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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 3 RBs 16/14 OLG Hamm OLG Hamm

Leitsatz: Sobald ein alle erforderlichen Bestandteile (mit Ausnahme der Gründe) enthaltendes Urteil in einer Bußgeldsache — hier das im Hauptverhandlungsprotokoll zugleich mit enthaltene abgekürzte Urteil — im Wege der Zustellung aus dem inneren Dienstbereich des Gerichts herausgegeben worden ist, darf es — auch innerhalb der Urteilsabsetzungsfrist — nicht mehr verändert und damit auch nicht mehr um Urteilsgründe ergänzt werden, es sei denn, die nachträgliche Urteilsbegründung ist ausnahmsweise — namentlich nach § 77 b Abs. 2 OWiG— zulässig.

Senat: 3

Gegenstand: Revision Rechtsbeschwerde Beschwerde Haftprüfung durch das OLG Pauschgebühr Justizverwaltungssache Antrag auf gerichtliche Entscheidung

Stichworte: Urteilsergänzung, Zulässigkeit

Normen: OWiG 77

Beschluss:

Bußgeldsache
gegen pp.
Verteidiger:
wegen Verkehrsordnungswidrigkeit.
Auf den Antrag des Betroffenen vom 1. Februar 2014 auf Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Begründung der Rechtsbeschwerde und auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen vom 2. Oktober 2013 gegen das Urteil des Amtsgerichts Bielefeld vorn 30. September 2013 hat der 3. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Hamm am
20. März 2014 durch die Richterin am Oberlandesgericht als Einzelrichterin gemäß § 80 a Abs. 1 OWiG
nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft bzw. auf Antrag der Generalstaatsanwaltschaft und nach Anhörung des Betroffenen bzw. seines Verteidigers

