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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 1 Ws 74/15 OLG Hamm

Leitsatz: Eine bereits ergangene Widerrufsentscheidung ist nicht allein deswegen aufzuheben, weil eine mögliche nachträgliche Gesamtstrafenbildung der zu Grunde liegenden Strafe mit einer Strafe aus einer anderen Erkenntnis bisher unterblieben ist und diese zunächst nachzuholen wäre.

Senat: 1

Gegenstand: Beschwerde

Stichworte: Strafaussetzung, Widerruf, Gesamtstrafenbildung

Normen: StGB 56f

Beschluss:

Strafsache
In pp.
hat der 1. Strafsenat des OLG Hamm am 03.03.2015 beschlossen:

Die sofortige Beschwerde wird mit der Maßgabe, dass die von dem Verurteilten abgeleisteten 300 Arbeitsstunden mit einem Monat und zwei Wochen auf die verhängte Gesamtfreiheitsstrafe angerechnet werden, auf Kosten des Verurteilten verworfen.

Gründe
I.
Das Amtsgericht Dortmund verhängte mit Urteil vom 02.12.2011 (rechtskräftig seit dem 10.12.2011) gegen den Beschwerdeführer (u.a. wegen diverser Betrugstaten) eine Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren. Die Vollstreckung der Gesamtfreiheitsstrafe setzte es zur Bewährung aus. Die Bewährungszeit wurde auf drei Jahre festgesetzt. Die dem Verurteilten mit dem Bewährungsbeschluss auferlegten 300 Arbeitsstunden leistete dieser vollständig ab.

Mit Urteil des Amtsgerichts Paderborn vom 23.10.2012, rechtkräftig seit dem 17.07.2013, wurde der Beschwerdeführer wegen "gemeinschaftlichen gewerbsmäßigen Betruges" zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt. Die zu Grunde liegende Tat hatte der Verurteilte am 30.08.2011 begangen. Diese Freiheitsstrafe verbüßte der Verurteilte teilweise vom dem 18.10.2013 bis zum 13.06.2014. Der Strafrest wurde durch Beschluss des Landgerichts Dortmund vom 08.05.2014 zur Bewährung ausgesetzt.

Das Amtsgericht Nürnberg verurteilte den Beschwerdeführer mit Urteil vom 04.08.2014 wegen Betruges in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sieben Monaten. Dem lag zu Grunde, dass der Verurteilte am 19.07.2013 und 23.08.2013 gegenüber Mitarbeitern der E AG in O und der DB Regio Werkstatt in O unter Vortäuschung einer tatsächlich nicht vorliegenden Berechtigung den Eindruck erweckt hatte, zum Abtransport von 1110 kg bzw. 751 kg Batterien berechtigt zu sein, was tatsächlich nicht der Fall war, und ihm daraufhin die Batterien ausgehändigt wurden, wodurch ein Gesamtschaden von 3.800 Euro entstand. Der Verurteilte verbüßt diese Strafe seit dem 12.08.2014 in der JVA E.

Mit dem angefochtenen Beschluss hat die Strafvollstreckungskammer die Strafaussetzung zur Bewährung wegen der vorgenannten neuen Straftaten widerrufen. Dagegen wendet sich der Verurteilte mit der sofortigen Beschwerde. Er trägt vor, dass bereits die Reststrafenaussetzung bzgl. der Strafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Paderborn widerrufen worden sei und er durch die bisherige Haftzeit und diesen Widerruf hinreichend beeindruckt sei.

Die Generalstaatsanwaltschaft Hamm hat beantragt, die sofortige Beschwerde als unbegründet zu verwerfen.

II.

Die sofortige Beschwerde hat nur zu einem kleinen Teil - bzgl. der bisher unterbliebenen Anrechnung der abgeleisteten Arbeitsauflage - Erfolg. Im Übrigen ist sie unbegründet.

1.

a) Soweit sich der Verurteilte gegen den Widerruf als solchen wendet, ist sein Rechtsmittel unbegründet. Es liegt der Widerrufsgrund nach § 56f Abs. 1 Nr. 1 StGB vor, weil der Verurteilte in der Bewährungszeit die zwei durch Urteil des Amtsgerichts Nürnberg abgeurteilten Taten begangen und dadurch gezeigt hat, dass die Erwartung, die der Strafaussetzung zu Grunde lag, nicht erfüllt hat.

Mildere Mittel als der Widerruf kamen vorliegend nicht in Betracht. Schon das Amtsgericht Dortmund hatte bei Verurteilung des Beschwerdeführers in vorliegender Sache die - kaum nachvollziehbare - Hoffnung, dass der seinerzeit schon vielfach vorbestrafte Verurteilte, der auch schon durch eine vollstreckte Jugendstrafe von einem Jahr und acht Monaten in den Jahren 2005 und 2006 Freiheitsentzug erlitten hatte, aufgrund der in der vorliegenden Sache verbüßten Untersuchungshaft hinreichend beeindruckt war. Dies war aber, wie die neuen Taten zeigen, nicht der Fall. Angesichts dieses Vorgeschehens ist nicht davon auszugehen, dass die zwischenzeitlich verbüßte Strafhaft den Verurteilten bereits soweit beeindruckt hat, dass darauf die Erwartung gestützt werden könnte, die bloße Verlängerung der Bewährungszeit (ggf. mit weiteren Auflagen oder Weisungen) wäre ausreichend, um ihn zu einem straftatenfreien Leben anzuhalten. Es bedarf vielmehr der nachdrücklichen Vollstreckung der Freiheitsstrafen.

