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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 1 Vollz (Ws) 387/14 OLG Hamm

Leitsatz: Für die Beurteilung, ob eine Sache von geringem Wert i.S.v. § 83 Abs. 1 S. 2 StVollzG vorliegt, ist alleinentscheidendes Kriterium deren materieller Wert. Auch untypische Sachen, die keine "klassischen Tauschobjekte" darstellen, können hierunter fallen.

Senat: 1

Gegenstand: Beschwerde

Stichworte: Strafvollzug, Tauschobjekt, geringer Wert

Normen: StVollzG 83

Beschluss:

Strafsache
In pp.
hat der 1. Strafsenat des OLG Hamm am 14.08.2014 beschlossen:

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Der angefochtene Beschluss wird - mit Ausnahme der Festsetzung des Streitwerts - aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Rechtsmittels - an die Strafvollstreckungskammer bei dem Landgericht Aachen zurückverwiesen.
Die Beschwerde wird auf Kosten des Betroffenen (§ 473 Abs. 1 S. 1 StPO) als unzulässig verworfen.

Gründe
I.

Der Betroffene verbüßt gegenwärtig eine Freiheitsstrafe in der Justizvollzugsanstalt B.

Mit seiner Rechtsbeschwerde wendet er sich gegen die Zurückweisung von Anträgen auf gerichtliche Entscheidung. Diese hatten im Einzelnen zum Gegenstand, eine durch die Antragsgegnerin verhängte Disziplinarmaßnahme (Verweis) aufzuheben, die dazugehörige Dokumentation aus der Gefangenenpersonalakte zu entfernen sowie die Beschlagnahme einer Briefsendung aufzuheben und ihm diese auszuhändigen.

Dem Verfahren lag ausweislich der Feststellungen der Strafvollstreckungskammer im Wesentlichen folgender Sachverhalt zugrunde:

Der Betroffene war im Besitz eines von einem Mitgefangenen stammenden Briefs, den er in dessen Auftrag zusammen mit eigener Post an einen gemeinsamen in einer anderen JVA untergebrachten Bekannten schicken sollte. Diesem Ansinnen kam der Betroffene nach, indem er die Briefpost in einem offenen Briefumschlag beim zuständigen Abteilungsbeamten abgab. Nachdem sodann im Rahmen der Postkontrolle aufgefallen war, dass der Brief des Betroffenen auch die Briefsendung des Mitgefangenen enthielt, wurde gegen den Betroffenen ein Verweis ausgesprochen, der auf §§ 82 Abs. 2, 83 Abs. 1 S. 1, 102 StVollzG gestützt wurde.

Die Strafvollstreckungskammer hat im Rahmen ihrer Rechtsausführungen darauf abgestellt, die Verhängung der angefochtenen Disziplinarmaßnahme sei ermessensfehlerfrei erfolgt. Nach § 83 Abs. 1 StVollzG habe die Ingewahrsamnahme des Briefes der Zustimmung der Vollzugsbehörde bedurft. Dass die Briefsendungen in einem offenen Umschlag abgegeben worden seien, sei unerheblich, denn jedenfalls würde durch den Regelverstoß die Überwachung des Schriftverkehrs erschwert. Besondere Umstände, aufgrund derer sich die Disziplinarmaßnahme als unverhältnismäßig erweisen würde, bestünden nicht.

Das Justizministerium des Landes Nordrhein-Westfalen hat beantragt, die Rechtsbeschwerde mangels Vorliegen eines Zulassungsgrundes als unzulässig zu verwerfen.

II.

1.

Die auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde war zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen (§ 116 Abs. 1 StVollzG). Die Entscheidung der Strafvollstreckungskammer lässt besorgen, dass die Strafvollstreckungskammer die Voraussetzungen des § 83 StVollzG - möglicherweise auch in zukünftigen Fällen - keiner hinreichenden Prüfung unterzieht.

2.

Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet. Der angefochtene Beschluss ist aufzuheben und die Sache an die Strafvollstreckungskammer zurückzuverweisen (§ 119 Abs. 4 StVollzG). Auf der Basis der für den Senat im Rahmen der Überprüfung auf die Sachrüge hin maßgeblichen bisherigen Feststellungen war die angegriffene Disziplinarmaßnahme rechtswidrig, denn die Feststellungen tragen nicht den Schluss, dass der Betroffene seine Pflichten schuldhaft verletzt hat.

Zwar darf der Gefangene nach § 83 Abs. 1 S. 1 StVollzG nur Sachen in Gewahrsam haben oder annehmen, die ihm von der Vollzugsbehörde oder mit ihrer Zustimmung überlassen werden. Dieser Grundsatz erfährt indes durch § 83 Abs. 1 S. 2 StVollzG eine Einschränkung: Ohne Zustimmung darf der Gefangene danach Sachen von geringem Wert von einem anderen Gefangenen annehmen, wobei die Vollzugsbehörde Annahme und Gewahrsam auch dieser Sachen von ihrer Zustimmung abhängig machen kann.

Der dem Betroffenen anvertraute Brief ist aufgrund seines geringen Materialwerts eine geringwertige Sache (vgl. zur Begrifflichkeit Schwind/Böhm/Jehle/Laubenthal, Strafvollzugsgesetz, 6. Auflage, § 83 RN 6 sowie Arloth, Strafvollzugsgesetz, 3. Auflage, RN 3). Zwar zielen Sinn und Zweck der Norm an sich auf klassische Tauschobjekte ab, dies steht einer Anwendbarkeit von § 83 Abs. 1 S. 2 StVollzG auf Briefsendungen aber nicht entgegen. Alleinentscheidendes Kriterium ist der materielle Wert der Sache, so dass auch gänzlich untypische Sachen, wie beispielsweise eine Unterschriftenliste (vgl. Senatsbeschluss vom 15. Dezember 2009, 1 Vollz(Ws) 757 und 848/09), von § 83 Abs. 1 S. 2 StVollzG erfasst werden.

Der angefochtene Beschluss setzt sich mit der Geringwertigkeit des Briefs nicht auseinander. Damit besteht die Möglichkeit, dass die Annahme vorliegend überhaupt nicht der Zustimmung bedurfte. Zu der Frage, ob die Vollzugsbehörde durch eine entsprechende Anordnung auch die Annahme und den Gewahrsam von geringwertigen Sachen von ihrer Zustimmung abhängig gemacht hat, verhält sich der angefochtene Beschluss nicht.

Aufgrund der letztgenannten Erwägung war dem Senat eine eigene Entscheidung mangels Spruchreife im Sinne von § 119 Abs. 4 S. 2 StVollzG verwehrt. Sofern das weitere Verfahren ergeben sollte, dass auch für geringwertige Sachen ein Zustimmungsvorbehalt vorhanden war, weist der Senat im Übrigen darauf hin, dass in diesem Fall der bislang unberücksichtigt gebliebene Sachvortrag des Betroffenen, er habe den Brief des Mitgefangenen über die (einer Kontrolle unterzogene) Hauspost erhalten, erheblich sein dürfte.

III.

Soweit der Betroffene sich mit seiner "Rechtsbeschwerde" gegen die mit dem angefochtenen Beschluss erfolgte Streitwertfestsetzung in Höhe von 500,- Euro wendet, ist diese in das gegen die Wertfestsetzung nach §§ 60, 52 GKG grundsätzlich statthafte Rechtsmittel der Beschwerde nach § 68 GKG umzudeuten.

Diese Beschwerde, mit der der Betroffene eine Heraufsetzung des gesamten Streitwerts begehrt, ist mangels Beschwer des Betroffenen unzulässig. Die betroffene Partei kann sich nur über eine zu hohe Wertfestsetzung beschweren (vgl. Hartmann, Kostengesetze, 38. Auflage, zu § 68 GKG RN.5 mit weiteren Nachweisen).



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