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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 1 Vollz (Ws) 167/14 OLG Hamm

Leitsatz: 1. Ein Verweis nach § 115 Abs. 1 S. 4 StVollzG ist nur auf die Begründung des angefochtenen Bescheides selbst, nicht aber auch auf die im gerichtlichen Verfahren abgegebene Stellungnahme der Vollzugsbehörde zulässig.

2. Hinsichtlich der Bedürftigkeit für ein Taschengeld stellt § 35 SVVollzG NW auf die tatsächliche Bedürftigkeit des Sicherungsverwahrten in dem Antragszeitraum ab.

Senat: 1

Gegenstand: Beschwerde

Stichworte: Sicherungsverwahrung, Bedürftigkeit, Taschengeld

Normen: StVollzG 115; StVollzG 35

Beschluss:

Strafvollzugssache
In pp.
hat der 1. Strafsenat des OLG Hamm am 28.04.2014 beschlossen:

Dem Betroffenen wird kostenfrei (§ 21 GKG) Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Anbringung der Rechtsbeschwerde gewährt.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde - an die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Aachen zurückverwiesen.

Gründe

I.
Der Betroffene befindet sich im Vollzug der Sicherungsverwahrung. Er wendet sich gegen eine überhöhte Anrechnung von Hausgeld (Arbeitseinkommen) auf seinen Taschengeldanspruch. Nach den Feststellungen im angefochtenen Beschluss beantragte er Ende September 2013 für diesen Monat ein Taschengeld. Die Leiterin der Justizvollzugsanstalt bewilligte ihm am 10.10.2013 nur ein Taschengeld in Höhe von 12,09 Euro.

Die Strafvollstreckungskammer hat den Antrag des Betroffenen auf gerichtliche Entscheidung verworfen und bezieht sich in der Begründung der Entscheidung (allein) auf die Stellungnahme der Leiterin der Justizvollzugsanstalt B.

Gegen die ihm am 13.01.2014 zugestellte Entscheidung der Strafvollstreckungskammer wendet sich der Betroffene mit der am 11.03.2014 beim Amtsgericht Aachen protokollierten Rechtsbeschwerde mit der er die Verletzung rechtlichen Gehörs rügt und die Sachrüge erhebt.

Das Justizministerium des Landes Nordrhein-Westfalen hält die Rechtsbeschwerde für begründet.

II.
Dem Betroffenen war nach § 120 Abs. 1 StVollzG i.V.m. §§ 44 ff. StPO Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Er war ohne sein Verschulden verhindert, die Frist zur Anbringung der Rechtsbeschwerde zu wahren. Er hat - was angängig ist (§§ 120 Abs. 1 StVollzG, 299 Abs. 1 StPO) - die Protokollierung seiner Rechtsbeschwerde beim Amtsgericht Aachen am 28.01.2014, also deutlich vor Ablauf der Rechtsmittelfrist beantragt. Weitere Maßnahmen zur Protokollierung des Rechtsmittels konnten dort allerdings erst ergriffen werden, nachdem die Akten dort eingegangen waren. Das war am 21.02.2014, also bereits außerhalb der Rechtsmittelfrist der Fall. Zur Protokollierung kam es dann erst am 11.03.2014. Die verspätete Protokollierung war damit nicht vom Betroffenen verschuldet. Er hätte zwar auch - nach der Grundregel des § 118 Abs. 1 StVollzG - einen Antrag auf Protokollierung beim Landgericht Aachen anbringen können. Dass er statt dessen seine Rechte nach §§ 120 Abs. 1 StVollzG, 299 StPO wahrnimmt, kann ihm aber nicht als Verschulden angelastet werden.

III.

Die Rechtsbeschwerde war zuzulassen. Über die Zulassungsgründe des § 116 StVollzG hinaus ist anerkannt, dass eine Zulassung des Rechtsmittels auch dann geboten ist, wenn die tatsächlichen Feststellungen oder rechtlichen Erwägungen der angefochtenen Entscheidung so unzureichend sind, dass das Rechtsbeschwerdegericht das Vorliegen der Voraussetzungen des § 116 Abs. 1 StVollzG nicht überprüfen kann (Arloth, StVollzG, 3. Aufl., § 116 Rdn. 4). So verhält es sich hier.

