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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 1 RBs 1/15 OLG Hamm

Leitsatz: 1. Zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung gehört auch, dass ein Stadtbild nicht durch sog. „wildes Plakatieren“ verschandelt oder verschmutzt wird.
2. Durch ordnungsbehördliche Verordnung (konkret: § 4 der OBV der Stadt Siegen) kann das auf kurze Zeit angelegte Anbringen von Plakatwerbung im (privaten) Angrenzungsbereich zu Verkehrsflächen (z.B. an Zäunen) untersagt werden.


Senat: 1

Gegenstand: Revision Rechtsbeschwerde Beschwerde Haftprüfung durch das OLG Pauschgebühr Justizverwaltungssache Antrag auf gerichtliche Entscheidung

Stichworte: Plakatwerbung, Privatgrundstück, ordnungsbehördliche Verordnung, Angrenzungsbereich, Verkehrsfläche

Normen: OBG NW 1; OBG NW 27; OBG NW 31; BauO NW 86; StrWG NW 18; StrWG NW 19; StrWG NW 19a

Beschluss:

Bußgeldsache
In pp.
hat der 1. Senat für Bußgeldsachen des OLG Hamm am 22.09.2015 beschlossen:

Die Sache wird gemäß § 80 Abs. 3 S. 1 OWiG dem 1. Senat für Bußgeldsachen in der Besetzung mit drei Richtern übertragen.
(Entscheidung der zuständigen Einzelrichterin gemäß § 80a Abs. 1 OWiG).

Die Rechtsbeschwerde wird als unbegründet verworfen.

Die Kosten der Rechtsbeschwerde trägt der Betroffene (§ 46 Abs. 1 OWiG, § 473 Abs. 1 StPO).

Gründe:
I.
Der Betroffene ist durch Urteil des Amtsgerichts Siegen vom 15.10.2014 „wegen jeweils vorsätzlicher Zuwiderhandlung zwischen dem 16.01.2014 und 17.02.2014 gegen das Verbot, ohne Erlaubnis Veranstaltungshinweise und sonstiges Werbematerial an den im Angrenzungsbereich zu den Verkehrsflächen gelegenen Einfriedungen, Hauswänden und sonstigen Einrichtungen innerhalb des Stadtgebietes der Stadt T anzubringen“, zu einer Geldbuße von 500 EUR verurteilt worden, wobei ihm gestattet worden ist, die Geldbuße in monatlichen Teilbeträgen von 100 EUR jeweils bis zum 5. eines Monats, beginnend mit der Rechtskraft des Urteils, zu zahlen.

Nach den Urteilsfeststellungen ist der Betroffene Einzelunternehmer in T und betreibt die Firma K in der Form einer GmbH, die Medienwerbung für Veranstaltungen anbietet. Der Betroffene ist Alleingesellschafter der GmbH und bestimmt als alleiniger Geschäftsführer auch die Geschäfte der GmbH.

Zur Sache hat das Amtsgericht folgende Feststellungen getroffen:

„Im Zeitraum zwischen dem 16.01.2014 und 17.2.2014 hat der Betroffene jeweils Plakate für die Veranstaltung "X" am 22./23.02.2014 in der T-Halle an einem Zaun im Stadtgebiet der Stadt T an folgenden Stellen jeweils unmittelbar am öffentlichen Gehweg der öffentlichen Straße aushängen lassen:
an einem Bauzaun in der L-Straße gegenüber Haus Nr. 111,
an einem Maschendrahtzaun in T, C1-Straße/Ecke 2,
an einen Lattenzaun in der C-Straße, gegenüber Zufahrt des Aldi-Marktes,
an einem Mattenzaun in der M-Straße neben der Hausnummer 39,
einmal unmittelbar am Gehweg und einmal seitlich zum Gehweg,
an einen Gitterzaun in der G Straße gegenüber Hausnummer 80, Bushaltestelle T2,
an einem Mattenzaun in der Oberstadt, gegenüber Bushaltestelle I,
an einen Stahlgitterzaun in der T-Straße neben dem Imbiss B.

