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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 3 Ws 366/14 OLG Hamm

Leitsatz: Bei der Anordnung von Beschränkungen des Besuchs durch und des Schriftverkehrs mit Familienangehörigen ist das Interesse der Strafverfolgungsbehörden an der Verhinderung von Verdunklungshandlungen oder der Ausarbeitung von Fluchtplänen mit dem Grundrecht des Betroffenen aus Art. 6 Abs. 1 GG abzuwägen.

Senat: 3

Gegenstand: Beschwerde

Stichworte: Besuchsüberwachung, Familienangehörige, Sxchritverkehr, U-Haft

Normen: StPO 119

Beschluss:

Strafsache
In pp.
hat der 3. Strafsenat des OLG Hamm am 28.10.2014 beschlossen.

Der Beschluss des Vorsitzenden der 9. großen Strafkammer des Landgerichts Bielefeld wird insoweit aufgehoben, als die akustische Besuchsüberwachung bei Besuchen der Ehefrau des Angeklagten L und seiner Schwester C sowie die Überwachung des Schriftverkehrs der vorgenannten Personen entfällt.

Es wird klargestellt, dass die übrigen Anordnungen des vorgenannten Beschlusses einschließlich der optischen Besuchsüberwachung auf-rechterhalten bleiben.

Insoweit wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der dem Angeklagten entstandenen notwendigen Auslagen trägt die Staatskasse.


Gründe

I.

Der Angeklagte befindet sich - nach zwischenzeitlicher Haftverschonung - seit seiner vorläufigen Festnahme am 13. November 2013 in Untersuchungshaft.

Durch Urteil der 9. großen Strafkammer des Landgerichts Bielefeld vom 15. Januar 2014 ist der Angeklagte wegen unerlaubter Einfuhr in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 19 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 6 Jahren und 6 Monaten verurteilt worden.

Zuletzt hat die 9. große Strafkammer mit Beschluss vom 20. Februar 2014, gestützt auf die Haftgründe der Flucht- und Verdunkelungsgefahr, die Fortdauer der Unter-suchungshaft beschlossen. Die hiergegen gerichtete Haftbeschwerde hat der Senat mit Beschluss vom 27. März 2014 als unbegründet verworfen und ausgeführt, dass jedenfalls der Haftgrund der Fluchtgefahr besteht; ob zudem auch Verdunkelungs-gefahr vorliegt, hat der Senat offen gelassen.

Wegen der Prozessgeschichte wird auf den Inhalt der Senatsbeschlüsse vom 11. Februar 2014 und vom 27. März 2014 Bezug genommen.

Bereits mit Beschluss vom 13. November 2013 hat der Kammervorsitzende anläßlich des Vollzuges der Untersuchungshaft u.a. angeordnet, dass der Besuch des Ange-klagten optisch und akustisch und auch der Schriftverkehr zu überwachen sei.

Der Angeklagte hat unter dem 6. Juni 2014 durch seinen Verteidiger beantragt, die vorgenannten Anordnungen des Beschlusses vom 13. November 2013 aufzuheben. Mit Beschluss vom 8. Juli 2014 hat der Vorsitzende der 9. großen Strafkammer diesen Antrag als unbegründet zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner mit näheren Ausführungen begründeten Beschwerde vom 18. August 2014, der der Kammervorsitzende mit Beschluss vom 21. August 2014 nicht abgeholfen hat.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die Beschwerde als unbegründet zu verwerfen.

Auf die klarstellende telefonische Anfrage der Berichterstatterin vom 27. Oktober 2014 hat der Verteidiger erklärt, dass er seine Beschwerde auf die Anordnungen beschränke, die die Ehefrau des Angeklagten L und seine Schwester C betreffen.

II.

Die Beschwerde ist gemäß § 304 StPO statthaft und auch im Übrigen zulässig.

Sie hat in der Sache auch Erfolg, soweit sie sich auf die akustische Überwachung der Besuche der Ehefrau des Angeklagten L sowie seiner Schwester C bezieht; zudem ist auch die Überwachung des Schriftverkehrs des Angeklagten mit diesen Personen aufzuheben.

Auf die vorgenannten Personen ist das Beschwerdebegehren in der Beschwerde-instanz klarstellend durch den Angeklagten bzw. seinen Verteidiger beschränkt worden.

Im Übrigen ist die Beschwerde unbegründet; die optische Überwachung der Besuche seiner Ehefrau und seiner Schwester C ist aufrechtzuerhalten.

1.

