Aktenzeichen: 1 Vollz (Ws) 295/14 OLG Hamm |
Leitsatz: § 26 SVVollzG NW betrifft sowohl eingehende wie ausgehende Telefonate. In wie weit dem Sicherungsverwahrten zu gestatten ist, von außerhalb der Anstalt zurückgerufen zu werden, richtet sich nach den allgemeinen Regeln, wie sie im Senatsbeschluss vom 01.04.2014 (1 Vollz (Ws) 93/14) dargestellt wurden. |
Senat: 1 |
Gegenstand: Beschwerde |
Stichworte: Telefonieren, Sicherungsverwahrung, Zulässigkeit |
Normen: SVVollzG NW 26 |
Beschluss: Vollzugssache In pp. hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgericht Hamm am 11.09.2014 beschlossen: Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen. Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben. Der im Oktober 2013 erfolgte Widerruf der (generellen) Erlaubnis des Antragsgegners gegenüber den in der Justizvollzugsanstalt C Untergebrachten, sich von Personen außerhalb der Anstalt durch deren Vermittlung zurückrufen zu lassen, wird in Bezug auf den Betroffenen aufgehoben. Die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens sowie die dem Betroffenen in diesem Verfahren entstandenen notwendigen Auslagen trägt die Staatskasse. Gründe: I. Der Betroffene befindet sich in der Sicherungsverwahrung in der Justizvollzugsanstalt C. Nach den Feststellungen der Strafvollstreckungskammer besteht das Gebäude, in dem die Sicherungsverwahrten untergebracht sind, aus vier Abteilungen, die jeweils mit 10 bis maximal 15 Untergebrachten belegt sind. Jeder Abteilung stehen zwei Telefone zur Verfügung, und zwar ein festes auf dem Flur befindliches Telefon sowie ein Mobiltelefon. Die Telefonate erfolgen wegen der Gebührenerfassung durch Vermittlung der Abteilungsbeamten. Noch vor Inkrafttreten des Sicherungsverwahrungsvollzugsgesetzes NRW war den Untergebrachten auf der Grundlage einer generellen Genehmigung des Antragsgegners die Möglichkeit eingeräumt worden, sich von Personen außerhalb der Anstalt durch Vermittlung der Abteilungsbeamten zurückrufen zu lassen. Diese Genehmigung wurde im Oktober 2013 durch den Antragsgegner widerrufen, mit der Maßgabe, dass den Untergebrachten in Einzelfällen bei nachgewiesener Dringlichkeit und/oder Wichtigkeit weiterhin ein Rückruf durch externe Personen genehmigt werden könne. Mit dem Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat der Antragsteller beantragt, den Antragsgegner zu verpflichten, ihm das einmal erteilte Recht auf telefonische Rückrufe wieder zu erteilen. Zu Begründung hat er ausgeführt, die einmal erteilte Genehmigung stelle einen begünstigenden Verwaltungsakt dar, der nicht einfach widerrufen werden könne. Die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Arnsberg hat mit dem angefochtenen Beschluss den Antrag des Betroffenen als unbegründet verworfen. Sie vertritt die Auffassung, dass sich aus § 26 SVVollzG NRW kein Anspruch der Untergebrachten ergebe, sich grundsätzlich ständig von externen Person zurückrufen lassen zu können, sondern lediglich das Recht, Telefonate führen zu dürfen. Nach der neuen Gesetzeslage sei der Antragsgegner daher nicht verpflichtet gewesen, den Untergebrachten die Möglichkeit telefonischer Rückrufe (weiterhin) generell einzuräumen. Infolgedessen sei der Antragsgegner berechtigt gewesen, die ursprünglich diesbezüglich erteilte Genehmigung zu widerrufen. Denn eine rechtmäßige Maßnahme könne ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft gemäß § 83 Abs. 3 SVVollzG NRW unter anderem dann widerrufen werden, wenn aufgrund nachträglich eingetretener oder bekannt gewordener Umstände die Maßnahmen hätten unterbleiben können. Dies treffe im Bezug auf die Gestattung der der Möglichkeit von Rückrufen zu. Darüber hinaus sei zu berücksichtigen, dass nach dem unwidersprochen gebliebenen Vortrag des Antragsgegners die Inanspruchnahme der telefonischen Rückrufmöglichkeit in einem solchen Maß erfolgt sei, dass eine Vermittlung durch die Abteilungsbeamten kaum noch zu leisten gewesen sei. Hierbei sei zu berücksichtigen, dass die Abteilungsbeamten bei der Vermittlung von Rückrufen sogar zweimal mit der Abwicklung der Telefonate befasst seien, nämlich mit der Bewilligung des Anrufs beim Externen und der Annahme des Rückrufs. Damit verursache diese Praxis einen besonders hohen Zeitaufwand, der die Erledigung der übrigen anfallenden Tätigkeiten beeinträchtigen würde. Angesichts dessen trete das Vertrauen des Betroffenen auf den Bestand der bisherigen Gestattung von Rückrufen hinter dem Interesse des Antragsgegners auf Aufrechterhaltung der Sicherheit und Ordnung zurück (§ 83 Abs. 4 SVVollzG NRW). Gegen den vorgenannten Beschluss richtet sich die Rechtsbeschwerde des Betroffenen, mit der die Verletzung sachlichen Rechts gerügt wird. II. Die Rechtsbeschwerde ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg. 1. Die Rechtsbeschwerde wird zur Fortbildung des Rechts zugelassen (§ 116 Absatz 1 StvollzG), da der der Fall Anlass gibt, Leitsätze für die Auslegung gesetzlicher Vorschriften aufzustellen. Die Frage, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang sich aus § 26 SVVollzG NRW ein Anspruch des Untergebrachten auf die Gewährung der Möglichkeit von Rückrufen ergibt, ist obergerichtlich noch nicht geklärt. 2. Die im Oktober 2013 durch den Antragsgegner erfolgte Beschränkung der ursprünglich unbeschränkt gegenüber den Untergebrachten erteilten Genehmigung zur Entgegennahme von externen Rückrufen beinhaltete wovon auch die Strafvollstreckungskammer zutreffend ausgegangen ist - den (teilweisen) Widerruf einer rechtmäßigen begünstigenden Maßnahme, dessen Voraussetzungen in § 83 Abs. 3 und 4 SVVollzG NRW geregelt sind. Gemäß § 83 Abs. 3 Nr. 1 SVVollzG NRW können rechtmäßige Maßnahmen ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft widerrufen werden, wenn aufgrund nachträglich eingetretener oder bekannt gewordener Umstände die Maßnahmen hätten unterbleiben können. Die Auffassung der Strafvollstreckungskammer, aus § 26 SVVollzG NRW ergebe sich kein generelles Recht des Untergebrachten auf Gestattung der Entgegennahme von Rückrufen, die Erteilung der Genehmigung für telefonische Rückrufe durch den Antragsgegner hätte demnach ab dem Inkrafttreten des Sicherungsverwahrungsvollzugsgesetzes NRW unterbleiben können, hält einer rechtlichen Überprüfung nicht stand. In § 26 SVVollzG NRW ist bestimmt, dass dem Untergebrachten zu gestatten ist, Telefongespräche durch Vermittlung der Einrichtung zu führen. Eine Unterscheidung dahingehend, ob das Telefongespräch dadurch zustande kommt, dass der Gefangene von sich aus telefonisch Kontakt zu einem Dritten außerhalb der Anstalt aufnimmt oder dadurch, dass er von einer Person außerhalb der Anstalt angerufen wird, trifft das Gesetz