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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 2 Ws 169/14 OLG Hamm

Leitsatz: Zur Eigenschaft als erkennender Richter nach Zurückverweisung.


Senat: 2

Gegenstand: Beschwerde

Stichworte: Ablehnung, erkennender Richter

Normen: StPO 28

Beschluss:

Strafsache
n pp.
hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgericht Hamm am 19.08.2014 beschlossen:

Die sofortige Beschwerde wird auf Kosten des Angeklagten als unzulässig verworfen.

Gründe:
I.
Die Staatsanwaltschaft Bochum erhob in vorliegender Sache unter dem 24. Januar 2011 Anklage gegen den Angeklagten bei der Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts Bochum. In dieser Anklageschrift wurden dem Angeklagten 12 in der Zeit vom 1. Januar 2006 bis zum 13. Februar 2008 begangene selbstständige Straftaten, nämlich das unbefugte Führen akademischer Grade (Tat zu Ziffer 1.), Steuerhinterziehung in vier Fällen, wobei es in drei Fällen beim Versuch blieb (Taten zu Ziffern 2. – 5.), unterlassene Insolvenzantragstellung nach §§ 84 Abs. 1 Nr. 2, 64 Abs. 1 GmbHG (Tat zu Ziffer 6.), eine Bankrottstraftat nach § 283 Abs. 1 Nr. 6 StGB (Tat zu Ziffer 7.) sowie fünf weitere Bankrottstraftaten nach § 283 Abs. 1 Nr. 1 StGB (Taten zu Ziffern 8. – 12.) zur Last gelegt. Was den Vorwurf der versuchten bzw. vollendeten Steuerhinterziehung (Taten zu Ziffer 2. – 5.) betrifft, wurde dem Angeklagten vorgeworfen, für das Jahr 2007 als verantwortlicher Geschäftsführer der C Immobilien-Vermögensverwaltungs-GmbH für die Gesellschaft weder eine Umsatz-, Gewerbesteuer- noch Körperschaftssteuererklärung eingereicht sowie persönlich in Bezug auf seine Einkünfte aus Kapitalvermögen im Jahr 2007 keine Einkommenssteuererklärung abgegeben und dadurch Steuern hinterzogen bzw. dies versucht zu haben. Mit Beschluss vom 1. September 2011 ließ die 1. große Strafkammer des Landgerichts Bochum die Anklage vom 24. Januar 2011 zur Hauptverhandlung zu. Gleichzeitig beschloss die Kammer die Verbindung des Verfahrens mit dem bei dem Landgericht Bochum nach erfolgter Anklageerhebung am 21. März 2011 gegen den Angeklagten C unter dem Aktenzeichen 12 KLs 37 Js 341/10 – 12/11 geführten Verfahren – unter gleichzeitiger Zulassung auch dieser Anklageschrift – zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung vor der 12. großen Strafkammer. Die Hauptverhandlung gegen den Angeklagten und den früheren Mitangeklagten C vor dieser Strafkammer wurde an 14 Hauptverhandlungsterminen in der Zeit vom 23. Januar 2012 bis zum 9. Juli 2012 durchgeführt. Am 7. Hauptverhandlungstag (21. März 2012) trennte die Kammer das Verfahren bezüglich der Tatvorwürfe zu Ziffern 6. – 12. der Anklagschrift vom 24. Januar 2011 zur gesonderten Verhandlung und Entscheidung ab (neues Az.: 12 KLs 35 Js 82/07 Teil 1 – 6/12). Mit am 14. Hauptverhandlungstag am 9. Juli 2012 verkündetem Urteil hat das Landgericht Bochum den Angeklagten wegen Steuerhinterziehung in vier Fällen, wobei es in drei Fällen bei einem Versuch blieb, sowie wegen unbefugten Führens akademischer Grade zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und vier Monaten verurteilt. Auf die dagegen gerichtete Revision des Angeklagten hat der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs mit Beschluss vom 12. Juni 2013 (Az.: 1 StR 6/13) dieses gegen den Angeklagten erlassene Urteil - unter Verwerfung der weitergehenden Revision des Angeklagten - in den Fällen 1, 4 und 5 der Urteilsgründe (= Tat Nr. 2 der Anklage vom 24. Januar 2011, soweit es die Nichtabgabe einer Umsatzsteuer-Jahreserklärung für das Jahr 2007 betrifft, sowie Taten Nr. 2 und 3 der Anklageschrift vom 24. Januar 2011 in Bezug auf die Körperschafts- und Gewerbesteuer 2007) aufgehoben und den Angeklagten insoweit freigesprochen. Zudem hat der Bundesgerichtshof in dem vorgenannten Beschluss das von dem Angeklagten angefochtene Urteil im gesamten Strafausspruch mit den zugehörigen Fest-stellungen mit Ausnahme der Feststellungen zum zu versteuernden Einkommen des Angeklagten im Fall 6 der Urteilsgründe (Tat Nr. 4 der Anklage vom 24. Januar 2011 – Einkommenssteuer 2007 -) aufgehoben und die Sache im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts Bochum zurückverwiesen. In Bezug auf den Tatvorwurf zu Ziffer 2. der Anklage vom 24. Januar 2011 (Umsatzsteuer 2007) hat der Bundesgerichtshof in seiner Revisionsentscheidung in den Gründen zu Ziff. IV. darauf hingewiesen, dass das angefochtene Urteil die Anklage vom 24. Januar 2011 zu diesem Tatvorwurf nicht erschöpfe. Abgeurteilt und vom Freispruch des Bundesgerichtshofs erfasst sei lediglich der Vorwurf der Nichtabgabe einer Umsatzsteuer-Jahreserklärung für das Jahr 2007. Mit dem von der Anklage mitumfassten Tatvorwurf der Steuerhinter-ziehung durch Nichtabgabe von Umsatzsteuervoranmeldungen bzw. Abgabe unrichtiger Umsatzsteuervoranmeldungen habe sich die 12. große Strafkammer des Landgerichts Bochum in dem Urteil nicht befasst, so dass das Verfahren insoweit noch bei der 12. großen Strafkammer anhängig sei.

