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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 4 Ws 80/15 OLG Hamm

Leitsatz: Wird eine Unterbringung in einem Psychiatrischen Krankenhaus aufgrund einer Fehleinweisung gem. § 67 d VI StGB für erledigt erklärt, richtet sich die Anordnung der nachträglichen Sicherungsverwahrung gem. Art. 316e I, II EGStGB in Verbindung mit Art. 316f I, II EGStGB nach § 66 III StGB a. F., wenn die Tat vor dem 01.01.2011 begangen wurde. Muss der Untergebrachte nach der Erledigung noch Strafhaft verbüßen, kommt jedoch entsprechend der Entscheidung des großen Senats vom 07.10.2008 (BGHSt 52, 379) nur eine Anordnung gem. § 66b I u. II StGB a. F. in Betracht. Die in § 66b S. 2 StGB n. F. getroffene Regelung findet auf die Altfälle keine Anwendung.

Senat: 4

Gegenstand: Beschwerde

Stichworte: Sicherungsverwahrung, Altfall, Anordnung

Normen: StGB 66b; StGB 67d

Beschluss:

OLG Hamm, 12.03.2015 - 4 Ws 80/15
Strafsache
In pp.
hat der 4. Strafsenat des OLG Hamm am 12.03.2015 beschlossen:
Die Beschwerde der Staatsanwaltschaft wird kostenpflichtig verworfen. Die Staatskasse hat die notwendigen Auslagen des Betroffenen im Beschwerdeverfahren zu tragen, § 473 StPO.

Gründe
I.
Der Betroffene wurde durch Urteil des Landgerichts Essen vom 15.3.2010 wegen sexuellen Missbrauchs eines Kindes zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr acht Monaten verurteilt. Darüber hinaus wurde die Unterbringung des Verurteilten in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Das Urteil ist seit dem 23.3.2010 rechtskräftig.

Zuvor war der Verurteilte am 24.08. 1999 durch das Landgericht Essen wegen Vergewaltigung in zwei Fällen unter Einbeziehung einer Vorverurteilung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und einer weiteren Freiheitsstrafe von fünf Jahren sechs Monaten verurteilt worden. Dieser Verurteilung lag zu Grunde, dass er zwei Mädchen aus seiner damaligen Clique vergewaltigt hatte. Die Strafen hat der Verurteilte bis zum März 2009 voll verbüßt.

Die verhängte Maßregel wurde seit dem 21.04 2010 vollstreckt. Mit Beschluss vom 7.10.2014 erklärte die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Bochum die angeordnete Unterbringung des Verurteilten aus dem Urteil des Landgerichts Essen gem. § 67 VI StGB für erledigt, da die Voraussetzungen der Maßregel nicht mehr vorlagen. Der verbleibende Rest der nicht durch Anrechnung vollzogenen Freiheitsstrafe wurde nicht zur Bewährung ausgesetzt. Derzeit befindet sich der Betroffene zur Verbüßung dieser Freiheitsstrafe weiterhin in der Maßregelvollzugsanstalt, da die Strafvollstreckungskammer eine Anordnung gemäß § 67 Abs. 5 S. 2 StGB getroffen hat. Gegen diese Entscheidung der Strafvollstreckungskammer wurde ein Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft nicht eingelegt.

Vielmehr hat sie mit Antragsschrift vom 10.12.2014 die Unterbringung des Betroffenen in der nachträglichen Sicherungsverwahrung und gleichzeitig gemäß § 275 a Abs. 6 StPO den Erlass eines Unterbringungsbefehls gegen den Verurteilten beantragt. Den Antrag hat die Staatsanwaltschaft auf § 66 b Abs. 3 StGB a. F. gestützt, dessen Voraussetzungen sie als erfüllt angesehen hat.

Mit Beschluss vom 15.1.2015 hat die 25. Strafkammer des Landgerichts Essen den einstweiligen Unterbringungsantrag zurückgewiesen. Sie ist wie die Staatsanwaltschaft gem. Art. 316e I EGStGB in Verb. mit Art. 316 f II EGStGB von der Anwendbarkeit des alten Rechts ausgegangen, da die Tat, die zur Unterbringung geführt hatte, vor dem 31. 10. 2010 begangen wurde. Nach Ansicht der Kammer komme nach diesen Regeln eine Unterbringung nach § 66b III StGB a. F. nicht in Betracht, da der Betroffene nach der Erledigungserklärung noch Freiheitsstrafe verbüßen muss. Hierbei stützt sie sich auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofs - Großer Senat - vom 7.10.2008 (BGHSt 52,379). Nach dieser Entscheidung kann in den Fällen, in denen noch Freiheitsstrafe zu verbüßen ist, die Unterbringung nicht auf 66b Abs. 3 StGB sondern allein auf § 66b Abs. 1 und 2 StGB gestützt werden. Diese Voraussetzungen lägen nicht vor.

Gegen diese Entscheidung wendet sich die Staatsanwaltschaft Essen mit ihrer Beschwerde vom 27.1.2015. Sie vertritt die Ansicht, dass mit Änderung des § 66 b StGB in der Fassung des Gesetzes zur Umsetzung des Abstandsgebotes in der Sicherungsverwahrung die Entscheidung des Großen Senates nicht mehr zu berücksichtigen sei. Denn mit § 66 b S. 2 StGB habe der Gesetzgeber "klarstellend" angeordnet, dass diese Norm, die anstelle des § 66b Abs. 3 a. F. StGB getreten ist, auch dann anzuwenden sei, wenn im Anschluss an die Erledigungserklärung noch Freiheitsstrafe zu vollstrecken ist.