Gemäß § 119 Abs. 1 S. 1 StPO können einem Untersuchungsgefangenen Beschränkungen auferlegt werden, soweit dies zur Abwehr einer Flucht-, Verdunkelungs- oder Wiederholungsgefahr (§§ 112, 112 a) erforderlich ist. Diese Beschränkungen können nicht nur auf die im Haftbefehl genannten, sondern auf alle Haftgründe i.S.d. §§ 112, 112 a StPO gestützt werden (vgl. Senatsbeschluss vom 25.02.2010 - III-2 Ws 18/10, [...]). Sie kommen auch zur Abwehr aller anderen Gefahren in Betracht, denen durch die Anordnung der Untersuchungshaft begegnet werden soll; insbesondere kann eine Maßnahme zur Vermeidung von Verdunkelungshandlungen auch dann getroffen werden, wenn der Haftbefehl nur auf den Haftgrund der Fluchtgefahr gestützt wurde (KK-Schultheis, StPO, 7.Aufl., § 119 Rdnr. 8; KG Beschluss vom 7.2.2012 - III - 4 Ws 11/12). Der Untersuchungsgefangene darf unter Berücksichtigung der Unschuldsvermutung nur den unvermeidlichen Haft-beschränkungen unterworfen werden, die dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ge-recht werden. Grundrechtsbeschränkungen aufgrund des § 119 Abs. 1 StPO sind danach nur zulässig, wenn der Haftzweck real gefährdet ist und dieses öffentliche Interesse nicht mit weniger einschneidenden Mitteln geschützt werden kann (vgl. BVerfG, NJW 1981, 1943 [BVerfG 05.02.1981 - 2 BvR 646/80]; BVerfG, Beschluss vom 4. Februar 2009 - 2 BvR 455/08).

Von dem Haftgericht ist in jedem Einzelfall jede Anordnung auf ihre konkrete Erforderlichkeit zu prüfen und zu begründen, § 34 StPO (vgl. KK-Schultheis, a.a.O., § 119 Rdnr. 7; HK-StPO-Posthoff, § 119, Rdnr. 7 m. zahlr. w.N.; Senatsbeschluss vom 13.12.2011 - 3 Ws 406/11).

2.

Die Anordnung der optischen und akustischen Besuchsüberwachung stellt einen ganz erheblichen Eingriff in die persönliche, durch Art. 2 Abs. 2 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG geschützten Lebensbereich sowohl des Gefangenen als auch des Besuchers dar, wobei der akustischen Überwachung eine noch höhere Eingriffsqualität als der optischen Überwachung zukommt. Bei diesen Anordnungen muss geprüft werden, ob im Einzelfall konkrete Anhaltspunkte für einen Missbrauch nicht überwachter Be-suche, die eine Gefährdung des Haftzwecks begründen, vorliegen.

a)

Die hier angegriffenen Anordnungen sind im Anordnungsbeschluss vom 13.11.2013 damit begründet worden, dass die Beschränkung zur Abwehr aller Gefahren, denen durch die Anordnung der Untersuchungshaft begegnet werde, auch unter Berücksichtigung der Haftgründe, erforderlich sei. Insbesondere die hohe Straferwartung mache es erforderlich, die angeordneten Beschränkungen zu treffen. Der angefochtene Beschluss des Vorsitzenden vom 08.07.2014, mit dem der Aufhebungsantrag des Angeklagten hinsichtlich der optischen und akustischen Überwachung der Besuche und der Überwachung des Schriftverkehrs abgelehnt worden ist, führt aus, dass konkrete Anhaltspunkte dafür bestünden, dass nicht überwachte Besuche und nicht überwachter Schriftverkehr zur Vorbereitung und Förderung von Fluchtplänen ausgenutzt werden könnten. Denn der Angeklagte habe in massiver Weise auf den Zeugen L2 eingewirkt, um ihn zu der entlastenden Aussage vor der Kammer zu bewegen. Die Art und Weise dieser auf das Ziel der Beweisvereitelung gerichteten Einflussnahme zeige, dass der Angeklagte ein ganz erhebliches Interesse daran habe, der Verurteilung und dem damit verbundenen langjährigen Strafvollzug zu entgehen und zu diesem Zweck bereit sei, notfalls gewaltsame und raffinierte Mittel einzusetzen, wenn er sich davon Erfolg verspreche. Angesichts dieses Verhaltens erscheine es durchaus wahrscheinlich, dass der Angeklagte auch zum Mittel der Flucht greifen werde, um sich der ihm drohenden Strafvollstreckung zu entziehen. Dies bedeute zugleich, dass der Angeklagte mit hoher Wahrscheinlichkeit alles daran setzen werde, seine Kontakte nach außen in Form von Besuchen und Schriftverkehr zur Vorbereitung einer Flucht zu nutzen, würde ihm dies nicht durch die erforderliche Kontrolle unmöglich gemacht; überdies bestehe nach Auffassung des Vorsitzenden nach wie vor Verdunkelungsgefahr, soweit es um die weitere Beeinflussung des Zeugen L2 gehe, worauf es daneben aber nicht mehr ankomme.

b).

