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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 2 Ausl 137/13 OLG Hamm

Leitsatz: Soll die Rücklieferung des unter Rücklieferungsvorbehalt an die Bundesrepublik Deutschland ausgelieferten und nachfolgend durch inländisches Urteil rechtskräftig Verurteilten mit der Abgabe der Vollstreckung der freiheitsentziehenden Sanktion an dem Heimatstaat des Verurteilten verbunden werden, so richten sich die Voraussetzungen und das Verfahren hierfür nicht nach § 68 IRG, sondern nach § 71 IRG und den zur Vollstreckungsübernahme bestehenden völkerrechtlichen Vereinbarungen, insbesonders dem ÜberstÜbk samt Zusatzprotokoll.


Senat: 2

Gegenstand: Auslieferungsverfahren

Stichworte: Rücklieferungsvorbehalt, Auslieferung

Normen: IRG 68, IRG 71

Beschluss:

Auslieferungssache
In pp.
hat der 2. Strafsenat des OLG Hamm am 10.12.2013 beschlossen:

Die Vollstreckung des noch nicht verbüßten oder durch Anrechnung von Haftzeiten erledigten Strafrestes der gegen den rumänischen Staatsangehörigen D, geboren am ##.B #### in C/Rumänien,

durch Urteil des Landgerichts Münster vom 21. September 2012 (Az.: 21 KLs 42 Js 238/98 (21/12)) - rechtskräftig seit dem 21. September 2012 - wegen Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in vier Fällen verhängten Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren in Rumänien wird für zulässig erklärt.


Gründe

I.

Der Verurteilte ist rumänischer Staatsangehöriger.

Er war am 8. Juni 2012 auf deutsches Ersuchen (Europäischer Haftbefehl der Staatsanwaltschaft Münster vom 27. Januar 2005, Az.: 42 Js 238/98) von Rumänien an die Bundesrepublik Deutschland zur Strafverfolgung ohne Verzicht auf den Grundsatz der Spezialität ausgeliefert worden. Dabei stellt der die Auslieferung bewilligende Beschluss des Berufungsgerichts B/ Rumänien vom 29. Mai 2012 (Az.: 501/57/2012) die Auslieferung unter die Bedingung, dass, wenn in dem deutschen Strafverfahren eine freiheitsentziehende Maßnahme beschlossen werden sollte, der Verurteilte zur Verbüßung der Strafe nach Rumänien rücküberstellt werde.

Der Verurteilte ist in dem Strafverfahren, zu dessen Durchführung er ausgeliefert worden war, durch Urteil des Landgerichts Münster vom 21. September 2012 (Az.: 12 Kls 42 Js 238/98 (21/12)) rechtskräftig zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt worden.

Mit bestandskräftiger Ordnungsverfügung des Kreises Soest als Ausländerbehörde vom 20. April 2013 hat der Verurteilte das Recht auf Einreise und Aufenthalt für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland gemäß § 6 Abs. 1 FreizügG/EU verloren.

Der Verurteilte ist zu der beabsichtigten Rücküberstellung zur (weiteren) Vollstrekkung nach Rumänien angehört worden und hat dieser widersprochen.

Der Leiter der Justizvollzugsanstalt Werl hat in seiner Stellungnahme vom 12. August 2013 ausgeführt, dass der Verurteilte in Deutschland über keine sozialen Beziehungen verfüge und Besuche nur von einem Mittäter erhalten habe.

Die Generalstaatsanwaltschaft Hamm hat mit Zuschrift vom 21. Oktober 2013 beantragt, die weitere Vollstreckung der durch Urteil des Landgerichts Münster vom 21. September 2012 verhängten Freiheitsstrafe in Rumänien für zulässig zu erklären. Der Beistand des Verurteilten ist diesem Antrag mit Schriftsatz vom 4. November 2013 entgegengetreten.

II.

Die weitere Vollstreckung der durch Urteil des Landgerichts Münster vom 21. September 2012 gegen den Verfolgten verhängten Freiheitsstrafe in Rumänien war antragsgemäß für zulässig zu erklären.

1.

Die gerichtliche Zulässigerklärung ist hier gemäß §§ 2 Abs. 2 Überstellungsausführungsgesetz (ÜAG), 71 Abs. 4 IRG erforderlich, da die Vollstreckungsübernahme auf Art. 3 Abs. 1 des Zusatzprotokolls vom 18. Dezember 1997 zum Übereinkommen über die Überstellung verurteilter Personen (ZP-ÜberstÜbk) gestützt wird.

Soweit der Senat in anderer Sache mit Beschluss vom 23. Mai 2013 (Az.: 2 Ausl 66/13) die Auffassung vertreten hatte, dass in den Fällen der Rück-Überstellung eines in Deutschland verurteilten Straftäters zur Vollstreckung dieser Strafe an denjenigen ausländischen Staat, der den Verurteilten zuvor zur Strafverfolgung an Deutschland unter der Bedingung der Rück-Überstellung ausgeliefert hatte, § 68 IRG eine vorrangige Spezialregelung auch hinsichtlich der Frage der Notwendigkeit einer gerichtlichen Zulässigerklärung der Vollstreckungsabgabe enthalte, wird hieran nicht festgehalten. Denn der Regelungsbereich des § 68 IRG geht nicht über die bloße Rücklieferung, also die körperliche Verbringung, in den Heimatstaat hinaus. Diese Rücklieferung ist nicht zwingend mit der Abgabe der Vollstreckung einer Freiheitsstrafe oder sonstigen freiheitsbeschränkenden Maßregel an den Heimatstaat verbunden (so beispielsweise wenn das deutsche Strafverfahren nicht zur Verhängung einer solchen Strafe oder Maßregel geführt hat). Soll die Rücklieferung zusätzlich mit der Abgabe der (weiteren) Vollstreckung einer in Deutschland verhängten Freiheitsstrafe an den Heimatstaat verbunden werden, so richten sich die Voraussetzungen und das Verfahren dieser Vollstreckungsabgabe deshalb nicht nach § 68 IRG, sondern nach § 71 IRG und den zur Vollstreckungsübernahme bestehenden völkerrechtlichen Vereinbarungen, insbesondere dem Übereinkommen über die Überstellung verurteilter Personen vom 21. März 1983 (ÜberstÜbk) samt Zusatzprotokoll.