Die Generalstaatsanwaltschaft ist der Beschwerde der Staatsanwaltschaft Essen nicht beigetreten. Sie vertritt die Ansicht, dass in Art. 316 f Abs. 2 EGStGB eine eindeutige Regelung getroffen sei, nach der für Altfälle die Anwendung des § 66b Abs. 3 a.F. StGB nicht mehr möglich sei. Dies schließt sie aus der Formulierung in Art. 316f Abs. 2 S. 2 EGStGB:


"Die Anordnung oder Fortdauer der Sicherungsverwahrung (...) oder eine nachträglichen Anordnung der Sicherungsverwahrung, die nicht die Erledigung einer Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus voraussetzt, (...) ist nur zulässig, wenn beim Betroffenen eine psychische Störung vorliegt und aus konkreten Umständen in seiner Person oder seinem Verhalten eine hochgradige Gefahr abzuleiten ist, dass er infolge dieser Störung schwerste Gewalt und Sexualstraftaten begehen wird".

II.

Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Das Landgericht hat zu Recht und mit zutreffender Begründung den Erlass eines vorläufigen Unterbringungsbefehls abgelehnt. Es ist von dem zutreffenden Ansatz ausgegangen, dass grundsätzlich für die Altfälle der § 66b Abs. 3 StGB a. F. Anwendung findet. Die Ansicht der Generalstaatsanwaltschaft, durch die zitierte Formulierung in Art. 316 Buchst. f Abs. 2 EGStGB sei die Anwendung durch den Gesetzgeber gerade ausgeschlossen, trifft nicht zu. Mit dem einschränkenden Halbsatz: "die nicht die Erledigung einer Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus voraussetzt", wollte der Gesetzgeber nicht den §66b Abs. 3 StGB von der Anwendung für die Altfälle ausschließen. Vielmehr wollte er seine Anwendbarkeit erleichtern und ihn davon ausnehmen, dass als weitere Voraussetzung für die Unterbringung eine psychische Störung festgestellt werden musste und der verschärfte Prognosemaßstab gelten sollte. Dabei ging der Gesetzgeber offensichtlich davon aus, dass dieser verschärfte Prognosemaßstab, anders als in den anderen Fällen der nachträglichen Sicherungsverwahrung, deshalb keine Anwendung finden musste, weil durch die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus bereits eine potenziell unbefristete Maßregel angeordnet worden war und der Verurteilte somit nur ein geringeres schützenswertes Interesse hat (so auch Fischer, StGB, 62. Auflage § 66b Rn. 3 a. E.unter Verweis auf die Entscheidung OLG Frankfurt, NStZ 12,154 [OLG Frankfurt am Main 22.08.2011 - 3 Ws 761/11; 3 Ws 762/11]).

Diese Einschätzung des Gesetzgebers ist allerdings falsch. So hat das Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 6. Februar 2013 (2 BvR 2122 / 11, bei [...]) die oben zitierte Entscheidung des OLG Frankfurt aufgehoben. Es hat angeordnet, dass auch in den Fällen der Erledigung einer Unterbringung im psychiatrischen Krankenhaus der verschärfte Prognosemaßstab zu gelten hat. Auch in diesen Fällen genieße der Betroffene einen annähernd absoluten Vertrauensschutz (Bundesverfassungsgericht aao Rn. 27, 30, 42.).

Ob diese verschärften Prognosekriterien hier gegeben sind - die Staatsanwaltschaft ist bei ihrem Antrag von einem falschen Prognosemaßstab ausgegangen - kann letztlich dahinstehen, da aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung die Anwendung des § 66b Abs. 3 StGB a. F. ohnehin ausscheidet. Denn das Landgericht hat zu Recht auf die Entscheidung des Großen Senates abgestellt, nach der eine Unterbringung nach § 66b Abs. 3 StGB dann nicht erfolgen kann, wenn der Untergebrachte nach der Erledigungserklärung noch Strafhaft zu verbüßen hat. Entgegen der Ansicht der Staatsanwaltschaft Essen hat auch die Änderung in § 66 b S. 2 StGB neuer Fassung an dieser Rechtslage nichts geändert. Wie sich aus den von der Staatsanwaltschaft in ihrer Beschwerde zitierten Ausführungen in den Gesetzesmaterialien ergibt, erfolgte diese Klarstellung in § 66 b StGB deshalb, weil es nach den neuen Regeln eine nachträgliche Unterbringung nach den §§ 66b Abs. 1 und Abs. 2 StGB a. F. nicht mehr gibt. In den Neufällen kann daher eine Unterbringung nach diesen Normen nach Verbüßung von Strafhaft nicht erfolgen. Aus diesem Grunde bedurfte es dieser Klarstellung. Für die Vergangenheit, bei der eine Unterbringung nach Abs. 1 und 2 der alten Fassung möglich ist, hat es daher bei der Regelung entsprechend der Entscheidung des Großen Senates zu verbleiben.

Die Strafkammer hat auch zu Recht angenommen, dass im vorliegenden Fall eine Unterbringung gemäß dem § 66b Abs. 1 und 2 StGB a. F. mangels des Vorliegens der formellen Voraussetzungen ausscheidet. Dies ist auch von der Staatsanwaltschaft nicht angegriffen worden.

Daher war wie geschehen zu entscheiden.


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