Der Betroffene hat die Plakate nicht selbst angebracht, sondern jeweils durch den Zeugen U von der Firma Q anbringen lassen und zwar entsprechend der Anweisung des Betroffenen an sie an bestimmten Privatgrundstücken von deren Eigentümern der Betroffene zuvor die dazu erforderliche privatrechtliche Zustimmung eingeholt hatte. Dabei bezog sich die Anweisung des Betroffenen jeweils auf eine bestimmte Veranstaltung - wie oben aufgeführt - ‚ da für diese Veranstaltung jeweils unter anderen im gesamten Stadtgebiet der Stadt T durch eine Mehrzahl von Plakaten Plakatwerbung vor der Veranstaltung betrieben werden sollte. Die Plakate werden frühestens erst nach Durchführung der jeweiligen Veranstaltung abgenommen.

Der Betroffene wurde durch Schreiben der Ordnungsbehörde vom 24.02.2014 zu diesen Sachverhalt angehört und ihm wurde unter anderem mitgeteilt, dass gemäß § 4 Abs. 1 Buchst. OBV die Verteilung und Anbringung von Werbematerial auf Verkehrsflächen und in öffentlichen Anlagen sowie auf den im angrenzenden Bereich zu den Verkehrsflächen und Anlagen gelegenen Einfriedungen, Hauswänden und sonstigen Einrichtungen verboten ist und dass gemäß § 14 Abs. 1 Nr. 5 oder OBV ordnungswidrig handelt, wer vorsätzlich oder fahrlässig entgegen der vorgenannten Vorschrift handelt. Wegen dieses Verstoßes hat die Stadt T bereits in mehreren Fällen den Betroffenen angehört und gegen ihn Bußgeldbescheide verhängt und zwar zumindest in folgenden vorangegangenen Fällen:

Datum der
Anhörung Bußgeldbehörde
Bußgeldbescheid
Höhe
Beworbenen
durch Schreiben vom
vom
Bußgeld in
Veranstaltung

6./7. 10. 2012
7.3.2012
30.7.2013
360
7/8. 9. 2012
20. 12. 2012
19. 6. 2013
270
03.11.2012
28.09.2012
26.03.2013
360
450
360
18
Die Entscheidung enthält an dieser Stelle ein Bild oder eine Grafik.5. 5. 2014
21. 3. 2014
3. 4. 2014
30
25/26.05.2013
24.7.2013
23 1.2014
450
14.04.2014
04.04.2014 20.03.2014
22.05.2014, 04.04.2014
30 Vf. läuft
15./16.03.2014
03.03.2014
21.3. 2014
22.05.2014 04.04.2014
40 Vf. läuft „„Läuft„
Das Amtsgericht hat den Betroffenen eines vorsätzlichen Verstoßes gegen § 4 Abs. 1 der ordnungsbehördlichen Verordnung der Stadt T vom 28.11.2001, zuletzt geändert durch Verordnung vom 14.11.2007, für schuldig befunden. Gestützt auf § 14 der Verordnung, wonach u.a. ordnungswidrig handelt, wer vorsätzlich oder fahrlässig entgegen § 4 ohne Erlaubnis Plakate, Flugblätter, Hinweise und Werbematerial anbringt (Abs. 1 Nr. 5 der Vorschrift), und Ordnungswidrigkeiten nach den Bestimmungen des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten geahndet werden können, wobei für fahrlässige Zuwiderhandlungen die Geldbuße von 10 bis 250 EUR und für vorsätzliche Zuwiderhandlungen 10 bis 500 EUR beträgt (Abs. 3 der Vorschrift i. V. m. § 17 OWiG), hat das Amtsgericht wegen dieses Verstoßes gegen den Betroffenen eine Geldbuße in Höhe von 500 EUR verhängt.

§ 4 der ordnungsbehördlichen Verordnung lautet wie folgt:
„Werbung und Plakate
(1) Es ist verboten, auf Verkehrsflächen und Anlagen – insbesondere an Bäumen, Haltestellen und Wartehäuschen, Strom- und Ampelschaltkästen, Lichtmasten, Signalanlagen, Verkehrszeichen und sonstigen Verkehrseinrichtungen, an Abfallbehältern und Sammelcontainer, und an sonstigen an den im Angrenzungsbereich zu den Verkehrsflächen und Anlagen gelegenen Einfriedungen, Hauswänden und sonstigen Einrichtungen und Gegenständen Flugblätter, Druckschriften, Handzettel, Geschäftsempfehlungen, Veranstaltungshinweise und sonstiges Werbematerial anzubringen, zu verteilen oder zugelassene Werbeflächen durch überkleben, übermalen oder in sonstiger Art und Weise zu überdecken.
(2) Ebenso ist es untersagt, die in Absatz 1 genannten Flächen, Einrichtungen und Anlagen zu bemalen, zu besprühen, zu beschriften, zu beschmutzen oder in sonstiger Weise zu verunstalten.
(3) Das Verbot gilt nicht, für die von der Stadt T genehmigte Nutzungen, für von der Stadt T konzessionierte Werbeträger sowie für bauaufsichtsrechtlich genehmigte Werbeanlagen. Solche Werbeanlagen dürfen jedoch in der äußeren Gestaltung nicht derart vernachlässigt werden, dass sie verunstaltet wirken.“