2.

Die Voraussetzungen des Art. 3 ÜberstÜbk i.V.m. Art. 3 ZP-ÜberstÜbk liegen vor.

Der Verurteilte ist rumänischer Staatsangehöriger und damit Staatsangehöriger des Vollstreckungsstaates (Art. 3 Nr. 1 lit. a ÜberstÜbk). Das gegen ihn durch das Landgericht Münster ergangene Urteil ist rechtskräftig (Art. 3 Nr. 1 lit. b ÜberstÜbk) und es verbleiben daraus gegenwärtig noch mehr als sechs Monate Freiheitsstrafe zu vollstrecken (Art. 3 Nr. 1 lit. c ÜberstÜbk). Des weiteren stellen die abgeurteilten Taten auch in Rumänien Straftaten dar (Art. 3 Nr. 1 lit. e ÜberstÜbk). Schließlich ist nach den vorliegenden Vollstreckungsunterlagen davon auszugehen, dass Urteils- und Vollstreckungsstaat sich auf die Überstellung geeinigt haben (Art. 3 Nr. 1 lit. f ÜberstÜbk).

Der Umstand, dass der Verurteilte entgegen Art. 3 Abs. 1 lit. d ÜberstÜbk seiner Überstellung nicht zugestimmt hat, steht einer Überstellung vorliegend nicht entgegen, denn gegen den Verurteilten liegt ein bestandskräftiger - im Hinblick auf seine inländische Verurteilung ergangener - Bescheid der Ausländerbehörde vorliegt, aufgrund dessen es ihm für die Dauer von sechs Jahren nicht gestattet ist, in das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland einzureisen oder sich in diesem aufzuhalten. In einem solchen Fall hindert die fehlende Zustimmung des Verurteilten seine Überstellung nicht (Art. 3 Abs. 1 ZP-ÜberstÜbk).

3.

Eine über die vorstehenden Anforderungen hinausgehende materiell-rechtliche Überprüfung sehen weder das ÜberstÜbk oder das ZP-ÜberstÜbk noch die zum ÜberstÜbk von Seiten der Bundesrepublik Deutschland abgegebenen Erklärung vor.

Allerdings besteht auf der Grundlage der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 18. Juli 1997 (NJW 1997, 3013 ff. [BVerfG 18.06.1997 - 2 BvR 483]) die Verpflichtung, bei der Überprüfung die grundrechtlich geschützten Positionen des Verurteilten in Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Überstellung zu bringen und zu einem verhältnismäßigen Ausgleich zu gelangen. Hiervon geht auch der Gesetzgeber aus, der in der Begründung zum Gesetz zur Änderung des ÜberstÜbk und des IRG vom 17. Dezember 2006 eine Abwägung aller persönlichen Umstände unter Berücksichtigung der Vollzugs- und Vollstreckungspraxis im Vollstreckungsstaat für erforderlich erachtet (vgl. BT-Drs. 16/2452, S. 6).

Die danach vorzunehmende Abwägung führt zu dem Ergebnis, dass die Überstellung des Verurteilten nach Rumänien zum Zwecke der dortigen Vollstreckung der Reststrafe der durch das Landgericht Münster verhängten Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren auch ohne seine Zustimmung zulässig ist.

Eine politische Verfolgung (vgl. § 6 Abs. 2 IRG) oder ein Verstoß gegen wesentliche Grundsätze der deutschen Rechtsordnung (§ 73 IRG, ordre public) sind nicht ersichtlich.

Auch ist angesichts der Dauer der noch zu vollstreckenden Freiheitsstrafe die Überstellung nach Rumänien nicht unverhältnismäßig.

Das vornehmlich durch eine Entlastung der Vollstreckungsbehörde geprägte öffentliche Interesse wird durch eine Übernahme der Vollstreckung seitens der rumänischen Justizbehörden nicht beeinträchtigt.

Die dem Verurteilten zustehenden Rechtspositionen - insbesondere der durch Art. 2 Abs. 2 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG gewährleistete Anspruch auf Resozialisierung - stehen bei der Abwägung mit dem o.g. öffentlichen Interesse der Überstellung nicht entgegen. Insbesondere kann mit dem weiteren Vollzug der Freiheitsstrafen in Deutschland das den Justizvollzug prägende Ziel der Resozialisierung des Verurteilten kaum erreicht werden. Dieser Gesichtspunkt ist bereits Art. 3 ZP-ÜberstÜbk immanent, der eine Zustimmung des Verurteilten bei bestandskräftiger Ausweisungsverfügung entbehrlich macht (vgl. OLG Celle, NStZ-RR 2008, 345 [OLG Celle 27.06.2008 - 1 ARs 30/08] m.w.N.; Senatsentscheidung vom 14. Dezember 2010 - III-2 Ausl. 130/10). Der Verurteilte hat in der Bundesrepublik Deutschland darüber hinaus auch keine schützenswerten familiären oder sonstigen Bindungen, sondern war nach Deutschland nur zum Zweck der Durchführung des hiesigen Strafverfahrens ausgeliefert worden.



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