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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 1 Vollz (Ws) 158/14 OLG Hamm

Leitsatz: Ist die Einstufung der Tätigkeit eines Gefangenen (Zeitlohn/Leistungslohn) einmal erfolgt, so handelt es sich, wenn sie - bei gleichbleibendem Charakter der Tätigkeit - nunmehr umgestuft wird in eine dem Gefangenen ungünstigere Entlohnungsart, weil die Fehlerhaftigkeit der vorherigen Einstufung erkannt wurde, um eine Rücknahme einer begünstigenden Maßnahme, welche rechtlich entsprechend § 14 StVollzG i.V.m. § 48 VwVfg - insbesondere den dort genannten Vertrauensschutzgesichtspunkten - zu bewerten ist.

Senat: 1

Gegenstand: Beschwerde

Stichworte: Umstufung, Zeilohn, Leistungslohn, Strafgefangener

Normen: StVOllzG 43

Beschluss:

Strafvollzusgssache
In pp.
hat der 1. Strafsenat des OLG Hamm am 05.05.2014 beschlossen:

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen, soweit der Betroffene sich gegen die Zurückweisung seines Antrags auf gerichtliche Entscheidung bezüglich seiner Anträge auf Zurücksetzung des Arbeitsentgelts auf den vorigen Stand und auf Erstattung von Differenzbeträgen richtet.

Im Übrigen wird die Rechtsbeschwerde als unzulässig verworfen.

Soweit die Rechtsbeschwerde zulässig ist, wird sie als unbegründet verworfen.

Die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens fallen dem Betroffenen zur Last (§ 121 Abs. 2 StVollzG).

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird zurückgewiesen.


Gründe
I.
Der Betroffene wehrt sich gegen die Berechnung seines Arbeitsentgelts für Gefangenenarbeit nach einer neuen Berechnungsgrundlage, welche zu einem verringerten Einkommen führt.

Nach den Feststellungen des angefochtenen Beschlusses ist der Betroffene seit dem Jahr 2011 im Eigenbetrieb "Schneiderei" der JVA X beschäftigt. Bis Juni 2013 wurde er zu Unrecht im Leistungslohn geführt, obwohl er Arbeiten im Zeitlohn verrichtete. Nach einer Neuberechnung des Lohnes (Einordnung Leistungsstufe 5, Zulage 14 %) erhält er seitdem nur noch etwa 312 Euro monatlich vergütet; vorher waren es etwa 500 Euro.

Mit dem angefochtenen Beschluss hat die Strafvollstreckungskammer seine Anträge "das Arbeitsentgelt auf den vorigen Stand zurückzusetzen", die Differenzbeträge zu erstatten und die Rechtswidrigkeit der Maßnahme festzustellen, als unbegründet zurückgewiesen. Die Strafvollstreckungskammer führt aus, dass der Betroffene nur einen Anspruch auf rechtmäßige Bezahlung habe und die Anstalt sogar verpflichtet gewesen sei, eine rechtswidrige Verwaltungspraxis zu korrigieren. Auf Ver-trauensschutz könne sich der Betroffene nicht berufen. Das gleichzeitig gestellte Prozesskostenhilfegesuch hat die Strafvollstreckungskammer ebenfalls zurückgewiesen.

Gegen den Beschluss wendet sich der Betroffene mit der Rechtsbeschwerde und beantragt die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Rechtsbeschwerdeverfahren. Er meint, die Entscheidung verstoße gegen den Vertrauensschutz- und den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Auch die Prozesskostenhilfe sei zu Unrecht verweigert worden.

II.
Die Rechtsbeschwerde ist teilweise zulässig.

1. Soweit sich das Rechtsmittel gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe richtet, ist es allerdings unzulässig, da die Ablehnung des PKH-Gesuchs unanfechtbar ist (vgl. nur: OLG Hamm, Beschl. v. 04.12.2012 - III - 1 Vollz(Ws) 672/12).

2. Auch soweit sich das Rechtsmittel gegen die Zurückweisung des Antrages auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Maßnahme richtet ist es unzulässig, da schon der zu Grunde liegende Antrag auf gerichtliche Entscheidung unzulässig war, was vom Rechtsbeschwerdegericht als Verfahrensvoraussetzung von Amts wegen zu prüfen ist. Hinsichtlich des Feststellungsantrages liegt kein Feststellungsinteresse vor, da der Betroffene über seine Verpflichtungsanträge hinreichend Rechtsschutz erhalten kann.

