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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 3 Ws 415/15 OLG Hamm

Leitsatz: 1. Je gewichtiger die Rechtsgüter sind, die bei einem möglichen Rückfall verletzt oder gefährdet würden, umso höher sind die Anforderungen an eine positive Legalprognose im Sinne des § 57 Abs. 1 StGB anzusetzen.
2. Bei einer Ausgangsverurteilung wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln (Amphetamin und Ecstasy) in nicht geringer Menge sind die durch einen möglichen Rückfall bedrohten Rechtsgüter - die Gesundheit des Einzelnen und der Bevölkerung im Ganzen sowie die Gestaltung des sozialen Zusammenlebens in einer Weise, die dieses von sozialschädlichen Wirkungen des Umgangs mit Drogen freihält, mit den Aspekten des Jugendschutzes, des Schutzes vor organisierter Kriminalität und der Gewährleistung der internationalen Zusammenarbeit bei der Suchtstoffkontrolle - in besonderem Maße schutzwürdig und von hohem Gewicht; die Anforderungen an die anzustellende Sozialprognose sind deshalb erhöht.

Senat: 3

Gegenstand: Beschwerdeg

Stichworte: Zwei-Drittel-Entlassung, Strafaussetzung, Bewährung

Normen: StGB 57

Beschluss:

Strafsache
In pp. hat der 3. Strafsenat des OLG Hamm am 12.11.2015 beschlossen:

Die sofortige Beschwerde wird als unbegründet verworfen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden dem Verurteilten auferlegt.

Gründe
I.
Durch den angefochtenen Beschluss hat die 18. Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Bielefeld nach Anhörung der Staatsanwaltschaft Hagen, des Leiters der Justizvollzugsanstalt C-T und nach mündlicher Anhörung des Verurteilten die Vollstreckung des noch nicht verbüßten Restes der gegen den Verurteilten durch Urteil des Amtsgerichts - Schöffengericht - Hagen vom 22. Mai 2012 in Verbindung mit dem Urteil des Landgerichts Hagen vom 29. Januar 2013 verhängten Gesamtfreiheitsstrafe von 2 Jahren und 6 Monaten nicht zur Bewährung ausgesetzt. Zwei Drittel dieser Strafe wird am 28. November 2015 verbüßt sein; das Strafende ist auf den 29. September 2016 notiert.

Gegen diesen Beschluss wendet sich Verurteilte mit seiner sofortigen Beschwerde vom 1. Oktober 2015.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die sofortige Beschwerde als unbegründet zu verwerfen.

II.
Die gemäß §§ 454 Abs. 3 StPO, 57 StGB statthafte und insgesamt zulässige sofortige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.

Das Ergebnis der gemäß § 57 Abs. 1 StGB durch die Strafvollstreckungskammer vorzunehmenden Gesamtwürdigung ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Gemäß § 57 Abs. 1 StGB kommt eine Aussetzung des Strafrestes nach Verbüßung von zwei Dritteln der verhängten Freiheitsstrafe nur dann in Betracht, wenn dies unter Berücksichtigung des Sicherheitsinteresses der Allgemeinheit verantwortet werden kann. Die nach § 57 Abs. 1 StGB zu treffende Prognoseentscheidung stellt im Gegensatz zu einer Prognoseentscheidung gemäß § 56 Abs. 1 StGB nicht auf die Erwartung ab, der Verurteilte werde ohne die Einwirkung - weiteren - Strafvollzugs keine Straftaten mehr begehen (vgl. BGH, Beschluss vom 25. April 2003 - 1 AR 266/03 -, NStZ-RR 2003, 200, 201). Maßgeblich ist insoweit vielmehr, ob eine Haftentlassung verantwortet werden kann, wobei eine Abwägung zwischen den zu erwartenden Wirkungen des bereits erlittenen Vollzugs und den Sicherheitsinteressen der Allgemeinheit erforderlich ist (vgl. BGH, a.a.O.; Fischer, StGB, 62. Auflage, § 57, Rdnr. 12). Je nach Schwere möglicher neuer Taten sind daher unterschiedliche Anforderungen an die Wahrscheinlichkeit der Legalbewährung zu stellen (vgl. Fischer, StGB, 62. Auflage, § 57, Rdnr. 12; BGH a.a.O.). Je gewichtiger die Rechtsgüter sind, die bei einem möglichen Rückfall verletzt oder gefährdet würden, umso höher sind die Anforderungen an eine positive Legalprognose im Sinne des § 57 Abs. 1 StGB anzusetzen (vgl. BGH, Beschluss vom 4. Oktober 2011 - StB 14/11, NStZ-RR 2012, 8; Fischer a.a.O.).

