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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 3 Ws 304/14 OLG Hamm

Leitsatz: Die Bestimmung des § 56f Abs. 1 Satz 2, 2.Alt. StGB erlaubt den Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung entsprechend § 56f Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB auch dann, wenn die Anlasstat für den Widerruf nach der Entscheidung in der ersten im Rahmen einer nachträglichen Gesamtstrafenbildung einbezogenen Sache aber vor der Entscheidung in der oder den weiteren einbezogenen Sachen begangen worden ist (gegen OLG Celle, Beschluss vom 24.08.2010 - 2 Ws 285/10).

Senat: 3

Gegenstand: Revision Rechtsbeschwerde Beschwerde Haftprüfung durch das OLG Pauschgebühr Justizverwaltungssache Antrag auf gerichtliche Entscheidung

Stichworte: Gesamtstrafenbildung, nachträgliche, Widerruf, Strafaussetzung

Normen: StGB 56f

Beschluss:

Strafsache
In pp.
hat der 3. Strafsenat des OLG Hamm am 18.09.2014 beschlossen:



Die sofortige Beschwerde wird auf Kosten des Verurteilten (§ 473 Abs. 1 StPO) als unbegründet verworfen.

Gründe

I.

Das Amtsgericht Mülheim an der Ruhr verhängte gegen den Verurteilten mit Urteil vom 13.09.2012 (rechtskräftig seit dem 21.09.2012) wegen eines am 04.09.2011 begangenen Diebstahls und einer vorsätzlichen Gefährdung des Straßenverkehrs eine Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Monaten unter Strafaussetzung zur Bewährung (Az.: 16 Ds 149 Js 730/11 – 841/11). Ferner wurde dem Verurteilten die Fahrerlaubnis entzogen, sein Führerschein eingezogen und eine Sperre für die Neuerteilung der Fahrerlaubnis von einem Jahr und sechs Monaten verhängt. Die Bewährungszeit wurde mit Beschluss vom selben Tage auf drei Jahre festgesetzt und es wurden dem Verurteilten weitere Weisungen erteilt, u.a. 120 Sozialstunden abzuleisten.

Mit Strafbefehl vom 26.02.2013 (rechtskräftig seit dem 29.03.2013) verhängte das Amtsgericht Gelsenkirchen gegen den Verurteilten wegen eines am 02.06.2012 begangenen Betruges eine Geldstrafe von 150 Tagessätzen zu je 10,- € (Az.: 314 Cs 49 Js 2473/12 – 142/13).

Das Amtsgericht Mülheim an der Ruhr bildete unter Auflösung der Gesamtfreiheitsstrafe aus den zugrunde liegenden Einzelstrafen mit Beschluss vom 26.06.2013 (rechtskräftig seit dem 09.07.2013) hieraus eine neue Gesamtfreiheitsstrafe von neun Monaten, die erneut zur Bewährung ausgesetzt worden ist. Die Maßregel der Besserung und Sicherung vom 13.09.2012 wurde aufrechterhalten, ebenso wie die im Bewährungsbeschluss vom 13.09.2012 getroffenen weiteren Anordnungen. Die Bewährungszeit wurde auf drei Jahre bestimmt.

Durch Urteil der 2. großen Strafkammer des Landgerichts Essen vom 20.08.2013 (rechtskräftig seit dem 28.08.2013) wurde der Verurteilte wegen gewerbsmäßiger Hehlerei in 13 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt (Az.: 22 KLs – 71 Js 213/13 – 7/13 LG Essen). Die diesem Urteil zugrunde liegenden Taten beging der Verurteilte im Zeitraum vom 27.09.2012 bis zum 23.01.2013.

Die Strafvollstreckungskammer hat durch den angefochtenen Beschluss vom 30.07.2014 die im Gesamtstrafenbeschluss des Amtsgerichts Mülheim an der Ruhr vom 26.06.2013 gewährte Strafaussetzung der neunmonatigen Gesamtfreiheitsstrafe im Hinblick auf die im Urteil des Landgerichts Essen vom 20.08.2013 abgeurteilten Taten widerrufen.