3. Die Rechtsbeschwerde ist im Übrigen zulässig. Sie war zur Fortbildung des Rechts zuzulassen, da - soweit ersichtlich - zum Widerruf einer Einstufung der Bezahlungsweise nach dem Leistungslohn und Umgruppierung in den Zeitlohn und zu den damit verbundenen Fragen des Vertrauensschutzes noch keine obergerichtlichen Entscheidungen vorliegen.

III.
Die Rechtsbeschwerde ist - soweit sie zulässig ist - unbegründet.

Der Senat sieht - möglicherweise in Abweichung von der Strafvollstreckungskammer - das Begehren des Betroffenen nicht darauf gerichtet, dass dieser die konkrete Berechnung der neuen Vergütung im Zeitlohn angreift, sondern darauf, dass er sich gegen die Umstufung seiner Tätigkeit von einer (mit höheren Verdienstmöglichkeiten verbundenen) Leistungslohntätigkeit in eine (mit minderen Verdienstmöglichkeiten verbundenen) Zeitlohntätigkeit wendet.

Die Vergütung von Gefangenenarbeit kann im Zeitlohnsystem oder im Leistungslohnsystem erfolgen (Arloth, StVollzG, 3. Aufl., § 43 Rdn. 8). Ist die Einstufung der Tätigkeit eines Gefangenen einmal erfolgt, so handelt es sich, wenn sie - bei gleichbleibendem Charakter der Tätigkeit - nunmehr umgestuft wird in die jeweils andere Entlohnungsart, weil die Fehlerhaftigkeit der vorherigen Einstufung erkannt wurde, um eine Rücknahme einer begünstigenden Maßnahme, welche rechtlich entsprechend § 14 StVollzG i.V.m. § 48 VwVfG - insbesondere den dort genannten Vertrauensschutzgesichtspunkten - zu bewerten ist (vgl. KG Berlin NStZ 2002, 336 [KG Berlin 03.12.2001 - 5 Ws 738/01]; BVerfG NStZ 1994, 100 [BVerfG 29.10.1993 - 2 BvR 672/93]; Arloth a.a.O. § 14 Rdn. 5).

Da es sich bei der Rücknahme einer begünstigenden Maßnahme um eine Ermessensentscheidung handelt, kann der Senat nicht sein Ermessen an die Stelle der Strafvollzugsanstalt stellen, sondern deren Entscheidung nur auf Ermessensfehler überprüfen. Nach den Feststellungen im angefochtenen Beschluss hat die Vollzugsbehörde Vertrauensschutzbelange des Betroffen in ihre Erwägungen einbezogen, nämlich der Art, dass ausdrücklich eine Rückzahlung in der Vergangenheit eingetretener Überzahlungen nicht erfolgen soll. Dass darüber hinaus dem Vertrauen des Betroffenen ein höheres Gewicht eingeräumt werden müsste als dem öffentlichen Interesse an der Rückkehr zu einer rechtmäßigen Verwaltungspraxis, ist nicht erkennbar. Die Einstufung in die Lohnart beinhaltet als solche keine einmalige oder laufende Geldleistung (vgl. § 48 Abs. 2 S. 1 VwVfG) und begründet als solche auch noch nicht einmal einen bestimmten Gehaltsanspruch, sondern nur einen Anspruch auf eine bestimmte Abrechnungsmodalität. Dass der Betroffene irgendwelche Dispositionen im Hinblick auf die bisherige Einstufung getroffen hätte, ist nicht erkennbar. Ohne, dass es darauf entscheidend ankäme, ist darauf hinzuweisen, dass noch nicht einmal erkennbar ist, ob nicht der Betroffene selbst von der Unrechtmäßigkeit der bisherigen Abrechnungspraxis wusste.

IV.
Mangels Aussicht auf Erfolg in der Hauptsache war auch des Prozesskostenhilfegesuch für die Rechtsbeschwerdeinstanz zurückzuweisen (§ 120 Abs. 2 StVollzG i.V.m. § 114 ZPO).


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