mindestverbüßungsdauer angerechnet.

Für eine Anrechnung der im Ausland erlittenen Auslieferungshaft fehlt es zwar in § 51 Abs. 3 S. 2, Abs. 1 S. 1 StGB an einer ausdrücklichen gesetzlichen Grundlage, denn die Anrechnung erfolgt nach § 51 Abs. 1 StGB ausdrücklich nur bei "zeitiger" Freiheitsstrafe, also nicht - wie hier - bei lebenslanger Freiheitsstrafe. Allerdings schreibt § 57a Abs. 2 StGB bei der Bemessung der Mindestverbüßungsdauer die Anrechnung jeder Freiheitsentziehung vor, die der Täter aus Anlass der Tat erlitten hat. Dies zeigt, dass der Gesetzgeber bei der Anrechnung von aus Anlass der Tat erlittener Freiheitsentziehung die lebenslange und die zeitige Freiheitsstrafe gleich behandelt wissen wollte (vgl. Theune, LK-StGB, 12. Aufl., § 51 Rdn. 30 f., 57). Insoweit liegt eine planwidrige Regelungslücke bei vergleichbarer Interessenlage vor, so dass auch bei lebenslanger Freiheitsstrafe grundsätzlich eine Anrechnungs-entscheidung bzgl. von im Ausland erlittener Freiheitsentziehung in Betracht kommt (BGH NJW 2004, 3789 [BGH 11.08.2004 - 2 StR 34/04]; BGH NStZ 2010, 385 [BGH 08.12.2009 - 5 StR 433/09]; Fischer, StGB, 60. Aufl., § 51 Rdn. 2; Maier in: MK-StGB, 2. Aufl., § 51 Rdn. 9). Grundsätzlich ist diese Anrechnungs-entscheidung vom erkennenden Gericht zu treffen (BGH a.a.O.). Angesichts der - unter Zugrundelegung der seinerzeitigen höchstrichterlichen Rechtsprechung - hier nicht erfolgten Anrechnungsentscheidung ist diese nunmehr vom Voll-streckungsgericht nachzuholen. Insoweit gelten die gleichen Argumente, die das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 03.06.1992 (2 BvR 1041/88 u.a.) bewogen haben, die Entscheidung über die Feststellung der Schuldschwere in Altfällen dem Vollstreckungsgericht zu übertragen. Angesichts der alten Rechtslage vor Schaffung des § 57a StGB gab es wegen der absoluten Strafe des § 211 StGB keinen Anlass, bei lebenslanger Freiheitsstrafe eine Anrechnungsentscheidung zu treffen. In Anbetracht der aufgrund der Entscheidung des Bundesverfassungs-gerichts vom 21.06.1977 (BVerfGE 45, 187 [BVerfG 21.06.1977 - 1 BvL 14/76]) in den Folgejahren geänderten Rechtslage gibt es inzwischen sehr wohl einen solchen Anlass, da dies für die Feststellung der Mindestverbüßungsdauer von Relevanz ist.

Im vorliegenden Fall war der Verurteilte während der fast einjährigen Auslieferungshaft in Spanien überwiegend in der Haftanstalt Carabanchel (Madrid) untergebracht. Die von ihm geschilderten hygienischen Umstände sowie die Umstände der Ernährung und der Unterbringung finden sich bestätigt in einigen obergerichtlichen Entscheidungen (z.B. KG Berlin NStZ-RR 1997, 350 [KG Berlin 20.02.1997 - 5 Ws 54/97]; OLG Zweibrücken NStZ-RR 1996, 241 [OLG Zweibrücken 07.03.1996 - 1 Ws 92/96] mit Hinweisen zu den 1980er Jahren). Der Senat hält daher die von dem Verurteilten geschilderten Haftumstände für glaubhaft und legt sie daher auch für die Zeiten zu Grunde, in denen er sich zunächst in der Haftanstalt Modello in Barcelona befand und die er als ähnlich beschreibt.

Für die Haftanstalt Carabanchel wurde in der obergerichtlichen Rechtsprechung teils ein Anrechnungsmaßstab von 1:2 angewendet (OLG Hamm, Beschl. v. 19.08.1999

- 2 Ss 812/99 - [...]; KG Berlin NStZ-RR 1997, 350 [KG Berlin 20.02.1997 - 5 Ws 54/97]), teils ein solcher von 1:3

(OLG Düsseldorf StV 1995, 426), teils ein solcher von 1:1 (OLG Zweibrücken

NStZ-RR 1996, 241 [OLG Zweibrücken 07.03.1996 - 1 Ws 92/96]), wobei allerdings in der letztgenannten Entscheidung Verbesserungen der Haftbedingungen in den 1990er- Jahren berücksichtigt wurden, was hier nicht der Fall sein kann. Angesichts der vom Verurteilten geschilderten Haftbedingungen, die denen entsprechen, die auch in KG NStZ-RR 1997, 350 [KG Berlin 20.02.1997 - 5 Ws 54/97] geschildert werden, wobei dort die Haftraumgröße noch kleiner war, hält der Senat auch vorliegend eine Anrechnung von 1:2 für angemessen.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 1 StPO. Der geringe Erfolg des Rechtsmittels rechtfertigt noch keine Kostenquotelung.



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