Diese Begründung ist jedenfalls nicht geeignet, die Anordnung der akustischen Besuchsüberwachung hinsichtlich der engen Angehörigen des Angeklagten, nämlich seiner Ehefrau L und seiner Schwester C, zu rechtfertigen. Sie lässt nämlich eine hinreichende Erwägung aller Umstände des vorliegenden Einzelfalls nicht erkennen:

Zwar hat die Kammer berücksichtigt, dass der Angeklagte wegen einer Vielzahl schwerer Verbrechen gegen das Betäubungsmittelgesetz inzwischen - nicht rechtskräftig - zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 6 Jahren und 6 Monaten verurteilt worden ist. Er ist der im Urteil der Strafkammer festgestellten 19 Taten der unerlaubten Einfuhr in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge dringend verdächtig. Insoweit wird auf die Gründe des Urteils der 9. Strafkammer vom 15.01.2014 Bezug genommen. Dabei fällt auch ins Gewicht, dass die Ehefrau des Angeklagten L an der Begehung dieser Taten in erheblicher Weise mitgewirkt hat; sie hat nach den Feststellungen der Kammer von Anfang November 2011 bis zum 02.08.2012 die Drogenbeschaffungsfahrten in die D in allen Fällen auf Veranlassung ihres Ehemannes durchgeführt, wobei ihr in D 18 Mal jeweils 300 g Heroin und 75 g Kokain sowie Streckmittel und in einem Fall 300 g Heroin, 50 g Kokain und Streckmittel übergeben wurden, die sie nach Deutschland zum teilweisen Eigenverbrauch für sich und den Angeklagten und zum gewinnbringenden Weiterverkauf einführte. Zu berücksichtigen ist auch, dass der Angeklagte selbst im Strafverfahren keine Angaben zur Sache gemacht hat und während der laufenden Hauptverhandlung massive Verdunkelungshandlungen gegen den Hauptbelastungszeugen L2 beging, die am 13. November 2013 zur Wiederinvollzugsetzung des bis dahin ausgesetzten, zunächst nur auf Fluchtgefahr und sodann auch auf Verdunkelungsgefahr gestützten Haftbefehls durch die Strafkammer führten. Wegen der Einzelheiten wird insoweit auf den Senatsbeschluss vom 11.02.2014 verwiesen. Die Umstände der von dem Ange-klagten begangenen Verdunkelungshandlungen sind von der Strafkammer - ohne Rechtsfehler - in die Gesamtbetrachtung einbezogen worden, auch wenn die Haft-fortdauer nach Erlass des Urteils vom 15.01.2014 maßgeblich auf den Haftgrund der Fluchtgefahr zu stützen ist, und nicht mehr auf den Haftgrund der Verdunkelungs-gefahr, wie der Senat in seinem Beschluss vom 27. März 2014 ausgeführt hat.

c)

Allerdings wendet sich der Beschwerdeführer - nach Beschränkung seiner Beschwerde - allein gegen die Überwachung der Besuche seiner Ehefrau und seiner Schwester C. Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutz des Grundgesetzes gemäß Art. 6 Abs. 1 GG. Diesem besonderen grundrechtlichen Schutz ist auch im Rahmen des § 119 Abs. 1 StPO Rechnung zu tragen; dem Schutz von Ehe und Familie als wertentscheidender Grundsatznorm kommt auch im Haft-vollzug besondere Bedeutung zu (vgl. BVerfGE 42, 95 [BVerfG 06.04.1976 - 2 BvR 61/76]). Jede Untersuchungshaft von längerer Dauer stellt für die Beziehungen des Betroffenen zu seiner Familie regel-mäßig eine empfindliche Belastung dar. Der Vollzug beeinträchtigt die notwendige Kommunikation zwischen dem Inhaftierten und seinen in Freiheit lebenden Ange-hörigen und kann dazu beitragen, dass sie einander tiefgreifend entfremdet werden. Aufgabe des Staates ist es, in Erfüllung seiner verfassungsrechtlichen Pflicht, für die Erhaltung von Ehe und Familie zu sorgen, solche nachteiligen Auswirkungen des Freiheitsentzuges im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren, aber auch unter angemessener Beachtung der Belange der Allgemeinheit, zu begrenzen (vgl. BVerfGE 42, 95 ff. [BVerfG 06.04.1976 - 2 BvR 61/76]). Eingriffe in diesen grundgesetzlich geschützten Bereich bedürfen der Prüfung der insoweit relevanten Umstände des Einzelfalles. Dabei ist nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit auch die Prüfung geboten, inwieweit nicht dem Haftgrund bereits durch die Inhaftierung des Angeklagten ausreichend be-gegnet wird (vgl. KK-Schultheis, a.a.O., § 119 Rdnr. 10; VerfGH Berlin, NStZ-RR 2011, 94; OLG Köln, StV 2011, 743).