Gegen diesen Beschluss wendet sich der Verurteilte durch seinen Verteidiger mit der sofortigen Beschwerde, mit der geltend gemacht wird, dass der Widerruf rechtswidrig sei, weil wegen einer Tat zwischen Verurteilungen, aus denen eine Gesamtstrafe mit Strafaussetzung zur Bewährung gebildet wurde, auch nach Neufassung des

§ 56 f Abs. 1 S. 2 StGB kein Widerruf erfolgen könne.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat unter näheren Ausführungen beantragt, den angefochtenen Beschluss aufzuheben.

II.

Die gemäß § 453 Abs. 2 S. 3 StPO, § 56 f StGB statthafte und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.

Der Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung ist gemäß § 56 f Abs. 1 S. 1 Nr. 1 i.V.m. S. 2 2. Alt. StGB angesichts der schwerwiegenden und zahlreichen neuerlichen Taten des Verurteilten, die Gegenstand des Urteils des Landgerichts Essen vom 20.08.2013 geworden sind, gerechtfertigt.

Entgegen der Auffassung der Verteidigung und der Generalstaatsanwaltschaft liegt eine Gesetzeslücke, die den vorliegenden Fall erfasst und dem Widerruf der Strafaussetzung entgegensteht, nicht vor.

Das Gericht widerruft die Strafaussetzung zur Bewährung grundsätzlich dann, wenn die verurteilte Person zumindest alternativ eine der Voraussetzungen des § 56 f Abs. 1 S. 1 Nummern 1 bis 3 StGB erfüllt hat.

Die mit Urteil des Landgerichts Essen vom 20.08.2013 abgeurteilten neuerlichen

- in der Zeit vom 27.09.2012 bis zum 23.01.2013 begangenen – Taten hat der Verurteilte zwar nicht gemäß § 56 f Abs. 1 Nr. 1 StGB in der mit dem Gesamtstrafenbeschluss des Amtsgerichts Mülheim an der Ruhr vom 26.06.2013 (RK 09.07.2013) bestimmten Bewährungszeit begangen, so dass die Voraussetzungen dieser Vorschrift nicht unmittelbar erfüllt sind. Gemäß § 56 f Abs. 1 S. 2 2. Alt. StGB, der durch das 2. Justizmodernisierungsgesetz vom 22.12.2006 (vgl. BGBl. I 3416) eingeführt wurde, gilt Satz 1 Nr. 1 dieser Vorschrift aber entsprechend, wenn die Tat bei nachträglicher Gesamtstrafenbildung in der Zeit zwischen der Entscheidung über die Strafaussetzung in einem einbezogenen Urteil und der Rechtskraft der Entscheidung über die Gesamtstrafe begangen worden ist. Nach dem Wortlaut des Gesetzes sind die Widerrufsvoraussetzungen vorliegend erfüllt, denn der Verurteilte hat die neuerlichen Taten nach der am 13.09.2012 durch Urteil des Amtsgerichts Mülheim an der Ruhr getroffenen Entscheidung über die Strafaussetzung in einem einbezogenen Urteil und der am 09.07.2013 eingetretenen Rechtskraft des Gesamtstrafenbeschlusses desselben Gerichts vom 26.06.2013 begangen.

Dem steht nicht entgegen, dass die neuerlichen Taten zwar nach dem in die Gesamtstrafe einbezogenen ersten Urteil, aber vor dem Erlass des Strafbefehls des Amtsgerichts Gelsenkirchen vom 26.02.2013 (RK 29.03.2013) begangen wurden, durch die der Verurteilte wegen des am 02.06.2012 begangenen Betruges zu einer Geldstrafe von 150 Tagessätzen verurteilt worden war. Das zweite Straferkenntnis konnte zwar keine warnende Wirkung auf den Verurteilten ausüben, als dieser die neuerlichen Taten beging, dennoch ist der Widerruf durch den Gesetzeswortlaut für diesen Fall gedeckt.