Auch soweit die Tatvorwürfe zu den Ziffern 6. – 12. der Anklageschrift vom 24. Januar 2011 am 21. März 2012 zur gesonderten Verhandlung und Entscheidung abgetrennt worden waren, ist das - insoweit unter dem Aktenzeichen 12 KLs 35 Js 82/07 AK 10/11 geführte – Verfahren noch bei der 12. großen Strafkammer des Landgerichts Bochum anhängig. Soweit der Bundesgerichtshof das Urteil der Kammer vom 9. Juli 2012 im gesamten Strafausspruch aufgehoben und zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht Bochum zurückverwiesen hat, ist die Sache nunmehr bei der 13. großen Strafkammer des Landgerichts Bochum unter dem Aktenzeichen 13 KLs 35 Js 82/07 – 20/13 anhängig.

In diesen Verfahren sind noch keine neuen Hauptverhandlungstermine anberaumt worden.

Mit Schreiben vom 30. Dezember 2013 hat der Angeklagte und Beschwerdeführer den Vorsitzenden der 12. großen Strafkammer des Landgerichts Bochum (VRLG pp.) wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Nachdem sich der abgelehnte Richter hierzu unter dem 17. Januar 2014 dienstlich geäußert und der Angeklagte Gelegenheit erhalten hatte, zu dieser dienstlichen Äußerung Stellung zu nehmen, hat die 12. große Strafkammer des Landgerichts Bochum mit Beschluss vom 28. April 2014 (ohne Mitwirkung des Vorsitzenden dieser Strafkammer) das Ablehnungsgesuch des Angeklagten als unbegründet zurückgewiesen.

Dieser Beschluss ist dem Angeklagten am 15. Mai 2014 zugestellt worden. Mit Schriftsatz seines Verteidigers Rechtsanwalt T vom 21. Mai 2014, der beim Landgericht Bochum am selben Tag eingegangen ist, hat der Angeklagte gegen diesen Beschluss sofortige Beschwerde eingelegt. Er hat sein Rechtsmittel mit weiteren Verteidigerschriftsätzen vom 27. Juni 2014 und 15. August 2014 – insoweit auch in Erwiderung zur Stellungnahme der Generalstaatsanwaltschaft vom 31. Juli 2014 – näher begründet.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat unter Hinweis auf § 28 Abs. 2 S. 2 StPO beantragt, die sofortige Beschwerde als unzulässig zu verwerfen.