Der angefochtene Beschluss zitiert zwar vollständig die Stellungnahme der Leiterin der Justizvollzugsanstalt zu dem Antrag des Betroffenen auf gerichtliche Entscheidung und verweist zur Begründung sodann auf diesen. Indes geht daraus nicht hervor, ob die in der Stellungnahme ausgeführten Tatsachen so auch vom Gericht festgestellt worden sind oder nicht. Die fehlenden Ausführungen konnten auch nicht durch eine Bezugnahme nach § 115 Abs. 1 S. 4 StVollzG ersetzt werden, da eine solche nur auf die Begründung des angefochtenen Bescheids selbst, nicht aber auf die Stellungnahme im gerichtlichen Verfahren angängig ist (OLG Nürnberg ZfStrVO 2006, 122).

Darüber hinaus fehlt es insgesamt - wegen der unzulässigen Bezugnahme nach § 115 Abs. 1 S. 4 StVollzG (s.o.) - an für den Senat überprüfbaren Entscheidungsgründen.

Ob die Rechtsbeschwerde auch wegen der Verletzung rechtlichen Gehörs zuzulassen gewesen wäre, kann dahinstehen. Dies erscheint insbesondere deswegen zweifelhaft, weil der Betroffene nicht ausgeführt hat, was er im Falle der Gewährung rechtlichen Gehörs vorgetragen hätte (vgl. Senatsbeschluss vom 16.07.2013 - III - 1 Vollz (Ws) 256/13 - [...]).

IV.

Die Rechtsbeschwerde hat angesichts der unzureichenden Tatsachenfeststellungen und Entscheidungsgründen zwangsläufig Erfolg und führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache (§ 119 Abs. 4 StVollzG).

Für die erneute Entscheidung weist der Senat darauf hin, dass er in der Sache die Auffassung des Justizministeriums des Landes Nordrhein-Westfalen teilt. Darin wird u.a. ausgeführt:

"Gem. § 35 Abs. 1 S. 1 Sicherungsverwahrungsvollzugsgesetz Nordrhein-Westfalen (SVVollzG NRW) wird Untergebrachten auf Antrag Taschengeld gewährt, soweit sie bedürftig sind. Bedürftig sind Untergebrachte gem. § 35 Abs. 2 S. 1 SVVollzG NRW, soweit ihnen für den Antragszeitraum aus dem Hausgeld und dem Eigengeld monatlich ein Betrag in Höhe des Taschengeldes voraussichtlich nicht zur Verfügung steht.

Das Gesetz stellt damit auf die tatsächliche Bedürftigkeit des Antragstellers in dem Antragszeitraum ab. Maßgeblich für die Beurteilung der Frage der Bedürftigkeit ist demzufolge allein das Zuflussprinzip. Im Monat September 2013 war der Beschwerdeführer allerdings nicht über den festgestellten Taschengeldanspruch hinaus bedürftig, da ihm am 06.09.2013 das Arbeitsentgelt für den Vormonat i. H. v. 92,28 Euro zum Hausgeld vergütet worden war.

Dem steht auch der von dem Beschwerdeführer zitierte Beschluss des 5. Strafsenats des Berliner Kammergerichts vom 16.04.1999 (Ws 108/99 Vollz-) nicht entgegen. Der Beschluss betrifft die Auslegung des "Taschengeldparagraphen" des StVollzG (§ 46), welcher aber mit § 35 SVVollzG aufgrund seines anderen Wortlautes nicht vergleichbar ist."

Für diese Gesetzesauslegung sprechen auch die Materialien, nach denen es ebenfalls auf die Bedürftigkeit im "Antragszeitraum" ankommt, welche "voraussichtlich" (also prognostisch und damit zukunftsgerichtet) bestehen muss (vgl. LT-Drs. 16/1435 S. 90).



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