nicht. Auch in der Begründung der Landesregierung zum Entwurf des Gesetzes zur Regelung des Vollzuges der Sicherungsverwahrung in Nordrhein-Westfalen (LT-Drs. 16/1435, Seite 80) wird nicht zwischen ausgehenden und eingehenden Telefonaten differenziert, sondern ausgeführt, dass § 26 Abs. 1 SVVollzG NRW einen Anspruch des Untergebrachten auf Gestattung von Telefongesprächen, die durch die Einrichtung vermittelt werden, normiert. Eine solche Differenzierung erübrigte sich auch nicht deshalb, weil sie als selbstverständlich vorauszusetzen ist. Denn auch nach dem allgemeinen Sprachgebrauch führt nicht nur derjenige ein Telefongespräch, der den anderen Gesprächspartner angerufen hat, sondern danach ist unter dem Führen eines Telefongespräches jeder mündliche Gedankenaustausch zwischen zwei Personen über ein Telefon zu verstehen. Auch aus dem der Sinn und Zweck der Gestattung von Telefongesprächen des Untergebrachten, nämlich diesem den Aufbau und die Aufrechterhaltung von sozialen Kontakte nach außen, die für seine Resozialisierung und für seine weitere Entwicklung eine erhebliche Bedeutung haben, unter Benutzung eines modernen Kommunikationsmittels zu ermöglichen, ergibt sich kein Grund für eine unterschiedliche Behandlung von Telefongesprächen, bei den der Untergebrachte seinen Gesprächspartner anruft und solchen, die er von Personen außerhalb der Anstalt entgegennimmt. Dem Untergebrachten steht daher aus § 26 Abs. 1 SVVollzG NRW ein Anspruch auf Gestattung sowohl von Telefongesprächen, die von ihm ausgehen, als auch von solchen, bei denen er von Personen außerhalb der Anstalt angerufen wird, zu. Beschränkungen sind lediglich zur Nachtzeit (§ 26 Absatz ein S. 2 SVVollzG NRW) oder nach einem begonnenen Gespräch aus Gründen der Sicherheit und Ordnung (§§ 26 Abs. 4, 22 Abs. 2 S. 3 und 4 SVVollzG NRW) zulässig. Die gesetzliche Regelung des § 26 SVVollzG NRW stellte daher keinen nachträglich eingetreten (rechtlichen) Umstand dar, aufgrund dessen die Erteilung der allgemeinen Erlaubnis für die Entgegennahme von Rückrufen hätte unterbleiben können und berechtigte daher nicht zu dem teilweisen Widerruf dieser Erlaubnis gemäß § 83 Abs. 3 Nr. 1 SVVollzG NRW. In einem Parallelverfahren (III 1 Vollz (Ws) 93/14), das denselben Antragsteller betraf, hat der Senat allerdings bereits durch Beschluss vom 01.04.2014 klargestellt, dass die Regelung des § 26 Absatz 1 S. 1 SVVollzG NRW nur den Anspruch auf die Telefonate (das Ob), nicht aber (abgesehen davon, dass sie durch Vermittlung der Anstalt zu führen seien) die Modalitäten der Abwicklung der Telefonate (das Wie) regele und dass sowohl der Wortlaut als auch die systematische Auslegung der Vorschrift ergäben, dass der Untergebrachte im Rahmen des § 26 Absatz 1 S. 1 SVVollzG NRW keinen jederzeitigen und sofortigen Anspruch auf das Führen von Telefonaten außerhalb der Nachtruhe habe. Der Senat hat weiter in diesem Beschluss ausgeführt, auch wenn der Untergebrachte grundsätzlich keinen Anspruch auf Telefonate zu einem von ihm festgesetzten beliebigen Zeitpunkt habe, müsse aber die Praxis der Vermittlung der Telefonate nach § 26 Abs. 1 S. 1 SVVollzG NRW darauf ausgerichtet sein, dem hohen Stellenwert von Telefongesprächen für die Kommunikation des Untergebrachten mit der Außenwelt (LT-Drs. 16/1435, S. 80) gerecht zu werden. Eine Praxis oder personelle oder