Es erscheint nicht dogmatisch bedenklich, dass der Verurteilte aufgrund seiner nach der ersten Verurteilung begangenen Taten durch den Widerruf der nachträglich gebildeten Gesamtstrafe auch die hierin enthaltene zweite Strafe verbüßen muss. Das Gesetz ordnet die entsprechende Anwendung von § 56 Abs. 1 S. 1 StGB gerade an, weil anderenfalls ein Bewährungswiderruf nicht erfolgen könnte, wenn die verurteilte Person in der Zeit zwischen der Verurteilung in der einbezogenen Sache und der Entscheidung über die Gesamtstrafe eine Straftat begangen hat. Durch die Gesamtstrafenbildung verlieren die einbezogenen Strafen ihre selbstständige Bedeutung (vgl. BGH ,StraFo 2004, 430 [BGH 21.07.2004 - 2 ARs 189/04]), so dass die damit korrespondierenden ursprünglichen Aussetzungsentscheidungen und damit einhergehenden Anordnungen gegenstandslos werden. Ein hieran noch geknüpfter Widerrufsbeschluss geht ins Leere, wie der Senat auch in dieser Sache mit Beschluss vom 15.04.2014 entschieden hat.

Mit der Einführung der in § 56 f Abs. 1 S. 2 StGB angeordeneten entsprechenden Anwendung sollte die seinerzeit bestehende Gesetzeslücke geschlossen werden, wie aus den Gesetzesmaterialien hervorgeht (vgl. BT-Drucks. 16/3038, S. 58). Hier heißt es, dass die Gesetzeslücke, die dadurch entsteht, dass der Widerruf einer im Rahmen nachträglicher Gesamtstrafenbildung nach § 55 StGB oder § 460 StPO bewilligten Strafaussetzung zur Bewährung nicht nach § 56 f Abs. 1 S. 1 Nr. 1 StGB darauf gestützt werden kann, dass die verurteilte Person in der Zeit zwischen der Verurteilung in einer einbezogenen Sache und der Entscheidung nach der nachträglichen Gesamtstrafe eine Straftat begangen hat, zu schließen sei. Es heißt hier und auch im Wortlaut des § 56 f Abs. 1 S. 2 StGB gerade nicht, dass die Straftat in der zwischen sämtlichen einbezogenen Verurteilungen und der Entscheidung über die nachträgliche Gesamtstrafe begangen worden sein muss, sondern ausdrücklich in der Zeit zwischen der Verurteilung in einer einbezogenen Sache und der Entscheidung über die nachträgliche Gesamtstrafe. Daraus lässt sich aber gerade nicht herleiten, dass die neuerlichen Taten in der Zeit auch nach der hier zweiten Verurteilung durch den Strafbefehl des Amtsgerichts Gelsenkirchen vom 26.02.2013 erfolgt sein müssten.

Hierfür spricht auch die in den Gesetzesmaterialien in diesem Zusammenhang genannte Entscheidung des OLG Karlsruhe, NStZ 1988, 346 f., die ebenfalls die Kon-

stellation betrifft, dass die neuerlichen Taten, auf die der Widerruf der Strafaussetzung gestützt worden war, nach der ersten und vor der zweiten einbezogenen Verurteilung begangen worden waren.

Die Tatsache, dass der Verurteilte in der vorliegend gegebenen Konstellation aufgrund des Widerrufs der im Gesamtstrafenbeschluss neu gebildeten Gesamtstrafe auch die Strafe mit verbüßen muss, die zur Zeit der Begehung der neuerlichen

Taten noch gar nicht durch den Strafbefehl des Amtsgerichts Gelsenkirchen vom 26.02.2013 verhängt worden war, belastet ihn auch nicht unverhältnismäßig. Denn der Verurteilte wird im Ergebnis mit keiner höheren Strafe belegt als es der Fall wäre, wenn alle strafrechtlichen Vorwürfe, also auch der am 02.06.2012 begangene Betrug, bereits früher, nämlich bei der ersten Verurteilung, bekannt gewesen wären. Der Verurteilte wird entsprechend dem Sinn der Gesamtstrafenbildung nicht besser und nicht schlechter gestellt, als wenn alle den Einbeziehungen zugrunde liegenden Straftaten bei der ersten Verurteilung gleichzeitig abgeurteilt worden wären und die Gesamtstrafe zu diesem Zeitpunkt gebildet worden wäre.