Unter Zugrundelegung dieser Erwägungen sowie nach einer Gesamtwürdigung der übrigen für die Prognoseentscheidung in § 57 Abs. 1 Satz 2 StGB genannten Kriterien kann dem Verurteilten keine positive Legalprognose in diesem Sinne gestellt werden, zumal verbleibende Zweifel an einer hinreichend günstigen Prognose zu Lasten des Verurteilten gehen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 30. April 2009 - 2 BvR 2009/08, NJW 2009, 1941, 1942).

Der Beschwerdeführer ist wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln (Amphetamin und Ecstasy) in nicht geringer Menge verurteilt worden. Die durch einen möglichen Rückfall bedrohten Rechtsgüter - die Gesundheit des Einzelnen und der Bevölkerung im Ganzen sowie die Gestaltung des sozialen Zusammenlebens in einer Weise, die dieses von sozialschädlichen Wirkungen des Umgangs mit Drogen freihält, mit den Aspekten des Jugendschutzes, des Schutzes vor Organisierter Kriminalität und der Gewährleistung der internationalen Zusammenarbeit bei der Suchtstoffkontrolle (vgl. Weber, BtMG, 4. Auflage, § 1, Rdnr. 3 m.w.N.) - sind in besonderem Maße schutzwürdig und von hohem Gewicht; die Anforderungen an die anzustellende Sozialprognose sind deshalb erhöht. Denn je höherwertige Rechtsgüter in Gefahr sind, desto geringer muss das Rückfallrisiko sein (vgl. BVerfG, Beschluss vom 30. April 2009 - 2 BvR 2009/08, NJW 2009, 1941, 1942).

Bei der vorgenommenen Gesamtabwägung streitet für eine positive Legalprognose lediglich sein durchweg beanstandungsfreies Vollzugsverhalten und die Aussicht auf Erlangung einer Arbeitsstelle. Der vorhandene soziale Empfangsraum - die Rückkehr zu Ehefrau und Kindern - kann daneben nur prognoseneutral gewertet werden. Denn auch bei Begehung der letzten Straftaten war er verheiratet und bereits Vater einer Tochter, was ihn nicht von der Begehung der zur Verurteilung führenden Straftaten abgehalten hat.

Zu seinen Lasten fällt demgegenüber ganz erheblich ins Gewicht, dass er bereits zuvor einschlägig strafrechtlich in Erscheinung getreten ist und ihn auch die Teilverbüßung einer Haftstrafe nicht von der Begehung der zur Verurteilung führenden Straftaten abgehalten hat, auch wenn er die nach der im Juli 2008 erfolgten bedingten Entlassung eingeräumte Bewährungschance letztlich gerade noch genutzt hat und die Strafreste kurz vor Begehung der neuen Taten mit Wirkung vom 12. August 2011 erlassen worden sind.

Gegen eine positive Legalprognose spricht zudem auch die ungeklärte finanzielle Situation des Verurteilten. Ausweislich der Stellungnahme der Justizvollzugsanstalt ist der Verurteilte verschuldet. Obwohl er deswegen angeblich noch vor Inhaftierung einen Rechtsanwalt eingeschaltet haben will, ist ihm die Höhe seiner Verbindlichkeiten offenbar unbekannt. Dies stellt gerade deswegen einen ungünstigen Umstand dar, weil er gegenüber der zuständigen Mitarbeiterin des Sozialdienstes angegeben hatte, dass Grund für die erneute Straffälligkeit finanzielle Schwierigkeiten gewesen seien.

Nach alledem kann eine Rückfallgefahr in alte Verhaltensmuster nicht mit der für eine bedingte Entlassung erforderlichen Sicherheit als zumindest wesentlich vermindert, wenn nicht ausgeschlossen angesehen werden. Die bedingte Entlassung des Verurteilten kann deshalb nicht verantwortet werden.

Soweit der Verurteilte in seiner Beschwerdebegründung auch auf die negativen Folgen seiner Haft auf seine Tochter L-A hinweist, hat er dies durch die Begehung der Straftaten selbst zu verantworten.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO.



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