Gegen das vorgenannte Urteil richtetsich die Rechtsbeschwerde des Betroffenen, mit der die Verletzung materiellen Rechts gerügt wird.

II.
Die Sache ist gemäß § 80a Abs. 3 S. 1 OWiG zur Fortbildung des Rechts auf den Bußgeldsenat in der Besetzung mit drei Richtern übertragen worden, da die Frage, ob bzw. inwieweit durch eine ordnungsbehördliche Verordnung der Gemeinde das Anbringen von Werbeplakaten auf privatem Grund, auch wenn es im Einverständnis mit dem Eigentümer bzw. dem sonstigen Nutzungsberechtigten erfolgt, im Angrenzungsbereich zu den Verkehrsflächen und Anlagen untersagt werden kann, der Klärung bedarf.

Bei dieser Entscheidung handelt es sich um eine solche der zuständigen Einzelrichterin.

III.
Die zulässige Rechtsbeschwerde erweist sich als unbegründet.

Die getroffenen Feststellungen tragen den Schuld- und Rechtsfolgenausspruch.

Das Amtsgericht ist zu Recht von einem vorsätzlichen Verstoß des Betroffenen gegen § 4 Abs. 1 der ordnungsbehördlichen Verordnung über die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung in der Stadt T vom 28.11.2001, zuletzt geändert durch Verordnung vom 14.11.2007, (im Folgenden: OBV) ausgegangen, der gemäß § 14 Abs. 1 Nr. 5 OVB bußgeldbewehrt ist. Die Höhe der verhängten Geldbuße ist nachvollziehbar begründet und nicht zu beanstanden.

1. ie vorgenannte Verordnung der Stadt T basiert auf den §§ 1, 27 und 31 des Gesetzes über Aufbau und Befugnisse der Ordnungsbehörden (OBG NRW) in der Fassung der Bekanntmachung vom 13.05.1980 und unter Berücksichtigung der Änderung durch Art. 73 des Gesetzes vom 05.04.2005 (GV. NRW. S. 274) und beruht daher, auch soweit sie in § 14 Bußgeldandrohungen enthält, auf einer wirksamen Ermächtigungsgrundlage zum Erlass einer ordnungsbehördlichen Verordnung.
2. Jedenfalls für den nach den Urteilsfeststellungen gegebenen Fall des Plakatierens zu Werbezwecken an Zäunen auf privatem Grund steht der Wirksamkeit der Regelung des § 4 Abs. 1 OBV weder § 18 StrWG NRW als abschließende spezialgesetzliche Regelung noch die Bauordnung NRW als Rechtsverordnung einer höheren Behörde gemäß § 28 OBG NRW entgegen.

a) Das Bauordnungsrecht regelt Anlagen der Außenwerbung gemäß § 13 Abs. 1 S. 1 BauO NRW, soweit es sich um ortsfeste Einrichtungen handelt. Eine Einrichtung muss zwar nicht untrennbar mit einem Gebäude oder dem Erdboden verbunden sein, um örtlich gebunden zu sein. Ausreichend ist auch eine Verbindung von gewisser Dauer, die jedenfalls ab einem Zeitraum von mehreren Monaten anzunehmen ist (vgl. VG Gelsenkirchen, Urteil vom 24.06.2015 – 9 K 1286/11 – m.w.N., u.a. unter Bezugnahme auf Johlen in Gädtke/Czepuck/Johlen/Plietz/Wenzel, BauO NRW, 12. Aufl., § 13 Rdnr. 83, der einen Zeitraum von mehr als 3 Monaten als ausreichend erachtet).