beschlossen:
1. Dem Betroffenen wird auf seine Kosten (§ 46 Abs. 1 OWiG§ 473 Abs. 7 StPO) auf seinen Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Begründung der Rechtsbeschwerde gegen das Urteil des Amtsgerichts Bielefeld vom 30. September 2013 gewährt.
2. Das angefochtene Urteil wird mit den Feststellungen aufgehoben.
3. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht Bielefeld zurückverwiesen.
Gründe
Das Amtsgericht hat den Betroffenen durch das angefochtene Urteil wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit gemäß §§ 41 Abs. 2, 49 StVO und 24 StVG zu einer Geldbuße von 180,- € verurteilt und gegen ihn ein Fahr-verbot für die Dauer eines Monats angeordnet. Gegen dieses Urteil wendet sich der Betroffene durch seinen Verteidiger mit der Rechtsbeschwerde, die nach Zustellung an den Betroffenen am 7. November 2013 mit am 10. Dezember 2013 bei dem Amtsgericht Bielefeld eingegangenem (Telefax-)Schreiben seines Verteidigers vom
9. Dezember 2013 mit der Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts begründet worden ist.
Dem Betroffenen ist gemäß § 45 Abs. 1, Abs. 2 S. 1 StPO i.V.m. § 79 Abs. 3 OWiG auf seinen Antrag hin Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Begründung der Rechtsbeschwerde gegen das Urteil des Amtsgerichts Bielefeld vom 30. September 2013 zu gewähren. Die mittels Telefax übermittelte Rechtsmittelbegründungsschrift vom 9. Dezember 2013 ist erst am 10. Dezember 2013 ausweislich des entsprechenden Aufdrucks des Empfangsgeräts bei dem Amtsgericht Bielefeld eingegangen und ist damit um einen Tag verspätet. Anhaltspunkte dafür, dass der Betroffene durch sein Verschulden an der Einhaltung der Monatsfrist des § 345 Abs. 1 S. 1 StPO i.V.m. § 79 Abs. 3 OWiG gehindert war, sind nicht ersichtlich; im Gegenteil ergibt das Vorbringen des Verteidigers des Betroffenen, dass allenfalls ein Anwaltsverschulden vorliegt, das jedenfalls dem Betroffenen nicht zuzurechnen ist (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 56. Aufl., § 44 Rdnr. 18 m.w.N.). Da die Rechtsbeschwerdebegründung bereits zur Akte gelangt ist, bedarf es einer Nachholung der versäumten Handlung nicht.
Die danach zulässige Rechtsbeschwerde hat einen zumindest vorläufigen Erfolg.
1 Das angefochtene Urteil enthält entgegen §§ 46 Abs. 1, 61 Abs. 1 OWG, § 267 StPO keine für das Rechtsbeschwerdegericht beachtlichen Gründe. Die am
4. November 2013 zu den Akten gelangten schriftlichen Urteilsgründe sind unbeachtlich, weil zu diesem Zeitpunkt eine bereits nicht mehr abänderbare Urteilsfassung ohne Gründe vorlag. Dies ergibt sich aus folgendem Verfahrensablauf:
Die zuständige Abteilungsrichterin ordnete (ausweislich der Verfügung BI. 39 unten R) noch am Tage der Urteilsverkündung die Übersendung der Akten an die Staats-anwaltschaft „gemäß § 46 Abs. 1 OWiG, § 41 StPO" an. Bestandteil der Akten war zu diesem Zeitpunkt bereits das Protokoll der Hauptverhandlung vom 30.09.2013, das wiederum die für ein Urteilsrubrum erforderlichen Angaben sowie die Urteilsformel und damit sämtliche erforderlichen Bestandteile eines abgekürzten Urteils in Buß-geldsachen enthielt. Nach Fertigstellung des Protokolls am 2. Oktober 2013 ist die Zustellung an die Staatsanwaltschaft ausweislich des Eingangsstempels der Bielefelder Justizbehörden am 14. Oktober 2013 (BI. 47 d.A.) erfolgt, nachdem die Akte zwischenzeitlich noch aufgrund der weiteren Verfügung vom 08.10.2013 dem Verteidiger für zwei Tage zur Akteneinsicht übersandt worden war. Mit Verfügung vom 18. Oktober 2013 hat die Staatsanwaltschaft Bielefeld die Akte dem Amtsgericht Bielefeld nach Zustellung mit Rechtsmittelverzicht zurückgesandt; die Akte ist am
23. Oktober 2013 wieder bei dem Amtsgericht Bielefeld eingegangen.
Sobald ein alle erforderlichen Bestandteile (mit Ausnahme der Gründe) enthaltendes Urteil in einer Bußgeldsache — hier das im Hauptverhandlungsprotokoll zugleich mit enthaltene abgekürzte Urteil — im Wege der Zustellung aus dem inneren Dienstbereich des Gerichts herausgegeben worden ist, darf es — auch innerhalb der Urteilsabsetzungsfrist — nicht mehr verändert und damit auch nicht mehr um Urteilsgründe ergänzt werden, es sei denn, die nachträgliche Urteilsbegründung ist ausnahmsweise — namentlich nach § 77 b Abs. 2 OWiG— zulässig (Senat, Beschluss vom 4. Juni 2012 —111-3 RBs 156/12BeckRS 2012, 18142; Beschluss vom 4. Dezember 2012 —111-3 RBs 222/12, BeckRS 2013, 00034; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 10. Februar 2010 — IV 1 RBs 188/08, BeckRS 2010, 21267 m.w.N.; OLG Bamberg, Beschluss vom 16. Dezember 2008 — 3 Ss OWi 1060/08 m.w.N.). Die Voraus-setzungen der zuletzt genannten Vorschrift lagen hier indes nicht vor, weil die Zustellung der ersten — unbegründeten — Urteilsfassung nicht von der Regelung des § 77 Abs. 1 OWiG gedeckt war.

2.
Ob das Urteil beachtliche Gründe enthält, ist im Rechtsbeschwerdeverfahren auf-grund der Sachrüge — einer Verfahrensrüge bedarf es insoweit nicht — zu prüfen, weil von der Klärung dieser Frage abhängt, welcher Urteilstext vom Rechtsbeschwerdegericht auf materiell-rechtliche Fehler überprüft werden soll (vgl. Senat, a.a.O.; OLG Düsseldorf, a.a.O.; OLG Bamberg, a.a.O.). Enthält das Urteil - wie im vorliegenden Fall — keine für das Rechtsbeschwerdegericht beachtlichen Gründe, ist die Rechtsbeschwerde bereits deshalb mit der Sachrüge begründet, weil das Rechtsbeschwerdegericht ein Urteil ohne Gründe keiner materiell-rechtlichen Überprüfung unterziehen kann (Senat, a.a.O.; OLG Düsseldorf, a.a.O.; OLG Bamberg, a.a.O.).
3.
Wegen des dargelegten Mangels ist das angefochtene Urteil nach § 79 Abs. 3 S. 1 OWiG, § 353 StPO aufzuheben und die Sache nach § 79 Abs. 6 OWiG zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Amtsgericht Bielefeld zurückzuverweisen.



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