b) Der Umstand, dass bisher eine (nachträgliche) Gesamtstrafenbildung aus den Einzelstrafen in der vorliegenden Sache und der Strafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Paderborn unterblieben ist, hindert den Widerruf nicht. Eine solche nachträgliche Gesamtstrafenbildung im Beschlusswege ist nach § 460 StPO möglich, da die Freiheitsstrafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Paderborn noch nicht vollständig vollstreckt ist (§ 55 StGB). Teilweise wird vertreten, dass sie sogar Vorrang vor einer Widerrufsentscheidung hat (KG Berlin NStZ 2007, 422 [KG Berlin 26.09.2005 - 1 AR 1033/05 - 5 Ws 430/05]; Klein in: Graf, StPO, 2.Aufl., § 460 Rdn. 12). Das ist im Grundsatz richtig. Ob daraus dann aber folgt, dass eine bereits ergangene Widerrufsentscheidung aufzuheben ist, um zunächst eine nachträgliche Gesamtstrafenbildung durchzuführen (so könnte man die Entscheidung KG Berlin NStZ 2007, 422 [KG Berlin 26.09.2005 - 1 AR 1033/05 - 5 Ws 430/05] verstehen), erscheint aber zweifelhaft. Ob ein Widerruf einer Strafaussetzung zu Recht erfolgt ist, bestimmt sich nach den Widerrufsvoraussetzungen des § 56f StGB. Aus § 460 StPO lässt sich - solange noch kein Gesamtstrafenbeschluss ergangen ist - eine Sperre für Einzelentscheidungen über an sich gesamtstrafenfähige Strafen nicht entnehmen. Die Regelung enthält nur das Gebot der nachträglichen Gesamtstrafenbildung, trifft aber keine Regelung dazu, was gilt, wenn zwar Gesamtstrafenfähigkeit gegeben ist, bisher aber eine Gesamtstrafe noch nicht gebildet wurde. Es mag arbeitsökonomisch unzweckmäßig sein, wenn zunächst über die Bewährungsfrage bzgl. einzelner einbeziehungsfähiger Strafen entschieden wird, weil bei der späteren Gesamtstrafenentscheidung ohnehin nach §§ 460 StPO, 55, 58 StGB erneut und ohne Bindung an die Vorentscheidungen nach dem zum Zeitpunkt der Beschlussfassung bestehenden Sachstand über die Aussetzung der dann gebildeten Gesamtfreiheitsstrafe zu entscheiden ist (BGH NJW 1982, 2311, 2312 [BGH 07.06.1982 - VIII ZR 139/81]; Klein, a.a.O., § 460 Rdn. 9). Rechtswidrig ist dies aber nicht. So ist auch anerkannt, dass bis zur Rechtskraft eines Gesamtstrafenbeschlusses die einzelnen Strafen ihre verfahrensrechtliche Eigenständigkeit behalten und auf ihrer Grundlage die Strafvollstreckung betrieben werden kann (KG Berlin NStZ-RR 2004, 286; Klein a.a.O. § 460 Rdn. 12). Wenn dem aber so ist, dann müssen auch gesonderte Entscheidungen, die sich auf die Vollstreckung der noch nicht zusammengeführten Strafen beziehen, möglich sein.

Dem Verurteilten entsteht durch eine solche Einzelentscheidung auch kein Nachteil. Der Widerruf hier hindert die Aussetzung der noch zu bildenden Gesamtstrafe grds. nicht (vgl. Graalmann-Scheerer, Löwe/Rosenberg, StPO, § 460 Rdn. 40; a.A. - nicht tragend - OLG Zweibrücken NJW 1968, 310). Bei der noch durchzuführenden Gesamtstrafenbildung ist über die Bewährungsfrage - wie oben ausgeführt - in Gänze neu zu entscheiden. Dabei ist das Gericht in seiner Entscheidung frei. Es kann sogar die neue Gesamtstrafe zu Bewährung aussetzen, wenn alle einbezogenen Strafen unbedingt verhängt worden waren (LG Berlin StV 2012, 614, 615 f.; Appl in: KK-StPO, 7. Aufl., § 460 Rdn. 25a; Graalmann-Scheerer in: Löwe/Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 460 Rdn. 39; Klein a.a.O., § 460 Rdn. 9; a.A.: Meyer-Goßner/Schmitt-Schmitt, StPO, 57. Aufl., § 460 Rdn. 17). Umgekehrt kann es die Strafaussetzung zur Bewährung verweigern, selbst wenn alle einbezogenen Strafen ausgesetzt waren (OLG Hamm MDR 1975, 948, 949 [OLG Hamm 03.06.1975 - 2 Ws 85/75]; Meyer-Goßner/Schmitt-Schmitt a.a.O.). Der jetzige Widerruf bedeutet also nichts anderes, als dass das Urteil i.V.m. dem Widerrufsbeschluss bis zu einer Gesamtstrafenentscheidung als Vollstreckungsgrundlage dienen kann.

2.

Die vom Verurteilten als Bewährungsauflage abgeleisteten 300 Arbeitsstunden waren nach § 56f Abs. 3 StGB auf die Strafe anzurechnen. Es sind keine Gründe ersichtlich, von einer Anrechnung abzusehen. Insbesondere hat der Verurteilte die Arbeitsstunden relativ zeitnah erbracht, obwohl der Bewährungsbeschluss keine Frist vorsah und auch ansonsten nicht hinreichend bestimmt abgefasst war ("nach Weisung des Bewährungshelfers").

Sollte die Strafvollstreckungskammer bei einer nachträglichen Gesamtstrafenbildung - was derzeit allerdings fernliegend erscheint - zu einer Strafaussetzung zur Bewährung kommen, wäre die vorliegende Anrechnungsentscheidung gegenstandslos. Die Anrechnung müsste dann bei einer späteren Widerrufsentscheidung erneut vorgenommen werden.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 1 StPO. Der geringfügige Erfolg des Rechtsmittels rechtfertigt keine Kostenquotelung.



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