d)

Der Angeklagte hat vorliegend bisher keinerlei Anstalten unternommen, sich dem Verfahren durch Flucht zu entziehen. Er hat sich seinerseits den Ermittlungsbe-hörden und dem Strafverfahren gestellt, bis es wegen der von ihm zum Nachteil des Zeugen L2 verübten massiven Verdunkelungshandlungen zur Wiederinvoll-zugsetzung des Haftbefehls kam. Die Ehefrau des Verurteilten ist zwar selbst er-heblich in die dem Angeklagten vorgeworfenen Taten verstrickt, allerdings hat die Kammer ihre Feststellungen auf die Angaben der Ehefrau nicht stützen können, weil diese von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht aus § 52 Abs. 1 Nr. 2 StPO Gebrauch gemacht und auch der Verwertung ihrer polizeilichen Aussage widersprochen hat. Anhaltspunkte dafür, dass der Angeklagte nunmehr mit Hilfe seiner Ehefrau und/oder seiner an dem Strafverfahren völlig unbeteiligten Schwester C Anstren-gungen unternimmt oder unternehmen wird, seine Flucht vorzubereiten oder Ver-dunkelungshandlungen vorzunehmen, die geeignet wären, im Falle einer erneut erforderlich werdenden Hauptverhandlung nach Aufhebung des Kammerurteils das Verfahren zu beeinträchtigen, liegen in keiner Weise vor. Der gegebenen Fluchtge-fahr und einer evtl. bestehenden Verdunkelungsgefahr ist bereits durch die In-haftierung des Angeklagten in erheblichem Maße begegnet. Konkrete Anhaltspunkte für eine geplante Flucht des Angeklagten bestehen nicht. Seine Verdunkelungshand-lungen bezogen sich bislang allein auf die Aussage des Hauptbelastungszeugen L2. Dass der Angeklagte Anstalten unternommen hätte, seine Ehefrau im Sinne einer Zeugnisverweigerung für den Fall einer evtl. erneuten Hauptverhandlung unter Druck zu setzen, bestehen nicht und waren auch in der Vergangenheit nicht ersichtlich. Seine Schwester C ist - wie bereits ausgeführt - an dem Verfahren in keiner Weise beteiligt; auch insoweit liegen keinerlei Anhaltspunkte für einen Missbrauch eines akustisch nicht überwachten Besuches vor. Desweiteren liegen auch keinerlei Anhaltspunkte dafür vor, dass der Angeklagte unter Mitwirkung seiner genannten engen Angehörigen beabsichtigt oder sich dahin betätigt hat, weitere einschlägige Straftaten aus der Haft heraus zu verabreden oder zu steuern.

Bei Würdigung dieser Umstände, die die Strafkammer ersichtlich nicht erwogen hat, kann die akustische Besuchsüberwachung keinen Bestand haben. Das Gewicht des auf Seiten des Angeklagten bestehenden Grundrechts aus Art. 6 Abs. 1 GG überwiegt das staatliche Interesse an der Sicherung des Verfahrens durch die getroffene Beschränkung. Der Umstand allein, dass ein möglicher Missbrauch des Freiheitsrechtes nicht völlig auszuschließen ist, reicht bei der gebotenen, den Grundrechten Rechnung tragenden Auslegung nicht aus, um eine derartige Beschränkung anzuordnen (vgl. BVerfG, StV 2009, 253; StV 2008, 259; HK-StPO-Posthoff, § 119 Rdnr. 8 m. zahlr. w.N.). Die akustische Besuchsüberwachung als der im Verhältnis zur optischen Besuchsüberwachung schwerwiegendste Eingriff ist daher hinsichtlich der genannten zwei engen Angehörigen des Angeklagten, seiner Ehefrau und seiner namentlich genannten Schwester, aufzuheben.