Diese Voraussetzungen treffen jedenfalls auf Plakate, die in der Regel nur kurzfristig zu Werbezwecken aufgehängt werden, nicht zu.

b) Eine erlaubnispflichtige öffentlich-rechtliche Sondernutzung der Straße im Sinne des § 18 StrWG NRW stellt die Anbringung von Plakaten nur dann dar, wenn hierdurch der Gemeingebrauch beeinträchtigt wird. Dies ist bei Werbetafeln dann der Fall, wenn das Plakat in die dem Verkehr dienenden Flächen (Geh-, Radweg, Fahrbahn) oder in den darüber liegenden Luftraum hineinragt (vgl. OVG Münster, Beschluss vom 14.02.2000 – 11 A 3887/96 –, BeckRS 2005, 24636). Dies war nach den Urteilsfeststellungen bezüglich der im Auftrag des Betroffenen angebrachten Plakate aber nicht der Fall. Allein die optische und psychische Ausstrahlung eines - wie hier - auf privatem Grund und Boden befindlichen Werbeplakats auf die Benutzer des öffentlichen Verkehrsraums begründet noch keine Sondernutzung (vgl. Hessischer VGH, Beschluss vom 24.02.1998 - 5 N 3469/94 -, juris).

c) Da das Amtsgericht in dem angefochtenen Urteil ausschließlich eine Entscheidung über den Vorwurf der Anbringung von Plakaten im Zeitraum zwischen dem 16.01.2014 und 17.02.2014 jeweils an einem Zaun unmittelbar am öffentlichen Gehweg der öffentlichen Straße im Stadtgebiet der Stadt Tgetroffen hat, in den Urteilsgründen - auch nur insoweit - jeweils konkret der Standort der Zäune bezeichnet wird, die sich nach den weiteren Ausführungen in den Urteilsgründen jeweils auf Privatgrundstücken befanden, von deren Eigentümern der Betroffene zuvor die erforderliche privatrechtliche Zustimmung eingeholt hatte, und der Betroffene auch ausschließlich wegen vorsätzlicher Zuwiderhandlung zwischen dem 16.01.2014 und 17.02.2014 gegen das Verbot, ohne Erlaubnis Veranstaltungshinweise und sonstiges Werbematerial an den im Angrenzungsbereich zu den Verkehrsflächen gelegenen Einfriedungen, Hauswänden und sonstigen Einrichtungen innerhalb des Stadtgebietes der Stadt T anzubringen, verurteilt worden ist, ist über den Vorwurf der Anbringung von Plakaten im öffentlichen Straßenraum, der Gegenstand des - ebenfalls verfahrensgegenständlichen - Bußgeldbescheides der Stadt T vom 26.03.2914 war, ersichtlich keine Entscheidung erfolgt. Angesichts dessen bedarf es im vorliegenden Verfahren auch keiner Entscheidung des Senats darüber, ob und gegebenenfalls inwieweit gegenüber § 4 Abs. 1 OBV, soweit sich diese Regelung auch auf den öffentlichen Straßenraum bezieht, § 18 StrWG NRW möglicherweise eine abschließende spezialgesetzliche Regelung darstellt, wenn Werbeplakate den Gemeingebrauch an öffentlichen Straßen im Sinne des § 2 StrWG NRW beeinträchtigen, oder ob gegebenenfalls ein darüber hinausgehender Regelungsbereich oder ein solcher mit einer anders gelagerten Schutzrichtung verbleibt, der Raum für eine entsprechende Regelung durch eine ordnungsbehördliche Verordnung lässt.