Demgegenüber überzeugt die Argumentation des OLG Celle (Beschluss vom 24.08.2010, Az.: 2 Ws 285/10, - juris), der das LG Berlin (Beschluss vom 16.09.2013, Az. 528 Qs 90/13 – juris) gefolgt ist, nicht, die in einer wie hier gearteten Konstella-tion einen Widerruf für ausgeschlossen halten und auf die auch die Verteidigung verweist.

Nach dieser Auffassung ist ein Widerruf dann nicht möglich, wenn der Verurteilte eine weitere Straftat in der Zeit zwischen der Entscheidung über die Strafaussetzung in einem Urteil, dessen Strafen später in eine neue Gesamtstrafe einbezogen werden, und dem Zeitpunkt der Rechtskraft der neuen Gesamtstrafenentscheidung begeht, wenn die weitere Straftat erst nach Rechtskraft des Gesamtstrafenbeschlusses bekannt wird. Die dogmatischen Bedenken, die aus diesen Entscheidungen gegen den Widerruf einer Strafaussetzung gemäß § 56 f Abs. 1 S. 2 2. Alt. StGB wegen eines Fehlverhaltens nach der ersten einbezogenen, aber vor der zweiten einbezogenen Verurteilung und vor Erlass des Gesamtstrafenbeschlusses erhoben werden, vermag der Senat angesichts der mit dem Gesetzeswortlaut klar zum Ausdruck gebrachten gesetzgeberischen Entscheidung, die nach den Gesetzesmotiven gerade auch die hier betreffende Konstellation betrifft, nicht zu teilen. Die gesetzlich angeordnete entsprechende Anwendung des § 56 f Abs. 1 S. 1 Nr. 1 StGB auf den in § 56 f Abs. 1 S. 2 2. Alt. StGB genannten Fall der nachträglichen Gesamtstrafenbildung impliziert, dass nur sinngemäß an die Voraussetzungen nach Satz 1 Nr. 1 anzuknüpfen und der Umstand, dass Satz 1 Nr. 1 ausschließlich auf ein Fehlverhalten nach der für das Widerrufsverfahren maßgeblichen Bewährungsentscheidung abstellt, deshalb nicht geeignet ist, dogmatische Bedenken gegen die gesetzlich angeordnete Analogie zu rechtfertigen.

Schließlich kann es nach Auffassung des Senates für die (Nicht-)Anwendung des

§ 56 f S. 2 2. Alt. StGB auch keinen Unterschied machen, ob die neuerliche Straftat erst nach Rechtskraft des Gesamtstrafenbeschlusses bekannt geworden ist. Denn ein Vertrauensschutz zugunsten des Verurteilten dahin, dass wegen Taten, die erst nach dem Erlass des Gesamtstrafenbeschlusses bekannt werden, ein Widerruf nicht erfolgen werde, geht von dem Gesamtstrafenbeschluss – ungeachtet seiner Zäsurwirkung – nicht aus.

Die sofortige Beschwerde hat nach alledem keinen Erfolg. Mildere Maßnahmen als der Widerruf der Strafaussetzung kommen angesichts der Schwere des Bewährungsversagens nicht in Betracht.

Da der Verurteilte auf die im ursprünglichen Aussetzungsbeschluss vom 13.09.2012 angeordnete Weisung zur Ableistung von 120 Sozialstunden, die im Gesamtstrafenbeschluss des Amtsgerichts Mülheim an der Ruhr vom 26.06.2013 aufrechterhalten worden ist, keinerlei Leistungen erbracht hat, scheidet auch eine Anrechnung gemäß § 56 f Abs. 3 S. 1 S. 2 StGB von vornherein aus.



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