3.

Dies gilt auch für die angeordnete Überwachung des Schriftverkehrs mit diesen beiden genannten Angehörigen. Diese Anordnung hält der beschwerderechtlichen Überprüfung nicht Stand, da es auch insoweit an konkreten Anhaltspunkten für eine Gefährdung des Haftzwecks fehlt. Auch das Recht auf freien, d.h. unüberwachten und unkontrollierten Briefverkehr mit der Ehefrau und Familienangehörigen, ist in Art. 6 Abs. 1 GG verankert (vgl. BVerfGE NJW 2004, 1095 [BVerfG 07.10.2003 - 2 BvR 2118/01]; HK-StPO-Posthoff, § 119 Rdnr. 18). Beschränkungen dieses grundgesetzlichen Freiheitsrechtes bedürfen der Darlegung konkreter Anhaltspunkte für eine Gefährdung des Haftzwecks mit konkretem Tatsachenbezug. Diesen Anforderungen wird der angefochtene Beschluss, durch den die Beschränkung des Schriftverkehrs mit den engen Angehörigen nicht näher begründet worden ist, nicht gerecht. Demgemäß überwiegt aus den dargetanen Gründen auch insoweit das grundgesetzlich geschützte Recht des Angeklagten auf Schutz von Ehe und Familie gemäß Art. 6 Abs. 1 GG. Dies führt zur Aufhebung der Anordnung der Überwachung des Schriftverkehrs mit den genannten beiden engen Angehörigen des Angeklagten.

4.

Demgegenüber hat es bei der optischen Überwachung des Besuchs auch dieser genannten engen Angehörigen des Angeklagten zu verbleiben.

Die optische Besuchsüberwachung stellt einen deutlich weniger gravierenden Grund-rechtseingriff als die akustische dar, weil die Vertraulichkeit des gesprochenen Wortes unberührt bleibt (vgl. HK-StPO-Posthoff, § 119 Rdnr. 15). Diese Maßnahme ist zur Vermeidung von Fluchtvorbereitungen unvermeidlich. Bei dem Angeklagten besteht aufgrund der gegen ihn verhängten - nicht rechtskräftigen - Freiheitsstrafe von 6 Jahren und 6 Monaten ein hoher Fluchtanreiz. Der Anreiz zu fliehen und unterzutauchen wird noch dadurch verstärkt, dass der Angeklagte in seinem bis-herigen Lebenskreis vor der Haft über keinerlei tragfähige berufliche Einbindung und keine auskömmliche legale Erwerbsquellen verfügte. Er ist zudem - wie seine Ehefrau - hochgradig abhängig von harten Drogen, was seine Bereit- schaft, sich dem drohenenden langjährigen Strafvollzug zu stellen, durchaus relativieren könnte. Die optische Besuchsüberwachung ist geeignet sicherzustellen, dass dem Ange-klagten auch von seinen engen Angehörigen keine fluchterleichternden Gegenstände oder Mittel, etwa ein Handy oder Bargeld, übergeben werden, die dem Haftzweck zuwider laufen. Die optische Kontrolle der Besuche gewährleistet, dass eine Überga-be von Gegenständen an den Angeklagten der regulären vollzuglichen Überprüfung im Einzelnen unterzogen werden muss. Angesichts der weiterhin bestehenden er-heblichen Fluchtgefahr sind die mit der optischen Besuchsüberwachung einher-gehenden Beeinträchtigungen des Angeklagten und seiner Besucher in ihrer grund-gesetzlich geschützten Position erforderlich, aber auch verhältnismäßig und zumut-bar. Unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere des Haftzwecks und der Tatsache, dass diese Beeinträchtigung im Verhältnis zur akustischen Besuchsüber-wachung eine deutlich geringere Eingriffsqualität aufweist, ist hiergegen aus Rechts-gründen nichts zu erinnern (vgl. OLG Hamm, NStZ-RR 2010, 221 [OLG Hamm 09.02.2010 - 3 Ws 45/10]).

5.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 467 StPO analog; da der Angeklagte sein Be-schwerdeziel im wesentlichen erreicht hat, erscheint es angemessen und geboten, der Staatskasse die Kosten des Verfahrens einschließlich der notwendigen Auslagen des Angeklagten aufzuerlegen.


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