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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 1 Ws 148/15 OLG Hamm

Leitsatz: Eine fehlende zeitnahe Anhörung des Verurteilten durch das über den Widerruf einer Strafaussetzung zur Bewährung entscheidende Gericht (konkreter Abstand zwischen Anhörung und Widerruf: ca. 3/4 Jahr) führt im Beschwerdeverfahren nicht zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache, denn das Beschwerdegericht trifft eine eigene Sachentscheidung und kann die bis zu seiner Entscheidung vorgetragenen weiteren Umstände dabei berücksichtigen.


Senat: 1

Gegenstand: Revision Rechtsbeschwerde Beschwerde Haftprüfung durch das OLG Pauschgebühr Justizverwaltungssache Antrag auf gerichtliche Entscheidung

Stichworte: Anhörung, zeitlicher Abstand, Widerrufsentscheidung

Normen: StPO 453

Beschluss:

Strafsache
In pp.
hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgericht Hamm am
21.04.2015 beschlossen:
Die sofortige Beschwerde wird auf Kosten des Verurteilten (§ 473 Abs. 1 StPO) verworfen.

Gründe
I.
Der Verurteilte wendet sich mit seinem Rechtsmittel gegen den Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung.

Das Amtsgericht Rheine verurteilte den Beschwerdeführer durch Urteil vom 15.03.2013 wegen Wohnungseinbruchsdiebstahls zu einer Freiheitsstrafe von
8 Monaten. Die Vollstreckung der Freiheitsstrafe setzte es zur Bewährung aus. Das Urteil wurde am 27.03.2013 rechtskräftig. Die Bewährungszeit wurde auf drei Jahre festgesetzt. Gleichzeitig erteilte das Amtsgericht Rheine dem Beschwerdeführer eine Arbeitsauflage von 150 Stunden und gab ihm auf, der Bewährungshelferin jeden Wohnungswechsel unverzüglich mitzuteilen.

Das Amtsgericht Dortmund, welches zwischenzeitlich die Bewährungsaufsicht übernommen hatte, verlängerte mit Beschluss vom 28.08.2013 die Bewährungszeit um ein Jahr, weil der Verurteilte seiner Pflicht, jeden Wohnsitzwechsel unverzüglich anzuzeigen, nicht nachgekommen war.

Im Januar 2014 übernahm die Strafvollstreckungskammer bei dem Landgericht Dortmund die Bewährungsaufsicht, weil der Beschwerdeführer in der JVA D eine Freiheitsstrafe verbüßte. Dieser lag eine Verurteilung vom 15.10.2013 durch das Amtsgericht Osnabrück zugrunde, welches den Beschwerdeführer wegen Diebstahls in 2 Fällen zu einer Freiheitsstrafe von 3 Monaten und 2 Wochen verurteilt hatte. Bei den zugrundeliegenden Taten handelte es sich um im Oktober 2013 begangene Ladendiebstähle.

Im Hinblick auf diese Verurteilung hörte die Strafvollstreckungskammer den Verurteilten am 02.04.2014 schriftlich zum erwogenen Widerruf, den die Staatsanwaltschaft beantragt hatte, an.

Mit dem angefochtenen Beschluss hat die Strafvollstreckungskammer die Strafaussetzung aus dem Urteil des Amtsgerichts Rheine vom 15.03.2013 nach § 56f Abs. 1 Nr. 1 StGB widerrufen.

Eine Zustellung des Beschlusses war zunächst aufgrund eines weiteren Wohnungswechsels nicht möglich. Erst am 15.01.2015 erschien der Verurteilte bei der Bewährungshelferin und teilte seine neue Anschrift sowie den Umstand, dass er weiterhin im L-Lager in Dortmund arbeite, mit. Hierbei händigte die Bewährungshelferin ihm eine Kopie des Widerrufsbeschlusses aus.

Mit Schriftsatz vom 19.01.2015, eingegangen beim Landgericht Dortmund am selben Tage, meldete sich Rechtsanwalt J als Verteidiger des Verurteilten, beantragte Akteneinsicht und legte gegen den Beschluss des Landgerichts Dortmund sofortige Beschwerde ein. Mit weiterem Schreiben vom 27.01.2015 legte er, nach an diesem Tage an ihn erfolgter Zustellung des Beschlusses vom 29.12.2014, erneut sofortige Beschwerde ein und verwies auf seinen Schriftsatz vom 19.01.2015.

Die Generalstaatsanwaltschaft Hamm hat beantragt, die sofortige Beschwerde als unbegründet zu verwerfen.

II.
Die gemäß § 453 Abs. 2 S. 3 StPO, § 56 f StGB statthafte und gemäß §§ 306 Abs. 1, 311 Abs. 2 StPO form- und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde ist zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg.