sächliche Ausstattung, die keine oder nur vereinzelte Telefonate oder nur Telefonate zu Zeitpunkten, zu denen sich das mit ihnen verfolgte Anliegen des Untergebrachten bereits erledigt habe, zuließe, wäre damit nicht vereinbar. Stehe einem Sicherungsverwahrten durchschnittlich etwa 1 Stunde pro Tag für Telefonate zur Verfügung - davon ist der Senat bei überschlägiger Berechnung unter Zugrundelegung von 15 auf einer Abteilung Untergebrachten und zwei ihnen zur Verfügung stehenden Telefongeräten ausgegangen so sei den Anforderungen des § 26 Abs. 1 SVVollzG NRW grundsätzlich hinreichend Rechnung getragen, wenn dem Untergebrachten das jeweilige Telefonat grundsätzlich zeitnah vermittelt werde. Als zeitnah sei grundsätzlich eine Zeitdauer von bis zu 2 Stunden zwischen Antragstellung und Vermittlung anzusehen. Zur näheren Begründung wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Gründe des vorgenannten Senatsbeschlusses vom 01.04.2014 Bezug genommen. Die in dem vorgenannten Senatsbeschluss niedergelegten Grundsätze gelten entsprechend hinsichtlich des Anspruchs des Untergebrachten auf die Gestattung der Entgegennahme von externen Anrufen. Angesichts dessen erschließt sich für den Senat nicht, warum die Vermittlung von Rückrufen - auch bei reger Inanspruchnahme dieser Möglichkeit durch die Untergebrachten - derart zeitaufwendig sein soll, dass infolge dessen die damit befassten Abteilungsbeamten maßgeblich an der Erledigung ihrer sonstigen Aufgaben gehindert würden. Schon deshalb lässt sich das Vorliegen des Widerrufsgrundes des § 83 Abs. 3 Nr. 1 SVVollzG NRW wegen der vorgenannten von dem Antragsgegner vorgetragenen Umstände nicht feststellen. Abgesehen davon könnten die nach dem Vorbringen des Antragsgegners nachträglich eingetretenen (tatsächlichen) Umstände auch deshalb keinen Widerrufsgrund im Sinne des § 83 Abs. 3 Nr. 1 SVVollzG NRW darstellen, weil sie im vorliegenden Verfahren durch die Änderung der Rechtslage aufgrund des Inkrafttretens des Sicherungsverwahrungsvollzugsgesetzes NRW, wonach den in der Sicherungsverwahrung Untergebrachten gesetzlich ein Anspruch auf Telefongespräche zusteht, überholt gewesen wären. Dieser gesetzliche Anspruch konnte nicht allein unter Hinweis auf eine Mehrbelastung des Personals bei der Vermittlung eingehender Anrufe auf in das Ermessen des Antragsgegners gestellte Genehmigungen von Rückrufen lediglich im Einzelfall und zudem nur bei nachgewiesener Dringlichkeit und/oder Wichtigkeit beschränkt werden. Vielmehr hat der Betroffene ein Recht auch auf die Gestattung von Rückrufen durch die Vermittlung der Anstalt entsprechend der ursprünglich erteilten (generellen) Genehmigung des Antragsgegners, wobei allerdings hinsichtlich der Modalitäten der Abwicklung der Telefonate auf die insoweit entsprechend geltenden Ausführungen im Senatsbeschluss vom 01.04.2014 (III- 1 Vollz (Ws) 93/14) verwiesen wird. Der angefochtene Beschluss war daher aufzuheben. Darüber hinaus unterlag der Widerruf der durch den Antragsgegner erteilten Genehmigung von externen Rückrufen durch Vermittlung der Anstalt, soweit sie sich auf den Betroffenen bezieht, der Aufhebung, so dass für ihn wieder die ursprünglich erteilte Genehmigung gilt. III. Die Kostenentscheidung folgt aus den §121 Abs. 4 StVollzG i V. m. § 467 Abs. 1 StPO. |
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