II.
Die sofortige Beschwerde des Angeklagten gegen den das Ablehnungsgesuch des Angeklagten zurückweisenden Beschluss der 12. großen Strafkammer des Landgerichts Bochum ist nach § 28 Abs. 2 S. 2 StPO nicht statthaft, mithin unzulässig und war deshalb mit der Kostenfolge aus § 473 Abs. 1 StPO zu verwerfen.

In § 28 Abs. 2 S. 2 StPO ist bestimmt, dass eine Entscheidung, durch die eine Richterablehnung als unzulässig verworfen oder als unbegründet zurückgewiesen wird, nur zusammen mit dem Urteil angefochten werden kann, wenn diese Entscheidung einen erkennenden Richter betrifft. In einem solchen Fall ist die an sich gemäß § 28 Abs. 2 S. 1 StPO eröffnete sofortige Beschwerde mithin unzulässig. Eine solche Fallgestaltung ist vorliegend gegeben, denn die angefochtene Entscheidung betrifft einen erkennenden Richter. Erkennende Richter sind alle Richter, die zur Mitwirkung in der Hauptverhandlung berufen sind. Die Eigenschaft als erkennender Richter beginnt mit dem Erlass des Eröffnungsbeschlusses und im Falle der Zurückweisung einer Sache gemäß §§ 328 Abs. 2, 354 Abs. 2 u. 3, 355 StPO mit dem Eingang der Akten bei Gericht (zu vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 57. Aufl., § 28 Rdnr. 6 m.w.N.). Unter diesen Voraussetzungen betrifft die Entscheidung einen erkennenden Richter auch dann, wenn über das Ablehnungsgesuch schon vor Beginn der Hauptverhandlung entschieden worden ist (zu vgl. BGHSt 31, 15; Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O., § 28 Rdnr. 7).

Soweit es den nach Auffassung des Bundesgerichtshofs noch bei der 12. großen Strafkammer anhängigen Vorwurf zu Nr. 2 der Anklage vom 24. Januar 2011 in Bezug auf die Nichtabgabe von Umsatzsteuervoranmeldungen bzw. Abgabe unrichtiger Umsatzsteuervoranmeldungen für das 2007 betrifft, hat die 12. große Strafkammer des Landgerichts Bochum die Anklage mit Eröffnungsbeschluss vom 1. September 2011 zugelassen und damit das Hauptverfahren gegen den Ange- klagten auch insoweit vor dieser Kammer eröffnet. Damit ist insoweit die Eigenschaft des abgelehnten Vorsitzenden am Landgericht ## als erkennender Richter dieser Strafkammer begründet worden. Entsprechendes gilt in Bezug auf die am 21. März 2012 abgetrennten Tatvorwürfe zu Ziffern 6. – 12. der Anklage vom 24. Januar 2011. Soweit in Rechtsprechung und Schrifttum vereinzelt die Auffassung vertreten wird, die Eigenschaft als erkennender Richter werde im Hauptverfahren erst mit Terminsanberaumung begründet (vgl. OLG Bremen, NStZ 1991, 95; Löwe/Rosenberg-Wendisch, StPO; 24. Aufl., § 28 Rdnr. 12), vermag sich der Senat dieser Mindermeinung nicht anzuschließen. Die Vorschrift des § 28 Abs. 2 S. 2 StPO dient vor allem der Prozesswirtschaftlichkeit und der Umsetzung des im Strafverfahren geltenden Beschleunigungsgebotes. Es soll verhindert werden, dass Hauptverhandlungen aufgrund eines Ablehnungsverfahrens mit anschließendem Beschwerdeverfahren nicht begonnen werden können, verzögert werden oder bei nicht rechtzeitig möglicher Fortsetzung innerhalb der Frist des § 229 Abs. 1 StPO gar abgebrochen werden müssen. Diesem gesetzgeberischen Ziel liefe die Eröffnung des Beschwerdeweges nach § 28 Abs. 2 S. 1 StPO im Verfahrensstadium vor Terminierung der bei dem erkennenden Gericht in einem Hauptverfahren anhängigen Sache zuwider, denn ansonsten könnte eine mögliche Terminierung der Sache durch Ablehnungsanträge mit anschließendem Beschwerdeverfahren hinausgezögert werden. Auch der Wortlaut des § 28 Abs. 2 S. 2 StPO bietet keine Grundlage für die von der Mindermeinung vorgenommene Auslegung dahingehend, dass die Eigenschaft als erkennender Richter im Erkenntnisverfahren (Hauptverfahren) erst mit Terminsanberaumung begründet wird.



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