Die Strafvollstreckungskammer hat die Strafaussetzung zur Bewährung zu Recht und mit zutreffender Begründung widerrufen, weil der Verurteilte in der Bewährungszeit eine neue Straftat, nämlich Diebstahl in zwei Fällen, begangen und dadurch gezeigt hat, dass sich die Erwartung, die der Strafaussetzung zugrunde lag, nicht erfüllt hat (§ 56f Abs. 1 Nr. 1 StGB).

Mildere Mittel i.S.d. § 56 f Abs. 2 StGB standen hier zur Abwendung des Widerrufs angesichts der schnellen Rückfallgeschwindigkeit und der Einschlägigkeit der Rückfalldelikte nicht zur Verfügung. Insbesondere ist auch zu berücksichtigen, dass sich der Verurteilte in der Vergangenheit immer wieder der Bewährungsaufsicht entzogen hat, also mit den Mitteln der Bewährung auch nur sehr begrenzt erreichbar ist. So wurde seitens der Bewährungshilfe im Juli 2013 berichtet, dass kein Kontakt zum Verurteilten bestehe und dieser offenbar unter der zuletzt bekannten Anschrift nicht wohne. Auch im November 2013 teilte sie mit, dass kein Kontakt zum Verurteilten bestehe. Von April 2014 bis September 2014 konnte seitens der Bewährungshilfe wiederum kein Kontakt zum Verurteilten hergestellt werden. Schließlich konnte der Widerrufsbeschluss unter der seinerzeit bekannten Anschrift an den Verurteilten selbst (zunächst) nicht zugestellt werden, weil er unter dieser Anschrift nicht zu ermitteln war. Auch dem Umstand, dass er laut Mitteilung der Bewährungshilfe Arbeit hat, kommt keine entscheidende Bedeutung zu, denn auch zum Zeitpunkt der beiden geschilderten Verurteilungen war er zumindest aushilfsweise erwerbstätig.

Der Verurteilte hat zwar in anderer Sache inzwischen erstmals Strafhaft verbüßt, was ggf. auch ein Umstand sein könnte, vom Widerruf abzusehen, wenn erkennbar wäre, dass ihn die erfahrene Strafhaft so stark beindruckt hat, dass davon ausgegangen werden könnte, dass auch ohne weitere Strafvollstreckung vom Verurteilten keine neuen Straftaten mehr drohen (vgl. OLG Hamm, Beschl. v. 20.10.2009 – 3 Ws 386/09 – juris). Das ist aber hier angesichts der fehlenden Zusammenarbeit mit der Bewährungshilfe im Jahre 2014 – auch nach verbüßter Strafhaft – nicht ersichtlich. Der Umstand, dass die zuletzt erfolgte Verurteilung des Beschwerdeführers inzwischen nahezu 1 ½ Jahre zurückliegt, hindert einen Widerruf nicht. Das Gesetz sieht jedoch eine Frist für die Möglichkeit des Widerrufs nach Rechtskraft einer neuen Verurteilung nicht vor (vgl. Fischer, StGB, 61. Aufl., § 56 f Rn. 19a m.w.N.).

Auch Vertrauensschutzgesichtspunkte stehen einem Widerruf nicht entgegen. Zwar erfolgte der Widerruf erst knapp neun Monate nach der Anhörung des Verurteilten zur Widerrufsfrage.

Formal ist damit dem Anhörungsgebot des § 453 Abs. 1 StPO Rechnung getragen worden. Neue (nach dem Anhörungstermin liegende) Entwicklungen im Leben des Verurteilten bzw. neues Vorbringen seinerseits kann der Senat im Beschwerdeverfahren berücksichtigen (und hat dies auch getan), da das Beschwerdegericht nach § 309 StPO eine umfassende eigene Sachentscheidung trifft. Der Senat teilt deshalb insoweit nicht die Auffassung des 2. Strafsenats des hiesigen Oberlandesgerichts (StV 2001, 413 f.), dass bei fehlender zeitnaher Anhörung des Verurteilten (konkreter zeitlicher Abstand zwischen Anhörung und Widerrufsbeschluss: vier Monate) allein deswegen schon eine Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und eine Zurückverweisung der Sache geboten wäre.

Angesichts der erfolgten Anhörung im April 2014 und angesichts des Umstandes, dass der Verurteilte in der Folgezeit für die Bewährungsaufsicht nicht erreichbar war, konnte sich beim ihm bis zum Erlass der angefochtenen Entscheidung kein schutzwürdiges Vertrauen darauf, dass der Bewährungsverstoß unsanktioniert bliebe, bilden. Der Senat kann daher dahinstehen lassen, ob ein solches Vertrauen überhaupt in schutzwürdiger Weise entstehen kann, solange die Bewährungszeit noch nicht abgelaufen ist.



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