3. § 4 Abs. 1 OBV ist auch hinreichend bestimmt, soweit er die Anbringung von Werbematerial an den im Angrenzungsbereich zu den Verkehrsflächen und Anlagen gelegenen Einfriedungen, Hauswänden und sonstigen Einrichtungen und Gegenständen verbietet. Zwar wird nicht konkret angegeben, welche Fläche als Angrenzungsbereich angesehen wird. Als im Angrenzungsbereich gelegen sind aber zumindest diejenigen Einfriedungen, Hauswände und sonstigen Einrichtungen und Gegenstände anzusehen, die unmittelbar an der Grenze zu den Verkehrsflächen und Anlagen stehen bzw. errichtet worden sind. Der in der Verordnung verwendete Begriff der „Anlage“ ist entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde in § 1 Abs. 2 OBV hinreichend bestimmt. Anlagen im Sinne der Verordnung sind danach ohne Rücksicht auf die Eigentumsverhältnisse insbesondere alle der Allgemeinheit zur Nutzung zu Verfügung stehenden bestimmungsgemäß zugängliche Grün-, Erholungs-, Spiel- und Sportflächen, Waldungen, Gärten, Parks, Friedhöfe sowie die Ufer und Böschungen von Gewässern; Ruhebänke, Toiletten-, Kinderspiel- und Sporteinrichtungen, Denkmäler und unter Denkmalschutz stehenden Baulichkeiten, Kunstgegenstände, Anschlagtafeln, Verkehrszeichen, Verkehrseinrichtungen und Hinweisschilder, Beleuchtung-, Ver- und Entsorgungs- sowie Sicherungseinrichtungen.

4. Die Bestimmung des § 4 Abs. 1 der auf §§ 1, 27 und 31 OBG NRW gestützten OBV der Stadt T dient auch materiell-rechtlich der Abwehr (abstrakter) Gefahren für die öffentliche Ordnung im Stadtgebiet T. Zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung gehört auch, dass ein Stadtbild nicht durch so genanntes wildes Plakatieren verschandelt oder verschmutzt wird (vgl. BVerwG, NJW 1975, 1289, betreffend das Plakatieren im Wahlkampf). Darüber hinaus weist das Amtsgericht in der angefochtenen Entscheidung zu Recht darauf hin, dass bei einem auffälligen Plakatieren an besonders frequentierten öffentlichen Straßen auch die Gefahr einer Ablenkung der Verkehrsteilnehmer besteht, die eine Störung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung darstellt. Diese Gefahren bestehen ebenfalls bei einem übermäßigen Plakatieren unmittelbar an öffentlichen Straßen und Anlagen. Angesichts dessen ist es auch nicht zu beanstanden, dass durch § 4 Abs. 1 OBV das Plakatieren an Einfriedungen und Hauswänden und sonstigen Einrichtungen und Gegenständen im Angrenzungsbereich zu den Verkehrsflächen und Anlagen verboten ist, auch wenn es sich insoweit um privaten Grund bzw. Flächen im Privateigentum handelt. Hierbei ist insbesondere auch zu berücksichtigen, dass diese Form der Außenwerbung, jedenfalls soweit es sich um Fremdwerbung handelt, in der Regel gewählt wird, um sich die Bemühungen um die Einholung einer Sondernutzungserlaubnis zu ersparen und/oder um die Zahlung von Gebühren für die Benutzung bereits genehmigter Werbeanlagen der Gemeinde zu vermeiden, gleichwohl aber den öffentlichen Verkehrsraum zu Werbezwecken benutzen zu können (vgl. OVG Münster, Beschluss vom 14.02.2000 – 11 A 3887/96 –, BeckRS 2005, 24636, wonach dem erkennenden Senat des OVG Münster aus einer Vielzahl anderer Fälle und aufgrund der allgemeinen Lebenserfahrung bekannt ist, dass gerade Unternehmen der Werbewirtschaft zum Anbringen ihrer großflächigen Werbeträger aus Kostengründen vorwiegend im Privateigentum stehende Befestigungsflächen anmieten und dass die Werbestandorte - um den mit der Werbung beabsichtigten Zweck zu erzielen - direkt an öffentliche Verkehrsflächen grenzen oder jedenfalls in unmittelbarer Nähe hierzu liegen).

5. Das den Angrenzungsbereich zu den Verkehrsflächen und Anlagen betreffende Verbot der Anbringung von Werbematerial ist auch nicht deshalb als unverhältnismäßig anzusehen, weil sich dieses Verbot auf das gesamte Stadtgebiet bezieht. Denn das Amtsgericht weist insofern zutreffend darauf hin, dass für eine Werbetätigkeit genügend weitere Möglichkeiten der Werbung bestehen, und zwar innerhalb von Geschäften (Schaufenster), auf privaten Grundstücken bei Anbringung der Werbung außerhalb des Angrenzungsbereichs, und auch im öffentlichen Raum, soweit diesbezüglich eine besondere Genehmigung, z.B. gemäß § 2 Abs. 1 BauO NRW erteilt worden ist, sowie durch Benutzung ortsfesten Anlagen, die innerhalb des Stadtgebiets von der Firma T betrieben werden, und die diese jeweils sind an Interessenten weitervermietet. Für Werbeanlagen von Geschäftsanliegern an der Stätte der Leistung sieht die aufgrund der §§ 18, 19 und 19a des Straßen-und Wegegesetzes des Landes Nordrhein-Westfalen (StrWG NW) in der Fassung der Bekanntmachung vom 23.09.1995 (GV NW S. 1028/SGV NW 91), des § 8 des Bundesfernstraßengesetzes (FStrG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 08.08.1990 (BGBl. I S.1714) und des § 7 der Gemeindeordnung für das Land Nordrhein-Westfalen (GO NW) in der Fassung der Bekanntmachung vom 14.07.1994 GV NW S. 666/SVG NW 2023), zuletzt geändert durch Gesetz vom 09.11.1999 (GV NW S. 590), am 20.12.2000 beschlossene Satzung der Stadt T über Erlaubnisse und Gebühren für Sondernutzungen an öffentlichen Straßen - Sondernutzungssatzung - zudem erlaubnisfreie Sondernutzungen bzw. die Freistellung von der Erlaubnispflicht vor. So ist in § 4 Nr. 2 der vorgenannten Satzung bestimmt, dass u. a. bauaufsichtlich genehmigungspflichtige und genehmigungsfreie Werbeanlagen für Geschäftsanlieger an der Stätte der Leistung, die vorübergehend (tage-/stundenweise während der Ladenöffnungszeiten) ohne feste Verbindung mit einer baulichen Anlage oder dem Boden im Gehwegbereich bei Straßen mit separater Fahrbahn und Hochbordgehweg aufgestellt werden und nicht mehr als 0,30 m in den Gehweg hineinragen sowie mindestens 1,25 m vom Fahrbahnrand entfernt sind, sofern hierdurch der Gemeingebrauch nicht wesentlich beeinträchtigt wird, keiner Erlaubnis bedürfen, und ist in § 5 der Satzung ist die Möglichkeit einer Freistellung von der Erlaubnispflicht in Fußgängerbereichen und verkehrsberuhigten Bereichen ohne Gehweg auf Antrag u.a. vorgesehen in Bezug auf Werbeanlagen für Geschäftsanlieger an der Stätte der Leistung, die vorübergehend (tage-/stundenweise während der Ladenöffnungszeiten) ohne feste Verbindung mit einer baulichen Anlage oder dem Boden im Bereich der öffentlichen Verkehrsflächen in Fußgängerbereichen oder Gehweg aufgestellt werden, wenn hierdurch der Gemeingebrauch nicht wesentlich eingeschränkt wird.

Soweit schließlich mit der Rechtsbeschwerdebegründung auf die Entscheidung des Bayrischen Verfassungsgerichtshofs vom 23.01.2012 (–Vf. 18 – VII – 09, juris) verwiesen wird, ist anzumerken, dass diese keine ordnungsbehördliche Verordnung zur Abwehr abstrakter Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung zum Gegenstand hat, sondern eine Satzung betrifft, die auf Art. 81 Abs. 1 Nr. 2 BayBO als Ermächtigungsgrundlage gestützt ist. Hierdurch werden die Gemeinden ermächtigt, im eigenen Wirkungskreis örtliche Bauvorschriften als (Gestaltungs-)Satzung zu erlassen, und in diesem Rahmen Regelungen u.a über besondere Anforderungen an die äußere Gestaltung baulicher Anlagen zur Erhaltung und Gestaltung von Ortsbildern, über das Verbot der Errichtung von Werbeanlagen aus ortsgestalterischen Gründen zu treffen sowie sonstige Gestaltungsvorschriften zu erlassen. Eine entsprechende Satzungsermächtigungsgrundlage enthält § 86 BauO NRW. Örtliche Bauvorschriften in Form einer Satzung dienen der Ortsgestaltung durch die Gemeinde. Die für sie geltenden Regelungen können angesichts dieser Zielsetzung nicht ohne weiteres auf ordnungsbehördliche Verordnungen übertragen werden.

Das angefochtene Urteil hält daher einer rechtlichen Überprüfung stand, so dass die Rechtsbeschwerde als unbegründet zu verwerfen war.


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